Die vorliegende Arbeit betrachtet drei verschiedene Thematiken aus dem Arbeitsfeld der Jugendhilfe: Zum einen handelt es sich um die stationäre Erziehungshilfe nach § 34 SGB VIII, die als eine umfassende Leistung der Hilfen zur Erziehung Kindern und Jugendlichen vorübergehend oder dauerhaft einen Lebensort außerhalb ihrer Ursprungsfamilie bietet. Zum anderen wird das Konzept der Erlebnispädagogik im Hinblick auf die Zielgruppe junger Menschen im Allgemeinen sowie Anwendungsmöglichkeiten in der stationären Erziehungshilfe im Besonderen betrachtet. Schließlich wird als dritter Aspekt der Qualitätsbegriff einen Ausgangspunkt bilden, um die mögliche Verknüpfung der erstgenannten zu betrachten. Anstoß hierzu geben gesetzliche Neuerungen und Finanzierungsdebatten, welche öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe unter Druck setzen, ihr Handeln anhand prozesshaft entwickelter Qualitätsmerkmale zu legitimieren.
Um die Möglichkeiten von erlebnispädagogischen Angeboten in der stationären Erziehungshilfe unter dem Aspekt der Qualität betrachten zu können, werden in einem ersten theoriegeleiteten Teil wesentliche Merkmale der Heimerziehung als institutionelle Form der Erziehungshilfe (Kapitel 1) sowie zentrale Eigenschaften der Erlebnispädagogik (Kapitel 2) präzisiert. Hierbei finden der zuweilen konstatierte Zwangskontext in der Heimerziehung auf der einen Seite und das Freiwilligkeitsgebot als Handlungsmaxime der Erlebnispädagogik auf der anderen Seite besondere Berücksichtigung. Es ist zu betonen, dass im Rahmen dieser Arbeit der genannte Zwangskontext sich nicht etwa auf eine geschlossene Unterbringung bezieht, sondern viel mehr als Ausdruck für die strukturellen Einschränkungen steht, die ein institutionelles Aufwachsen für Kinder und Jugendliche mit sich bringt. Im Anschluss werden einige zentrale Aspekte der Debatten rund um den Qualitätsbegriff in der Sozialen Arbeit aufgegriffen, um die besonderen Herausforderungen eines jugendhilfespezifischen Qualitätsverständnisses darzulegen (Kapitel 3). Vor diesem Hintergrund folgt die Betrachtung zentraler Qualitätsmerkmale sowohl der stationären Erziehungshilfe als auch der Erlebnispädagogik.
Im vierten Kapitel wird ein Resümee aus den bisherigen Betrachtungen gezogen. Es erfolgt eine erste Einschätzung, inwiefern Kinder und Jugendliche in der stationären Erziehungshilfe von erlebnispädagogischen Angeboten profitieren können, aber auch, welche Schwierigkeiten diese Kombination unter den Gesichtspunkten der Qualitätsentwicklung mit sich bringt.
Nachdem das Thema theoretisch umrissen und abgegrenzt wurde, folgt ein praktischer Forschungsteil mit zwei verschiedenen methodischen Zugängen (Kapitel 5). Um eine erste Einschätzung der Relevanz von Erlebnispädagogik in der stationären Jugendhilfe vornehmen zu können sowie einen Eindruck über die verschiedenen Interpretationen des Begriffes zu erlangen, wurde eine Onlineumfrage an alle stationären Einrichtungen der Kreise Steinfurt, Coesfeld, Borken und Warendorf gerichtet. Darüber hinaus ermöglichen Fallstudien von vier Wohngruppen mit erlebnispädagogischem Angebot eine genauere Betrachtung der praktischen Umsetzung im Spannungsfeld zwischen Zwangskotext und Freiwilligkeitsgebot. Anhand von leitfadengestützten Interviews mit Fachkräften der Einrichtungen als auch Kindern und Jugendlichen konnten einige Merkmale erarbeitet werden, die für eine gelingende Umsetzung als wichtig erachtet werden und somit als Qualitätskriterien gelten können. Diese und weitere Ergebnisse aus der Praxisforschung werden im sechsten Kapitel dargestellt.
In einem abschließenden Fazit werden zentrale Aspekte dieser Arbeit noch einmal prägnant zusammen gefasst und eine bilanzierende Einschätzung zu der behandelten Thematik formuliert.
Der grundlegenden Ausrichtung als soziales Dienstleistungsrecht folgend werden im zweiten Kapitel des Achten Sozialgesetzbuches1 verschiedene ambulante, teilstationäre und stationäre Leistungen der Jugendhilfe beschrieben (vgl. Bürger 2001: 645). Der vierte Abschnitt umfasst unter anderem den Bereich „Hilfe zur Erziehung“. Hierbei handelt es sich um sozialpädagogische Hilfeleistungen beratender, begleitender oder betreuender Art in unterschiedlicher Intensität, für welche die Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt sind, „wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (§ 27 Absatz (A1 SGB VIII; vgl. Birtsch/Münstermann/Trede 2001: 9). Mögliche Formen der Hilfe zur Erziehung werden in den §§ 28 bis 35 genannt. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, so dass bei entsprechendem Bedarf und Notwendigkeit auch andere Ausgestaltungen möglich sind (vgl. § 27 Abs. 2 SGB VIII). Diese Orientierung am Einzelfall wird deutlich, wenn von Hilfen nach § 27 Abs. 2 gesprochen wird: Hierunter werden diejenigen Leistungen zusammengefasst, die in der gesetzlichen Aufzählung nicht explizit benannt sind.
Der Arbeitskreis Kinder- und Jugendstatistik Dortmund dokumentiert in seiner Veröffentlichung „Monitor Hilfen zur Erziehung 2012“ den kontinuierlichen Anstieg von Hilfen zur Erziehung in den letzten Jahren (vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2012: 6). Die stationären Hilfen nach §§ 27 Abs. 2, 33 (Vollzeitpflege) und 34 (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnformen) machen 2011 bundesweit rund 18 % der gewährten Hilfen zur Erziehung aus. Hierbei sind die Heimerziehung nach § 34 mit 9,8 % und die Vollzeitpflege mit 7,6 % vertreten, wogegen die stationären Hilfen nach § 27 Abs. 2 mit 0,4 % einen nur geringen Anteil ausmachen. Ausgehend von den Daten des Jahres 2000 als Basis ist die Inanspruchnahme stationärer Hilfen bis zum Jahr 2011 um 14 Indexpunkte auf 114 angestiegen (ebd.: 7). Dieser Anstieg ist zwar im Vergleich zu den ambulanten Hilfen vergleichsweise gering2, dennoch wird hier auch im Zusammenhang mit den Kinderschutzdebatten die weiterhin hohe Relevanz dieser Leistung deutlich. (vgl. ebd.: 9).
Im Folgenden soll ein Profil des stationären Leistungsbereiches erstellt werden, um Anforderungen an die pädagogische Arbeit sowie die organisationalen Rahmenbedingungen verdeutlichen zu können.
Der Begriff der stationären Erziehungshilfe bezeichnet diejenigen Leistungen der Hilfe zur Erziehung (§§ 27-35 SGB VIII), die außerhalb des Elternhauses verortet sind und dem Kind oder Jugendlichen in Abgrenzung zu den ambulanten Hilfen über einen begrenzten Zeitraum oder dauerhaft „Unterbringung, Betreuung und Erziehung […] über Tag und Nacht“ (Struck/Trenczek 2013: 366) bieten.
„Heimerziehung […] hat dabei vor allem zur Aufgabe, für Kinder und Jugendliche, die aufgrund sozialer, gesellschaftlicher und individueller Belastungen in ihren Familien benachteiligt oder nicht ausreichend in ihrer Entwicklung gefördert sind, einen alternativen Lebensort zur Verfügung zu stellen.“ (Hamberger 2002: 200)
Dies gestaltet sich in verschiedensten Formen aus: So stellt die Vollzeitpflege „Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete oder eine auf Dauer angelegte Lebensform“ zur Verfügung (§ 33 SGB VIII), während § 34 SGB VIII institutionalisierte Betreuungsvarianten unter dem Begriff der Heimerziehung sowie „sonstige betreute Wohnformen“3 zusammenfasst (vgl. Struck/Trenczek 2013: 366). Darüber hinaus ermöglicht § 27 Abs. 2 SGB VIII weitere dem Bedarf des Einzelfalles angepasste Hilfen. Zudem ist eine Fremdunterbringung auch auf Grundlage des § 41 SGB VIII für junge Volljährige sowie nach § 35a SGB VIII als Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche möglich. Im Rahmen dieser Arbeit werden die weiteren Ausführungen sich auf die Heimerziehung nach § 34 SGB VIII beziehen, da die durchgeführte Praxisforschung sich ebenfalls auf diese Formen der stationären Erziehungshilfe beschränkt.
In diesen alternativen Lebenszusammenhängen außerhalb der Herkunftsfamilie wird „das Alltagsleben mit den erforderlichen pädagogischen und therapeutischen Hilfen verbunden und zu einem ganzheitlichen Förderzusammenhang ausgestaltet“ (Nonninger 2011: 336). Gemeinsame Merkmale dieser „adressatengerecht differenzierte[n] Angebotspalette“ (ebd.: 338) sind die Ablösung der Familie als Bezugssystem und die Schaffung eines neuen Lebensmittelpunktes, der sich in der Regel im Zusammenleben einer Gruppe unter pädagogischer Begleitung und Unterstützung ausgestaltet. Die hohe Relevanz des Alltagserlebens beschreibt Nonninger (2011: 338) folgendermaßen:
„Nicht die dichte Folge spezieller therapeutischer „Anwendungen“, sondern die möglichst organische Integration der im Einzelfall erforderlichen pädagogischen und therapeutischen Unterstützung in den Alltagsablauf ist kennzeichnend für die Hilfe nach § 34.“
Die nähere Konzipierung im Bezug auf personelle Zusammensetzung, Gruppengröße, Betreuungsintensität sowie Angebotsform richtet sich nach dem individuellen Bedarf der Kinder und Jugendlichen (vgl. ebd.).
Mit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 1991 wurde eine gesetzliche Grundlage für wesentliche Veränderungen der lange Zeit auf Disziplinierung und Kontrolle ausgerichteten Anstaltserziehung geschaffen (vgl. Bürger 2001: 645). Neben einer fachlichen Ausrichtung „auf das Konzept einer alltags- und lebensweltorientierten4 Pädagogik“ (Bürger 2001: 645) sowie einer Orientierung an der Gruppe auf der einen, am Individuum auf der anderen Seite (vgl. Stahlmann 2000: 78 ff.), wurden „Dezentralisierung5, Entspezialisierung6 und Flexibilisierung7 […] zu Schlüsselbegriffen einer sich wandelnden Heimerziehung“ (Struck/Trenczeck 2013: 368). Diese eher strukturellen Aspekte lassen sich noch um die Regionalisierung8 ergänzen (vgl. Stahlmann 2000: 75 f.). Sie spiegeln eine zunehmende Orientierung an der Individualität der Kinder und Jugendlichen wieder, sollen den institutionellen Charakter der Heimerziehung begrenzen und somit eine Beheimatung ermöglichen (vgl. Struck/Trenczek 2013: 358).
Macsenaere und Esser (2012: 75) sehen die Heimerziehung in besonderem Fokus der Fachdiskussion, „weil dieser Teil der Erziehungshilfe die weitesten historischen Wurzeln hat, die tiefsten Einschnitte in die Biografie der Betroffenen erzeugt und den umfassendsten pädagogischen Aufträgen gerecht werden soll.“
Grundsätzlich legt § 27 Abs. 1 SBG VIII die Personensorgeberechtigten als Anspruchsinhaber einer Hilfe zur Erziehung fest.9 Dieser Anspruch setzt drei Tatbestände voraus und grenzt somit die Zielgruppe ein:
In dieser sehr offenen und im Einzelfall zu entscheidenden Anspruchsformulierung wird bereits eine grundlegende Herausforderung deutlich: In der Sozialen Arbeit sind auf Grund der Komplexität von Lebensbiographien eindeutige Kausalzusammenhänge nicht vorauszusetzen, die Auswahl einer Hilfe ist immer eine vage Prognose. Somit wird die Hilfe als geeignet bezeichnet, „wenn sie dem Bedarfsprofil voraussichtlich entsprechen kann“ (Nonninger 211: 337). Darüber hinaus muss sie, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips,10 auch notwendig sein: Dies trifft zu, „wenn sie hinsichtlich ihres Umfangs und der Intensität, mit der sie in die elterliche Erziehung bzw. in die selbständige Lebensführung der jungen Volljährigen eingreift, auch erforderlich ist“ (ebd.). Dem hohen Eingriffscharakter einer Fremdunterbringung wird auch damit Rechnung getragen, dass die Festlegung des Anspruchs gemäß § 36 Abs. 2 SGB VIII im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte im Rahmen eines Hilfeplans gemeinsam mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder Jugendlichen erfolgen soll.
Der Notwendigkeit einer Unterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie liegen häufig prekäre familiäre Lebensbedingungen sozialer und materieller Art zu Grunde (vgl. Struck/Trenczek 2013: 369). Die Mehrzahl der Mädchen und Jungen haben Erfahrungen mit Vernachlässigung, Konflikten, Misshandlungen und weiteren negativen Geschehnissen11 gemacht und in diesem Zusammenhang häufig Verhaltensauffälligkeiten entwickelt (vgl. Hartwig/Kanz/Schone 2010: 19; Hamberger 2002: 208 ff.). Somit reagiert die stationäre Erziehungshilfe auf ein breites Spektrum an Problemlagen und steht in der Herausforderung, angemessene Hilfeleistungen den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entsprechend zur Verfügung zu stellen. Eine Altersgruppe ist gesetzlich nicht näher eingeschränkt: Unter die in § 36 SGB VIII verwendete Bezeichnung „Kinder und Jugendliche“ fallen alle Minderjährigen unter 18 Jahren.12 Statistiken belegen jedoch eine Zunahme der Inanspruchnahme von Fremdunterbringungen13 mit höherem Alter, am stärksten präsentiert ist demnach die Gruppe der 14 bis 18-Jährigen (vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2012: 11 f.).
Die Fremdunterbringung nach § 34 SGB VIII verfolgt drei mögliche Perspektiven:
Als zusätzliche Aufgabe wird die Beratung und Unterstützung Jugendlicher „in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung“ (§ 34 SGB VIII) genannt. Welche Perspektive im Einzelfall den Verlauf und die Ausgestaltung der Hilfe bestimmt, „wird abhängig gemacht vom Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen sowie von den Prognosen für die Verbesserung der Erziehungsmöglichkeiten in der Herkunftsfamilie“ (Nonninger 2011: 336). Diese Orientierung verdeutlicht auch, dass sich die Perspektive der Förderung, je nach Entwicklung der jungen Menschen als auch ihrer Herkunftsfamilien, im Verlaufe der Leistungserbringung verändern kann. Eine laufende Überprüfung der Ausrichtung im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 ist daher Voraussetzung für eine passende Unterstützung (vgl. ebd. 339). Diesen Anspruch der individuellen und prozesshaften Angebotsanpassung greift auch der Begriff der Flexibilisierung auf:
„Die Institution muss […] in der Lage sein, sich mit den verändernden Lebens- und Problemlagen der Klientel ebenfalls zu verändern. […] Sie muss sich den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen anpassen und nicht umgekehrt.“ (Stahlmann 2000: 77)
Wie genau die „Hilfe für emotionale, psychosoziale, kognitive und körperliche Entwicklung“ (Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW e.V. 2007: 36) im Rahmen der unterschiedlichen Perspektiven ausgestaltet wird, ist gesetzlich nicht festgelegt. Die „Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten“ (§ 34 SGBVIII) hält eine umfassende Palette an individuell angepassten Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten bereit. Den höchst unterschiedlichen Bedürfnissen der Zielgruppe wird mit einzelfallbezogener Zielplanung und daraus resultierenden differenzierten Einrichtungsformen begegnet. Hierbei sollen auch ihre „wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnisse zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln“ (Struck/Trenczek 2013: 368) Berücksichtigung finden.
Als ein grundlegendes Ziel kann die Schaffung eines sicheren Ortes gelten, innerhalb dessen die jungen Menschen, vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Biographie, eigene Perspektiven für ihr Leben entwickeln können (vgl. Macsenaere/Esser 2012: 25). Hierbei werden sie von professionellen Erzieherinnen und Erziehern unterstützt (vgl. Stahlmann 2000: 15). Zu diesem Konzept gehört insbesondere ein gemeinsames Alltagserleben: Verlässliche Regelmäßigkeit, Vertrautheit und Überschaubarkeit sowie die Einbindung der Kinder und Jugendlichen in Routinen sollen durch praktische Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten Selbstgewissheit und Anerkennung vermitteln (vgl. Nonninger 2011: 338; Stahlmann 2000: 79). Im Hinblick auf die häufig ambivalenten, belastenden oder auch ablehnenden Beziehungsverhältnisse (vgl. Hamberger 2002: 209 f.), mit denen die jungen Menschen in ihrer Familie konfrontiert waren und sind, gewinnt die Beziehungsarbeit in der stationären Erziehungshilfe eine besondere Bedeutung. Üblich ist hier die Etablierung eines Bezugsbetreuersystems, welches individuelle Betreuung und die Übernahme „einer umfassenden ´Fallverantwortung´“ (Hartwig/Kanz/Schone 2010: 113; 129) und somit einen festen Ansprechpartner für alle Beteiligten sicherstellen soll. Umstritten ist hingegen die Frage, ob es möglich und sinnvoll ist, eine Bindung zwischen Kindern und Fachkräften aufzubauen,14 welche die vorangehenden Erfahrungen korrigieren soll (vgl. Macsenare/Esser 2012:78 f.). Da das Bindungssystem jedoch eine wichtige Rolle für die Fähigkeit, Vertrauensbeziehungen aufzubauen, einnimmt, zudem Schutz und Sicherheit bietet und somit eine Grundlage „zur kompetenten Auseinandersetzung mit der inneren und äußeren Welt“ (ebd.: 39) darstellt, gehört ein verlässliches und exklusives Beziehungsangebot zu den wichtigen Aufgaben von Heimerziehung (vgl. Hartwig/Kanz/Schone 2010: 116 f.). Neben der Beziehung zu Fachkräften bietet das Zusammenleben in der Gruppe den jungen Menschen „Raum für neue Beziehungserfahrungen als Alternative zu den von ihnen häufig als problematisch oder gar bedrohlich erfahrenen Familienstrukturen“ (ebd.: 127). Hier können Anerkennung, Akzeptanz und Zugehörigkeit erfahren als auch Identitäts- und Rollenfindung ermöglicht werden. Die Gruppe dient „als Erprobungs- und Entwicklungsraum für eine Vielzahl an Kompetenzen“ sowie „zur Herausbildung eines angemessenen Sozialverhaltens“ (ebd.: 128).