Meinen Enkelinnen und Enkeln
gewidmet
Lena, Annika, Martin, Ann-Michelle, Tiane, Tobias, Vivian,
Michaela
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer. Es war finster auf der Tiefe und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. So lauten die beiden ersten Verse im ersten Kapitel des ersten Buches Mose im Alten Testament der Bibel. Im 27. Vers desselben Kapitels (Mose 1) heißt es: Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf einen Mann und ein Weib. Die ersten 11 Kapitel des 1. Buch Moses sind in der Bibelausgabe, aus der dieser Text übernommen ist, mit „Urgeschichte der Menschheit“ überschrieben.
In der Schule hat mich das Buch „Die Geschichte der Natur“ von Carl Friedrich von Weizsäcker (1954) gefesselt. Darin sind 12 Vorlesungen enthalten, die der Physiker und Philosoph im Jahre 1946 in Göttingen gehalten hat. Nach einem gedanklichen Rückgang in die Geschichte der Erde beschreibt von Weizsäcker die räumliche und zeitliche Struktur des Kosmos. Er kommt später auf die Entstehung der Erde. Nach Ausführungen über das Leben und die Seele beschäftigt sich der Autor mit der äußeren und der inneren Geschichte des Menschen.
Beide Schriften beginnen mit der Entstehung der Welt, in der wir leben. Die Bibel äußert sich nicht, wann die Schöpfung stattgefunden hat. Nach von Weizsäcker liegt die Geburt des Kosmos etwa 5 Milliarden Jahre zurück. Nach neueren Erkenntnissen beträgt die Zeitspanne zwischen der Geburt des Kosmos und der Gegenwart aber 13,7 Milliarden Jahre (Lesch, Müller 2006). Die Erscheinung des Menschen auf der Erde liegt einige Millionen Jahre zurück. Nach der Bibel wurde der Mensch erschaffen. Im Biologieunterricht wird heute gelehrt, dass der heutige Mensch (Homo sapiens sapiens) an das Ende einer Entwicklung einzuordnen ist, die mit dem Übergang von toter zu lebender Materie begann.
Diese wenigen Gegenüberstellungen von Aussagen aus drei Schriften über a) die Urgeschichte der Menschheit (Bibel), b) über die Geschichte der Natur (von Weizsäcker) und c) über kosmologische Erscheinungen und Vorgänge (Lesch/Müller 2006) weisen auf folgende Fakten hin:
Nach Wikipedia „knüpft die biblische Schöpfungserzählung an Mythen in Israels antiker Umwelt an“. Für Juden und Christen ist die Schöpfungsgeschichte der Bibel Tora im Sinne einer verbindlichen Weisung Gottes an die Menschen. Mythen sind also zu Weisungen Gottes für die Menschen geworden. Trotz dieser Verbindlichkeit müssen wir die Aussagen der Bibel dem Glauben zuordnen. Bei von Weizsäcker und bei Lesch/Müller haben wir es weitgehend mit vorläufigen Erkenntnissen zu tun.
In dieser Gegenüberstellung von Aussagen aus drei Büchern steckt das Problem. Auf der einen Seite ist es mir eine Freude, mit meinen Enkeln naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu besprechen. Auf der anderen Seite wird der Nachwuchs mit Glaubenslehren aus den verschiedenen Religionsgemeinschaften konfrontiert, die mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht übereinstimmen. Bezüglich der Anfänge der drei Religionen semitischen Ursprungs liegen die mythischen Erzählungen nicht weit auseinander. Die verschiedenen Versionen von der Geschichte der Menschen nach Bibel und nach wissenschaftlich begründetem Biologieunterricht haben jedoch wenig gemeinsam.
Wenn z.B. im Biologielehrbuch (Linder 2005) der Stammbaum der Menschen dargestellt ist, dann stellt sich z.B. die Frage, wie der liebe Gott wohl aussieht. Laut Bibel ist der Mensch Gott zum Bilde geschaffen. Sieht Gott nun aus wie ein Australopithecus africanus, wie ein Homo neandertalensis oder wie ein Homo sapiens sapiens? Was müssen wir glauben, was ist dem Wissen zuzuordnen?
Wenn Jugendliche nach der Schule die Ausbildung fortsetzen, müssen sie im Allgemeinen die ganze Kraft in die Entwicklung zu einem Spezialisten stecken. Der Frage nachzugehen, wo komme ich her, wie ist das entstanden, was mich umgibt, bleibt wenig Zeit. Ansätze von Antworten sollte die Schule vermitteln. Etwas hat mir dazu damals das oben zitierte Buch über die Geschichte der Natur geholfen. Mein damaliger Biolehrer hat die Vorlesungen von C.W. von Weizsäcker noch gehört und versucht, uns Schülern davon etwas zu vermitteln.
Ein wenig möchte ich meinen Enkeln auch ein Gesprächspartner sein, wenn sie einen ähnlichen Wunsch haben, sich über die Geschichte der Natur zu informieren. Daher hat es mich gereizt, einiges davon zusammenzutragen, was Spezialisten darüber geschrieben haben. Seit von Weizsäcker sich dieser Aufgabe gewidmet hat, ist einiges an Erkenntnis hinzugekommen. In diesen Genuss, darüber Material zu sammeln, bin ich aber erst gekommen, nachdem das Leben mich von den beruflichen Pflichten eines Spezialisten entbunden hat.
Bezüglich Erkenntnisse stehen Naturwissenschaftler häufig in einem Konflikt mit denjenigen, die jedes Wort der Bibel glauben und wörtlich nehmen. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen Glauben und Wissen. Offensichtlich sind Mythen per menschlichem Gesetz zu göttlichen Weisung erhoben worden. Bezogen auf das angegebene Beispiel zur Menschwerdung stehen sich Kreationisten und Evolutionsbiologen unversöhnlich gegenüber. Die einen glauben, dass der erste Mensch von Gott geschaffen wurde, so wie wir ihn heute kennen. Die Naturwissenschaften geben uns eine andere Version von der Entstehung des Menschen. Sie ist u.a. in Stammbäumen dargestellt. Die Wurzeln dieser Bäume reichen tief in die Vergangenheit zurück.
Dieser Konflikt zwischen Glauben und Wissen ist nicht auf die westliche christliche Welt beschränkt. Er umfasst die Religionen semitischen Ursprungs (Judentum, Christentum, Islam) und auch den Hinduismus. Im Hinduismus wird z.B.davon ausgegangen, dass auf Erden periodische Lebenszyklen (Maha Yuga) ablaufen. Die Dauer einer solchen Periode wird von D. Rosenberg (1994) mit ca. 4,3 Millionen Jahre angegeben. Es gab keinen Anfang des Lebens, und es gibt kein Ende. Auch das widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie wir noch sehen werden.
Der Kosmos ist also nach gegenwärtigen Erkenntnissen vor 13,7 Milliarden Jahren geboren. Die Erde ist etwa 4,5 Milliarden Jahre alt. Zwischen der Geburt des Kosmos und der Entstehung der Erde liegt eine große zeitliche Spanne. Wenn also in der Bibel gesagt wird, dass Gott Himmel und Erde am Anfang geschaffen hat, so suggeriert das eine Gleichzeitigkeit. Sollte mit dem biblischen Himmel der Bereich gemeint sein, der gläubigen Menschen für die Ewigkeit in Aussicht gestellt wird, so erscheint die gleichzeitige Entstehung von Erde und Himmel noch merkwürdiger. Der Himmel hat nach der Bibel einen Anfang gehabt. Er wird aber nach den Religionen semitischen Ursprungs kein Ende haben.
Schauen wir also in die Zukunft. Der Brennstoff der leuchtenden Sterne besteht aus Wasserstoff. Die Fusion von diesem Element zu Helium ist für die außerordentlich hohe Temperaturen in den Sternen verantwortlich, die wir mit unseren Augen wahrnehmen können. Dazu gehört die Sonne, um welche die Erde kreist. Der Wasserstoff geht in überschaubarer Zeit zu Ende. Eine Tankstelle für weiteren Wasserstoff gibt es für die Sonne nicht. Unser Zentralgestirn und all die Sterne, in denen ebenfalls Wasserstoff zu Helium umgewandelt wird, werden erlöschen. Ein kalter Kosmos ist ein toter Kosmos. Er hat einen Anfang gehabt und wird ein Ende haben. Später werden wir noch eine zweite Version kennenlernen, die ein etwas anderes Ende des Universums erahnen lässt. Für einen ewigen Himmel ist nach diesen Erkenntnissen kein Platz im Kosmos, in dem wir leben.
In der Offenbarung des Johannes wird das Ende der Menschheit mit der Wiederkunft Jesu auf Erden in Verbindung gebracht. Es ist schwer vorstellbar, dass Hindus mit dieser Version einverstanden sind. Für einen Hindu ist ein Anfang und ein Ende des Kosmos und des Lebens nicht mit seinen Vorstellung von periodisch ablaufenden Lebenszyklen vereinbar. Wenn nun der Wunsch besteht, in dieser sich widersprechenden Welt des Glaubens ein tragbares Weltbild zu schaffen, ist eigentlich nur die Erkenntnis ein gangbarer Weg zu diesem Ziel (Monod 1988).
In den folgenden Gedankengängen wird versucht, auf zwei Wegen voranzukommen. Der eine Weg soll das Wissen über die Entwicklung des Universums vom Beginn an skizzieren und Annahmen über dessen Ende aufzeigen. Darüber gibt es zahlreiche Abhandlungen; auf einige wird verwiesen. In diese Entwicklung ist aber ein bemerkenswerter Vorgang eingebettet, der von der Entstehung der Bausteine der Materien bis zur Entwicklung von Leben auf Erden führt und weiter bis zu den Menschen, ihrer Kultur und ihrer Zivilisation.
Als Produkt des menschlichen Geistes wird hier seine Zivilisation angesehen. In der Welt der Psyche ist seine Kultur eingebettet. In der Kultur spielt die Religion eine besondere Rolle. Auf der einen Seite können die Religionen denen eine Lebenshilfe sein, die an ihre Lehren glauben. In den Religionen semitischen Ursprungs wird darüber hinaus noch denen ein besseres Leben nach ihrem Tod in Himmeln in Aussicht gestellt. In der hinduistischen Religion ermöglicht die Seelenwanderung einen Aufstieg in eine höhere Kaste mit besseren Lebensbedingungen. Auch diese Aussichten geben vielen Menschen Lebensmut, die in niederen Kasten vielfach in tiefer Armut leben. Von der höchsten Kaste ist dann der Übergang in eine transzendente Welt für immer möglich.
Neben diesen Hoffnungen, welche die religiösen Lehren geben, haben Glaubenskonflikte aber auch viel Leid über die Menschen gebracht. Zwischen Indien und Pakistan schwelt ständig ein Glaubenskampf, auf dem auf der einen Seite Hindus stehen auf der anderen Seite Moslems. In drei Kriegen hat dieser Konflikt zahllose Opfer gefordert. Der 2009 in Tibet ausgebrochene Aufstand der buddhistisch geprägten Einheimischen gegen die laizistischen Han-Chinesen ist ein weiteres Beispiele kultureller Kontroversen. Auseinandersetzungen zwischen katholischen und evangelisch-protestantischen Glaubensrichtungen haben Deutschland und einigen benachbarten Ländern einen Dreißigjährigen Krieg beschert mit z.T. grausamen Ausschreitungen der Landsknechte gegen die Zivilbevölkerung. Aus dieser Zeit datiert z.B. der Begriff Schwedentrunk. Menschen wurde Jauche eingeflößt. Nach dem Anschwellen des Magens und der Därme wurde auf den Leibern herum gesprungen, bis sie platzten und die misshandelten Opfer starben.
In Nordirland stehen sich Menschen katholischer und anglikanischer Glaubensrichtungen noch immer ziemlich unversöhnlich gegenüber. Osama Bin Laden hat in Afghanistan mit muslimischen Glaubensgenossen zuerst Krieg gegen die aus seiner Sicht ungläubigen Russen, dann gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten geführt. Im Süden des Sudan tobt seit Jahren ein erbitterter Kampf zwischen Christen und Moslems. Gleiches findet in Nigeria statt. Im Irak droht ein Bürgerkrieg zwischen Sunniten im Norden und Schiiten im Süden. Im Nahen Osten schwelt ein Konflikt zwischen dem Iran und Israel. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Eine Ursache für Konflikte zwischen den Völkern liegt in der Welt der menschlichen Psyche. Das Verharren auf kultureller Identität läuft auf Spannungen unter den Menschen hinaus. Huntington (1998) fordert, die kulturelle Identität der westlichen Welt mit Macht zu verteidigen. Die Kultur folgt der Macht ist sein Slogan. Dem gegenüber steht aber eine langsame Angleichung der Kulturen als Folge des weltweiten Informationsaustausches. Ein wesentlicher Grund dafür, dass sich verschiedene Kulturen gebildet haben, war die Isolation der Gruppen voneinander, in denen die Keime für die verschiedenen kulturellen Entwicklungen gelegt wurden. Diese Isolation entfällt in Zukunft aus dem genannten Grund.
Mit Blick nach vorn stellt sich die Frage, ob es zu einer globalen Kultur kommen kann, in der sich alle Menschen wiederfinden. Damit wäre ein wesentliches Konfliktpotential zwischen den heute existierenden Kulturen beseitigt. Die Antwort auf diese Frage führt auch zu den Religionen als wesentliche Fundamente bisheriger kultureller Identität. Halten die Grundlagen der Religionen noch den Erkenntnissen stand, welche die Menschen z.B. in den Naturwissenschaften gewonnen haben? Dieser Frage ist nachzugehen.
Der zweite Grund für Konflikte betrifft die Physis des Menschen. Wenn der Mensch sein Grundbedürfnis auf Nahrung nicht mehr befriedigen kann, setzt er sein Leben ein, um diesem Mangel abzuhelfen. Die biologische Evolution lehrt uns, dass diejenige Spezies im Kampf um das Überleben verliert, die den Umwelteinflüssen nicht mehr gewachsen ist. In der von Menschen gestalteten Umwelt findet z.B. eine gewaltige Umverteilung der Ressource Kapital statt. Hier gibt es Verlierer und Gewinner. Die Gründe dafür sind in der globalisierten Welt vielfältiger als sie Marx im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Industrialisierung Europas gesehen hat. Die gescheiterte kommunistische Variante zeigt, dass Gleichmacherei in einer Gesellschaft auch kein Weg ist, diesen Konflikt zu lösen. Darüber später mehr.
Monod (1988) bezweifelt, dass auf längere Sicht die bisher betrachteten Fundamente menschlichen Zusammenlebens ausreichen, um auch in die Zukunft hinein fruchtbar zu wirken. Er fordert, die zukünftige Entwicklung auf Fundamenten der Erkenntnis aufzubauen, nicht auf dem Glauben. Dieser Forderung steht ein Hindernis im Weg. Erkenntnisse werden in vielen Bereichen gesammelt, in denen der menschliche Geist tätig ist. Es wird immer schwieriger, sie so zu bündeln, dass sie verstanden werden und richtungsweisend wirken können. Es ist daher das Ziel dieser Schrift, einen roten Faden durch dieses Labyrinth von Erkenntnissen zu ziehen. Dabei geht es zurück zu den Anfängen der unbelebten Materie. Auf einer kleinen Insel im Universum, auf der wir uns befinden, ist daraus Leben entstanden. Am vorläufigen Ende dieser Entwicklung in der Biosphäre steht der vernunftbegabte Mensch. Er hat eine Zivilisation geschaffen, die seinem Intellekt entsprungen ist. Schließlich steht die Frage im Raum, wie es nun weiter gehen könnte.
Dazu ist zu überlegen, in welche Gesetzmäßigkeit diese Entwicklung eingebettet ist. In den Mittelpunkt dieser Betrachtung stelle ich den Begriff der Komplexität. Damit wird ein System nach folgenden Merkmalen charakterisiert:
Das sei an einem Beispiel erläutert. Ich erinnere mich an die Küche meiner Großeltern. Der Ausgangszustand wird auf das Jahr 1944 datiert. Ich sehe einen Herd, der mit Holz und Briketts beheizt wurde und eine Truhe, die das Heizungsmaterial enthielt. Sie diente mir häufig als Sitzgelegenheit, um z.B. die Zubereitung des Essens zu beobachten. Das Essgeschirr wurde nach Gebrauch in großen Blechschüsseln gereinigt. Das Spülwasser verschwand in ein steinernes Becken, das einen Abfluss zum Hinterhof hatte. Da versickerte das Wasser im Boden. Das Wasser kam aus einem Brunnen, aus dem es mittels einer Handpumpe in Eimer gefördert wurde. Diese Behälter hatten ihren Platz ebenfalls in der Küche. Wer durstig war, nahm eine Kelle, schöpfte das Wasser aus dem Eimer und trank aus der Kelle. Speisen waren in einer sogenannten Speisekammer aufbewahrt. Fleisch aus der eigenen Schlachtung musste vor der Lagerung zur Konservierung geräuchert, gepökelt oder in Dosen luftdicht verschlossen werden.
Hier sind verschiedene Elemente des Systems Küche aufgeführt worden. Ein Herd diente u.a. zur Raumheizung, zum Kochen von Speisen und zur Erwärmung von Wasser. Weitere Elemente wurden bereits genannt: Holzkiste, Blechschüssel, Kelle usw. Den Elementen dieser Küche waren bestimmte Orte zugeordnet. Eine einfache Verknüpfung zwischen der Truhe, in der Holz und Briketts gelagert wurden und dem Herd bestand darin, dass zum Kochen das Heizungsmaterial der Truhe entnommen und in den Ofen getan wurde. Andere Prozesse waren die Entnahme von Trinkwasser mittels einer Handpumpe aus einem Brunnen, die Beförderung des Wassers in Eimern zur Küche, das Erwärmen des Wassers zum Bereiten heißer Getränke, zum Abwaschen des Geschirrs, zum Wäschewaschen und zur Körperpflege. Die aufgezählten Elemente waren durch Prozesse untereinander verknüpft. Sie dienten letztlich dazu, die Familie mit Nahrung und Wärme zu versorgen.
Heute werden Speisen bei uns auf einem Induktionsherd gekocht, dem elektrischer Strom zugeführt wird. Das Wasser kommt aus einer Leitung, die mit eine zentralen Wasserversorgung verbunden ist. Das angelieferte Wasser. hat eine aufwendige Aufbereitung hinter sich. Abwasser wird über ein Leitungssystem einer Kläranlage zugeführt. Lebensmittel sind im Kühlschrank gelagert. Das gebrauchte Geschirr landet in einer Spülmaschine. Die Energie zum Betreiben dieser Anlage kommt als Strom aus der Steckdose. Kaffee wird in einer speziell dafür hergestellten Maschine zubereitet. Das heiße Wasser für den Tee kommt aus einem Gerät, in dem Wasser mit elektrischer Energie erhitzt wird. Kalte Speisen werden in der Mikrowelle erwärmt und die Pizza in einem separaten Backofen erhitzt.
Dieser Vergleich eines Systems zu zwei verschiedenen Zeiten zeigt eine Vermehrung der Elemente in dem System Küche. Der heutige Ofen hat andere Merkmale als der im Anfangszustand. Optisch sieht die Küche anders geordnet aus als früher. Es laufen Prozesse ab, die ebenfalls sehr verschieden sind zwischen den betrachteten Zeitpunkten. Die Einrichtung einer modernen Küche ist darüber hinaus teurer als die im Anfangszustand. Das ankommende Trinkwasser und das abgehende Abwasser müssen bezahlt werden wie der Strom für den Kühlschrank, die Spülmaschine, den Herd und viele andere Geräte. Dieser Hinweis soll nicht auf den gestiegenen Wohlstand aufmerksam machen sondern auf den vermehrten Energiebedarf für die Anschaffung und den Betrieb komplexerer Systeme. Elektrischer Strom wird zentral in Kraftwerken erzeugt, in denen u.a. chemische Energie in elektrische Energie umgewandelt wird. Windenergie, Solaranlagen und Kernkraftwerke tragen auch dazu bei, Strom zu erzeugen. Wenn wir also in der Küche Strom aus der Steckdose entnehmen, befindet sich hinter der Steckdose ein hochkomplexes System zur Erzeugung und zum Transport von elektrischem Strom, das mit Hilfe von Computern gesteuert werden muss. Die Küche ist ein Teil in einem größeren System mit vielen verschiedenen Elementen, die miteinander wechselwirken. Diese Wechselwirkungen implizieren zahlreiche Prozesse. Diese Prozesse benötigen Energie. Die Verfügbarkeit nutzbarer Energie wird ein weiterer Aspekt sein, der diskutiert werden muss.
Ein Blick etwa 40 000 Jahre zurück führt uns in die Welt der Neandertaler. Auch sie haben schon Speisen auf dem Feuer zubereitet. Als Brennstoff diente Holz wie bei meinen Großeltern. Nur Briketts kannten die Neandertaler noch nicht. Wasser schöpfte man damals aus Oberflächengewässern. Bei meinen Großeltern wurde Grundwasser genutzt, dass örtlich zur Verfügung stand. Auch die Neandertaler mussten sich an örtliche Ressourcen halten. Sie hausten nahe am Fluss oder an Seen. Die „Küche“ der Neandertaler unterschied sich von der meiner Großeltern nicht so sehr. Dieser kurze Vergleich soll auf die Beschleunigung hinweisen, mit der die Komplexität in der belebten Materie gewachsen ist. Sie hat in der menschlichen Gesellschaft in den vergangenen 70 Jahren schneller zugenommen als in den 40 000 Jahren davor. Auch darauf ist noch weiter einzugehen.
Die Vorgänge im Weltall und damit auch auf Erden sind einem ständigen Wandel unterworfen. Viele Biologen begrenzen den Begriff Evolution auf Vorgänge in der Biosphäre. Damit ist der Blick auf irdische Vorgänge fokussiert. Hier soll diese Sicht aber erweitert werden auf den gesamten Kosmos. Evolution heißt schlicht Entwicklung, und die hat mit der Geburt des Kosmos begonnen. Da haben in der Frühzeit physikalische Prozesse eine dominante Rolle gespielt. Diese Dominanz ist im Universum auch heute noch vorhanden. Wenn wir dann auf die Vereinigung von Atomen zu Molekülen kommen, verengt sich der Blick schon auf den Bereich, aus dem die Erde entstanden ist. Aus den Molekülen erwachsen dann Strukturen und Prozesse, die wir mit Leben bezeichnen. In der Abfolge sehen wir dann eine physikalische, eine chemische und eine biologische Evolution. Diese Entwicklung ist nach den gegenwärtigen Erkenntnissenerdgebunden.
In diesen aufeinander folgenden Phasen laufen einmal determinierte Prozesse ab. Die Schwerkraft hat z.B. elementare Bausteine der Materie zu Sternen zusammengefügt. Wenn in den sich bildenden Sternen eine bestimmte Temperatur erreicht wurde, begann die Fusion von Wasserstoff zu Helium. Die Sterne fingen an als Folge einer weiteren Temperaturerhöhung durch diese Fusion hell zu leuchten. Zum Anderen hat der Zufall eine große Rolle spielte. Zufällig sind sich Atome begegnet, die sich zu Molekülen zusammengeschlossen haben. In der biologischen Welt haben z.B. Höhenstrahlen in der Erbsubstanz eines Lebewesens ein Gen getroffen und seine Struktur verändert. Als Folge dieser Veränderung sind viele verschiedene Arten entstanden, denen wir auf der Erde begegnen. Monod (1988) hat dieses Problem in seinem Buch „Zufall und Notwendigkeit“ behandelt.
Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist dem gegenüber weitgehend geplant. Fernseher, Handys, Gebäude, etc. sind geplante Objekte des menschlichen Geistes. Mit der Planung schlägt das Pendel wieder zur determinierten Seite aus. Weiter ist zu beachten, dass der Geist schneller als der Zufall arbeitet. Daher hat die Vermehrung der Komplexität in der Zivilisation so viel Fahrt aufgenommen. Nach der biologischen Evolution stecken wir seit einigen Jahrtausenden in der vom Menschen gestalteten Entwicklung, in der anthropogenen Phase. Eine spannende Frage ist, wohin dieser Weg führen wird. Dazu hat u.a. Kaku (2012) einige Antworten gegeben, auf die später eingegangen wird.
Die kulturelle Entwicklung hinkt aus verschiedenen Gründen der zivilisatorischen hinterher. Noch vor einigen hundert Jahren war es in den von der Religion geprägten Kulturen ein Anliegen, dem verehrten Gott herrliche Bauwerke zu widmen. Erst kam der Glaube, dann die Leistungen des menschlichen Geistes mit diesen Bauwerken den Gott oder die Götter zu ehren.
Ein Kernkraftwerk ist auch ein Produkt des menschlichen Geistes. Erst gab es die wissenschaftliche Erkenntnis, dass mit der Spaltung des Urankerns Energie frei wird. Dann kam die Folgerung, dass damit Energie für eine komplexer werdende Zivilisation zur Verfügung gestellt werden kann. Ob die Umwandlung der im Uran schlummernden Energie in elektrischen Strom mehr Nutzen als Schaden oder umgekehrt für die Menschen bringt, ist eine Frage der Bewertung dieser Technik. Bewerten hat etwas mit Werten zu tun. Diese Grundwerte sind weitgehend in der menschlichen Psyche und damit in dem, was hier als Kultur bezeichnet wird, angesiedelt. Zuerst war hier das Produkt des menschlichen Geistes, das Kernkraftwerk. Dann kam die Kultur mit der Bewertung ins Spiel. In der Wechselwirkung zwischen Zivilisation und Kultur öffnet sich angesichts einer immer komplexer werdenden Zivilisation ein weites Schlachtfeld, auf dem glaubensbasierte und wissensbasierte Parteien sich gegenüber stehen. Dazu später mehr, wenn die Anthroposphäre in ihrer Entwicklung betrachtet wird.
Viele Arbeiten werden heute von Robotern durchgeführt. Ein Gang durch die Halle einer Autofabrik zeigt uns diesen Tatbestand. Die Vernichtung von Menschenleben durch den Beschuss aus unbemannten Drohnen macht uns z.B. darauf aufmerksam, dass auf zukünftigen Schlachtfeldern immer weniger Menschen aber immer mehr intelligente Maschinen agieren werden. Wenn es aber so ist, dass die Entwicklung von Robotern so weit geht, dass deren Intelligenz die des Menschen übertreffen wird, dann werden sie sich auch eines Tages selbst reproduzieren können. Selbstreproduktion und Energieaustausch mit der Umwelt sind nach dem heutigen Verständnis wesentliche Merkmale von Systemen, die wir mit Lebewesen bezeichnen. Die Welt, in der diese Kinder der Menschen auf der Erde und in den Weiten des Kosmos dominant werden, ist dann aber eine andere als die heutige. Moravec (1990) sieht z.B. eine post-biologische Evolutionsphase heraufziehen, in der künstliche Gebilde dominant werden. Nach meinem Verständnis wird in der vor uns liegenden Evolution der Geist über die Materie herrschen. Die herauf-ziehende Entwicklung wird daher die Phase des Intellekts sein, unabhängig davon, ob er in biologischer oder künstlicher Materie steckt. Die Zeit ist nicht mehr fern, in der solche Abhandlungen wie „Grenzen des Wachstums“ von Meadows et al. (1973) oder „The End of Progress“ von Maxton (2011) nur noch wenig Bedeutung haben. Die Entwicklung zu größerer Komplexität wird weiter gehen. Wie weit der Mensch daran beteiligt ist bleibt abzuwarten. Es wird also nachfolgend der Versuch unternommen, einen roten Faden vom Anbeginn des Kosmos bis hin zu dieser Phase der intellektuellen Evolution zu ziehen.
Steht man auf der Erde und blickt nach oben, wird landläufig gesagt, man schaut zum Himmel auf. Am Tag ziehen dort oben mal Wolken lang, mal ist blauer Himmel sichtbar. In der Nacht sehen wir am Himmel Sterne, wenn die Wolken sie nicht gerade verhüllen. Es hat sich nun langsam herumgesprochen, dass wir Menschen, die manchmal zum Himmel aufschauen, auf einem Planeten leben, der um die Sonne kreist. Neben der Erde gibt es 7 weitere Planeten auf Bahnen um die Sonne (Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun). Ob der Pluto und noch weitere Objekte zu diesen Planeten zählen, darüber wird noch gestritten. Dieses Sonnensystem ist in einem Verbund aus Sternen eingebettet, den man Galaxie nennt. Die Galaxie, in der unser Sonnensystem ein Teil ist, heißt Milchstraße. Gala ist das griechische Wort für Milch. Wenn wir auf Erden zum Nachthimmel aufschauen, und er ist frei von Wolken, dann sehen wir Sterne, die zu dieser Milchstraße gehören. Unser Blick zum Himmel ist ein Blick in die Sternenwelt der heimatlichen Galaxie.
Die Astronomen haben nun herausgefunden, dass es in der Milchstraße ca. einhundert Milliarden Sonnen gibt. Einige tausend davon können wir ohne optische Hilfsmittel sehen. Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens existieren in dem Teil des Kosmos, der der menschlichen Beobachtung mit den modernsten Geräten zugänglich ist, etwa einhundert Milliarden Galaxien. Die Erde, auf der wir leben, ist also nur ein verschwindend kleines Häufchen Materie in der Weite des Weltalls.
An dieser Stelle werde ich von meinem Enkel mit der Bemerkung unterbrochen, dass er sich unter einhundert Milliarden nur schwer etwas vorstellen kann. Meine Antwort lautet, dass auch die Astronomen damit Probleme haben. Sie helfen sich damit, dass sie die Nullen einer Zahl zählen und diese Zahl als Hochzahl an die Zehn hängen. Die Zahl einhundert Milliarden ist eine 1 mit 11 Nullen. Einhundert Milliarden entsprechen also 1011. Die Zahl 11 liegt in unserer Vorstellungswelt. Auf diese Weise holen wir die großen Zahlen, denen wir begegnen, wenn wir uns mit dem Kosmos beschäftigen, in unsere Vorstellungswelt.
Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, ist scheibenförmig ausgebildet. Wer ein etwas genaueres Bild haben möchte, klickt im Internet bei einer Suchmaschine den Begriff Milchstraße an. Dann erscheinen mehrere Bilder von diesem System. Der Durchmesser der Scheibe beträgt ca. einhunderttausend (10518178