Mein Dank geht an Peter Windsheimer für das Design des
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ISBN 978-3-7386-7329-6
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I. 1: Gott Hermes, der Herr der Vernunft und vernunftgemäßen Rede, ist nach alter, guter Überzeugung allen Priestern insgesamt gemeinsam; und auch der, der dem wahren Wissen über die Götter vorsteht, ist nur ein einziger und durchaus der gleiche. Auf ihn haben daher auch unsere Vorfahren das zurückgeführt, was ihre Weisheit ermittelte, indem sie ihre eigenen Schriften nach Hermes benannten.
Und wenn daher auch wir beide an diesem Gotte in entsprechender und unsern Kräften angemessener Weise Anteil haben, so handelst du richtig, indem du gewisse Fragen über die Lehre vom Wesen des Göttlichen den Priestern wie Freunden zur Beurteilung vorlegst, und ebenso auch ich, indem ich den von dir an meinen Schüler Anebo gesandten Brief als mir geschrieben ansehen und dir billigerweise alles das wahrheitsgemäß beantworten will, wonach du fragst. Denn es würde sich doch wohl kaum geziemen, dass zwar Pythagoras, Plato, Demokrit, Eudoxus und viele andere Griechen des Altertumes der gebührenden Belehrung von Seiten der zeitgenössischen Schriftgelehrten (Hierogrammaten) teilhaftig geworden sind, du aber, der du zu unserer Zeit lebst und von derselben Sinnesart bist wie sie, um die Anleitung durch die jetzt lebenden Lehrer kämest, die „allen gemeinsame Lehrer“ heißen.
In diesem Sinne will ich mich also der vorliegenden Erörterung zuwenden; du aber nimm an, wenn du willst, dass dir der wieder schreibt, dem du deinen Brief zugesendet hast; du kannst aber auch, wenn es dir notwendig erscheinen sollte, immerhin festhalten, dass ich es bin, der sich mit dir brieflich auseinandersetzt, oder sonst irgendein anderer ägyptischer Auslegepriester (Prophet), denn darauf kommt es ja gar nicht an. Oder noch besser, meine ich, ist es, du lässt den, der (zu dir in diesem Antwortschreiben) spricht, ganz aus dem Auge, mag er niedriger oder höher stehen), und achtest mir auf das, was vorgebracht wird, während du deine Aufmerksamkeit nur darauf richtest, ob das (hier) Vorgetragene wahr oder falsch ist.
Zunächst will ich die vorliegenden Probleme nach Zahl und Art ihrer Gattungen einteilen, dann behandeln, aus welchen Sätzen der göttlichen Lehre vom Wesen des Göttlichen sich die Schwierigkeiten ergaben, und dann endlich die Erkenntnissätze aufstellen, auf Grund derer sich diese Schwierigkeiten überprüfen lassen.
So machen gewisse (deiner Fragen) eine (genaue) Scheidung von übel Durcheinandergeworfenem notwendig, andere wieder beziehen sich auf das Prinzip, durch das alles Einzelne nicht nur existiert, sondern auch so, wie es existiert, erfasst werden kann (a priori gegebene Erkenntnisse, wie die angeborene Erkenntnis, dass es Götter gibt; vgl. unten I.3); andere aber, die hierin einen gewissen Gegensatz aufweisen, verlocken unser Urteil nach dieser wie nach jener Seite, und einige vollends machen geradezu eine gründliche Einführung in die Geheimlehre von meiner Seite notwendig (die nicht durch streng logisches Denken, sondern nur durch unmittelbare göttliche Offenbarung Einsicht in die letzten und höchsten Erkenntnisse vermittelt).
Als so geartet sind diese Probleme auch von vielen Orten und von verschiedenen Erkenntnisgebieten hergeholt. Denn einmal macht manches von der Lehre der chaldäischen Gelehrten (Theosophen) Schwierigkeiten, dann ruft wieder das Widerspruch hervor, was die ägyptischen Auslegepriester (Propheten) lehren, und auch einiges von der Erkenntnislehre der Philosophen wirft Fragen auf, die mit den philosophischen Theoremen zusammenhängen. Manches bringt ferner infolge von noch andern Anschauungen, die überhaupt keine Erwähnung verdienen, unschickliche Bedenken herein und manches endlich nimmt seinen Ausgang von (sogar) alltäglichen (hausbackenen) Mutmaßungen der Leute. Alles das ist schon an sich von mannigfaltiger Art und auch noch untereinander auf mannigfaltige Weise verquickt, so dass es aus allen diesen Gründen einer vernunftgemäßen Behandlung bedarf, die es in angemessener Weise in die rechte Richtung und Ordnung bringt.
I. 2: Ich nun will dir einerseits hinsichtlich der angestammten Dogmen der Assyrer die Lehre genau und wahrheitsgemäß mitteilen, andrerseits aber auch unsere eigenen (ägyptischen) Erkenntnisse in einleuchtender Weise enthüllen, indem ich manches auf Grund der zahllosen Schriften des hohen Altertumes vernunftgemäß überprüfe, manches aber auch auf Grund dessen, worin unsere Vorfahren ihr gesamtes Wissen vom Göttlichen in ein einziges in sich abgeschlossenes Werk zusammengezogen haben. Wenn du aber eine philosophische Frage vorlegst, werde ich dir auch diese auf Grund der alten Schriftsäulen des Hermes (Thoth) beantworten, durch deren Studium dereinst schon Plato und vor ihm Pythagoras die Philosophie (unter den Griechen) begründeten. Dabei werde ich die fremdartigen Probleme oder die, die spitzfindig-sophistisch sind und Anlass zu Zerwürfnissen bieten, entweder gelinde und artig zu mildern oder aber ihre Haltlosigkeit zu erweisen suchen.
Die Probleme, die sich nach den allgemein gültigen Begriffen entwickeln, werde ich auch in allgemein bekannter und ganz klarer Weise zu besprechen versuchen; die dagegen, die zu ihrem genauen Verständnis der Erfahrung in den göttlichen Dingen bedürfen, deren man aber nur durch das Walten der Vernunft teilhaftig werden kann, und die somit der vernunftgemäßen Betrachtungsweise voll sind, werde ich auf einen niedrigeren (leichter fassbaren) Standpunkt herabzuführen bestrebt sein; als beachtenswerte Kennzeichen (der Befähigung zu) dieser vernunftgemäßen Betrachtungsweise aber lassen sich die Erwägungen angeben, von denen aus du und die, die dir ähnlich sind, sich durch die reine Vernunftbetätigung mit der Wesenheit dessen, was (allein wahrhaft) existiert (d. h. des Göttlichen), beschäftigen können. Von all dem dagegen, was schon durch (bloße) Verstandesargumente erkennbar ist, will ich nichts zu einer erschöpfenden Beweisführung Nötige übergehen.
Bei der Behandlung aller dieser Dinge werde ich dir billigerweise stets die ihnen angemessene Methode (ihrer Erklärung) angedeihen lassen und das Theologische nach theologischer, das Theurgische nach theurgischer und das Philosophische nach philosophischer Methode beantworten und mit dir prüfen. Und alles, was davon bis zu den ersten Ursprungs-Prinzipien hinaufreicht, wollen wir zusammen durch die ersten Anfangsgründe begleiten und es so ans Licht bringen; was wieder über Gemüts-(Seelen-)zustände oder heilige Weihen bemerkt ward, werde ich notwendigerweise nach ethischen Gesichtspunkten entscheiden und ebenso auch alles übrige der Reihe nach in entsprechender Weise darlegen. So will ich mich denn endlich mit deinen Fragen befassen:
I. 3: Zuerst erklärst du, „zuzugeben, dass es Götter gibt.“ Das aber ist, so ausgedrückt, nicht richtig; denn die Erkenntnis, dass es Götter gibt, ist unserem (innersten) Wesen selbst von Natur eingepflanzt, ist über alle Kritik und jedes Urteil erhaben und steht vor jedem Vernunftbeweis. Denn sie ist von allem Anfang an eins mit dem ursächlichen (göttlichen) Ursprungsprinzipe unserer Seele und existiert zusammen mit dem auf das Gute (Göttliche) gerichteten Streben, das unserer Seele wesenhaft zukommt.
Dabei aber ist doch, wenn man die Wahrheit sagen soll, die Verbindung unserer Seele (als Emanation des Göttlichen) mit dem Göttlichen der Gotteserkenntnis nicht gleich; denn davon ist diese durch ihre Verschiedenheit von dem Wesen dessen, womit unsere Seele wesenhaft verbunden ist, geschieden. Bevor aber noch die Gotteserkenntnis als etwas vom Wesen der Gottheit Verschiedenes dieses von ihr selbst verschiedene Wesen (vernunftgemäß) begreift, existiert doch schon, von Natur aus selbst geworden und von ihr untrennbar, die Verbindung (unserer Seele) mit dem Göttlichen (im Gottesbewusstsein), da diese Verbindung von den Göttern selbst abhängt und in sich einheitlich ist (indem unsere Seele als Emanation aus dem Göttlichen mit diesem in einem einheitlichen Zusammenhange steht).
Man darf also nicht einräumen, die Verbindung (unserer Seele) mit dem Göttlichen (als ihrem Quell) lasse die Möglichkeit offen, die Erkenntnis, dass es Götter gibt, sowohl anzuerkennen als auch sie nicht anzuerkennen, ja nicht einmal, sie als strittig zu bezeichnen; denn jene Verbindung besteht immer einheitlich in ihrer Wirkung (die das Bewusstsein von der Existenz von Göttern bildet), und es geht daher nicht an, diese Verbindung so zu beurteilen, als hätten wir Menschen die Macht, das Gottesbewusstsein sowohl anzuerkennen als auch abzuleugnen. Vielmehr werden wir selbst von jener Verbindung mit dem Göttlichen ganz umschlossen gehalten, von ihr erfüllt und das Bewusstsein unserer eigenen Existenz besitzen wir nur im Gottesbewusstsein.
Den gleichen Satz aber mache ich dir gegenüber auch für die höheren Geschlechter geltend, die sich an die Götter anschließen, für die Dämonen, meine ich, die Heroen und die reinen (noch präexistenten oder schon endgültig geläuterten und daher schon wieder dauernd körperfreien) Seelen; denn auch bezüglich dieser (höheren Wesen) muss man immer von dem einen festumgrenzten Grundsatze, dass sie existieren, überzeugt sein, das Nichtfestumgrenzte und Unstete der menschlichen Anerkennung (und Verwerfung) aber beseitigen und auch das außer Acht lassen, was infolge der Überlegung einander gleichwertig gegenüberstehen und daher hierhin wie dorthin neigen kann. Solches ist nämlich mit den Prinzipien der Vernunft und des (wahren, göttlichen) Lebens völlig unvereinbar, hat aber auf das erst Sekundäre (Gewordene, auf jene primären, göttlichen Prinzipien Zurückgehende) und auf alles das Bezug, was dem Wirken und der widerspruchsvollen Gegensätzlichkeit der (erst sekundären) Schöpfung zukommt. Die höheren (primären) Wesen aber darf man nur in einheitlicher Weise erfassen.
Daher soll die uns angeborene Erfassung der ewigen Begleiter der Götter deren Wesen selbst entsprechen: Ebenso nämlich wie diese höheren Wesen über ihre Existenz in immer gleicher Weise verfügen, so erfasse sie auch die menschliche Seele immer in derselben Weise durch das (ihr angeborene) Bewusstsein (ihrer Existenz), strebe aber nicht darnach, durch Mutmaßung, gefasste Meinung oder Schluss, Dinge, die doch nur zeitlich sind, da sie in der Zeit ihren Ursprung nahmen, die Existenz ergründen zu wollen, die (als ungeworden und ewig) über all dem steht; das erstrebe unsere Seele vielmehr nur durch die reinen und untadeligen Bewusstseinsempfindungen allein, die sie aus der Ewigkeit von den Göttern empfing und durch die sie selbst mit jenen höheren Wesen verbunden ist!
Du aber scheinst zu glauben, dass die Erkenntnis des Göttlichen ebenso geartet ist wie die Erkenntnis alles andern und dass aus Entgegengesetztem sich immer das eine Glied ergeben müsse, wie es bei dialektischen Problemen zu geschehen pflegt; doch hat das mit unseren Problemen gar keine Ähnlichkeit. Denn die Erkenntnis (des Göttlichen) ist davon völlig verschieden, da aus ihr das Gesetz der Antithese ausgeschaltet ist. Unsere Erkenntnis (von der Existenz der göttlichen Dinge) beruht also nicht auf dem Gesetze der Einräumung in diesem Augenblicke oder auf dem der (logischen) Entwicklung, sondern existiert vielmehr einartig von Ewigkeit in unserer Seele und zusammen mit ihr.
Bezüglich der ersten Voraussetzung (für die Gotteserkenntnis) in uns selbst, von der jeder Mensch ausgehen muss, der was immer über die Geschlechter, die höher sind als wir, lehrt oder hört, sage ich dir also dies.
I. 4: Du fragst aber, „welche charakteristischen Merkmale jedem einzelnen der höheren Geschlechter zukommen, durch die sie voneinander geschieden werden.“ – Wenn du unter diesen charakteristischen Merkmalen Unterschiede verstehst, die innerhalb derselben Gattung entgegengesetzte Arten bilden wie bei der Gattung „Lebewesen“ die Arten „vernünftige Lebewesen“ und „unvernünftige Lebewesen“, dann kann ich Derartiges niemals bei Wesen gelten lassen, die weder eine einheitliche Gemeinsamkeit noch eine ausgleichende Gegensätzlichkeit ihrer Wesenheit aufweisen, noch ihre Zusammensetzung aus einem nichtumgrenzten (d. h. allen Artgenossen gemeinsamen) Gattungs- und einem (die einzelnen Artgenossen) abgrenzenden Artbegriff herholen. Nimmst du dagegen an, dass diese Wesen in ihren ersten wie auch in ihren folgenden Klassen zwar sowohl hinsichtlich ihrer gesamten Wesenheit wie auch in der Gattung voneinander durchaus verschieden sind, dass das (gemeinsam) Charakteristische an ihnen aber nur in einer bestimmten (in allen Klassen wechselseitig vorhandenen) einheitlichen und in sich geschlossenen Anordnung besteht, dann ist diese Auffassung von den unterscheidenden Merkmalen vernünftig. Denn die unterscheidenden Merkmale jener Wesen, die ewig existieren, müssen für sich bestehend, einheitlich und (von einander) in allem gesondert sein.
Du gehst aber bei deiner Fragestellung auch unsystematisch vor; denn es hätte nach der Art der charakteristischen Merkmale zunächst mit Rücksicht auf die Wesenheit der höheren Geschlechter gefragt werden sollen, dann erst mit Rücksicht auf ihre Energie und dann endlich auch mit Rücksicht auf ihre Wirkungsmöglichkeit; so aber, wie du jetzt nach den unterscheidenden Merkmalen fragtest, hast du nur von den charakteristischen Merkmalen bezüglich ihrer Wirkungsmöglichkeiten gesprochen. Mithin forschst du nur nach dem Unterschiede dieser Wesen in dem, was ihnen zuletzt zukommt, das aber, was das Erste und Wichtigste an ihnen ist, gewissermaßen die Elementargrundlage des unter ihnen bestehenden Unterschiedes, hast du ganz unerforscht beiseite gelassen.
Denn es kommt dort auch noch deine Bemerkung über die aktiven und passiven Regungen hinzu (denen die höheren Wesen unterworfen sein sollen), was aber eine Unterscheidung in sich begreift, die einer Differenzierung der höheren Geschlechter am allerwenigsten angemessen ist. Denn keines von ihnen schließt den Gegensatz von tun und leiden in sich, sondern ihre Wirkungsmöglichkeiten lassen sich vielmehr als davon unabhängig und nicht beeinflusst und als frei von der Beziehung auf das Gegenteil beobachten; aus diesem Grunde lassen wir bei solcherlei Wesen derartige Regungen, nämlich solche von Seiten eines Leidenden, überhaupt nicht gelten. Denn nicht einmal bei der Seele fassen wir ihre Eigenbewegung in der Weise auf, als setze sie sich aus einem Bewegenden und einem Bewegten zusammen, sondern wir betrachten diese ihre Eigenbewegung vielmehr als eine einheitliche, ihr wesenhafte Bewegung, die zu nichts Zweitem eine Beziehung hat, und nehmen an, dass sie davon losgelöst ist, auf sich (als Bewegendes) einzuwirken und (als Bewegtes) durch sich eine Einwirkung zu erfahren. Und da sollte man es geschehen lassen, dass jemand bei Wesen, die vollkommener als die Seele sind, ihre unterscheidenden Eigentümlichkeiten auf Grund von tätigen oder leidenden Regungen ermittelt?
Fremd ist ihrem Wesen ferner auch das, was du noch hinzusetzest, „oder ergeben sich ihre charakteristischen und unterscheidenden Merkmale etwa aus den Akzidenzien? – Bei allem nämlich, was zusammengesetzt ist, und bei allem, was zusammen mit etwas Zweitem oder in etwas Anderem existiert, und endlich auch bei allem, was von etwas Zweitem umschlossen ist, versteht man das eine als das Erste (Ursprüngliche, Prinzipielle), das andere aber als das Folgende (Zweite, Akzidenzielle) und das eine als das (ursprünglich und prinzipiell) Existierende, das andere aber als das zum Wesentlichen (Ersten) erst Hinzukommende (Akzidenz); denn hier liegt ja tatsächlich eine Zusammensetzung vor und (daher erfolgt auch wieder) ein Nichtmehrzusammenschließen (der Teile) und ein Zerfall (des so Zusammengesetzten in das Prinzipielle und das Akzidenzielle). Bei den höheren Geschlechtern dagegen lässt sich ihr aller Wesen nur als in ihrer Wesenheit allein existierend denken und alles Universelle existiert nur ursprünglich und nur prinzipiell; jedes höhere, universelle Wesen existiert nämlich selbständig für sich und hat seine Grundlage weder aus etwas Zweitem noch in etwas Zweitem. Weil es also bei diesen Klassen der höheren Wesen kein Akzidenz gibt, ist es auch nicht möglich, ihre Eigentümlichkeiten und Akzidenzien zu charakterisieren. Schließlich muss die Entscheidung dieser Frage auch noch von den Erfahrungen hergeholt werden, die wir bezüglich der (uns umgebenden sinnlich wahrnehmbaren) Natur besitzen; denn es wird doch gefragt, auf welche Weise sich die Wesenheiten (der höheren Geschlechter) aus ihren Wirkungsmöglichkeiten, physikalischen Regungen und Akzidenzien erkennen lassen. Damit verhält es sich aber gerade umgekehrt: Bildeten nämlich die Wirkungsmöglichkeiten und die Regungen die Grundlage für die Wesenheiten (der höheren Geschlechter), dann wären sie auch tatsächlich für die Differenzierung der Wesenheiten entscheidend; wenn aber (umgekehrt) die Wesenheiten (der höheren Geschlechter) ihre Wirkungsmöglichkeiten bedingen, indem jene schon vor diesen, von ihnen unabhängig, existieren, dann bilden die Wesenheiten die Grundlage für die Unterschiede in den Regungen, Wirkungsmöglichkeiten und Akzidenzien. Diese Erkenntnis aber steht in geradem Gegensatze zu deiner Auffassung von der Art und Weise, wie jene Eigentümlichkeiten zu ermitteln sind, nach denen jetzt gefragt wird.
Die Hauptsache indes ist, ob du annimmst, dass die Götter, Dämonen, Heroen und an sich körperlosen Seelen Angehörige nur einer einzigen Gattung (höherer Wesen) sind, und ob du so ihre Scheidung nach charakteristischen (nur artenbildenden) Merkmalen verlangst, oder ob du darunter eine Vielheit (wesensverschiedener Gattungen) verstehst. Siehst du nämlich in ihnen Angehörige nur einer einzigen Gattung, so wird dadurch die Grundlage der wissenschaftlichen Lehre vom Göttlichen völlig zunichte gemacht; sind sie aber, wie anzunehmen ist, nach Gattungsbegriffen voneinander abgegrenzt und gilt für sie keine gemeinsame Begriffsbestimmung ihrer Wesenheit, sondern ist vielmehr das Höherstehende vom Tieferstehenden geschieden, dann ist es auch nicht möglich, gemeinsame (gemeinschaftliche) Grenzen ausfindig zu machen; wäre das aber der Fall, dann hebt eben das ihre charakteristischen Eigentümlichkeiten (die ihnen tatsächlich zukommen und die ich unten besprechen werde) auf.
Auf diesem Wege also dürfte man das Gesuchte nicht ausfindig machen können. Wenn man aber für die höheren Wesen eine Identität gemäß eines Analogieverhältnisses (zwischen den Angehörigen der einzelnen wesensverschiedenen Gattungen) in Rechnung zieht, nämlich für die vielen Klassen innerhalb der Götter, dann wieder innerhalb der Dämonen und Heroen und endlich auch innerhalb der Seelen, dann dürfte man ihre charakteristischen Eigentümlichkeiten definieren können (wie ich das unter II. 3. tun werde).
Was also an der vorliegenden Frage richtig ist und inwieweit es unmöglich und möglich ist, sie zu entscheiden, sei hierdurch dargetan.
I. 5: Hierauf will ich mich (auch im Einzelnen) der Beantwortung dessen zuwenden, wonach du fragst: Das Gute existiert entweder außerhalb der Wesenheit oder in der Wesenheit selbst, doch nur in jener Wesenheit, meine ich, die die älteste (ursprünglichste), ehrwürdigste und an sich ganz unkörperhaft ist. Und dieses (in der Wesenheit selbst begründete Gute) ist das vorzüglichste Charakteristikum der Götter, und zwar innerhalb aller ihrer Klassen (wie der intellegiblen, Götter, der Himmels- und sichtbaren Gestirngötter), das ihre Einordnung und Stellung (innerhalb der Abfolge der höheren Geschlechter) aufrecht erhält und sich von ihrer Wesenheit überhaupt nicht trennen lässt, sondern in allen (Klassen der Götter) als dasselbe und in stets gleicher Weise vorhanden ist. Den Seelen dagegen, die, an sich ewig, schon über Leiber gebieten und der Sorge um sie vorstehen, sich aber noch vor der Geburt (in diesen irdischen Leibern) befinden, kommt das Gute nicht mehr wesenhaft zu und ebenso wenig auch das Prinzip des Guten, das (als das Göttliche) ursprünglicher ist als ihre Wesenheit; ihnen kommt vielmehr nur ein Anteilhaben am Guten (vom wesenhaft Guten, d. h. vom Göttlichen aus) zu und die bloße Fähigkeit (gut zu sein), jedoch in ganz anderer Weise, als wir etwa die Menschen am Schönen und an der Tugend (also am Guten) Anteil haben sehen. Denn das menschliche Anteilhaben daran ist zweifelhaft und kommt den Menschen als (aus Seele und Körper) zusammengesetzten Wesen nur als hinzugewonnen zu, während das Anteilhaben der (körperfreien präexistenten) Seelen am Guten in sie als unveränderlich und nie ausgehend eingepflanzt ist, sich niemals von sich selbst entfernt und auch durch nichts anderes (den körperfreien Seelen) genommen werden kann.
Während innerhalb der göttlichen Geschlechter das Anfangs- und das Endglied so beschaffen ist, denke dir zwischen diesen beiden äußersten Begrenzungsgliedern zunächst ein Mittelglied, das vollkommener geartet ist als die Klasse der Seelen, nämlich die (den Seelen unmittelbar) übergeordnete Klasse der Heroen, die die Seelen an Kraft und Tugend, an Schönheit und Größe und überhaupt an allen Gütern, die für die Seelen in Betracht kommen, weit übertrifft, dabei aber doch durch die gleichartige Verwandtschaft infolge des (irdischen, leiblichen) Lebens (der Heroen) mit den Seelen nachbarlich verbunden ist. Dann aber denke dir noch die Klasse der Dämonen, die zwar (unmittelbar) an die Götter angrenzt, dabei aber doch weit unvollkommener ist als sie und (den Göttern als Führern) Gefolgschaft leistet; denn da die Dämonen nicht erste Schöpfer (sondern selbst erst von den Göttern geschaffene schöpferische Energien) sind, folgen sie nur dienend dem guten Ratschlüsse der Götter, setzen ihre unsichtbare Güte sichtbarlich in Werke um, ähneln sich selbst dieser Güte und gleichen ihr eigenes schöpferisches Walten (das sie in der sinnlich wahrnehmbaren Natur betätigen) ebenfalls diesem (göttlichen) Guten an.
Sie machen nämlich das an sich unaussprechbare (göttliche) Gute aussprechbar, das nicht Gestaltete (Ideelle) lassen sie in Gestaltungen (innerhalb der sinnlich wahrnehmbaren Schöpfung) durchschimmern, das über jedes Begreifen Erhabene des göttlichen Guten führen sie zu klarer Begreifbarkeit herab, und indem sie jenen Anteil am Schönen (und Guten), der ihrer Natur angemessen ist (aus dem prinzipiell und ideell göttlichen Guten), entgegennehmen, gewähren sie ihn neidlos den ihnen folgenden Klassen der höheren Geschlechter (nämlich den Heroen und körperfreien Seelen) und bringen ihn zu diesen.
Diese (beiden) Mittelglieder (der Dämonen und Heroen) stellen also ergänzend und ausfüllend die gemeinschaftliche Verbindung zwischen den Göttern und den Seelen her, machen ihre Verbindung unlösbar, knüpfen so ein einziges, unmittelbares Aufeinanderfolgen von oben herab bis zum Endglied und bewirken, dass die Verbindung und Vermengung (aller Bestandteile) des (übersinnlichen und sinnlich wahrnehmbaren) Weltalls die beste und angemessenste wird; sie ermöglichen ein Hinabsteigen vom Vollkommeneren zum Unvollkommeneren und eine Erhebung vom Niedrigeren zum Höheren, bestimmen unparteiisch Ordnung und Maß der Beisteuer, die von den vorzüglicheren Klassen (der höheren Geschlechter zu den weniger vorzüglichen) herabsteigt, und ebenso auch das Maß der Aufnahmefähigkeit (für das Vollkommenere), das den niedrigeren Klassen (der höheren Geschlechter) angeboren ist. Sie machen also alles allem entsprechend und harmonierend, wobei sie den Antrieb (und Stoff) zu all dem von oben, von den Göttern her, empfangen.
Glaube aber nicht, dass diese Klassifikation ausschließlich nur den Energien oder nur den Wirkungsmöglichkeiten oder nur der Wesenheit (dieser vier Klassen der höheren Wesen) eigentümlich zukommt, und erwäge sie nicht gesondert, etwa mit Rücksicht auf nur eine einzige dieser Bestimmungen; denn nur, wenn du sie über alle diese Bestimmungen (gleichzeitig) ausdehnst, wirst du auf die jetzt behandelte Frage nach den Eigentümlichkeiten der Götter, Dämonen, Heroen und Seelen die richtige Antwort geben.
Unter Berücksichtigung eines andern Gesichtspunktes ist es billig, jede Einheitlichkeit, wie groß und wie geartet auch immer sie sein mag, ferner die alleinige und ausschließliche Beständigkeit und Begründung in sich selbst und dann die Unbewegtheit, die das Grundprinzip aller unteilbaren (einheitlichen) Wesenheiten ist und als der Urgrund aller Bewegung betrachtet werden muss, den Göttern allein zuzuteilen; ebenso aber auch noch das Hinausragen über das All, so dass sie gar nichts mit ihm gemein haben und endlich auch – alltäglich ausgedrückt – das Unvermengtsein (mit anderem) und das Fürsichalleinbestehen in der Existenz, Macht und Wirkungsmöglichkeit. Die Eigenschaft dagegen, sich in eine Vielheit zu zerteilen, sich anderem mitzuteilen, die Begrenzungen im eigenen Sein von anderem zu empfangen und, befähigt zu sein, den Zerspaltungen (die) in den Teilnaturen (der sinnlich wahrnehmbaren Schöpfung zu Tage treten) Genüge zu leisten, an der prinzipiellen und lebenerzeugenden Bewegung (nur) Anteil und mit allem, was ist und wird, Gemeinschaft zu haben, Vermengungen von allem her anzunehmen und sich seinerseits allem zur Vermengung hinzugeben und alle diese charakteristischen Eigentümlichkeiten über alle ihre Kräfte, Wesenheiten und Wirkungsmöglichkeiten auszudehnen, alles das weise ich als eingeboren den Seelen zu; und damit stelle ich fest, was der Wahrheit tatsächlich entspricht.
I. 6: Was werden wir nun bezüglich der Mittelglieder (der Dämonen und Heroen) sagen? Ich glaube, das ist jedermann schon aus dem Vorgetragenen klar; denn diese Mittelglieder stellen ja ausfüllend die unzerstörbare Wechselverbindung der Endglieder (d. h. der Götter und der Seelen) miteinander her.
Trotzdem ist es doch notwendig, auch das noch durchzugehen: Ich stelle also fest, dass sich auch die Klasse der Dämonen zwar vervielfältigt, aber in einheitlicher Weise und sich zwar auch (anderem) zugesellt, aber ohne sich (damit) zu vermengen und dass sie endlich auch alle andern Unvollkommenheiten annimmt, aber nach der Idee (dem Vorbild) des Vollkommeneren. Die Klasse der Heroen wieder lässt die Zerspaltung und Vervielfältigung zwar noch deutlicher hervortreten und ebenso auch die Bewegung und Vermengung und was damit verwandt ist; doch nimmt sie von oben her das darüberstehende Vollkommenere (der Dämonen- und Götterklasse) in sich auf und verbirgt es gewissermaßen in sich, die Einheitlichkeit, meine ich, die Reinheit (Unvermengtheit), die dauernde Zuständlichkeit, die unteilbare Identität und das Emporragen über alles andere. Denn da jedes dieser beiden (Mittel-) Glieder an eines der beiden Endglieder angrenzt, das eine an das erste (höchste), das andere an das letzte (niedrigste) Glied, ist es natürlich, dass gemäß dieses ununterbrochenen Zusammenhanges das, was vom Vollkommensten (Göttlichen) seinen Ursprung nimmt, zu dem weniger Vollkommenen herabdringt und dass das dem Vollkommensten (Göttlichen) zuerst Vorgelagerte (Dämonische) die Verbindung sowohl mit dem Niedrigsten (Seelischen) wie auch mit dem darüber Stehenden (Heroischen) herstellt. Aus diesen (Mittelgliedern) kann man also wohl die Verbindung der ersten und letzten Glieder begreifen, und dass sie sich in vollkommener Weise zugleich in der Existenz, Machtfülle und in den Wirkungsmöglichkeiten (aller vier Glieder) vorfinden muss.
Haben wir also erst einmal auf Grund dieser beiden Folgerungen die Einteilung dieser vier Glieder endgültig festgestellt, dann genügt es, glaube ich, in allem Folgenden der Kürze wegen und weil schließlich das Verständnis der Mittelglieder schon klar geworden ist, die charakteristischen Eigentümlichkeiten nur der (beiden) Endglieder zu behandeln, die Eigentümlichkeiten der (beiden) Mittelglieder aber beiseite zu lassen, da sie schon hieraus erfassbar sind, und so ihre Definition auf die kürzeste Weise abzutun:
I. 7: Das eine Endglied (die Klasse der Götter) ist also das oberste, überragende und vollkommene, das andere (die Klasse der Seelen) aber das unterste, dahinter (weit) zurückbleibend und unvollkommen. – Das eine vermag alles, zugleich, augenblicklich und einheitlich, das andere dagegen weder alles, noch zugleich, noch augenblicklich, noch einheitlich. – Das eine erzeugt und verwaltet alles, ohne sich dem, was erzeugt und verwaltet wird, zuzuneigen, das andere aber hat von Natur die Eigenart, sich ihm zuzuneigen und sich (mit seinem Affekt) zuzuwenden. – Das eine steht als beherrschendes und führendes Prinzip vor allem, das andere hängt dagegen von einem Prinzipe, nämlich von der Willensentschließung der Götter, ewig ab. – Das eine fasst in einem einzigen Moment die Effekte aller (seiner) Wirkungsmöglichkeiten und Wesenheiten zusammen, das andere aber schreitet (hierin) von einem zum andern und dringt erst vom unvollkommenen Effekt zum vollkommenen vor.
Ferner kommt den Göttern auch noch die höchste und unbeschränkte Macht zu und das Charakteristikum, über alles Maß und so sehr ohne bestimmte Gestalt zu sein, dass sie durch keinerlei Formbegriff definiert werden können. Die Seelen dagegen werden von den Energien (anderer Wesenheiten), die auf sie einwirken, von ihrem Verhältnis (zu andern Gattungen alles Existierenden) und von Neigungen beherrscht, vom Verlangen nach dem Unvollkommeneren (Materiell-Körperhaften) und von ihrem Vertrautsein mit dem Sekundären; endlich lassen sich die Seelen auch noch durch alle möglichen Normen und auch durch die von Seiten des Unvollkommeneren gestalten.
Der Intellekt (Nus) endlich kommt als Führer und König alles Existierenden und als schöpferische Kunstfertigkeit, die das Weltall schuf, den Göttern (allein) immer in gleicher Weise in Fülle und vollkommen zu, in einer in sich selbst reinen und einheitlichen Wirkungsmöglichkeit begründet; die Seele dagegen hat nur an einem Teil dieses göttlichen Intellektes Anteil, der vielgestaltig ist und immer zur (göttlichen) Führung des Alls emporblickt. Auch wendet die Seele ihre Sorge dem Unbeseelten (Materiell-Körperlichen) zu, indem sie (darin infolge der durch dieses Verlangen nach dem Materiell-Körperlichen verschuldeten Notwendigkeit der Wiedergeburt) in immer andern Gestaltungen (wieder) geboren wird.
Aus eben diesen Gründen kommt ferner den Göttern sowohl das Charakteristikum der Wohlordnung wie auch das des Schönen an sich zu oder, wenn man es so auffassen wollte, die Prinzipien dieser beiden Dinge existieren (in ihnen) mit einander; der Seele dagegen wohnt immer nur ein Anteilhaben an der intellegiblen (nur durch die reine Vernunft erfassbaren, übersinnlichen) Wohlordnung und am göttlichen Schönen inne. Auch liegt in den Göttern der Maßstab des Weltalls oder das Prinzip alles hier (in der sinnlich wahrnehmbaren Schöpfung) Existierenden für alle Ewigkeit, die Seele aber empfängt ihr Maß (ihre Begrenzung) vom Göttlichen und hat an ihm nur in dem ihr zugemessenen Ausmaße Anteil.
Schließlich muss man auch noch vernünftigerweise den Göttern wegen ihrer Gewalt und wegen des Übergewichtes des (in ihnen liegenden höchsten) Prinzipes die ausreichende Macht über alles, was existiert, zuteilen; der Seele dagegen sind gewisse Grenzen gezogen, bis zu denen allein sich ihre Machtbefugnis erstreckt.
Da nun die charakteristischen Eigentümlichkeiten der (beiden) Endglieder so beschaffen sind, kann man wohl, wie ich schon oben sagte, auch die Eigentümlichkeiten der (beiden) Mittelglieder, der Dämonen und Heroen, ohne besondere Schwierigkeiten begreifen; denn diese Mittelglieder grenzen ja an je eines der (beiden) Endglieder an, sind je einem davon ähnlich, rücken von beiden her gegen die Mitte zu und schlingen so das Band einträchtiger Gemeinsamkeit, dabei selbst von ihm in den ihnen zukommenden Maßen umschlungen. In dieser Weise also sollen die charakteristischen Eigentümlichkeiten der ersten göttlichen Geschlechter aufgefasst werden.
I. 8: Auf keinen Fall aber erkenne ich die von dir vorgebrachte Klassifikation der höheren Wesen an, die besagt, „die Aufteilung der höheren Klassen auf verschiedenartige Leiber, nämlich der Götter auf Ätherleiber, der Dämonen auf Luft- und der Seelen auf Erdleiber, sei das Prinzip der jetzt gesuchten Unterscheidung.“ – Eine solche Klassifikation ist nämlich der Götter ebenso unwürdig wie etwa eine Wertbestimmung des Sokrates durch seine Zuweisung an seine Phyle als die, die gerade die Prytanie inne hat. Die göttlichen Geschlechter sind nämlich ihrem Wesen nach insgesamt hiervon unabhängig und frei. Auch verrät das Ansinnen, den Körpern Machteinfluss auf die Formung ihrer eigenen Urprinzipien zuzuweisen, eine schlimme Widersinnigkeit; denn die Körper (Leiber) dienen jenen Prinzipien und warten ihnen beim Vollzug der Schöpfung auf.
Auch sind die höheren Geschlechter (wenn sie Körper annehmen) nicht in den Körpern, sondern haben, außerhalb ihrer existierend, die Führung (über sie) inne; daher können sie sich auch nicht mit den Körpern verändern (und in Klassen scheiden). Ferner verleihen sie zwar aus sich den Körpern soviel des Guten, als diese zu fassen vermögen, empfangen aber umgekehrt gar nichts von selten der Körper, so dass sie also auch keine charakteristischen Eigentümlichkeiten von Seiten der Körper erhalten können. Wären dagegen die Götter tatsächlich als Körperqualitäten oder als materielle Wesen oder sonst auf irgendeine Weise körperartig, dann könnten sie wohl auch die an den Körpern vorhandenen Unterschiede mit annehmen; wenn sie aber getrennt von den Körpern und in sich ganz unvermengt (mit Körperhaft-Materiellem) präexistieren (da ja alles Körperhaft-Materielle erst durch die göttlichen Klassen geschaffen wird), wie kann da vernünftigerweise eine Klassifikation der Götter von den Körpern ausgehen? Außerdem macht eine solche Behauptung die Körper vorzüglicher als die göttlichen Geschlechter selbst, wenn sie nämlich die Körper zum Immanenzmittel der höheren (göttlichen) Prinzipien erhebt und ihre prinzipiellen Eigentümlichkeiten in die Körper verlegt. Teilt aber jemand dem, was die Verwaltung (Führung) inne hat, Aufenthalt, Verteilung und Zuweisung mit Rücksicht auf die Art dessen zu, was verwaltet (geführt) wird, so überlässt er dabei doch klarerweise die Entscheidung (über die Art des Immanenzmittels) dem Vollkommeneren (Führenden); denn nur deshalb, weil das Vollkommenere eben das Höherstehende ist, erwählt es sich einen solchen Aufenthaltsort und gestaltet ihn nach sich, keineswegs aber wird das Vollkommenere selbst der Naturbeschaffenheit dessen, was es (das Vollkommenere) in sich aufnimmt, angeähnelt (und nach ihr gestaltet).
Das muss man doch sicherlich wenigstens bezüglich der Teilseelen (d. h. bezüglich jener Seelen) zugeben (die schon in einen irdischen Leib eingefahren sind); denn nach der Art des Lebens, das sich die Seele vor ihrem Einfahren in den Menschenleib erwählte und nach der Beschaffenheit, welche die (noch körperfreie) Seele betätigte, ist auch der organische Leib beschaffen, den sie dann, an sich angepasst, besitzt und ebenso auch eine dementsprechende und sich diesem anschließende (physisch-materielle) Naturbeschaffenheit, die dann ihr vollkommeneres (psychisches) Leben in sich aufnimmt. Aber auch bei den höheren Geschlechtern und denen, welche die Herrschaft über das All in sich enthalten, wird (immer genau ebenso) das Niedrigere im Höheren, das Körperliche im Unkörperlichen und das Geschaffene im Schöpferischen erzeugt und, hiervon im Kreise rings umschlossen, regiert. So sind denn auch die (sichtbaren, sekundären, erst von den höheren intellegiblen Prinzipien geschaffenen) Kreisbahnen der (göttlichen) Himmelskörper, in die (unsichtbaren, primären und ideellen) himmlischen Kreisbahnen der Ätherseele von Uranfang eingepflanzt, stets in ihnen vorhanden und auch die Seelen der Weltkörper, hinaufreichend zu ihrem (göttlichen) Intellekt (oder Nus als ihrem schöpferischen Prinzip), werden von ihm vollständig umschlossen gehalten und in ihm durch Urzeugung ins Leben gerufen. Und so ist der Teilintellekt und auch der (göttliche) Gesamtintellekt in den höheren Geschlechtern zusammen mit inbegriffen. Da nun das Zweite (Unvollkommenere) sich immer zum Ersten (Vollkommeneren) hinwendet, indem das Höhere (Vollkommenere) dem Niedrigeren (Unvollkommeneren) als Muster vorangeht, kommt dem Mangelhafteren Wesen und Form nur aus dem Vollkommeneren zu und im Vollkommeneren selbst wird das erst Folgende (Zweite, Unvollkommenere) prinzipiell erzeugt. Daher dringt sowohl Ordnung wie Maß und überhaupt alles insgesamt nur vom Vollkommeneren zum Unvollkommeneren herab, was immer es auch sein mag; niemals aber strömen umgekehrt die charakteristischen Eigentümlichkeiten vom Unvollkommeneren zum Vollkommeneren hinüber.
Damit ist wohl der Beweis erbracht, dass eine solche Klassifikation (der höheren Wesen) nach Körpern falsch ist. Eine solche Behauptung hätte überhaupt gar nicht aufgestellt werden sollen; wenn du aber schon einmal diese Auffassung hegtest, hätte man diese Irrlehre eigentlich überhaupt keines Wortes würdigen sollen. Denn wenn man Falsches aufstellt und es dann als falsch zu widerlegen sich bemüht, so heißt das nicht etwa „reich an Argumenten sein“, sondern man ermüdet nur sich selbst in nutzloser Weise.
Auf welche Weise sollte sich übrigens denn die an sich völlig unkörperliche Wesenheit (der höheren Wesen) durch irgendwie beschaffene Körper klassifizieren lassen, sie, die doch gar nichts mit jenen Körpern gemein hat, die an ihr Anteil erlangen können? Wie sollte sie, die den Körpern niemals örtlich zukommt, durch körperliche Orte klassifiziert werden? Wie sollte sie, die durch keinerlei Teilbegrenzungen dessen, was ihr untergeordnet ist, umschrieben wird, durch die Regionen des Kosmos (durch die Äther-, Luftund Erdregion) geteilt und umgrenzt werden? Was soll denn eigentlich das sein, was die Götter hindern soll, überall hinzudringen? Und was soll ihre Macht einengen, dass sie nur bis zum Himmelsgewölbe hinabdringen können (durch das die Ätherregion gegen die Erde zu begrenzt wird)? Denn das müsste doch das Werk eines Prinzips sein, das die Götter einschließt und in bestimmten Regionen um sie Grenzen zieht. Vielmehr ist das, was wahrhaft existiert und an sich völlig unkörperlich ist, überall, wo immer es sein will. Würde das Göttliche aber, das doch tatsächlich alles überragt, von der Endlichkeit des Kosmos (mit seinen Regionen des Äthers, der Luft und der Erde) umschlossen und wie ein Teil davon umfangen gehalten, dann müsste man das Göttliche ja für geringer einschätzen als körperliche Größe (da auch der Kosmos eine solche vorstellt). Auch kann wenigstens ich nicht einsehen, auf welche Weise das hier (in der sinnlich wahrnehmbaren uns umgebenden Natur) Befindliche geschaffen und geformt werden kann, wenn keine göttliche Schöpferkraft und kein Teilhaben an den (schöpferischen) göttlichen Ideen durch den ganzen Kosmos (und alle seine Regionen) sich erstrecken sollte.
Überhaupt bedeutet diese Lehre, die die Anwesenheit der Göttergeschlechter (auf die Ätherregion) außerhalb der Erde beschränkt, die Vernichtung jedes Kultes und der Gemeinschaft mit den Göttern, deren die Menschheit durch die Theurgie teilhaftig werden kann; denn dieser Satz besagt doch nicht weniger, als dass das Göttliche fern von den irdischen Örtlichkeiten (nur in der Ätherregion oberhalb der Planetensphären) wohnt und dass mithin die Stätte hier (auf Erden) leer vom Göttlichen ist. Dann aber können nicht einmal wir Priester irgendwelche Erkenntnisse von Seiten der Götter erhalten haben, und du handelst daher nicht vernünftig, wenn du uns Priester befragst, als wüssten wir mehr (über das Göttliche) denn die andern Menschen, falls wir uns in nichts von ihnen unterscheiden können. Doch ist an all dem nichts richtig; denn die Götter werden weder in bestimmten Regionen des Weltalls festgehalten, noch ist die Erdregion ihrer unteilhaftig. Sie sind vielmehr eben dadurch die Gebieter (über alles), dass sie von gar nichts eingeengt werden, sondern (umgekehrt) alles in sich umschließen. Das Irdische dagegen, das seine Existenz im Pleroma (in der es umgebenden Fülle) der Götter hat, besitzt die Götter sogleich in sich, die schon vor der Wesenheit des Irdischen existieren, sobald es erst einmal die Fähigkeit erlangt hat, am Göttlichen Anteil zu nehmen.
Dass also diese ganze Klassifikation falsch, diese Methode, die Eigentümlichkeiten der höheren Geschlechter zu ermitteln, unsinnig und das Lokalisieren der Götter an einem bestimmten Orte mit ihrer gesamten Wesenheit und Macht unvereinbar ist, habe ich hiermit bewiesen; die Gegengründe endlich, die du für diese Klassifikation der höheren Wesen (nach Äther-, Luft- und Erdleibern) vorgebracht hast, sollte man eigentlich überhaupt nicht überprüfen, da sie den wahren Erkenntnissen in nichts Stichhaltigem entgegnen; weil man aber auf das Problem und auf das Wissen vom Göttlichen ausgehen muss und nicht gegen die Person disputieren darf, will ich doch auch diesen abseits liegenden Streitpunkt in eine vernunftgemäße theologische Erörterung aufnehmen:
I. 9: Ich führe dich also mit der Frage ein, denn auch dieses Bedenken hegst du, „warum es bei den theurgischen Operationen auch Anrufungen von Erd- und Untererdgottheiten gibt, obwohl doch die Götter nur im Himmel allein hausen?“ – Indes ist doch das, was du da eingangs behauptest, dass nämlich die Götter nur im Himmel allein hausen, gar nicht richtig; denn alles ist von ihnen erfüllt. – „Wieso aber“ (fährst du zu fragen fort) „werden gewisse Gottheiten Wasser- und Luftgottheiten genannt und wieso haben die einen diese, die andern jene Örtlichkeiten und auch (bestimmte) Körperteile nach fester Umgrenzung erlost, obwohl sie doch über eine unbeschränkte, ungeteilte und unbegrenzte Macht verfügen sollen? Wieso kann es ferner unter ihnen zu einer Vereinigung und Einheitlichkeit kommen, da sie doch durch Teilumgrenzungen und nach der Verschiedenheit ihrer Örtlichkeiten und der ihnen unterstellten Körper voneinander geschieden und getrennt sind?“ – Die einzige (und zugleich) beste Lösungsmöglichkeit dieser und endloser ähnlicher Fragen besteht in der richtigen Einsicht in das Wesen dessen, was den Göttern als Verweilen an einem Aufenthaltsorte und Ruhepunkte zukommt. Das Verharren und Ruhen der Götter bestrahlt nämlich alles (wo sie weilen und ruhen) nur von außen her, mag es sich Regionen des Kosmos wie Himmel oder Erde, heilige Städte oder Länder, bestimmte heilige Bezirke oder heilige Statuen hierzu erwählt haben, genau so wie auch die Sonne alles nur von außenher mit ihren Strahlen erleuchtet; wie also das (Sonnen-)Licht das, was es erleuchtet, rings umfängt, so hält auch die Machtfülle der Götter das, was an ihnen Anteil erhalten hat, nur von außen her umschlossen. Und so, wie das Licht dem (erleuchteten) Luftraum zukommt, ohne sich mit ihm zu vermengen – und dass es sich tatsächlich so verhält, wird daraus klar, dass keine Spur von Licht in ihm zurückbleibt, wenn erst einmal die Lichtquelle verschwunden ist, während der Luft doch immer noch Wärme verbleibt, auch wenn die Wärmequelle beseitigt wurde – ganz ebenso erleuchtet (inspiriert) auch das Licht der Götter, abgesondert und nur in sich allein verharrend (alles, wo sie weilen) und durchdringt alles, was existiert, obwohl in sich allein begründet. Und wahrlich, auch das sichtbare (kosmisch-siderische und irdische) Licht bildet eine Einheit, in sich geschlossen, überall ganz ein und dasselbe, so dass es unmöglich ist, einen Teil davon für sich abzutrennen, rings zu umgrenzen oder von der Lichtquelle zu scheiden. Nach den gleichen Gesichtspunkten kann sich zwar das gesamte Weltall, da es teilbar ist, in Hinsicht auf das unteilbare Licht der Götter (das es in sich aufnimmt, in Regionen) spalten; das göttliche Licht selbst aber ist überall eins und völlig dasselbe, kommt allem, was daran Anteil haben kann, ungeteilt zu, erfüllt alles mit vollkommener Kraft, bringt alles durch seine unbegrenzte prinzipielle Überlegenheit in sich selbst zur Vollendung, schließt sich selbst überall mit sich selbst in eins zusammen und verbindet das Ende mit dem Anfange.
Und das ahmt auch das gesamte Himmelsgewölbe und der ganze Kosmos nach; denn er schwingt sich in seiner Kreisbahn herum, schließt sich mit sich selbst in eins zusammen, führt auch die Elemente im Kreisumschwung herum, hält alles ineinander Existierende und zueinander Strebende zusammen, grenzt es nach gleichen Maßen ab, bewirkt den Zusammenschluss der am weitesten auseinander liegenden Teile und des Endes mit dem Anfange, wie der Erde mit dem Himmel, und schafft so eine einheitliche Verbindung und Harmonie von allem mit allem. Wenn nun jemand das sichtbare Abbild der Götter so einheitlich geartet sieht, wie sollte er sich da nicht schämen, bezüglich der Götter, die doch die Urheber (Schöpfer) dieses Abbildes sind (und als solche noch vollkommener als ihr Abbild sein müssen), eine andere Auffassung zu hegen, Spaltungen unter sie zu bringen, Trennungen und körperliche Begrenzungen? Ich wenigstens