Applaus! Applaus! Applaus!
Ich will es kurz machen. Mit diesem kleinen Buch versaue ich mir beinhart meine Zukunft als ernst zu nehmender Schriftsteller. Jawohl, ich ruiniere meinen Ruf und folge somit traditionell einem Verhaltensmuster, welches meinen Lebensweg bis dato geprägt hat. Nein, ich komme aus der Nummer nicht mehr heraus. Ich habe es mir so ausgesucht. Es ist das letzte kleine Stück Freiheit, welches ich mir erlaube und ehrlich gesagt auch von Herzen gönne. Alles ist Scheiße, warum also nicht auch ich? Ein wenig hat das auch mit Anpassungsfähigkeit zu tun. Im kleinen Dir zur Hand liegenden Büchlein, mit dem zarten Titel Zugemauerte Pufftüren haue ich gnadenlos und ungefiltert kleine Kurzgeschichten, Anekdoten, Textspielereien, Gedichte und Inszenierungen heraus, die ich in der Vergangenheit zu Papier gebracht habe. Jawohl, mein Chef würde sich über meinen geschäftsfreudigen Sinn, den ich hier an den Tag lege freuen. Getreu dem Motto: „Miste dein Archiv aus, vielleicht bekommst du da noch `nen Euro für“, veröffentliche ich somit meine kleinen geistigen Ergüsse, die im Idealfall dazu ausreichen werden, dir die eine oder andere „Gute-Nacht-Geschichte“ zu servieren während Du Dich mal wieder im Bett herum räkelst und keinen Schlaf finden willst. Betrachte es mit einem kleinen Augenzwinkern, denn dadurch hast Du schon einen halben Sekundenschlaf hinter Dir und Erholung gefunden, die Dir zusteht. Solltest Du es bierernst nehmen, was Deinem Auge im Folgenden beschert wird, dann bist Du hiermit falsch bedient. Machst Du Dich hingegen locker wirst Du Spaß haben.
Tu Dir selbst den Gefallen, frag nicht nach dem Sinn dieser kleinen literarischen Inseln, sei aber dennoch so gut zu Dir, Sinn zuzulassen, wenn er sich Dir erschließt. Sieh mal, so ein großer Konzern wie Microsoft, der versucht seit Jahrzenten funktionierende Betriebssysteme für Computer herauszubringen und muss selbige permanent mit Updates versorgen, um irgendwelche Fehler und Sicherheitslücken zu korrigieren. Aber niemand hat wirklich die Möglichkeit derlei Korrekturen an die Allgemeinheit zu verteilen, was das Betriebssystem betrifft, welches uns allen am nächsten ist, nämlich unser eigenes, das wir im Kopf haben und welches unser selbst am Leben hält und uns ein Leben lang auf diesem Planeten begleitet. In gewisser Weise also biete ich dem Leser dieses Buches einen offenen Zugang in die Sicherheitslücken meines eigenen Betriebssystems. In den folgenden Seiten liegt der Quellcode offen und ich bin „Open Source“.
Ein Teil von mir sagt „Marcel, veröffentliche dieses Buch niemals, Du wirst unglücklich!“, ein anderer Teil sagt „Marcel, wenn Du dieses Buch nie veröffentlichst, wirst Du unglücklich!“ – Und wenn es ein Dilemma gibt, welches nur die Option zwischen tun und nicht tun lässt, dann entscheide ich mich zugunsten des Tuns, denn dann kann am Ende nicht der Vorwurf geltend gemacht werden, dass ich es nicht versucht hätte. Leben ist was Du ablieferst und wenn es wer nicht versteht, muss er es mit seinem Leben vereinbaren. Schnittstellen sind die sensiblen Flächen an denen das eine mit dem anderen Puzzleteil zusammenklebt, synaptisch übergreift und ein Gesamtbild darstellt. Lass mal loslegen, der Karton ist geöffnet und die Teile liegen auf dem Tisch...
P.S: Im Übrigen wurde auf ein Lektorat konsequent verzichtet, um den Live-Charakter zu wahren. Dieses Buch strotzt vor Fehlern und hat eine katastrophale Interpunktion. That’s Live!
Okay. Ich denke, dass das nun der Anfang ist. Eine Schreibblockade ist schließlich temporär. Sie vergeht. Ausgelöst wird sie nur dadurch, dass man nicht den nötigen Auftrieb findet, sich an sein Schreibgerät zu setzen und loszulegen. Man bewegt sich in einer zähflüssigen und wabernden Masse, einem Brei aus Trägheit – tagein, tagaus- die einen davon abhält kreativ zu sein. Genau das ist es, was irgendwann das Fass zum überlaufen bringt. Wenn du vor dieser unerträglichen Wahl stehst, deinen Abend wie gewohnt bei Alkohol und Nikotin durchzustehen, um dann schließlich in einem Rausch aus Herzrasen und Pürierstab im Hirn ins Bett zu fallen, dir mit dem linken Schuh den zugeschnürten rechten Schuh abstreifst, dann begreifst, dass du für den linken Schuh dennoch kraftvoll manuell eingreifen musst, um schließlich deine Hose bei geöffnetem Knopf aber geschlossenem Hosenstall mitsamt Socken (diese bleiben zumeist in den Hosenbeinen hängen) abstreifen musst, oder aber vorher noch die Gelegenheit nutzt etwas zu Papier zu bringen, dann bist du auf wohlweißlichem Wege, das Elend hinauszuzögern. Heute ist es soweit. Ich bin stolz. Ich schreibe. Hab noch was Zeit.
Die letzte Filterkippe ist weggequarzt. Es bleibt noch ein halbes und fast trockenes Päckchen Tabak übrig. Gedacht für Notfälle wie diesen. Im Kühlschrank ist kein Bier mehr. Der Blick auf die Uhr verrät mir: 20:53 Uhr. Scheiß Digitaluhren. Mit Zeigern sieht die Zeit immer schöner aus. Die bewegen sich langsamer. Schöner. Wie zwei weibliche Schenkel. Mal verkreuzt, mal offen, aber immer erotisch. Konzentrisch um das Wesentliche. In der Mitte des Ziffernblattes dreht sich alles um das schwarze Loch! Dort steht die Zeit still.
Es ist Dienstag. Morgen ist ein Arbeitstag. Kein gewöhnlicher, weil man sich auf der Arbeit tröstet, dass bereits Mittwoch ist und die Hälfte der Woche durch ist.
Der erste Scheißhaufen ist gelegt, jetzt noch einen daneben kacken und dann abspülen. Wochenende. Das rauscht! Es sprudelt die Ablagerungen vom Porzellan, die du müde bist mit den Fingernägeln abzukratzen. Du kommst auf die Welt und lutscht Daumen, später kaust du Fingernägel und dann kommt der Ekel überhaupt noch irgendwas anzufassen, weil alles was du noch berühren kannst zuvor von abgelutschten Dauen und abgekauten Fingernägeln derer berührt wurde, die es zu Geld machten, von dem du einen kleinen Teil abbekommst, da du Lebenszeit dagegen eintauschst, um dir deine verbleibende Lebenszeit zu etwas Besserem zu gestalten, was meistens gerade noch dazu ausreicht in ein Stück trockenes Brot zu beißen. Begreife es als Lebensfreude. Strahle es aus. Man wird dich sonst heuchlerisch fragen, was denn mit dir los sei und ob man dir helfen könne.
Sie sammeln Informationen, während sie am Geld ersticken und nicht begriffen haben, dass es das Papier auf dem es gedruckt nicht wert ist. Wenn sie dich fragen ob es dir schlecht geht, dann tun sie das nicht mit dem Ziel dir zu helfen. Nein! Sie wollen dich an einem schwachen Punkt erwischen, Vertrauen erwecken auf dass du ihnen deine Seele ausschüttest! Sie wollen alles wissen und tun dabei ganz verständnisvoll. Und zack, da haben sie dich. An deinem wunden Punkt! Sie behalten es aber für sich. Stillschweigend! Bis zu dem Moment, da sie es gegen dich verwenden können. Da siehst du ganz schön alt aus, wenn du nicht aufpasst!
Erlösung! Schreibfluss! Wie kam es dazu?
Stell dir vor: Der Wecker klingelt. Morgens ganz früh. 6 Uhr 50. Digitaluhr. Unerotisch. Andeutungsweise Morgenlatte. Nutzlos. Jeden Morgen. Immer dieselbe Zeit! Radiowecker. Aufwachen mit schlechten Nachrichten. Und doch sind diese schlechten Nachrichten allemal besser als ein fortwährender Summton statt dessen. Man weiß wenigstens sofort warum, weshalb und wo alles scheiße ist. Lokalsender! Ganz in deiner Nähe. Sagen wir Mittwoch. Natürlich. So war es bereits vereinbart. Dein Arsch verkrampft! Tolle Wurst! Wer feige ist kneift ab! Mit dem Gang unter die Dusche steigst du in den Boxring! Hier bist du stark! Ganz kurz wenigstens. Ein Szenario läuft ab. Warmes Wasser prasselt wohltuend deinen Körper herunter. Ein großer Augenblick. Im Grunde gehört der Moment dir ganz alleine, wenn du nicht gedanklich schon längst bei der Arbeit wärst. Beim einseifen der Arme krempelst du dir virtuell die Ärmel hoch. »Heute mach ich die alle fertig! Heute sag ich denen meine Meinung«, geht es dir durch den Kopf. Du lässt dir das heiße Duschwasser in den Mund regnen und spülst dir die Jauche raus! »Ja, heute sage ich denen was längst überfällig ist! Mein Tag! Heute ist mein Tag. Mein großer Auftritt!«
Die Kaffeemaschine gluckert! Das ist dein Luxus! Aroma! Duft! Der nüchterne Magen! Ein Kaffee muss da rein. Auf der Arbeit riechen sie bereits alle nach Kaffee. Aber sie riechen nach dem schlechten Kaffee, den Ihnen das Syndikat zur Verfügung stellt. Dieser bittere Kaffee aus Thermoskannen mit tiefschwarzen Ablagerungen darin, die beim eingießen in deine Tasse abblättern und dort zugrunde sinken. Dankbar musst du den Schlamm, der sich da sammelt aussaufen, weshalb du dir schon lange deinen eigenen Tee aufsetzt! Nein – echten Kaffee, den gibt es nur zu Hause. Das ist der Kaffee, den du dir verdient hast und nicht der, der dir wohlwollend aufgedrängt wird.
Du denkst an die Mittagspause. Ja, in der Mittagspause, da bestellen sie alle beim Chinesen oder in der Pizzeria und lassen sich täglich für 6,50 Euro etwas liefern. Das kannst du dir nicht leisten, aber du weißt, dass deine selbst geschmierten Butterbrote von zu Hause was ganz besonderes sind. Am liebsten würdest du dich mit deinen Broten um 13.00 Uhr auf dem Klo einschließen, um sie dort in Ruhe und ungestört zu verdrücken, denn im Pausenraum des Syndikats, dort reden sie dann über ihre Urlaubsziele, die du dir nicht leisten kannst. Und wenn du dann nicht mitredest, dann fragen sie dich noch, warum du so still bist! Ja, sie haben Taktgefühl! Das haben sie.
Du hast deine Tasche gepackt. Heute darin: Zwei doppelte Brote, eins mit Wurst, eins mit Käse, ein Apfel für den Nachmittag, ein Joghurt für später und falls alle Stricke reißen und dich ein Heißhunger erwartet, weißt du, dass du noch ein Glas Instantbrühe in der Schublade hast! Und weil Anfang des Monats ist hast du sogar noch eine Flasche von dem guten Gerolsteiner-Mineralwasser medium dabei. Ab Mitte des Monats gibt es dann wieder Legionellenbrause. Vielleicht, wenn du gut wirtschaftest, Volvic aus Plastikflaschen, deren Weichmacher deine Leberwerte sinnvoll ergänzen. Aber weißt du was? Du überlebst! Ist das furchtbar oder gut? Du machst dir darüber keinen Kopf. Ändern kannst du es eh nicht, du Feigling!
Dein heimischer Kaffee ist eine Wohltat! Viel zu kurz ist nur der Augenblick, da du ihn genießen kannst, denn der Blick auf deine unerotische Digitaluhr verrät dir wie spät du dran bist! Es ist höchste Zeit kopfüber in die Scheiße zu springen. Man wartet bereits auf dich.
Beim Verlassen des Hauses bewege ich mich auf meinen alten Opel zu! »Lieber Gott, wenn es dich gibt, dann lass die Karre bitte anspringen!«
Leuchtet beim Zünden die gelbe Elektroniklampe und geht nicht aus, dann bedeutet dies: 350 Euro plus nach oben hin Grenze offen an Reparaturarbeiten. Sprich, für ein Jahr Geld vorausstrecken, in Raten abbezahlen, damit du zur Scheiße und zurückkommst. Für was anderes brauchst du die Karre ja nicht.
Ohne Syndikatszugehörigkeit bräuchtest du keine Karre, um ohnehin nicht zu den schönen Dingen zu fahren, die du dir auch mit Arbeit nicht leisten kannst! Das Auto springt aber an! Typisch, denn du ziehst die Scheiße an. So oder so!
Mir ist schwindelig. Die Straßenbahn nervt. Bullenfahrzeuge links und rechts. Sie sehen nach dem Rechten und begreifen nicht, dass links und rechts von ihnen das Unrecht regiert! Aber das Gesetz schreibt das so vor. Das ist Normalität, die wir gewählt haben. Ja verdammt wir wollten das so. Schließlich geht alle Macht vom Volke aus. Wir sind das Volk und ich bin mittendrin! Hut ab! Glücklich sei die multiple Persönlichkeit, die fortwährend brüllt: »Wir sind glücklich! «
Für mein Autoradio zahle ich GEZ! Seit Monaten spielen sie fünf Musiktitel tot. Es kommt mir vor als wären es zehn Jahre:
» I am a gipsy«…»Are we human or are wedancers?«… » you cannot believe your eyes, if ten million fireflies«…»hey soul-sister«…»my heart is beating like a jungledruuuum…. runngdiggedonduggeediggedonng«…
Was willst du machen? GEZ-Gebühren zahlen ist wie einen Euro in einen Glücksspielautomaten schmeißen. Am Ende schaltest du das Radio ein, weil du bezahlt hast und lässt dir musikalisch einen kauen, wovon du keinen hoch bekommst. Eigentlich sollte ich mal bei den Öffentlich-Rechtlichen anrufen und fragen ob ich gut war….
Aber vielleicht klingelt ja noch mal einer von denen an meiner Tür und dann ramm ich dem mein hartes Teil ungefragt ins trockene Futter! Jungs, es kommen harte GEZeiten! Zieht euch warm an, wird arschkalt! Das erinnert mich daran wie ich mal so eine Gummipuppe aufgeblasen habe, die ich mir scherzeshalber beim Beate-Uhse Shop bestellt habe. Das war so ein zweischneidiges Ding. Eigentlich hab ich die gekauft, um die für einen Kumpel ins Geburtstagsgeschenk zu stecken, weil das ja tierisch witzig ist. Dann ist die Geburtstagsfeier ausgefallen und die Puppe lag bei mir zu Hause rum. Ich hab echt mit mir gekämpft die nicht zu ficken, aber meine Treue hat sich ausgezahlt, denn irgendwann standen die Zeugen Jehovas bei mir vor der Türe und meine Puppe hatte ihren Auftritt.
»Moment, warten sie mal…« vertröstete ich den Herren und die Dame an der Haustüre. Schnell die Plastikmaid aus dem Karton geholt, aufgeblasen und ab mit der feinen Dame zurück an die Haustüre:
»Ich hab grad wenig Zeit, aber meiner Kollegin hier können sie das alles erzählen! Wenn sie den Eindruck haben, dass sie nicht zuhört, werfen sie unten eine Münze ein! «
Ein Versuch war es wert. Reich geworden bin ich nicht! Aber das Thema Religion kommt eh noch später. Da will ich jetzt mal nicht vorgreifen, denn schließlich sitze ich immer noch in meinem alten Opel auf dem Weg zur Scheiße und höre Radio. Was mir bei diesem ganzen gepuschten Radiogedudel einfach in den Kopf steigt, ist, dass wir den ganzen Tag von allen Medien mit so einem herzlosen Einheitsbrei versorgt werden, der mit Geschmack ja nichts mehr gemein hat. Sind wir doch mal ehrlich, wir werden doch tagtäglich mit einer geschmacksneutralen Einheitssülze bedient, und das en masse, die einem Kantinenfraß angeglichen und angepasst ist. Die letzte evolutionäre Dekade waren doch die 80er, wenngleich auch die fade ausklangen, um dann noch einmal in der beginnenden Techno-Zeit die Kurve zu kriegen. Danach war doch aus! Oder? Dann wurden die Konserven aufgemacht. Aber was interessiert mich das. Und wen sollte es überhaupt interessieren, was ich denke. Es gehen einem auf dem Weg zum Syndikat aber auch immer die wirrsten Gedankensprünge durch den Schädel. Unglaublich zu dieser unchristlichen Uhrzeit bereit die Synapsen am Dampfen zu haben. Findet die Freiheit der Gedanken tatsächlich am Steuer ihren maximalen Auslauf? Ist es möglicherweise eine notwendige Schutzreaktion des Körpers, der genau weiß, dass es jetzt noch einmal an der Zeit ist der Phantasie den freien Lauf zu schenken, weil sie später, nach Ankunft am Ziel nicht mehr gefragt ist. Ja, weil dort diktiert ist was du in den folgenden acht Stunden zu denken hast? »Teamplayer« heißt das auf Neudeutsch. Ein guter »Teamplayer« greift die vorgegebenen Gedankengänge aus höher gelegenen hierarchischen Instanzen (Vorgesetzte) auf und bejubelt diese auf das aller Höchste. Kritiklos versteht sich. Was für ein »Teamplayer«.
Überhaupt dieses Wort »Vorgesetzter«. Gegen »Vorgesetzte« bist du völlig machtlos. Das geht nicht nur aus dem eigentlichen Sinn sondern auch aus der Phonetik des Begriffes hervor.
»Da. Dein Vorgesetzter!« KLATSCH!! Da sitzt er da vor dir. Wie ein riesengroßer schwerer Sack, der vom Himmel fällt, direkt vor deine Füße. So eine richtige Stolperfalle ist ein Vorgesetzter. Und weil sie so vom Himmel fallen, tauchen sie auch überall auf. An den unmöglichsten Stellen, wo du sie niemals erwarten würdest. Fünfzig Grad im Schatten, wenn es denn Schatten gäbe. Du dehydrierst in der Sahara. Keinen Tropfen Wasser mehr. Du weißt, dass du gleich elendig krepieren wirst, wenn du jetzt keine Flüssigkeit bekommst und… KLATSCH!! Dein Vorgesetzter fällt vom Himmel. Er war noch nicht einmal so gnädig dich mit seinem Herunterfallen direkt zu erschlagen, um dich vor dem qualvollen Tod zu bewahren. Nein, er fällt direkt vor dir herunter und sagt »Aha, aha! Was machen Sie denn hier? Sollten sie nicht an ihrem Schreibtisch sitzen? Ich werde sie abmahnen! «
Und das ist dann das letzte Bild, was du in deinem Leben vor die Augen gesetzt bekommst.
»Ich kann auch fies sein! «, hat mir einmal eine Vorgesetzte voller Stolz berichtet. Das muss man sich einmal vorstellen. Sie war richtig stolz darauf und hat über beide Ohren gegrinst, als sie dies äußerte. Nicht, etwa, dass sie mir ihre gottgegebene Gabe des fies seins etwa hätte beweisen müssen, ich hatte schon bevor sie das äußerte so ein Gefühl, dass hier ihre Stärken liegen. Es wird mir immer unergründlich sein, dass sich ein Mensch mit dieser Eigenschaft rühmt.
Wenn ich jetzt fies sein wollte, würde ich sie mir zum Vorbild machen. Eine Funktion, die Vorgesetzte ja innehaben sollten. Im Idealfall. Wunschdenken.
Aber einen gewissen Ekel verspüre ich ja ohnehin bei ihnen, diesen Businessmenschen. Stets im feinen Anzug, den Pimmelzeiger straff um den Hals, glattgewichste Lederschuhe. So treiben sie sich herum auf ihren Konferenzen, auf Tagungen, auf Meetings, permanent auf der Suche nach wirtschaftlichen Wachstumsmöglichkeiten, Innovationen, Optimierungsprozessen, Workflow, Cashflow, Flowflow. Aufgesetztes Businesslachen als Zeichen der Wertschätzung ihres Gegenübers schwängert das kommunikationsträchtige Ambiente, innerhalb dessen es von Anglizismen strotzt. Das bleibt schließlich nicht aus und ist zudem State of the Art, wenn Senior Consultants, Operating Engineers, Sales Representatives, Creative Directors, Marketing Manager, Image Designer, Personal Recruiter, Headhunter, IT-Specialists und System Developer aufeinandertreffen und smalltalken. Eine feine Gesellschaft ist das. Jedes Mal, wenn ich unter ihnen weilen muss, bin ich angeekelt-fasziniert. Das ist so wie ein Fäulnisgeruch, dem man sich vor lauter Abneigung wieder zuwenden muss, weil er so unbegreiflich übel ist. Ja, ich bin der gesellschaftliche Hund, der schwanzwedelnd am Häufchen schnüffelt. Ich gestehe, dass ich trotz meiner Einstellung oder vielleicht auch gerade wegen dieser Einstellung meinen Aufenthalt in Hotels immer sehr genieße. Wenn es einen der feinen Herren einmal ans stille Örtchen lockt, dann kommt der Reviermarkierer zum Vorschein. Soeben noch in finanzstarke Geschäftsgespräche involviert, lässt er nun völlig entspannt die Hosen fallen, zückt den Löres hervor und sowie der goldene Strahl den Marmor trifft, wird mit zurückgelehntem Oberkörper bei gedehnten Schultern die Muffe geöffnet und ein segenbringender, lang anhaltender, sich in die Ewigkeit gähnender Furz erblickt das Licht der Welt. Mit einem stolzen und lebensbejahenden Seufzer wird dieser begrüßt, bevor der gasende Sound dünner wird und zwei Tonleitern höher mit ruckartigem Zukneifen der Gesäßmuskulatur zum Erliegen kommt.
Da hatte sich ganz schon etwas angestaut. Ohne sich die Hände zu waschen verlässt mein Businessman den Sanitärbereich um nahtlos an seine Konversation anzuschließen. Jedes Wort aus seinem Munde ist nun wieder bare Münze.
Dann sind da noch diese Konferrenzraumflaschen. Nein, ausnahmsweise handelt es sich hierbei nicht um ebensolche Leibesfrüchte im Businessmantel, »sukzessive»roundabout»anyway