Wachstum:
Kein Foto – ein Film
Guido Quelle (Hrsg.)
Das Buch Zur
Mandat Telekonferenz-Serie
Books on Demand
Prof. Dr. Guido Quelle
Prof. Dr. Guido Quelle, „der Wachstumstreiber“, ist als einer der wenigen Managementberater weltweit als Unternehmer, Berater, Autor und Redner seit über 20 Jahren Experte für profitables Wachstum. Er hat bisher mehr als 120 Unternehmen und Organisationen in über 350 Projekten dabei unterstützt, den Erfolg zu steigern und Wachstum voranzutreiben.
Professor Quelle ist immer dann gesuchter Ratgeber, wenn Unternehmen eine deutliche, nachhaltige Leistungssteigerung herbeiführen wollen. Seine Klienten sind aktive Vorausdenker, die keine Mühe scheuen, konsequent und gezielt für nachhaltiges, profitables Wachstum zu sorgen.
Als Autor und Co-Autor hat Prof. Quelle über 300 Fachartikel, sechs teilweise europäische Studien, zwei Hochschul-Studienbriefe und elf Bücher verfasst und herausgegeben. Im Gabler-Verlag erschien sein Grundlagenbuch „Profitabel wachsen – Wie Sie interne Bremsen lösen und Ihrem Unternehmen neuen Schub geben“, das im Dezember 2012 im Springer-Verlag in englischer Sprache unter dem Titel „Profitable Growth“ auf den Markt kam.
Prof. Quelle ist international gefragter Experte und Redner, wenn es um Strategien für profitables Wachstum, die Führung von wachsenden Organisationen und das Lösen von Wachstumsbremsen geht. Zu seinem Vortragsrepertoire gehören Vorträge, Reden und Keynote-Speeches auf Messen, Tagungen und Kongressen ebenso wie auf internen Unternehmensveranstaltungen und Führungskonferenzen.
Prof. Quelle ist als erster Europäer Mitglied der Million Dollar Consultant® Hall of Fame und als erster europäischer Berater Mitglied des Million Dollar Clubs. Seit 2012 leitet er mit der Mandat Managementberatung GmbH das Internationale Marken-Kolloquium, eine der herausragenden Marken-Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum.
Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Leonberger-Hunden lebt Guido Quelle in Dortmund.
Dieses Buch ist meinen Gesprächspartnern,
ihren Unternehmen und Organisationen
gewidmet, ohne die dieses Buch nicht
entstanden wäre.
Unsere dritte Telekonferenz-Serie, nach „Das Wachstum führen” in 2009 und „Dimensionen des Wachstums” in 2010 lautete „Wachstum: Kein Foto – ein Film”. Abgesehen davon, dass wir mit dem Format der monatlichen Telekonferenzen zu einem wachstumsrelevanten Thema unter einem Jahresmotto unseres Wissens nach immer noch ein Alleinstellungsmerkmal haben, trägt diese Konferenzreihe der Tatsache Rechnung, dass das reine Fokussieren auf ein einzelnes, meist jährliches, Betriebsergebnis bei der Untersuchung von Wachstum wesentlich zu kurz springt.
Dies teilen auch meine Gesprächspartner in dieser Telekonferenzreihe. Haben wir im Jahr 2010 bereits vier Gesprächspartner gehabt, basierte das Format 2011 auf einer Reihe von Gesprächen, die Wachstum aus völlig unterschiedlichen Dimensionen beleuchtet.
Ich möchte mich noch einmal besonders herzlich bei all meinen oben genannten Gesprächspartnern bedanken, die sich auf das Gespräch vorbereitet haben und sich live eine Stunde Zeit genommen haben, Gedanken über Wachstum auszutauschen. Dieses Buch ist Ihnen allen gewidmet. Herzlichen Dank auch an mein Team bei Mandat, vorweg Nadine Müller, der es zu verdanken ist, dass das Geschriebene auch in dieses Buch mündete.
Wie in den Bänden zuvor haben wir auch in diesem Band die Originalgespräch nur nuanciert überarbeitet, so dass der Gesprächscharakter erhalten blieb. In diesem Format kommt es uns nicht darauf an, Druckreifes zu liefern, denn das liest man überall, sondern Authentizität zu bewahren. Möge der Leser sich fühlen, als wäre er live dabei.
Viel Freude beim Vertiefen in die einzelnen Gespräche.
Prof. Dr. Guido Quelle, im Mai 2013
PS: Ein wenig Werbung sei erlaubt: Selbstverständlich sind die einzelnen Telekonferenzen sowie die gesamte Serie in unserem Mandat-Shop erhältlich: http://www.mandat.de/de/shop. So geht nichts verloren.
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zu unserer ersten Telefonkonferenz der Serie „Wachstum: Kein Foto – ein Film“.
Das ist schon die dritte Telekonferenzreihe, die wir durchführen. 2009 hieß sie „Das Wachstum führen“, das waren sieben Telefonkonferenzen. Daraus ist inzwischen ein Buch entstanden mit dem gleichnamigen Titel „Das Wachstum führen“, erhältlich im Buchhandel und auch bei mandat.de.
2010 hieß unsere Reihe „Dimensionen des Wachstums“. Das waren zehn Telekonferenzen, davon vier Interviews, das Buch dazu ist in Arbeit [Anm.: Inzwischen auch erhältlich, GQ] und in diesem Jahr planen wir ausschließlich mit hochkarätigen Gesprächspartnern, wie auch heute, denn die Resonanz auf diese Gespräche ist doch sehr hoch und groß und insofern haben wir uns entschieden, dieses Jahr, wenn irgend möglich, nur mit tollen Gesprächspartnern zu arbeiten. Heute wird ein super Anfang.
Unser Motto in diesem Jahr ist: „Wachstum: Kein Foto – ein Film“. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass wir unserer Philosophie folgen und mit Menschen darüber sprechen, wie man Wachstum gestalten kann, ohne sich auf Momentaufnahmen zu reduzieren, denn jeder, der Wachstum gestaltet, weiß auch, dass Wachstum ein Prozess ist, der einer entsprechenden Würdigung und auch einer Steuerung bedarf.
Unser Thema heute: „Wachstum: Kein Foto – ein Film“: „Das Wachstum im Hause“. Ich freue mich sehr, Herrn Achim Hohorst am anderen Ende der Leitung begrüßen zu können. Herr Hohorst, herzlich willkommen!
Ganz herzlichen Dank für die Einladung und einen schönen guten Abend an alle.
Achim Hohorst ist Vorstand Vertrieb und Marketing bei der eQ-3 AG in Leer, Ostfriesland und bevor wir ins Gespräch einsteigen möchte ich noch ein paar Worte zum Lebenslauf von Herrn Hohorst nennen und auch noch einige Fakten zu eQ-3 platzieren.
Achim Hohorst hat an der Universität Hamburg studiert, ist Diplom Kaufmann und seine Stationen in seiner beruflichen Karriere sind nennenswert. Er war zunächst Mitarbeiter in der internen Revision bei der BAT (British American Tobacco), hat es dort innerhalb verschiedener Wechsel bis zur Übernahme der Leitung der Verkaufsorganisation geschafft, dann 1992 gewechselt zu Velux in Hamburg, war dort Bereichsleiter Vertrieb Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung. Knapp vier Jahre später ging es zu Crawford Tor in Halstenbek, dort war er Leiter Vertrieb Marketing und Mitglied des Managementteams. Danach ging es zur Armstrong Aktiengesellschaft in Bietigheim, wo er ab 1. Oktober 1998 Director Central Europe und ab 1. April 2003 Director Global Strategic Accounts war mit der weltweiten Verantwortung für den Key-Account-Bereich. 2005: Wechsel zu Dorma. Dort war Achim Hohorst Divisionsleiter Automatic als Sprecher der Division und seit 1. Januar 2009 ist er Vorstand der eQ-3 AG. Da kann ich nur sagen: Hut ab! Eine tolle Karriere und darüber sprechen wir gleich auch noch ein wenig, denke ich, denn das ist ja auch ein ganz bemerkenswerter Schritt, wenn man sich den Anfang noch einmal vornimmt: Mitarbeiter interne Revision zum Vorstand Marketing und Vertrieb.
Vielen Dank.
Ja, sehr gerne. Ehre, wem Ehre gebührt.
eQ-3, das sollten wir unseren Hörern auch noch nahe bringen, weil es ein Unternehmen ist, das ja noch stark wächst und vielleicht noch nicht jedem bekannt ist, eQ-3 gehört zur ELVGruppe, wenn ich das richtig erläutere.
Eigentlich ist es umgekehrt. Die ELV gehört zur eQ-3-Gruppe.
Die ELV gehört also zur eQ-3-Gruppe mit weltweit mehr als 1.000 Mitarbeitern und dieses Unternehmen ist seit mehr als 30 Jahren am Markt, zählt zu den Innovations- und Technologieführern im Bereich der Hausautomation und Consumer Electronics, deswegen auch „Das Wachstum im Hause“.
Seit 1978 hat sich ELV – und ELV kennen wir alle, die sich ein bisschen mit Elektronik auseinandersetzen – als Versandhaus auf dem deutschen Markt etabliert, mehr als 10.000 Produkte gibt es hier online und eQ-3 bietet mit mehr als 200 Produkttypen im Bereich der Home-Control- und Energiemanagementsysteme Lösungen mit einem unglaublich breiten Angebot. Ich habe dieses Unternehmen auch live gesehen, das ist hoch beeindruckend, was man dort sehen kann und wie weit eQ-3 denkt.
Die Kernmarke HomeMatic ist präsent, wird gepflegt und auch ausgebaut und was ich auch bemerkenswert finde, ist, dass sowohl das Design, als auch die Produktentwicklung – und hier sprechen wir von fünfzig Produkten im Jahr – ausschließlich in der Zentrale in Leer, Ostfriesland geschieht. Produziert wird in einem eigenen Werk in Südchina, ein Vorbildwerk, das auch der Qualitätsnorm ISO 9001:2000 sowie der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 entspricht.
Das in aller Kürze zu unserem heutigen Interviewpartner und zum Unternehmen. Was ich erlebt habe in Leer, als ich Herrn Hohorst besucht habe, war ganz beeindruckend. Ich habe gedacht: „Mensch, jetzt dachtest du, du bist so modern und hast ein modernes Haus“, aber weit gefehlt, da geht immer noch eins drauf.
Wir sprechen also über Wachstum im Hause, sowohl in unserem Wohnhause, wo Wachstum noch möglich ist, als auch im Hause eQ-3, wo Wachstum täglich produziert wird und, Herr Hohorst, wenn wir über Wachstum sprechen, müssen wir zunächst auch über die Historie sprechen. Wie ist eQ-3 eigentlich entstanden?
Die eQ-3 ist zunächst mal aus der ELV AG ausgegliedert worden. Gegründet wurde das Unternehmen als ELV vor 33 Jahren. Es war damals ursprünglich gegründet worden als Fachverlag für Elektronik, es wurde ein Magazin gemacht damals, dessen Grundidee war, dass man gängige elektronische Schaltungen, die so Ende der 70er Jahre à jour waren, analysiert hat und dann dem geneigten Leser im Prinzip die Möglichkeit gegeben hat, diese Geräte selbst nachzubauen und daraus entstand dann sehr schnell eben die Nachfrage nach Bausätzen. Das hat dann Professor Redeker auch realisiert, aus diesen Bausätzen wurden Fertigprodukte und aus diesen Fertigprodukten entstand letztlich eine ganze Reihe von Zukaufartikeln und daraus dann der ELV-Katalog. Im nächsten Schritt wurden mehr und mehr auch diese Fertigprodukte nachgefragt, wodurch dann eine eigene Produktion entstand. Wir haben da 1990 angefangen mit einer Lohnfertigung in China und 2000 haben wir das erste Werk in Shenzhen gegründet.
1990 haben sie gestartet in China, ja?
Ja, das war dann damals noch Lohnfertigung und dann in 2000 war das erste eigene Werk da.
Dann wurden mehr und mehr andere Hersteller auf uns aufmerksam, wodurch dann das OEM-Geschäft einen immer größeren Anteil bekam. Am Anfang wurde alles unter der ELV-Brand vertrieben, aber wir haben letztlich gesagt: „OK, diese Nachfrage nach professioneller OEM-Technik passt natürlich nicht zu einem Versandhaus, das ja im Prinzip ein direktes B2C-Geschäft hat und aus diesem Grunde wurde die eQ-3 AG aus der ELV heraus gegründet. Das war 2006 und dann schließlich sind wir in 2008 in unser neues Werk in Zhuhai gezogen, in Südchina, von dem Sie eben sprachen. Wir können dieses Werk ausbauen bis auf über 3.000 Mitarbeiter im Einschichtbetrieb, was dann ungefähr 25 Millionen Stück Produktausstoß im Einschichtbetrieb bei mittlerer Komplexität bedeutet und im Zweischichtbetrieb, wenn dann das Wachstum noch so weit getrieben wird, können wir über 5.000 Mitarbeiter beschäftigen und etwa auf 40 Millionen Stück im Zweischichtbetrieb gehen.
Rein rechtlich sind die ELV AG und die eQ-3 AG mittlerweile völlig getrennt, die einzige Gemeinsamkeit ist, dass wir den gleichen Hauptaktionär und auch einzigen Aktionär, sprich Herrn Professor Redeker haben. Streubesitz gibt es bei beiden AGs nicht, was das Ganze eigentlich zu einer unternehmergeführten Gesellschaft macht. Dadurch haben wir uns mittlerweile zum Marktführer im Bereich der Hausautomation für kleinere Anwendungen, für Wohnungen, für Einfamilienhäuser, für kleine Arztpraxen, für kleinere Hotels etc. entwickelt.
Was bedeutet eQ-3 eigentlich?
Ich sage Ihnen mal, was es nicht bedeutet: Es heißt nicht Elektronikqualität mit Schulnote „befriedigend“. De facto ist es wirklich ein Fantasiename und ich habe damals diesen Entwicklungsprozess des Namens nicht miterlebt. Es steht keine größere Weisheit dahinter.
Sie haben ja so bescheiden gesagt, Sie haben sich so ein bisschen in Richtung Innovations- und auch Marktführer entwickelt. Warum sollte jemand Produkte von eQ-3 kaufen? Wenn wir über Wachstum sprechen, müssen wir auch über einen Grund sprechen, weshalb jemand Ihnen helfen sollte, zu wachsen, weshalb Kunden bei Ihnen kaufen. Warum also sollte jemand Produkte bei eQ-3 kaufen und nicht woanders?
Schon aus unserer Vergangenheit als ELV haben wir immer dafür gestanden, dass wir einzigartige und innovative Produkte machen und das immer in Kombination mit einer hohen Preiswürdigkeit und dieses Dogma haben wir für die eQ-3 übernommen und aus der Entwicklung, dass wir ja jetzt nicht mehr im B2C-Geschäft tätig sind, ergeben sich natürlich eine ganze Reihe von anderen Schwerpunkten, aber diese Grundlage von Einzigartigkeit, Innovation und Preiswürdigkeit, die lassen wir als Firmencredo bestehen.
Das sind also die drei Dinge für die „3“ in „eQ-3“: Einzigartigkeit, Innovation und Preiswürdigkeit.
Ja genau, damit haben wir das auch geklärt. [lacht]
Warum sind Sie dort? Was hat Sie dort hingezogen?
Mich hat natürlich gereizt, dass ich in einem Unternehmen arbeiten kann an absoluter Top-Position, wo eben dieses Wachstum und diese unheimlichen Perspektiven da sind. Zumindest die letzten beiden Unternehmen waren ja nun sehr groß, aber waren beide auch in relativ gesättigten Märkten unterwegs und dieses enorme Potential mit dieser enormen Wachstumsgeschwindigkeit hat natürlich auch so einen eigenen unternehmerischen Charakter und der hat mich schon sehr gereizt.
Was sind Ihre persönlichen herausragenden Eigenschaften, die Sie befähigen und auch die Sie antreiben innerhalb eines solchen Wachstumsumfelds?
Tja, ich würde natürlich jetzt ungern mit Platitüden antworten. Im Grunde müssten das meine Kunden und meine Mitarbeiter beantworten, aber ich kann, glaube ich, von mir sagen, ich bin eine sehr verlässliche Natur. Ich bin, glaube ich, ein recht guter Kommunikator und für die Mitarbeiter, ich hoffe, dass die das auch so sehen, bin ich Team-Player und Förderer, aber last but not least: Ich bin eben auch sehr von dem Produkt und diesem kommenden Markt überzeugt und damit insgesamt von dem Potential von eQ-3.
Ohne Überzeugung kann man das ja auch nicht machen. Das wird ja dann eine Quälerei. Wenn wir über eQ-3 konkret sprechen, dann sprechen wir über ein enorm wachsendes Unternehmen. Fünfzig Produkte pro Jahr oder mehr werden entwickelt. Sie haben bereits eine erhebliche Wachstumshistorie hinter sich, wie bekommt man das intern in den Griff?
Ja, in der Tat. Wir haben in den letzten Jahren eigentlich regelmäßig ein deutlich zweistelliges Wachstum hingelegt und das wird auch in 2011 wieder so passieren. Wir sind natürlich in einer etwas anderen Startvoraussetzung, weil wir zum Teil auch Möglichkeiten des ELV Versandhauses mit benutzt haben und das hat uns am Anfang sehr gut den Steigbügel gehalten. Mittlerweile werden wir immer selbstständiger und ich kann intern nur wachsen, wenn ich entsprechend das Fachpersonal aufbaue, also Aus-/Weiterbildung und Rekrutierung. Die ganzen internen Strukturen müssen mitwachsen, das fängt bei den Berichtsebenen an und geht dann über das Controlling bis hin zu jeder weiteren Unterstützung, die man an dieser Stelle braucht. Ich glaube, es gibt aber auch „weichere“ Themen, über die man reden sollte. Man darf sich keinesfalls auf Lorbeeren ausruhen, sondern man muss immer den Push haben, das Erreichte noch weiter fortzuführen, wobei man sich trotzdem auf das Wesentliche konzentrieren muss, denn man verhaspelt sich auch sehr leicht, wenn man hier eine Möglichkeit sieht und da eine Möglichkeit. Die Versuchung, alles mitzunehmen, ist immer sehr hoch.
Und wie entscheiden Sie, was eine gute Möglichkeit ist und was eine nicht so vielversprechende Möglichkeit ist?
Das ist eine Sache, die zum Einen von rationalen Zahlen geprägt ist, aber auch von dem mit der Realisierung verbundenen Aufwand. Letztlich ist es natürlich immer so, dass diese Entscheidung immer ein bisschen den momentan anliegenden Themen entspricht, also: Passt es in das derzeitige Produktportfolio? Gibt es eine sinnvolle Ergänzung? Welche Synergien haben wir mit bestehenden Projekten? Aber auch: Welches Zukunftspotenzial sehen wir für die jeweilige Opportunity?
Sie sagten gerade, dass man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen darf und wir sind in der Beratung ja auch immer bemüht, im besten Sinne des Wortes, dafür Sorge zu tragen, dass der Erfolg unserer Klienten sie nicht müde macht oder sie nicht träge macht. Was tun Sie, damit Sie nicht träge werden, damit sich Erfolg nicht als Veränderungsbremse einstellt?
Zunächst mal ist es so, dass wir eine hoch motivierte Mitarbeiterschar haben, die über ein hohes Maß an Eigendynamik verfügt. Wir haben eine Reihe von Entwicklern, die auch selbst mit Vorschlägen kommen, wie das Unternehmen und die Produkte weiterzutreiben sind, wie sie weiter zu entwickeln sind. Man darf eines nicht vergessen: Wir bewegen uns in einem Bereich mit der Hausautomation, der ja wirklich ein nahezu ungemachtes Zukunftsfeld ist und es gibt so viele Ideen und Möglichkeiten. Ich glaube, die Gefahr, dass uns die Ideen ausgehen oder dass wir selbst träge werden, die besteht eigentlich nicht und zwar schon aus dem Grunde, weil man natürlich selbst den Ansporn hat, das möglichst beste und kompletteste System hinzustellen.
Erstens würde ich gerne von Ihnen wissen, wie das Haus der Zukunft aussieht, das Wohnhaus der Zukunft, auf das Sie sich fokussiert haben, und was mich auch interessiert, was unsere Hörer auch interessiert, ist: Wie sorgen Sie dafür, dass diese ganzen Produkte auch verstanden werden, denn Sie machen ja keinen Direktvertrieb, sondern Sie gehen über Handelspartner oder eben machen OEM-Geschäfte. Wie verstehen also Ihre externen Partner die Produkte?
Um mit Ihrer ersten Frage anzufangen - Ich möchte ein ganz einfaches Beispiel geben: Wenn Sie sich vorstellen, was ein gut ausgestattetes Auto heutzutage alles an elektronischen Helferlein hat und wenn Sie das vergleichen mit dem, was Ihr Haus hat, dann sehen Sie, dass Sie noch ein riesiges Feld vor sich haben. Wenn Sie daran denken, dass Sie immer noch die Fenster mit der Hand aufmachen, dass Sie immer noch die Haustür normal aufschließen, dass Sie, wenn Sie lüften, nicht einfach nur auf den Knopf der Klimaanlage drücken - zumindest nicht in Westdeutschland, hier ist ja die Klimaanlage eher noch unterrepräsentiert. Sie haben keinen automatischen Lichtschalter, keinen automatischen Scheibenwischer etc. Also mit anderen Worten: Wie sieht das Haus aus, wenn man diese Art von Unterstützung sowohl im Komfortbereich als auch im Sicherheitsbereich als auch im Energieeinsparungsbereich realisiert hat? Wir haben die elektronischen Helferlein, um genau diese Lösungen möglich zu machen. Wir können jede Art von Lichtszenarien machen, wir können die Heizungen automatisch steuern, sodass Sie wirklich nur dann heizen, wenn Sie auch Zuhause sind und wenn in dem jeweiligen Raum Wärme gebraucht wird. Es gibt da eine unglaubliche Varianz und Variabilität, die man sich eigentlich nur live ansehen kann, weil das Ganze jetzt hier auszubreiten, deutlich zu weit führen würde.
Und wenn es jetzt darum geht, wie wir die vielen Produkte bei unseren Kunden unterbringen, dann möchte ich Ihnen mal ein Beispiel geben: Es ist zum Beispiel ganz klar, dass ein Dimmer ein Produkt ist, das man für ein entsprechendes Ambiente im Haus auf jeden Fall braucht. Ich brauche aber einen Dimmer, wenn ich das in der Hausautomation betreibe, mit verschiedenen Leistungsstärken, ich brauche einen Anschnitt- und einen Abschnittdimmer, um Lampen und Schaltnetzteile zu steuern. Die müssen in der Zwischendecke, im Unterputz im Feuchtraum und sonst irgendwo sein, daraus ergibt sich eine ganze Vielzahl von Produkten. Alleine in der Homematic haben wir daher acht verschiedene Dimmer. Wenn man sich das Ganze jetzt zu jedem Gerät vorstellt, dann kann man sich sehr schnell vorstellen, wieso wir auf diese enorme Zahl von 1.600 Produkten kommen oder auch von 200 Produkten, die sich mit der Hausautomation beschäftigen.
Das ist natürlich die Kompetenz, die wir bieten können und die man auch von uns erwartet, denn es gibt im Markt eigentlich kein Hausautomationssystem, was unsere Produktvielfalt bietet und wir sind nicht zuletzt auch deshalb zwangsläufig in die Lage versetzt worden, dass wir diese Losgrößen auch noch kostengünstig fertigen, weil wir eben das mit einem eigenen Werk machen und dieses Werk genau auf dieses Geschäft ausgelegt wurde.
Jetzt nochmal zu Ihren Vertriebspartnern. Wie verstehen die das? Wenn Sie mit 1.600 Produkten konfrontiert werden oder sagen wir auch nur 300 Produkten, wie stellen Sie sicher, dass das Wachstum nicht nur sozusagen im Großhandel endet, also dass Sie nicht nur hereinliefern zu Ihren Vertriebspartnern, sondern dass auch dort ordentlich abverkauft und installiert wird, sodass ein Nachfragesog bei Ihnen entsteht? Wie verstehen Ihre Partner das Produktspektrum?
Ich möchte mit einem anderen Punkt vorweg anfangen. Wir haben ja über das Thema „OEM“ gesprochen und zunächst mal hat natürlich unser Kunde, weil das OEM-Geschäft bei uns eben einen ganz erheblichen Anteil hat, durch unsere Produkte die Möglichkeit, in seinen Stammgebieten weitere Diversifikationsschritte zu unternehmen und damit selbst zu wachsen. Das Produkt und der Kunde stehen bei uns im Mittelpunkt und das heißt, wir bauen in der Regel auf real existierenden Märkten auf und wir erfinden nicht bei jedem Produkt die Welt neu. Wir erschließen eigentlich für unsere Kunden durch unsere Expertise und unsere Produkte für die Kunden neue Absatzmärkte und damit ist eine hohe Identifikation bei den Kunden gegeben, sich mit diesem Ganzen zu umgeben. Dazu kommt, dass wir einen deutlichen gegenseitigen Lernprozess haben. Grundsatz sollte immer in so einem Wertschöpfungsprozess sein, dass jeder, der daran beteiligt ist, den Teil übernimmt, den er selbst am besten kann. Wir haben zum Beispiel Kunden, die sind namhafte deutsche Schalterhersteller. Wenn ich mich mit einem Schalterhersteller über die Qualität von Kunststoffoberflächen unterhalte, dann habe ich wirklich mein Geschäft nicht verstanden, denn das kann niemand besser als der Schalterhersteller. Wenn die mich aber darauf ansprechen: „Wie kriege ich denn in meine Schalter eine vernünftige Funklösung herein?“, dann sind sie bei uns genau richtig aufgehoben. Ich glaube, dass man damit dann ganz gut erklärt, wie das Ganze vom Prozess her aussieht.
Wenn ich versuche, das mit meinen Worten zusammenzufassen: Erstens: Sog statt Druck. Sie drücken nicht in den Markt, sondern Sie schauen, wo ist der Bedarf schon da. Und zweitens: Sie mischen sich nicht in das Kerngeschäft Ihrer Kunden ein, jeder konzentriert sich auf das, was er am besten kann.
Richtig, so ist es.
Lassen Sie uns generell über Wachstum sprechen, ein bisschen außerhalb von eQ-3. Es geht mir um Ihre Meinung, um Ihre Ansicht. Was bedeutet Wachstum aus Ihrer Sicht?
Zunächst glaube ich, dass der größte Wachstumsmotor das Ausschöpfen der gesamten Potenziale, die ein Markt und die das Unternehmen selbst bietet, ist. Ich glaube, dass an sehr vielen Stellen sehr viel Wachstumspotenzial auf der Strecke bleibt und dadurch automatisch nicht zum Wachstum wird. Man muss natürlich Innovationen umsetzen und man muss auf Marktanforderungen entsprechend schnell reagieren können, aber wichtig ist dann eben auch, dass ich in der bereits besetzten Produktgruppe voraus denke und bereits heute an die Produkte von morgen denke. Ganz entscheidend ist aber, dass ich erst mal die Potenziale, die mir das Unternehmen und der Markt bieten, komplett ausschöpfe.
Das bedeutet?
Nun, das bedeutet in erster Linie, dass ich mir keine internen Wachstumsbremsen aufzwinge, denn die Wachstumsgrenzen sind ja immer damit verbunden, dass man sich irgendwelche eigenen Hemmnisse aufbaut, dass man sich also überlegt: „Meine Güte, wenn ich jetzt noch das und das mache, wie schaffe ich das eigentlich, wie steuere ich das?“. Da gibt es ja eine ganze Reihe von Hemmschwellen, die ich mir selbst aufbauen kann, um damit mein eigentliches Potenzial nicht voll auszuschöpfen. Das ist letztlich auch immer eine Frage der eigenen Möglichkeiten in dem Unternehmen, aber ist auch eine Frage von Verständnis und von Mut.
Jetzt gibt es ja einige, die immer wieder uns versuchen zu erläutern, wie wichtig Wachstumspausen wären. Was ist Ihre Meinung zum Thema „Jetzt machen wir mal eine Wachstumspause. Jetzt legen wir mal eine Wachstumspause ein, wir sind so viel gewachsen, wir müssen das erst mal alles verarbeiten“?
Man kann da jetzt natürlich mit dem Paradespruch „Stillstand ist Rückschritt“ arbeiten, das ist mir aber ein bisschen zu kurz gesprungen. Zunächst mal muss ich sagen: Kein Wachstum um jeden Preis. Es gibt sicherlich auch Stellen, an denen man sagen muss: „Jetzt an dieser Stelle übernehme ich mich“ und das gehört natürlich auch zum unternehmerischen Weitblick, dass man genau dieses nicht tut. Aber vom Grundsatz her muss ich sagen – und das gilt für uns eindeutig – wenn ein Markt wächst und ich selbst eine Wachstumspause einlege und nicht entsprechend mitwachse, heißt das ja nichts anderes, als dass ich Marktanteile dem Wettbewerb überlasse. Und gerade in prosperierenden Märkten und in so neuen Märkten wie dem, in dem wir uns bewegen, laufen wir dann Gefahr, dass wir potenzielle Weichenstellungen verpassen oder eben Einstiegsbarrieren für den Wettbewerb verringern und somit dem Wettbewerb eine offene Flanke bieten. Das versuchen wir natürlich, soweit es irgend geht, zu vermeiden. Also man hat ja immer betriebswirtschaftlich diese berühmten Marktanteils-, Marktwachstumsmatrix vor Augen. Mit all diesen Konsequenzen muss man natürlich leben, aber im Prinzip sagen wir, wir nehmen dieses Wachstum mit, so wir dann in irgendeiner Form eine gute Chance haben, dieses auch zu verkraften.
Bedeutet das eine Verpflichtung zum Wachstum in einem solchen Markt wie dem Ihren?
„Verpflichtung“ ist an der Stelle das falsche Wort. Ich würde mehr wieder auf meine Potenzialausschöpfung kommen. Es ist natürlich eine Verpflichtung, dass man das Unternehmen so gut für die Zukunft positioniert wie irgend möglich und im Moment, bei so einem prosperierenden Markt, werden im Moment die Marktanteile vergeben, die sich dann über viele Jahre manifestieren. Insofern würde ich dem sogar zustimmen, dass Sie an der Stelle eine Verpflichtung sehen in Hinblick auf die Nachhaltigkeit für die Zukunft.
Was tun Sie in Ihrer Position konkret, um Wachstum vernünftig voranzutreiben? Sie sind ja nicht blauäugig unterwegs, Sie wissen, dass es sehr wohl unsinniges Wachstum gibt, Wachstum um des Wachstums willen oder Wachstum um jeden Preis – das haben Sie ja gerade auch schon erwähnt. Was können Sie in Ihrer Position tun und was tun Sie konkret, um Wachstum in die richtigen Kanäle zu senden, um die Kräfte und Potenziale in Ihrem Unternehmen auszuschöpfen?
Zunächst mal muss man sich fragen: „Wie kann ich es von innen generieren?“ Wir wachsen ja zum Beispiel auch nicht durch Akquisition, sondern wir wollen von innen heraus wachsen und da muss man sich überlegen: Wo sind im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern die Stärken auf deren Basis ich wirklich wachsen kann? Da ist bei uns eindeutig der sehr kurze Entwicklungszyklus das Pfund, was ich in den Ring werfe. Wir arbeiten natürlich auch schon häufiger mit Großkonzernen und Großunternehmen zusammen und wir wissen, dass dort durchaus auch Entwicklungszyklen sind, die sechs, acht oder zehn Jahre dauern. Wenn wir uns Mühe geben, mit einem Produkt normaler Komplexität, liegen wir in der Regel unter einem Jahr und insofern unterscheiden wir uns an der Stelle auch nicht sehr von anderen mittelständischen Unternehmen - der Mittelstand ist ja in Deutschland eigentlich die Basis für Innovation. Das führt dann auch zu einer Identifikation der Mitarbeiter, die für so einen Wachstumskurs und die damit verbundenen Anforderungen unbedingt nötig ist.
Eine ganz wichtige Geschichte ist auch noch, dass ich niemals versuchen würde, zugunsten von kurzfristig überhöhten Margen die Preiswürdigkeit des Produktes aus den Augen zu verlieren. Man kann Markt nur sehr selten mit überproportionalen Preisen schaffen. Apple ist da zwar ein Gegenbeispiel, aber vom Grundsatz her ist das einfach schwierig und meiner Meinung nach nicht sehr sinnvoll. Ich habe zwar kurzfristig dann eine hohe Marge, aber damit reduziere ich auch Markteintrittsbarrieren für den Wettbewerb. Ist ein Produkt so preisgünstig, dass es für einen Neueinsteiger kaum vernünftige Margen bei vernünftigem Risiko gibt, dann kann ich mich auch als Mittelständler in eine sehr komfortable Marktsituation bringen und das verfolgen wir sehr konsequent.
Was natürlich bedingt, dass Sie enorm effiziente Prozesse im Hintergrund haben und sich keine Verschwendungen leisten dürfen.
Das stimmt, aber wir sind vor allem eben auf der Entwicklungsseite stark und wir können damit viele Dinge mit deutlich überschaubarerem Aufwand realisieren, als wenn ich im Rahmen der Prozesse von Großunternehmen jedes Mal das Rad neu erfinde.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie das Ohr schneller am Markt haben als andere?
Bei uns sind in erster Linie eigene Erfahrungen und es ist ein sehr erfahrener Mitarbeiterstamm, der sich auch sehr gut am Markt auskennt und auch immer wieder mit Innovationen kommt und sagt: „Guck’ mal hier, jetzt haben die das und das gemacht. Ist das was für uns, können wir uns da ’ranhängen?“ oder eben, dass einfach auch selbst Ideen fortgetrieben werden.
Sie hatten vorhin schon einmal die Wachstumsbremsen anklingen lassen. Haben Sie zwei, drei Situationen vor Augen, wo Sie vor einer potenziellen Wachstumsbremse standen und wie haben Sie diese dann gelöst?
Ich habe diese Situation schon verschiedene Male erlebt und fange mal mit eQ-3 an: Bei der eQ-3 ist die größte Wachstumsbremse, dass wir schlichtweg mehr Nachfrage als Angebot haben und das betrifft insbesondere die Entwicklungsleistungen. Das heißt als Konsequenz, was ich vorhin schon sagte, wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren und wir müssen – so leid es einem tut – auch manchmal „Nein“ sagen. Die nächste Wachstumsbremse ist das ganze Thema „Personal“. Man muss einfach entsprechend personalmäßig mitwachsen. Das bedeutet, nicht nur im Hinblick auf die simple Anzahl, sondern auch bezogen auf die Qualität des Personals, wofür wir entsprechend Hilfe brauchen, wir müssen entsprechend besser planen. All dies sind Dinge, die man bei kleineren Unternehmen noch von der Hand in den Mund machen kann, aber je größer man wird, desto mehr muss das in einen professionellen Planungsprozess münden. Und dann haben wir im Moment das Problem, dass der Komponentenmarkt in China, also sprich unsere Einkaufsquellen, im Moment sehr stark durch die Wirtschaftskrise ihre Kapazitäten eingedämpft haben und wir haben im Moment massive Probleme, die Komponenten unserem Wachstum entsprechend in die höheren Stückzahlen zu bekommen. Jetzt haben wir, Gott sei Dank, das Glück, dass wir mittlerweile immer bekannter werden und auch dass unsere Rolle als maßgeblicher Kunde für die Hersteller von elektronischen Bauteilen mehr und mehr ins Spiel kommt, aber die Lieferfähigkeit von Fertigprodukten ist natürlich stark davon abhängig, dass ich auch die entsprechenden Komponenten habe.
Bei den anderen Unternehmen, wo ich mich mehr in den gesättigten Märkten bewegt habe, da ist natürlich ein Wachstum in aller Regel mit einem Preiskampf verbunden, da Vorteile durch Produktdifferenzierung eigentlich vielfach gar nicht mehr möglich sind, weil die Produkte in den „old economies“ auch ausgelutscht sind. Da hat man dann sehr häufig das Problem, dass der Mut schlicht und ergreifend fehlt und dass die echten Innovationen daher ausbleiben. Dann kommt noch der Unterschied zwischen unternehmergeführten und managergeführten Unternehmen hinzu und das ist schlicht die Renditeforderung. Wenn ich mich an Maßstäben wie Shareholder Value oder EVA orientiere, habe ich automatisch Innovations- und damit auch Wachstumsbremsen, die eigentlich nicht ursächlich mit dem Unternehmen sondern auch mit den Wertegebilden innerhalb des Unternehmens zu tun haben.
Das heißt, Sie sind in einem inhabergeführten Unternehmen langfristiger unterwegs?
Ja, eindeutig langfristiger und auch natürlich innovationsgetriebener, weil es nicht die großen internen Regularien gibt, mit welcher Return-On-Investment-Zeit ich welches Produkt machen muss, sondern man kann eben sagen: „OK, dieses ist ein Zukunftsprojekt, das will ich unbedingt machen“ und dann passiert das eben auch. Ich habe das zum Beispiel auch bei Dorma erlebt, wo sich der Inhaber selbst konkret um eine bestimmte Produktinnovation gekümmert hat und gesagt hat: „Dieses möchte ich haben und ob das jetzt drei Jahre oder fünf Jahre Amortisation hat, das interessiert mich eigentlich nicht wirklich. Ich möchte, dass es so professionell wie möglich vorbereitet wird und ich möchte, dass dieses Produkt realisiert wird.“ Das ist natürlich eine Voraussetzung, wo man dann mit unternehmerischem Weitblick noch etwas machen kann und sich nicht auf irgendeiner Hauptversammlung dafür rechtfertigen muss.
Wachstum ist eben doch ein Film.
Das ist so, eindeutig.
Wir haben jetzt gerade über Wachstum gesprochen, wir haben über Ihre grundsätzlichen Erfahrungen gesprochen, wir haben über Sie selbst gesprochen. Was wichtig ist, wenn wir über Wachstum sprechen, ist das Thema Strategie. Sie sagten schon, dass Sie natürlich als inhabergeführtes Unternehmen mit Herrn Professor Redeker als Eigentümer eine langfristige Perspektive sehen. Wie wird bei Ihnen Strategie gemacht? Wer wird wie eingebunden und wie ist Ihre Rollenverteilung intern zwischen Herrn Redeker und Ihnen?
Allgemein kann ich die Frage nicht beantworten, denn bei uns gibt es nicht den Satz: „Wir machen jetzt Strategie“. Das sind viele kleine Einzelthemen, die dann in eine Gesamtstrategie münden. Grundsätzlich ist bei uns die Strategie ein offener und kommunikativer Prozess, der kollegial abläuft. Im Normalfall diskutieren wir die Themen zunächst im Vorstand, dann ist in der Regel der Bereichsleiter Business Development dabei und gegebenenfalls holen wir dann noch Fachleute aus dem jeweiligen Bereich dazu; das ist dann häufig der Entwicklungsleiter, wenn es um technische Fragen geht, es kann auch Personalleitung oder Versandhausleitung sein, je nachdem, welches Thema anliegt. Die grundsätzliche Rollenverteilung zwischen uns ist so, dass die grundlegende Unternehmensstrategie eine Festlegung ist, die in letzter Konsequenz Herr Redeker entscheidet, aber ich in diesen Prozess voll integriert werde. Das heißt also, ich werde nicht von irgendwelchen Strategiewechseln überrascht und je mehr die Strategie in Richtung Marketing- und Vertriebspositionierung hinterfragt wird, desto größer ist dann naturgemäß der Part von mir und vom Business Development. Bei Strategieentscheidungen, die mehr den technischen Part betreffen, ich möchte mal als Beispiel nennen, wenn wir eine neue Prozessorganisation besprechen, die ja für uns durchaus strategische Bedeutung hat, dann ist das ein Thema, wo Professor Redeker, der von Haus aus Techniker ist, natürlich entscheidend mitwirkt und das mit dem Entwicklungsleiter macht und dann sind wir in aller Regel nur diejenigen, die da mit Anteil nehmen.
Marketing und Vertrieb, das treibt eine Frage aufs Tableau, die mit einer unserer Studien zusammenhängt, an der Sie ja auch teilgenommen haben, nämlich die Mandat-Studie „Vertrieb und Marketing – miteinander oder nebeneinander?“ Wie stellen Sie sicher, dass Marketing und Vertrieb sinnvoll miteinander verzahnt sind?
Es ist mittlerweile so, dass wir das Marketing an das Business Development angehängt haben und der Vertrieb komplett bei mir ist, insofern war das in der Einleitung auch nicht mehr ganz aktuell, das ist relativ neu. Ganz eindeutig ist es bei uns so, dass wir im Marketing eher die strategischen Weichenstellungen und im Vertrieb dann die Umsetzung haben. De facto ist das aber eine Sache, die bei uns sehr reibungslos läuft, weil wir sehr kurze Entscheidungswege haben und auch sehr gut innerhalb des Hauses miteinander kommunizieren. Wir sind auf einer Etage und ja nun auch noch nicht so groß und dann läuft das also sehr flüssig. An der Stelle haben wir wirklich kaum irgendwelches Konfliktpotenzial.
Da sind Sie den Unternehmen einen Schritt voraus, die diesbezüglich durchaus zu kämpfen haben. Aus der Studie ist unter anderem auch hervorgegangen, dass Marketing und Vertrieb sich nicht etwa zu selten treffen und zu selten miteinander sprechen. Weit gefehlt: die sprechen permanent miteinander, nur über die falschen Dinge. Schön, wenn Sie das abgebogen haben oder wenn Sie das gar nicht erst haben aufkommen lassen.
Dass das ein Konfliktpotenzial ist, kann ja niemand bestreiten. Ich meine, dass wir gerade durch diese Führung hier, dadurch dass bei den Sitzungen immer Business Development, Marketing und Vertrieb an einem Tisch sitzen und das Ganze dann Herrn Redeker als Supervisor hat, eine Konstellation haben, mit der das relativ reibungslos läuft.
Wenn Sie gerade sagten, bei inhabergeführten Unternehmen ist es mitunter so, dass einfach ein Wille ausgesprochen wird und das Unternehmen wird auf diesen Willen ausgerichtet, wie entscheiden Sie? Wie ist die Entscheidungsfindung? Was ist Ratio, was ist Emotio? Wie kommen Sie dazu, dieses beides vernünftig auszugleichen?
Die Frage Ratio und Emotio ist natürlich ein unheimlich spannendes Thema. Man tendiert dazu, etwas aus dem Bauch heraus zu entscheiden und dann kommen häufig die rationalen Faktoren, die das Ganze hinterfragen. Ich glaube, dass letztlich gerade der Mix aus Ratio und Emotio ausmacht, dass man als Mittelständler Erfolg hat, denn man hat an dieser Stelle einen klaren strategischen Vorteil gegenüber einem Großunternehmen und besonders in einem unternehmergeführten Unternehmen gibt es noch die Chance, aus dem Bauch heraus zu entscheiden und zu handeln. Unter dem Strich heißt das natürlich nicht, dass wir jetzt keine Kalkulationen, Markterhebungen oder andere rationale Instrumente benutzen, aber ich kann sicher sagen, dass unsere besten Entscheidungen die waren, wo Emotio einen guten Anteil hatte und last but not least – und das kann ich für mich und Herrn Redeker sagen – bei uns stehen die Türen immer auf. Wenn jemand eine gute Idee hat, wird der bei uns niemals abgewimmelt. Gerade diese kurzen Entscheidungswege sind natürlich immer wieder wichtig und können dann einer Entscheidungsfindung, egal ob Ratio oder Emotio, entsprechenden Vorschub leisten.
Es ist gut und mutig, der Emotion auch entsprechenden Raum zu lassen. Das ist auch sicherlich ein Vorteil eines mittelständischen, inhabergeführten Unternehmens.
Das glaube ich ganz sicher, ja. Das unterschreibe ich jederzeit.
Mitarbeiter sind ein wesentlicher Treiber des Wachstums, das haben Sie schon zum Ausdruck gebracht und Mitarbeiter sind letztendlich ja auch Träger des Unternehmens, die tragen das Unternehmen nach innen und nach außen. Wie finden Sie neue Mitarbeiter? Sie hatten das schon als Engpass vorhin einmal genannt, gute Mitarbeiter zu finden. Wie machen Sie das und worauf achten Sie besonders?
Wir benutzen natürlich alle üblichen Mittel zum Recruiting. Bei Führungspositionen und Spezialisten greifen wir auf Personalberater zu, ansonsten haben wir natürlich Stepstone und alle möglichen anderen modernen Instrumente, um unsere Stellen nach außen zu tragen. Mittlerweile steigt auch der Anteil der Initiativbewerbungen, weil wir im Markt bekannter werden und auch für eine bestimmte Unternehmenskultur stehen und wir machen intensive Nachwuchsförderung, erreichen damit auch gerade bei den Werkstudenten und Auszubildenden ein sehr gutes Niveau, was zu einer nahezu hundertprozentigen Übernahme der Kandidaten führt. In letzter Zeit haben wir auch mehr und mehr das Phänomen, dass sich Spezialisten aus Konzernen bei uns bewerben, weil die davon ausgehen, dass sie hier sehr viel schneller ihre Ideen umsetzen können und diese Tatsache, dass wir eine inhabergeführte AG sind und auf damit Kontinuität und langfristigen Erfolg aufbauen, ist auch für Leute aus deutlich größeren Unternehmen häufig sehr attraktiv.
Letztlich vielleicht noch eher so ein „Soft Skills“-Punkt: Es ist natürlich auch so, dass die zusätzlichen fachlichen Anforderungen, die sich durch das Wachstum ergeben, insbesondere natürlich Internationalisierung mit beinhalten. Das wiederum bedingt, dass wir in irgendeiner Form diese Teamfähigkeit unterstützen. Wir haben ab und zu schon bei dem Wachstum diese operative Hektik und wir müssen sehen, dass jeder auch für den anderen einsteht und notfalls auch mal Dinge macht, die nicht typischerweise in seiner Job Description stehen. Das ist für uns eine typische Ausprägung: Diese Teamfähigkeit, die wir durch offene Kommunikation pflegen. Das muss letztlich dazu führen, dass die Arbeit Spaß macht.
Gibt es weitere Eigenschaften, die ein Mitarbeiter mitbringen muss, um bei Ihnen glücklich zu werden?
Also natürlich braucht der Mitarbeiter eine technische Faszination. Er muss sich mit dieser Art von Produkten und dem Unternehmen identifizieren. Die Teamfähigkeit habe ich genannt, die Flexibilität ist dabei notwendig und letztlich sollte er auch bodenständig sein, also irgendwelche Karriereüberflieger, die werden es bei uns dann auch schwer haben, wenn sie nicht auf dem Boden bleiben.
Was heißt „auf dem Boden bleiben“?
Dass man zum Beispiel relativ wenig auf diese hierarchischen Dinge achtet, dass man Team in den Mittelpunkt stellt und nicht das eigene Ego.
Also „Director Global Operations“ oder „Vice President“ oder „Senior Vice President“ oder so etwas, das gibt es dann erst mal nicht?
Ja gut, ich meine, diesen formalen Titel „Executive Vice President“ führe ich ja auch auf der englischen Visitenkarte, aber das ist letztlich nur eine Außenwirkung, damit der andere weiß, mit wem er es zu tun hat. Aber wir reden hier keinen mit „Herr Direktor“ an, soviel ist sicher.
Es gibt auch keine Türschilder „Direktor so und so“ ja?
Genau.
Wie viele Mitarbeiter suchen Sie im Moment?
Wir haben im Moment sechzig offene Stellen, das heißt also, wir werden in 2011 ungefähr ein Viertel der Gesamtbelegschaft hier in Leer aufbauen. Das gilt jetzt nur für Leer. In China ist das natürlich immer stark den jeweiligen Peaks in der Produktion angepasst, aber vom Grundsatz her werden wir uns da immer im vierstelligen Bereich uns bewegen.
Sechzig Leute in Ostfriesland, also das ist ja mal ein Wort. Dürfen sich bei Ihnen auch junge Absolventen bewerben?
Aber selbstverständlich. Natürlich haben wir ein kleines Standortproblem, das darf man ja auch nicht einfach unter den Tisch kehren.
Aber es ist doch sehr schön bei Ihnen.
Natürlich können wir nicht mit der Attraktivität einer Großstadt werben. Auf der anderen Seite wiederum bietet diese Gegend hier auch an Ausbildung und so weiter alles, was man braucht. Man muss erst mal den Schritt machen, sich hier in diese Gegend zu bewegen.
Also, liebe Absolventinnen und Absolventen, wenn Sie das irgendwann mal hören oder lesen sollten: Sprechen Sie Herrn Hohorst an, es sind noch viele offene Stellen da. Das wird bei dem Wachstumstempo, da bin ich sehr sicher, auch weiterhin so sein.
Sie hatten gerade einige Eigenschaften genannt, Herr Hohorst, die Mitarbeiter mitbringen müssen, wenn sie bei Ihnen glücklich werden wollen. Gibt es darüber hinaus einen Ansatz von allgemein gültigen Prinzipien, die Mitarbeiter in Familienunternehmen grundsätzlich mitbringen sollten?