Vorwort des Herausgebers
Vorwort
Einleitung
Kapitel 1
Ergebnisse und Beziehungen
Fehlender Sinn in Beziehungen
Beziehungen als Antriebskraft
Zusammenfassung
Kapitel 2
Auf Selbstvertrauen basierendes Führen
Kennzeichen des Selbstvertrauens
Das Erreichen von Zielen durch Selbstvertrauen
Zusammenfassung
Kapitel 3
Selbstwertbasiertes Führen
Selbstwert und das Abdecken von Bedürfnissen
Selbstwert und Integrität
Selbstsein im Führen
Selbstwertcharakteristika
Selbstwertbasiertes Führen und Entwicklungsstufen
Zusammenfassung
Kapitel 4
Selbstwertbasiertes Führen und Beziehung
Die drei Beziehungsmuster
Abbauende Beziehungen
Bewahrende Beziehungen
Sich entwickelnde Beziehungen
Fallbeispiel – vom Abbau zur Entwicklung
Zusammenfassung
Kapitel 5
Selbstwertbasiertes Führen in der Praxis
Führen des Möglichkeitsraums
Führen des Kraftfeldes
Kraftfeldwerkzeuge
Zusammenfassung
Kapitel 6
Selbstwertbasiertes Führen und das Erzielen von Ergebnissen
Selbstwertbasiertes Führen und die Kundenbeziehung
Die abbauende Kundenbeziehung
Die sich entwickelnde Kundenzusammenarbeit
Zusammenfassung
Kapitel 7
Selbstwertbasiertes Führen und das Umfeld
Globale Bremskräfte
Uneinigkeit über Definitionen
Skandinavische Werte
Universelle Antriebskräfte
Zusammenfassung
Kapitel 8
Die Tür zu einem neuen Führungsstil
Der auf Selbstvertrauen basierende Führungsstil
Der auf Beziehung basierende Führungsstil
Der auf dem Selbstsein basierende Führungsstil
Der auf der Umgebung basierende Führungsstil
Der auf Sinn basierende Führungsstil
Literaturliste
Das Entscheidende in jedem Unternehmen sind die Menschen. Dieses Buch gibt Führungskräften und Managern das Rüstzeug an die Hand, um in unübersichtlichen Zeiten überlebenssichernde Entscheidungen für ihre Unternehmen zu treffen.
Bei der Arbeit mit den ins Deutsche übersetzten Texten von Martin Mourier habe ich über unser sonderbares deutsches Verhältnis zum Wort „Führen“ nachgedacht. „Leadership“ ist ein aktiver, freundlicher amerikanischer Begriff – im Deutschen wird dieser Begriff mit „Führerschaft“ übersetzt, was für mich furchtbar klingt, da man „Führerschaft“ sofort mit dem Nationalsozialismus assoziiert. Hinzu kommt, dass „jemanden anführen“ im Deutschen ja auch „jemanden betrügen“ bedeuten kann. Diese Doppeldeutigkeit lässt an Unverantwortlichkeit auf der einen und Misstrauen auf der anderen Seite denken – das sind genau die Gegensätze zu den Begriffen Verantwortlichkeit und Vertrauen, die im Zusammenhang mit einer neuen Führungskompetenz einen zentralen Stellenwert einnehmen.
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ bedeutet „Vertrauen für mich und Kontrolle für dich“, und das funktioniert nicht mehr mit Menschen, die wir als gleichwürdig ansehen.
In diesem Buch geht es darum, Führungskompetenz auszuweiten und Führungsverantwortung zu übernehmen – für das eigene Leben und im Unternehmen als leitender Mitarbeiter oder Chef. Das Buch trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass wir in unserem Leben weder ohnmächtig noch allmächtig sind, sondern handlungsfähig. Wir sind in der Lage, den Gang der Dinge zu beeinflussen, auf dass es uns gut miteinander gehen möge.
Hier kommen ein paar Ideen, warum es für Sie Sinn machen könnte, dieses Buch zu lesen. Wir brauchen eine neue Führungskompetenz, weil wir sowohl als Wissensmitarbeiter als auch als Menschen, die diese führen sollen, neue und andere Qualitäten brauchen. Der dumme Spruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – also eigentlich „Vertrauen für mich und Kontrolle für dich“ – funktioniert nicht mehr mit Menschen, die wir als gleichwürdig ansehen. Wie wir stattdessen mit unseren Mitarbeitern umgehen können, dazu finden Sie auf den nächsten 250 Seiten reichlich Material.
Es gibt Menschen, die an der Führung sind, und es gibt Menschen, die führen. Führungsmenschen haben eine Position, die mit Macht und Autorität ausgestattet ist. Aber Menschen, die wirklich führen, inspirieren uns! Solchen Führungspersönlichkeiten und Organisationen folgen wir nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen. Wir folgen ihnen nicht um ihretwillen, sondern um unseretwillen. Dabei gibt es nicht den einen oder den besten Führungsstil für alle Situationen und alle Menschen. Gute Führung ist immer situativ und individuell. Das ist so in Familien, in denen sich die Familienmitglieder wohl fühlen, und das ist im Betrieb nicht anders. Menschen wollen sich wertvoll fühlen und wertvoll sein. Dafür zu sorgen, ist ein Merkmal neuer Führungskompetenz.
Wertschöpfung entsteht durch Wertschätzung. Mitarbeiter sind heute durch schlechte Führung viel schneller zu demotivieren als in Zeiten der traditionellen Industriegesellschaft. Wir haben heute in Unternehmen einen Reformbedarf, der historisch wohl nur mit dem Beginn der Industrialisierung verglichen werden kann. Wenn Unternehmensführungen es mittel- oder langfristig nicht schaffen, die berechtigten Forderungen der Menschen nach einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nach persönlicher und fachlicher Entwicklung und nach echten Werten – um nur einige zu nennen – zu erfüllen, werden sie Schwierigkeiten mit einem Großteil ihrer Mitarbeiter bekommen.
Menschen wollen sich wertvoll fühlen und wertvoll sein. Dafür zu sorgen ist ein Kennzeichen „Neuer Führungskompetenz“.
Wir müssen unsere Unternehmen öffnen für das Individuelle und das Persönliche, weil das die Antriebskräfte für Kreativität und gemeinschaftlichen Erfolg sind. Der wissensgesteuerte Betrieb lebt von guten Beziehungen und von Fachleuten, die in der Lage sind, eine Führungskultur zu etablieren, die wachsendes Zutrauen in die fachlichen und sozialen Fähigkeiten jedes einzelnen zeigt. Daraus kann dann langsam gegenseitiges Vertrauen entstehen, der Schmierstoff für eine gute Atmosphäre im Unternehmen.
Wir reduzieren Führungsmenschen oft auf ihre fachlichen Qualitäten, die bei uns traditionell besonders gut entwickelt sind. Die fachliche Grundlagenausbildung ist beispielsweise bei Ingenieuren und auch bei Lehrern gut. Was dabei aber völlig außer Acht gelassen wird, ist der Ausbau von sozialen Kompetenzen, von Werte- und Beziehungskompetenz. Wofür stehe ich, was ist mit mir möglich, und was geht überhaupt nicht mit mir?
Warum dieses Buch? Fachleute gehen davon aus, dass jede dritte Führungsposition falsch besetzt ist. Das hat furchtbare Folgen für die Beteiligten: Schlechte Beispiele sind der Großteil unserer deutschen Schulen, aber auch unser Bankenwesen ist ins Gerede gekommen. Was bedeutet falsch besetzt? Ich bin der Ansicht, dass schon in der Auswahl zukünftiger Führungsmenschen oft der Wurm steckt. Die besten Fachkräfte sind nicht die besten Führungskräfte. Leider kommt es immer noch zu oft vor, dass Opportunisten, Machiavellisten, Narzissten und Menschen mit riesigen Egos statt wohlwol lender Mitmenschlichkeit in Führungspositionen gelangen, weil sie ihren Durst nach Macht über das Wohl der Organisation und der Mitmenschen stellen durften. Was ist die Alternative? Ich schlage zwei Dinge vor: Zum einen sollte man die Bedeutung eines persönlichen übergeordneten Wertesystems in den Vordergrund rücken – als Leitlinie dafür, was ich als Mensch tun muss, um Führung zum Wohl aller Beteiligten zu übernehmen. Zum anderen sollte man Weiterbildung auf allen Ebenen etablieren, um insbesondere soziale Kompetenz und Wertekompetenz zu stärken und zu vereinen.
Wenn es ernst wird – das heißt in diesem Zusammenhang persönlich – ziehen sich die Teilnehmer von Seminaren oder Coachings oft mit Aussagen wie: „Das ist mir zu nah, damit habe ich nicht gerechnet, wozu soll das gut sein“, zurück. Sie spüren instinktiv, wenn sie jetzt weitermachen, können sie nicht mehr so bleiben wie sie waren, und dann stellt sich über kurz oder lang vieles in Frage. Diese Einschätzung der Situation stimmt bei vielen, und ich kann ihr Zögern sehr gut verstehen. Ich selbst stand immer wieder vor der Frage „weiter oder zurück?“. Ich habe es in 30 Jahren als selbstständiger Unternehmer nie bereut, immer weiter gegangen zu sein. War das leicht? Nein, aber es hat mich in meiner persönlichen und fachlichen Entwicklung voran gebracht.
Das Entscheidende in jedem Unternehmen sind die Menschen.
Oft liegt dem Zögern auch eine fehlende Unterscheidung zugrunde. Wenn es persönlich wird, bedeutet das nicht, dass es privat wird. Ich kann mich persönlich äußern, indem ich beispielsweise klar sage, was ich will und was nicht. Und ich kann dabei trotzdem meine Privatsphäre schützen.
In meiner Seminarpraxis erlebe ich immer wieder, dass Frauen sich oft leichter tun, wenn es darum geht, sich selbst zu reflektieren oder über zwischenmenschliche Beziehungen zu sprechen. Das sind Fähigkeiten, die wesentliche Bestandteile einer neuen Führungskompetenz sind, und das ist ein Grund mehr, Frauen mit größerer Führungsverantwortung als bisher zu betrauen.
Der Grundstein zu sozialen Fähigkeiten und Wertekompetenzen wird in der Familie gelegt, und dem folgt ein lebenslanger Prozess, der immer wieder Zuspruch, Wegweisung und Stärkung braucht. Natürlich geht diese Entwicklung im Berufsleben weiter. Für persönliche Veränderung braucht man eine starke Antriebskraft und Mut.
Den größtmöglichen Gewinn an Erkenntnis wünscht Ihnen
Mathias Voelchert
Leiter von familylab.de
von Jørgen Vig Knudstorp (Vorstandsvorsitzender der LEGO Group)
Ich möchte dir, Martin, zuerst einmal herzlich danken, weil du deine Zeit, deine Energie und deinen Intellekt in das Schreiben dieses Buchs gesteckt hast. Ein Buch, dem ich gern ein paar Kommentare mit auf den Weg gebe.
Selten habe ich mich in diesem Maß mit der Storyline in einem Fachbuch identifiziert. In letzter Zeit habe ich kaum etwas gelesen, bei dem ich gedacht habe, „das hier, das trifft ja genau auf mich zu“ oder „genau so habe ich mich gefühlt, gedacht und gehandelt – richtig oder falsch, gut oder schlecht“.
Das Buch formuliert meine nächsten zehn Jahre als Führungskraft.
So oft ich beim Lesen auch dachte, „das ist ja genau das, was ich so tue und was einfach nicht funktioniert“ oder „oje, mein Team und mein Führungsstil sind total ‚abbauend‘ oder ‚bewahrend‘ statt ‚entwickelnd‘“, so oft kam mir auch so ein Gedanke wie „dieser Schritt 2 mit den selbstwertbasierten Eigenschaften ist doch genau das, worüber sich andere lustig gemacht haben und wo es hieß, ich hätte unrecht, obwohl es sich für mich richtig anfühlte“.
Dies ist sicherlich der Weg, um in der Zukunft erfolgreich ein Unternehmen zu führen, anstatt an der Vergangenheit festzukleben.
Die Hauptbotschaft war für mich die Bedeutung des Beziehungsmanagements in Teams und in der Organisation, neben den rationalen und inhaltlichen Prozessen. Der zentrale Punkt dabei ist, dass die Beziehungsebene ebenso sehr eine Disziplin und Erfahrung ist, die nicht einfach zu erlernen ist, wie das Fachliche und das Inhaltliche. Das Buch formuliert meine nächsten zehn Jahre als Führungskraft und beweist, dass das Bauchgefühl tatsächlich eine Fähigkeit für sich ist. Ich finde, es gibt hier so viel Material und so vieles mehr, über das sich nachzudenken lohnt. Dieses Buch ist erst der Beginn vieler Einsichten im Management.
Ich habe noch einmal einen Blick in meine Notizen zu dem Buch geworfen – dort steht: “Mein Gott, wie toll ist das denn: Einfach ich selbst zu sein. Ich bin am besten, wenn ich einfach ich selbst bin. Je besser ich werde, desto mehr bin ich ich selbst, und umgekehrt.“ Daher sage ich TAUSEND DANK. Dieses Buch hat mir einen riesigen Dienst erwiesen und wird ihn noch vielen anderen Führungskräften erweisen.
Jørgen Vig Knudstorp (CEO LEGO Group)
Dieses Buch handelt von dem Zugang zu einem Sinn und einem Engagement, die tiefer gehen und schöpferischer sind als das, womit wir uns beim Führen bis dato begnügt haben. Führungskräfte können die Motivationsaufgabe nicht mehr bewältigen, ohne über das Gefühl zu arbeiten. Ein Mitarbeiter wird nur unwesentlich motivierter, wenn er mehr Lohn erhält, als kompetent gelobt wird und ein höheres Selbstvertrauen bekommt. Er fühlt sich nur geringfügig sicherer, wenn er gesagt bekommt, dass er gute Arbeit leistet.
Führen wird heute aufgrund der Vorstellung, dass es von Gefühl und Selbstwert getrennt werden könnte, als zwiespältig erlebt. Viele Führungskräfte führen einen verbissenen Kampf, um sich selbst und ihrer Umgebung vorzumachen, dass sie Gefühle aus der professionellen Arbeitsbeziehung heraushalten könnten. Auf der anderen Seite erleben wir Menschen, die das Persönliche und die Beziehung gewollt oder ungewollt vermischen. Das alles erleben Mitarbeiter und Führungskräfte täglich.
Gute Führung bedeutet heute immer mehr, den fühlenden Menschen in uns selbst und im anderen wahr zu nehmen. Es geht darum, entwicklungsfähige Beziehungsmuster zu schaffen, weil die Qualität der Beziehung für die Entwicklung des Selbstwerts und der Selbstwirksamkeit entscheidend ist. Wenn solche Bemühungen vernachlässigt werden, hat das immer hohe Kosten zur Folge – Kosten wie den Verlust an Gleichgewicht, Motivation, Verantwortlichkeit und Handlungskraft.
Mit Menschen zusammenzuarbeiten, die einen als den sehen, der man ist, und nicht nur als jemanden, der etwas kann.
Selbstwertbasiertes Führen ist keine Wunderkur. Es ist harte Arbeit, aber auch ein seriöser Ausgangspunkt für einen persönlich fundierten Führungsansatz. Dieser Ansatz meistert Herausforderungen und eröffnet Möglichkeiten, und dieser Führungsstil trägt wesentlich zur Schaffung von Ergebnissen und Beziehungen im Unternehmen bei. Im Folgenden fasse ich meinen Ansatz kurz zusammen:
• Das Sinnstiftende ensteht aufgrund von Beziehungen. Es tut gut, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die uns als die Person sehen, die wir sind, und nicht nur als die Person, die etwas kann. Man entwickelt sich, indem man durch die Reaktionen und durch das Feedback der anderen mehr über sich erfährt – jedoch nur, wenn dieser Zugang auf der Basis von Vertrauen und Anerkennung erfolgt und so den Selbstwert unterstützt.
• Die Fähigkeit, hervorragende Mitarbeiter anzuziehen und an das Unternehmen zu binden, kann enorm verbessert werden. Ein im Selbstwert verankerter Mensch kann zu einem anderen Menschen auf eine Art und Weise in Beziehung stehen, die für eine gegenseitige Entwicklung sorgt. Ein von Selbstvertrauen angetriebener und sehr leistungsorientierter Mensch hat in geringerem Maß die Fähigkeit, auf eine Art und Weise in Kontakt zu sein und für Rückmeldung zu sorgen, die der andere als schöpferisch empfindet. Zu häufig kommt es zum Wettbewerb. Deshalb ist es sinnvoll, mithilfe der sich in der Beziehung entwickelnden Elemente zu führen und mit dem ewig Argumentierenden, Überrationalen, Eingleisigen und Sinnentleerten im Management aufzuhören. Dieser Ansatz zieht Wissensarbeiter an und bindet sie.
Die Entwicklung des eigenen Selbstwerts ist die unbewusste Antriebskraft des Menschen. Unsere Antriebskraft generiert sich daraus, gehört zu werden für das, was wir sind, und gesehen zu werden für das, was wir brauchen.
• Die Kundenbeziehung wird für das Erzielen von Ergebnissen immer wichtiger. Wenn die Organisation selbstwertentwickelnd wird, beeinflusst das den Mitarbeiter, was wiederum den Kunden beeinflusst. Jemandem wirklich zu begegnen und ihn zu „sehen“ erzeugt einzigartige Kundenerlebnisse. Der Dienstleistungsbegriff verschiebt sich von der Unterordnung zur Selbstentfaltung. Das ist auch ein Kennzeichen richtig guter Beratung. Die sich entwickelnde Beziehung sorgt dafür, dass das Unternehmen näher an den Kunden heran kommt. Es entstehen Gegenseitigkeit und Vertrauen, was die Tür zu besseren Ergebnissen öffnet.
• Die Entwicklungskraft kann gesteigert werden. Die Entwicklung des eigenen Selbstwerts, die in einer sich entwickelnden Zusammenarbeit passiert, ist die unbewusste Antriebskraft des Menschen. Unsere Antriebskraft generiert sich daraus, gehört zu werden für das, was wir sind, und gesehen zu werden für das, was wir brauchen. Wir werden angeregt, indem wir als Menschen wachsen. Das fördert eine Kultur, die die Grundlage für die Entfaltung des Potenzials des Einzelnen bildet. Durch diese Kultur wird die Potenzialentfaltung in der täglichen Zusammenarbeit von Führungskräften, Kunden und Teams weniger gebremst und es entsteht eine Aktivität, die als Antriebswelle in dem sich entwickelnden Veränderungsvermögen des Systems wirkt.
• Die Bereitschaft zu Veränderungen kann erhöht werden. Der selbstwertbasierte Mensch hat einen relativ geringen Widerstand gegenüber Veränderungen. Die Entwicklung des eigenen Selbstwerts macht eine kontinuierliche Feinabstimmung des Selbstbildes erforderlich, und zwar verstanden als Blick auf sich selbst. Das Selbstwertbasierte macht den Menschen freier von eigenen Abwehrhaltungen, und das macht es leichter, Veränderungsmaßnahmen anzunehmen, wenn sie für den Menschen Sinn machen. Ein Mensch mit geringem Selbstwert wird gegenüber Neuem, das oft bedrohlich ist, immer eine Abwehrhaltung einnehmen. In den Fällen, in denen das Neue einfach so angenommen wird, passiert das häufig ohne tiefere Überzeugung und aus Angst vor Strafe, wenn man nicht mitmacht.
Der Unterschied von Selbstvertrauen und Selbstwert ist wesentlich: Selbstvertrauen entsteht über das, was ich kann. Selbstwert entsteht über das, was ich bin.
• Unser Gleichgewicht kann, auch in sehr stressigen Zeiten, verbessert werden. Ein guter Selbstwert trägt dazu bei, dass der Mensch im Gleichgewicht bleibt, wenn der Druck von außen zunimmt. Von außen kommender Druck wird von einer sich sehr nach ihrem Selbstvertrauen orientierenden Person als etwas erlebt, dass sie auf sich nehmen muss. Dem selbstwertbasierten Menschen fällt es leichter, den Druck von sich zu schieben oder vorbei gehen zu lassen, oder alternativ dazu mit verringerter Qualität in bestimmten, priorisierten Bereichen zu leben, um so das eigene Gleichgewicht zu bewahren und nicht durch Stress in die Knie gezwungen zu werden.
• Größere Verantwortlichkeit ist möglich. Der eher selbstwertbasierte Ansatz erhöht die Reaktionsfähigkeit in einer zunehmend von Veränderungen geprägten Welt. Dadurch fällt es leichter, Verantwortung zu übernehmen, an den eigenen Wert zu glauben und sich zu trauen, die Konsequenzen von Entscheidungen zu tragen. Das bildet das Fundament für das dezentralisierte, sich selbst besser steuernde Wesen – für einen selbstverantwortlichen Menschen, der reagiert und danach strebt, den Führungsstil zu bekommen, der benötigt wird. Ein solcher Mensch reagiert auf seine Umgebung und gibt so der Führungskraft das lebenswichtige, ehrliche und direkte Feedback. Er kann eigenständig im Einklang mit dem Erforderlichen reagieren – ohne unnötige Zeitverschwendung.
• Die Nachhaltigkeit wird gesteigert. So behält das Unternehmen im Laufe der Zeit ein gleichbleibend hohes Leistungsniveau bei. Viele Unternehmen fühlen sich durch die Forderung nach ständiger Entwicklung und gleichzeitig nach einem stabil bleibenden Betrieb herausgefordert. Es kommt zu Widersprüchen im Führungsstil und damit zu kulturellen Gegensätzen. Was wird in der Organisation geschätzt und hoch eingestuft, Entwicklung oder Betrieb? Selbstwertbasiertes Führen akzeptiert beide Bedürfnisse und die verschiedenen Interessen, die in diesem Kontext entstehen. Die Unterschiedlichkeit wird geschätzt und gepflegt, weil sie das Fundament für die Entwicklung des Selbstwerts ist. Das erzeugt Konflikte, aber auch Energie und damit Potenzial. Wichtig ist nicht, Konfrontationen abzubauen, sondern sich zu entwickeln und sich weiterzuentwickeln. Führung ist dann nicht mit der Vermeidung von Konflikten beschäftigt, sondern damit, aus dem Konflikt etwas zu erschaffen. Es wird wichtiger, die Verlierer einzusammeln, damit alle sich wieder trauen, Interesse und damit den potenziellen Konflikt zu suchen – so dass alle Beteiligten weiterhin am Engagement festhalten. Dieser Ansatz öffnet mehr, als dass er schließt, und er schafft neben einem sich entwickelnden Zugang zum Menschen einen starken Leistungsantrieb.
Um das hier beschriebene Potenzial verstehen zu können, ist ein Einblick in den Begriff des Selbstwerts von wesentlicher Bedeutung. Es ist wichtig, das Selbstwertgefühl getrennt von dem Gefühl von Selbstvertrauen zu sehen. Für mich ist die Unterscheidung zwischen den Begriffen Selbstwert und Selbstvertrauen viel mehr als nur eine Idee. Sie ist eine Einsicht und eine mögliche Erkenntnis, die wir im Management bisher nur zu Teilen erlangt haben – eine Entdeckung, die sich in Skandinavien wie Ringe im Wasser ausgebreitet hat, und die dagegen im Rest der Welt überhaupt nicht verbreitet ist. Die Unterscheidung zwischen Selbstvertrauen und Selbstwert hat einen neuen Ansatz, wie ich und viele andere die potenziellen Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit sehen, hervorgebracht. Der Unterschied zwischen Selbstwert und Selbstvertrauen trifft im Kern die menschliche Motivation.
Unser heutiger Führungsansatz basiert auf Selbstvertrauen. Die Zukunft erfordert einen eher selbstwertfundierten Führungsansatz.
Dieses Buch basiert auf den Ergebnissen von Beobachtungen. Es gibt hier keine dokumentierte Forschung, sondern nur die Praxis, die erprobt und in Ideen und Inspiration umgesetzt wurde. Ich habe zusammen mit meinen Kollegen die mögliche Kraft des selbstwertbasierten Führungsstils in der privaten Wirtschaft studiert, und wir haben mit einer Verknüpfung von selbstwertbasiertem und auf Selbstvertrauen basiertem Führungsstil gearbeitet. Ich habe als Führungskraft und als Coach von Führungskräften die Auswirkungen gesehen und die Folgen erlebt. Wir stehen heute vor einem industriellen Menschenbild und einer Reihe von Führungsgepflogenheiten, die alten mentalen Modellen entspringen. Unser heutiger Führungsansatz basiert auf Selbstvertrauen. Die Zukunft erfordert einen Führungsansatz, der selbstwertbasierter ist. Wir wollen mit diesem Buch nachweisen, dass die Orientierung hin zum Selbstwert das ist, was dem modernen Mensch fehlt. Diese Tatsache wird fälschlicherweise oft ausgelassen, wenn über den Sinn des Führens gesprochen wird.
Die primäre Zielgruppe dieses Buches sind Führungskräfte, doch es wendet sich auch an alle anderen, die sich für das Führen interessieren. Das Buch sucht Antworten in der Tiefe, weit weg von den schnellen und einfachen Beschreibungen, die die Managementliteratur bisweilen kennzeichnen. Es untersucht und beschreibt die Motivation beim leistungsorientierten Menschen unserer Zeit – bei der Führungskraft und bei denjenigen, die sie führen soll. Das Buch verwendet Fallbeispiele, um Wiedererkennungseffekte zu erzielen und um Pausen für Reflexion und Nachdenken zu bieten. Jedes Kapitel wird mit einer Zusammenfassung abgeschlossen. Wir empfehlen dem Leser, der nicht ganz in die Tiefe gehen und nur die Essenz des Buchs lesen will, wie folgt vorzugehen: Beginnen Sie mit der Einleitung, lesen Sie die Zusammenfassung am Ende jedes Kapitels und schließen Sie mit dem Kapitel „Die Tür zu einem neuen Führungsstil“ ab.
Dieses Buch sucht Antworten in der Tiefe, weit weg von den schnellen und einfachen Beschreibungen, die die Managementliteratur bisweilen kennzeichnen.
Dieses Buch stellt eine zusammengesetzte Idee dar – eine Idee, die sich aus mehreren Fachgebieten speist. Es holt sich Inspiration aus der Managementliteratur, der psychodynamischen und existenziellen Psychologie sowie aus der erlebnisorientierten Familientherapie. Es war eine Forschungsreise, bei der sich viele engagiert haben.
Ich habe das Buch zusammen mit Jørgen Lauge Sørensen, René Bach und Peter Mortensen geschrieben. Ein großer Beitrag wurde auch von meinen anderen Kollegen geliefert. Das Buch beschreibt, womit wir Coaches Tag für Tag arbeiten. Die größten Inspirationsquellen sind ohne Zweifel unsere Kunden und die über 2000 Einsätze als Coaches für Führungskräfte und Führungsgruppen, an denen meine Kollegen und ich mitgewirkt haben.
Neben den oben genannten gibt es einige weitere Personen außerhalb meines engsten Teams, die einen zusätzlichen Beitrag geleistet haben: Jesper Juul und Mathias Voelchert von familylab.
Als lebendige Ikonen für die in diesem Buch beschriebenen Werte waren Torsten Hvidt, Christian Løken Sparrevohn und Jakob Wedel Christensen – die beiden letztgenannten frühere McKinsey-Berater und derzeitige Partner im Beratungsunternehmen Quarts + Co – Sparringpartner für mich. Sie haben den Denkansatz in diesem Buch weiterentwickelt. Jørgen Vig Knudstorp, Vorstandsvorsitzender der LEGO Group, hat das Vorwort zu dem Buch ge schrieben und davor das Manuskript kommentiert. Jørgen hat meinen Glauben daran gestärkt, dass dieses Projekt einen Wert hat. Ich bin dankbar für das Engagement und die große Anerkennung.
Arbeit als sinnvoll zu erleben, schafft Interesse und ist damit eine Antriebskraft.
Wir leben in einer Zeit voller Möglichkeiten, in der die bisher nur teilweise genutzte Schöpfungskraft des Menschen näher daran ist, vollständig verwirklicht zu werden, als je zuvor.
Menschen haben sich schon immer entfaltet, doch noch nie zuvor sind wir einer derart massiven Selbstentfaltung gegenübergestanden. Diese Selbstentfaltung kann Ergebnisse schaffen. Selbstentfaltung oder Selbstverwirklichung ist kein neues Phänomen; Abraham Maslow hat sie bereits 1954 in Verbindung mit seiner berühmten Bedürfnispyramide beschrieben. Sie ist das Streben danach, das eigene Potenzial zu entdecken und zu entfalten, wenn die grundlegenden Bedürfnisse befriedigt sind.
Das Sinngefühl ist ein Teil dieser Selbstentfaltung – ein Gefühl, das für den Menschen wichtig ist, weil es Motivation und Tatkraft erzeugt. Etwas als sinnvoll zu erleben, schafft Interesse und damit einhergehend Antriebskraft. Vielleicht ist es an der Zeit, wiederzuentdecken, was eigentlich Sinn ergibt. Wiederzuentdecken, was Selbstentfaltung ist, und wie wir mit Führung Motivation auslösen können, die tiefer und schöpferischer ist.
In dem alten industriellen Führungsparadigma benötigte die Führungskraft einen Arbeiter. Sie brauchte hauptsächlich die Hände des Arbeiters und nicht so sehr dessen Kopf. Heute sucht die Führungskraft einen „Mit-Arbeiter“. Das „Mit“ ist bei dem Wort wichtig, denn es ist das Maß an Engagement, das über die Qualität der Arbeit entscheidet. Der Mitarbeiter ist daher ein „Mitschöpfer“, der sich entfalten soll, der Gedanken und Gefühle nutzt und der durch schöpferisches Engagement die Zusammenarbeit anstrebt.
Das Wesentliche am Glück sind nicht Reichtum und Genuss, sondern Tätigkeit, die freie Entfaltung der Fähigkeiten sowie die Freundschaft mit guten Menschen.
Aristoteles
Wir haben vielleicht zu eingleisig darauf gesetzt, was Aristoteles die Entfaltung der Fähigkeiten nennt und übersehen, was in der Freundschaft mit guten Menschen liegt.
Abb. 1: E & B – Ergebnisse und Beziehungen
Dieses Schema zeigt, dass das Erzielen von Ergebnissen ohne die Schaffung gesunder Beziehungen zwar zu einem betriebswirtschaftlichen Gewinn und Lob von der Geschäftsleitung führen kann. Es wird jedoch häufig eine darunter liegende Frustration existieren. Frustration drückt sich auf verschiedene Weise aus, doch sie ist immer gleichbedeutend mit einem schlechteren Ergebnis als dem, das man hätte erzielen können. Frustration bedeutet bremsende Kräfte und Demotivation in unterschiedlichen Schweregraden. Auswirkungen von Frustration sind: nicht zu Ende geführte Aufgaben, Apathie, Stress, krankheitsbedingte Abwesenheit und Kündigungen. Das erlebe ich die ganze Zeit. Wenn die Beziehung verkümmert, funktioniert das Unternehmen noch immer, weil Ziele, Prozesse und Systeme die Räder am Laufen halten, doch die Leichtigkeit, die Geschwindigkeit und die Verantwortung verschwinden. Mit der Zeit beeinflusst dies das Erzielen von Ergebnissen, und das Unternehmen wird den Abbau von Ergebnissen und Beziehungen erleben.
Das Schema zeigt mehrere Möglichkeiten, darunter eine, vor der ich warnen muss: das Schaffen von Beziehungen ohne Erzielen von Ergebnissen – Sinn ohne Profit. Das Sinnorientierte ohne das Leistungsorientierte erzeugt oftmals eine Kultur, die ausschließlich das Beziehungsfördernde anerkennt. Das ist an sich schon beziehungshemmend, weil viel zu oft ein bewahrender Pseudokonsens entsteht – eine Beziehung, bei der die Leute einander nicht ernsthaft zur Verantwortung ziehen und keine echte Aufklärung suchen.
Wenn das Erzielen von Ergebnissen jedoch mit sich entwickelnden Beziehungen kombiniert wird, werden beide Aspekte gestärkt. Das Sinnvolle wird aktiviert und weckt den Geist. Dieser Schritt bringt mehr Lustgefühl, Glücksgefühl und Engagement hervor. Sich in einer sich entwickelnden Beziehung zu befinden, bedeutet, dass man wächst. Man fühlt sich wertgeschätzt, und das unterstützt eine innere „Selbst-Wertschätzung“.
Führen bedeutet daher Führen an zwei Fronten gleichzeitig: Führen des Ergebnisses und Führen der Beziehung. Das erste Thema wurde in der Managementliteratur bereits lang und breit behandelt.
Das zweite Thema ist in einem weitaus kleineren Umfang behandelt worden und soll in diesem Buch näher beleuchtet und vertieft werden. Es geht darum, durch Führung die Qualität der Beziehung zu beeinflussen, und wir können diesen Prozess verstehen, indem wir uns anschauen, was für den Menschen als bedeutungsvoll und sinnvoll funktioniert.
Wir sind der Meinung, dass sich Führungskräfte zu sehr auf Leistung und zu wenig auf Beziehung konzentriert haben. Menschenführung hat seit dem Ende der Industriegesellschaft und im Übergang zur Informations- und Wissensgesellschaft Leistungs- und Motivationsverbesserungen durch Belohnung auf der Basis von Messung, Steuerung und Kontrolle versucht. Gary Hamel beschreibt die Stärke des Managementparadigmas in vorbildlicher Weise in seinem Buch „Das Ende des Managements“.1 Es ist das Management, das ein Unternehmen zum Funktionieren bringt. Es sind die Führungsansätze, die Dinge in das System einbringen. Es geht darum, Ziele festzulegen, Kompetenzen zu schaffen und zu unterstützen, zu verfolgen und zu belohnen, was wirkt, und zu identifizieren, was nicht wirkt. So entsteht die Grundlage für Verbesserungen. Es entsteht ein konstanter Evaluierungs- und Verbesserungsansatz, der die ganze Zeit über verfeinert und optimiert wird.
Folgen von Frustration sind: Fehlende Ausführung, Apathie, Stress, krankheitsbedingte Abwesenheit und Kündigungen.
Dieses Managementparadigma hat viel Gutes geschaffen, unter anderem einen hauptsächlich auf Selbstvertrauen basierenden Ansatz, der auf Leistung und Ergebnisse fokussiert ist.
Eine einseitige Konzentration auf Selbstvertrauen im Management spricht den rationalen Teil des Menschen an. Sie aktiviert den Teil des Menschen, der Wert auf eine weitere Belohnung legt. Das aktiviert Begeisterung, jedoch kein tieferes Engagement. Anders gesagt: Dieser Ansatz lässt zu oft das tiefere Empfinden weg. Das beeinflusst Motivation und Sinngefühl. Selbstvertrauen ist schön und prickelnd und kann den Menschen weit bringen, vor allem, wenn man nie eine andere Form von Anerkennung kennengelernt hat. Selbstvertrauen wird jedoch selten als wirklich sinnvoll empfunden. Es erreicht nur eine gewisse Tiefe in uns. Es erzielt Ergebnisse, aber es erfüllt uns nicht.
Wenn wir mehr von uns selbst zeigen sollen, müssen wir Beziehungen erleben, die uns als Mensch wachsen lassen – Beziehungen, die Selbstwert und nicht nur Selbstvertrauen entwickeln. Wir müssen somit eine „doppelte Antriebskraft“ aktivieren. Die Kraft der – wie wir es nennen – sich entwickelnden Leistung und der sich entwickelnden Beziehung. Dies ist unserer Ansicht nach der Teil der Führungsaufgabe, der der Führungskraft die größten Probleme bereitet. Die Führungskraft ist häufig dazu ausgebildet, mit dem Erzielen von Ergebnissen zu arbeiten, doch es fehlt ihr an Einsicht und Erfahrung bei der Schaffung von Beziehungen. Dies ist etwas, was die Führungskraft selbst erst lernen muss. Das bringt eine Reihe von Konsequenzen, aber auch Möglichkeiten mit sich, wenn die Führungskraft die Verantwortung übernimmt.
Es hat Konsequenzen, wenn dem Beziehungsanteil in der Führung keine Bedeutung beigemessen wird. Wir begegnen immer mehr Führungskräften und Mitarbeitern, die nicht motiviert sind – Leuten, die sagen, dass sie den Glauben daran verloren haben, dass das Ganze die Mühe wert wäre. Sie können keinen Sinn darin sehen, zu arbeiten, um noch einen Bonus auszulösen, befördert zu werden und einen anderen Titel zu bekommen, das nächste Umsatzziel oder etwas anderes zu erreichen, was sie früher angetrieben hat. Sie haben Schwierigkeiten mit den langen Arbeitszeiten, dem steigenden Druck und dem fehlenden Gefühl, für sich und andere von wirklichem Wert zu sein. Viele wollen da nicht mehr mitmachen und setzen andere Prioritäten – eine Verschwendung, die es schon immer gab und die in einer Wettbewerbswirtschaft natürlich vorkommen darf, die sich in diesen Jahren jedoch drastisch erhöht hat. Wenn die Sinnlosigkeit anklopft, dann verkümmert der Mensch. Ein Teil der Sinnlosigkeit ist auf das Paradox zurückzuführen, dass wir beschäftigt sind wie nie zuvor. Das hohe Aktivitätsniveau hat eine Kehrseite, die die meisten Führungskräfte und Mitarbeiter nur zu gut kennen. Es fehlt an Zeit. Jede neue Aufgabe, jede neue Herausforderung tendiert dazu, noch ein Häppchen von meiner Zeit zu verschlingen. Zeitmangel ist eine Realität, auch wenn die Führungskraft ihr Zeitmanagement optimiert, Aufgaben streicht und sich auf die eigentliche Wertschöpfung konzentriert. Wenn der Mensch sich selbst nicht mehr begegnet, wird er einsam. Ich treffe viele, die die persönlichen Bedürfnisse zurückstellen, um der Aktivität mehr Raum zu geben, in der Hoffnung, dass das für die innere Linderung sorgt. Die Bedürfnisse, die beiseite geschoben werden, beginnen sich allmählich anzuhäufen und wollen ausgelebt werden. Das fühlt sich an wie eine schleichende innere Unzufriedenheit. Die Führungskraft ist häufig mental stark und entscheidet sich gegen eigene Bedürfnisse, weil Anforderungen ihre eigene Sprache sprechen und alles andere im Vergleich nur noch gedämpft zu hören ist. Dies erhöht die innere Spannung – eine Spannung, die andere oft nicht sehen, sondern nur spüren.
Wenn die Sinnlosigkeit anklopft, dann verkümmert der Mensch.
Es kann ein gesundes Zeichen sein, wenn die Leute krank werden, falls die Alternative wäre, sich selbst zu zwingen, etwas auszuhalten, was schlecht für einen ist. In der Lage zu sein, Leiden zu ertragen, ist auf einer niedrigeren Stufe der Bedürfnispyramide eines der charakteristischen Merkmale des Menschen. Diese Fähigkeit ist notwendig für das Überleben. In vielen Führungskulturen ist das Leiden ein Teil der eigentlichen Eignungsprüfung. Man betrachtet einander, um zu sehen, wer die Arbeitsstunden, die vielen Reisen, die harten Besprechungen aushält, und man klopft sich auf die Schulter – „gut gemacht“. Häufig passiert es, dass wir uns in diesen Gruppen selbst entgleiten und nur noch ablesen, was von uns gefordert wird. Wenn wir krank vor Stress werden, dann hat das damit zu tun, dass wir über lange Zeit uns selbst und unsere tieferen Bedürfnisse nicht gespürt haben und nicht aus diesen Bedürfnissen heraus gehandelt haben. Durch die Krankheit kann uns der Körper somit zwingen, wieder uns selbst zu spüren. Das zieht uns weg von dem, was uns krank macht. Wenn wir uns selbst wegziehen und all das spüren, was nicht gut für uns war, taucht anschließend häufig das Gefühl der Sinnlosigkeit auf. Warum setze ich mich selbst dieser Form von Leben aus?
In dem alten Führungsparadigma war es gang und gäbe, eine Vision, eine Mission sowie eine Reihe von Unternehmenswerten zu benennen, um das Erzeugen von Motivation sicherzustellen. Wir brauchen Sinn und Orientierung. In vielen Unternehmen herrscht eine ausgeprägte Müdigkeit gegenüber diesen Ansätzen, und viele Führungskräfte schieben der schweren Kunst des Kommunizierens die Schuld in die Schuhe. Die Autoren des Buches „Funky Business“, Jonas Ridderstrale und Kjell Nordström, erwähnen in diesem Zusammenhang, dass viele Führungskräfte aufgrund ihres bisherigen Tuns Glaubwürdigkeitsprobleme haben, wenn sie Sinnhaftigkeit in der Organisation implementieren sollen:
Wenn die Wahrheit ausgesprochen werden soll, müssen viele Führungskräfte überinformieren, weil sie früher so wenig Glück mit ihrer Kommunikation hatten, dass jedem neuen Gerede von Visionen und Missionen unweigerlich mit starker Skepsis und Zynismus begegnet wird. Die Leute wissen aus Erfahrung, dass Visionen nichts bedeuten und dass es in ein, zwei Jahren eine neue Vision geben wird.2
Oft wird Missions- und Visionsarbeit schlecht ausgeführt, ohne den beabsichtigten Effekt zu erreichen. Auch wenn diese Visions- und Missionsarbeit von der Führung her korrekt und durchgreifend ausgeführt wird, löst dies oft nicht die tiefer liegende Sinnlosigkeit im modernen Menschen auf. Das Abstecken eines neuen Ziels, das einfach nur größer ist als das vorherige und das ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, erzeugt an sich keine Sinnorientierung oder Motivation. Das liegt daran, dass viele von uns bereits ein Leben voller Zielsetzungen und Anforderungen haben. Viele Menschen lassen sich nicht mehr davon antreiben, dass die Latte ständig ein wenig höher gelegt wird, sobald ihnen erst einmal bewusst geworden ist, dass genau das passiert. Viele Menschen grübeln über den Widerspruch nach, den man erlebt, wenn man sich freut, ein Ziel erreicht zu haben und die Freude verschwindet, sobald das Ziel durch ein neues Ziel ersetzt wird.
Wir brauchen Sinn und Orientierung.
Es kann angsteinflößend sein, den Sinn dessen zu hinterfragen, was man tut. Für viele gelten solche Gedanken immer noch als eine Art von Luxus. Das ist etwas, was sie sich selbst nicht erlauben, eine Denkweise, die nur für privilegierte oder unsichere Menschen gedacht war. Die meisten von uns starten durch und versuchen den Gedanken an eine Alternative auf Abstand zu halten. Es entsteht eine Art kollektives Unbewusstes, das aus einem fehlenden Inneren und Äußeren entsteht.
Die richtigen Fragen werden nicht gestellt, und dennoch wird immer von dem „Traum“ gesprochen. Wenn ich nur ein halbes Jahr frei nehmen könnte. Wenn ich nur zehn Millionen gewinnen würde. Vielleicht müssen wir unser Leben umkrempeln und ganz andere Prioritäten setzen. Die Möglichkeit, man selbst zu sein, wird dem Selbst als eine ständige Option vor Augen gehalten. Wir wählen nicht uns selbst, und das hält eine entkräftende Situation aufrecht.
Wir glauben daran, dass es eines Tages besser wird, ohne dass wir selbst die Verantwortung übernehmen und den Kampf mit dem Leben beginnen müssen. Jeden Tag werden neue Menschen von der diffusen Angst, der Sinnlosigkeit, der Einsamkeit, dem Stress oder der Ohnmacht getroffen – von dem Gefühl fehlenden Sinns, das sich in den heutigen Menschen einschleicht.
Das ist die Herausforderung für Führungskräfte wie Sie: das ungenutzte Potenzial, das Menschen gehört, die voller Ressourcen stecken, die sie nicht entfalten können. Das sind Leute, die sich nicht wohl fühlen oder Leute, die sich dafür entscheiden, ohne echtes, kraftvolles Engagement einfach auszuhalten. Es sind Leute, die vielleicht funktionieren, die jedoch nicht wirklich erfüllt sind und daher eine abfallende Leistungskurve aufweisen. Es sind Menschen, die Ergebnisse erzielen, die jedoch leicht mehr und effizienter schaffen könnten, wenn sie sich selbst besser einbringen würden.
Die Familie ist der Ort, an dem wir zum ersten Mal mit Führung Bekanntschaft machen.
Der Mensch reagiert nicht mehr wie früher. Wir tun nicht mehr vorbehaltlos das, was Autoritäten von uns fordern. Wir haben gelernt, uns selbst zu fragen: Was ist gut für mich? Erziehungsmuster in der Familie haben sich verändert.
Die Familie ist der Ort, an dem wir zum ersten Mal mit Führung Bekanntschaft machen. Wir, die wir heutzutage Kinder erziehen, haben im Gegensatz zu unseren Eltern eine Erziehung erhalten, die Einbeziehung und Gleichwertigkeit mehr integriert hat. Wir erziehen auch selbst gleichwertiger, und die meisten wünschen sich heutzutage, dass Selbstwert und Integrität der Kinder in der Erziehung bewahrt und gestärkt werden.
Heute geht es, wie der Familientherapeut Jesper Juul es beschreibt, mehr um Einbeziehung als um Erziehung. Das sorgt für einen andersartigen Ansatz – für eine andere Qualität in Beziehungen.
Abb. 2: Die Fundamente des alten und des neuen Führungsstils
Das oben stehende Modell zeigt, wie sich die Fundamente des neuen Führungsstils von denen des alten unterscheiden. Eine Führungskraft, die die Führungsrolle übernimmt, ohne die persönliche Authentizität dafür zu haben, kann uns nicht mehr motivieren. Wir wollen einer Führungskraft begegnen, die aufgrund ihres Selbst und nicht aufgrund ihrer Rolle führt. Früher haben wir Autorität akzeptiert. Heute besteht immer noch ein gewisser Respekt vor gewissen Autoritäten, doch generell gesehen hat sich der Respekt verringert. In der Generation unserer Eltern war es wichtig, dass man seinen Platz kannte und Teil des Systems war. Heute fühlt sich niemand mehr für einen Platz im System verantwortlich, den er nicht selbst gewählt hat.
Nirgendwo lässt sich dieser Unterschied bezüglich Motivation und Antriebskraft so deutlich feststellen wie bei der heutigen Jugend. Der Jugendliche – und auch der Jugendliche in uns selbst – will raus aus den Begrenzungen, die Menschen fesseln. Wir wollen in Freiheit und Verantwortlichkeit leben, doch zugleich einen Rahmen und Ziele haben. Dieser neue Mensch will nicht durch Anweisung geführt werden, sondern selbst zur Wertschöpfung beitragen. Es ist ein Mensch, der nicht angetrieben wird, weil er beim Meister in die Lehre geht, sondern der den Meister in sich selbst spüren will. Es ist ein Mensch, der seine Beraterkarriere nicht damit beginnen will, sechs Monate nach Basel in die Schweiz geschickt zu werden – zu einem Aufenthalt, bei dem er in einem Keller sitzen und eine SAP-Lösung programmieren soll –, wenn seine Familie und seine Freunde in Hamburg sind. Das ergibt keinen Sinn, wenn er eigentlich Projektleiter in einem IT-Beratungsunternehmen werden will. Vor 15 Jahren war es für dasselbe Unternehmen kein Problem, junge Menschen zu finden, die gern halbe oder ganze Jahre den „Wasserträger“ spielten. Wir erleben heute einen neuen Menschen, der nach Rahmenbedingungen sucht, die dafür sorgen, dass sein Potenzial ausgelöst werden kann – und das am liebsten schnell. Das bedeutet nicht, dass es keine Rahmenbedingungen geben soll. Es ist noch immer wichtig, an den Teilen des alten Führungsstils festzuhalten, die funktionieren.
Über den Punkt, an dem wir gerade stehen, kann viel Schlechtes gesagt werden, und viele beziehen sich gerade jetzt auf das Alte oder das, was einmal war. Meine Kollegen und ich sehen das anders. Lasst uns vom Alten das nehmen, was wirkt, und im Neuen das weiterentwickeln, was diese Entwicklung wert ist. Wir begegnen heute jungen Menschen, die gut ausgebildet und ressourcenstark sind und häufig mehr Selbstverantwortung zeigen als wir damals im gleichen Alter. Viele der älteren Führungskräfte haben den Menschen, den sie jetzt führen sollen, selbst erzogen und tragen einen Teil des Neuen in sich. Es steckt ein Potenzial in den neuen Generationen, doch das muss entwickelt werden, und es kann ganz leicht passieren, dass dieses Potenzial stattdessen abgebaut wird.
Maslow hat uns gezeigt, dass sich unsere Bedürfnisse abhängig von unseren erlebten Lebensbedingungen ändern.
Viele Führungskräfte sind gerade verwirrt. Die Signale in ihnen selbst und aus ihrer Umgebung widersprechen sich. Sie finden, dass die jungen Leute zu schlaff sind, spüren aber selbst den Drang, es lockerer anzugehen. Diese Verwirrung ist zugleich eine Bedrohung und eine Möglichkeit. Sie ist eine Bedrohung, wenn wir ganz loslassen und alle Grenzen aufgeben. Wenn wir das tun, entdecken wir, dass unser Führen nicht wirkt. Sie ist auch eine Bedrohung, wenn wir zu sehr zum Alten zurückkehren und uns damit selbst davon abschneiden, die bestehende Möglichkeit zu entfalten.
Diese Möglichkeit besteht in einem gesteigerten Engagement, indem man die Eigenverantwortung parallel zu dem entwickelt, was durch das Erzielen von Ergebnissen wirkt. Die Möglichkeit liegt darin, dass wir uns trauen, die Führungsverantwortung auf uns zu nehmen und dem neuen Menschen in uns selbst und im anderen die richtigen Wachstumsbedingungen zu bieten. Wenn wir das nicht tun, so stirbt etwas in uns selbst und im anderen.
Maslow hat uns gezeigt, dass sich unsere Bedürfnisse abhängig von unseren Lebensbedingungen ändern. Wir erleben jetzt Jahrgänge, die ihr ganzes Leben an der Spitze der Bedürfnispyramide gelebt haben. Die meisten von ihnen haben nie Hunger, ein fehlendes Dach über dem Kopf oder die Kränkung ihrer Grundrechte erlebt. Sie sind mit einer grundlegenden Geborgenheit aufgewachsen. Ich erlebe diese Jahrgänge als Menschen, für die das Anerkannt-, Gesehen- und Gehörtwerden ebenso wichtig ist, wie es für frühere Generationen wichtig war, Geld zusammenzukratzen, um die Grundbedürfnisse des Lebens abzudecken.
Sie sind existenziell ganz anders gestellt und denken über den Wert des Lebens auf andere Weise nach als frühere Generationen. Der Mensch, der an Selbstverwirklichung interessiert ist, ist ein Mensch, der versucht, sich selbst und eigene Potenziale zu realisieren und eigene Bedürfnisse in Beziehung zu anderen Menschen zu befriedigen. Dieser Bedürfnisse sind wir uns nicht unbedingt bewusst. Ich glaube, man kann sagen, dass uns Menschen oft klar ist, wozu wir Lust haben, wir aber nicht immer wissen, was wir eigentlich brauchen.
Es geht darum, dass wir isoliert wurden. Der moderne Mensche hat sich wegbewegt von der Kernfamilie, der Frau als Hausfrau, der nahen Dorfgesellschaft, der Zeit mit Freunden und Geselligkeit. Nähe im Nachbarschaftlichen und Privaten wurde bei vielen von uns durch Arbeit, Kollegen, Chefs, Vorstandsarbeit und Geschäftsverbindungen ersetzt. Die Erfolgreichsten haben echte Freundschaften und dauerhafte Beziehungen geschaffen. Ich möchte mich hier auf die Schlussfolgerungen aus dem Buch „Der Weg zu den Besten“ von Jim Collins beziehen. Er verweist auf seine Untersuchungen von tatsächlich Ergebnisse erzielenden Unternehmen, bei denen die Führungsgruppen aus soliden Beziehungen bestanden, die zu Freundschaften fürs Leben wurden – eine Schlussfolgerung, die Aristoteles’ „Betrachtungen von Glück und Freundschaften mit guten Menschen“ unterstützt.
Manche Führungskräfte tragen ein eigenartiges Bedürfnis mit sich herum, dessen sie sich nicht ganz bewusst sind, das sie aber dennoch spüren – etwas, was sie sich zu Hause holen möchten, was aber zu Hause auch nicht mehr funktioniert. In einem Zuhause, in dem sowohl die Frau als auch der Mann Karriere machen und die Zeit immer knapp ist, fehlt häufig die Energie für ein echtes, aufmerksames Beisammensein.
Die vielbeschäftigten Führungskräfte verweisen darauf, dass für die Führung das ungeschriebene Gesetz gilt, mit Mitarbeitern und Kollegen nicht befreundet zu sein, da das zu Problemen führt, wenn man Dinge ablehnen, Gehaltsverhandlungen führen und Leute entlassen muss. Das ist meiner Meinung nach eine eigenartige Haltung, sich das Leben vom Leib zu halten, die tief im alten, distanzierteren Führungsparadigma wurzelt. Ich glaube, dass die heutigen Mitarbeiter einem richtigen Menschen begegnen möchten, der sich traut, er selbst zu sein, und nicht einer Annäherung an etwas, was früher „gutes professionelles Benehmen“ war.
Der Mensch an der Spitze der Bedürfnispyramide wird von etwas Neuem angetrieben. Frühere Generationen standen weiter unten in der Pyramide und waren im Innersten von der Angst getrieben, die grundlegenden Bedürfnisse nicht befriedigen zu können, sowie dem Wunsch, sich selbst abzusichern. Der neue Mensch hatte immer reichlich und wird davon angetrieben, sein eigenes Potenzial zu realisieren und Wertschätzung für sich selbst zu entwickeln.
Abb. 3: Maslows Bedürfnispyramide3
Man könnte sagen, dass die Bedürfnispyramide proportional auf den Kopf gestellt wurde, so dass Selbstverwirklichung für den modernen Menschen tatsächlich die stärkste Antriebskraft ist. Viele von uns haben innere Anerkennung und Glücksstimulation erlebt, wenn sie aus sich selbst heraus arbeiten. Auf diese Weise können wir fühlen, dass wir uns selbst verwirklichen können.
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