© Heiner Labonde Verlag, Grevenbroich

Zweite Auflage 2010

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: Eberhard Apffelstaedt

ISBN 978-30-937507-53-8

Gestaltung: Antje Zerressen, Pada ri Werbeagentur, Essen Printed in Germany - Books on Demand GmbH

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach Finnland zu reisen, ist ein besonderes Erlebnis. Nun könnte jemand sagen: »Na und ... Das ist doch jede Reise in ein fremdes Land!« Stimmt! Und dennoch bleibe ich dabei: Nach Finnland zu reisen, ist was Besonderes. Sie glauben das nicht? Sie werden sich noch wundern ...

Finnland ist ein Land voller unerwarteter Sitten, Lebensgewohnheiten, Bräuche, Begebenheiten. Und damit meine ich nicht nur den Elch, der Ihnen völlig ungeplant über den Weg läuft. Das Ungewöhnliche fängt schon viel früher an: bei den Menschen nämlich und deren Sprache zum Beispiel. Oder bei den durchaus individuellen Umgangsformen, die – zumindest teilweise – in Finnland gepflegt werden. Nicht zuletzt bei den für unsere mitteleuropäische Gaumen – wenigstens bisweilen – eher fremdartigen leiblichen Genüssen. Dieses Buch beabsichtigt, Ihnen die spannende, reizvolle Lebensart der Menschen ein wenig nahezubringen, die dort »oben« im Norden bei kurzen, aber durchaus heißen Sommern und langen, schneekalten Wintern ihr Dasein fristen. Beim Lesen der oft mit einem Augenzwinkern, gelegentlich aber auch mit (fast) ernster Miene verfassten Zeilen mögen Sie die liebenswerten Schrullen und das doch sehr »eigenständige« Denken der Finnen ein wenig kennen und verstehen lernen. Ich hoffe, dass Sie dann das gleiche Gefühl für dieses Land und seine Bewohner entwickeln, das ich habe: eine mit einem liebevollen Lächeln und mit Respekt verbundene Zuneigung.

Sie werden in diesem Buch vergeblich nach allen möglichen Adressen von mehr oder weniger hilfreichen Einrichtungen, Institutionen und dergleichen suchen. Auch die allbekannten touristischen Sehenswürdigkeiten werden hier nicht in epischer Breite dargestellt. Für diese Informationen gibt es eine Fülle von hervorragenden Reiseführern, ganz zu schweigen von der unendlichen Informationsflut des Internets. In diesem Buch geht’s mehr um das, was den Fremden die finnische Seele und ihre Schwingungen nachempfinden lässt. Denn letztlich macht das die Einmaligkeit und das Faszinierende einer Nation und ihrer Menschen aus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Spaß und gute Unterhaltung beim Lesen und viel, viel Freude bei Ihrem Besuch der Finnen und ihrer Heimat.

Ihr

Eberhard Apffelstaedt

Appetithäppchen

Um einen ersten Eindruck von finnischer Mentalität und Lebensart sowie finnischem Humor zu geben, sei eingangs eine Episode erzählt. Ich erlebte sie mit einem meiner besten (und das ist nicht ironisch gemeint!) Bekannten in Finnland.

Es liegt schon viele Jahre zurück, als ich zu meinem langjährigen finnischen Freund Matti fuhr. Matti wollte mir sein erst kurz zuvor erworbenes Sommerhausgrundstück vorführen. Immerhin hatte er es geschafft, als erste Baumaßnahme – wie in Finnland üblich – schon die Sauna zu errichten.

Nach einigen zwanzig Kilometern Herumirrens auf schmalen Sandwegen, mit ausgiebiger Erforschung unendlicher Waldungen und ausgedehnter Sümpfe, obwohl ich – meiner Überzeugung nach – exakt Mattis Wegbeschreibung gefolgt war, langte ich schließlich doch bei ihm an. Von meiner Odyssee durch die finnische Wildnis blieb er unbeeindruckt, vertrat unbeirrbar den Standpunkt, seine Wegschilderung sei einwandfrei. Nicht zu übertreffen an Deutlichkeit. Völlig unmöglich, sich damit zu verfahren. Zumal schon an der Weg-Einmündung von der »Hauptstraße« (eine ca. drei Meter breite, von Löchern übersäte und ausgefahrene, unasphaltierte Piste) in fünf Kilometern Entfernung ein Schild mit seinem Namen stehe. Dass ich mich verirrt hatte, war nur meinem unterentwickelten Orientierungsvermögen zuzuschreiben.

Heutigentags, nach vielen Jahren »Erforschung« finnischer Mentalität und Er-Fahrung (im wahren Sinn des Wortes) insbesondere finnischer Wegbeschreibungen zu Sommerhäusern, ist mir klar, dass Matti Recht hatte: Seine damaligen Hinweise waren wirklich eindeutig. Mir als tumbem Deutschen war halt nur nicht klar, dass seine Aussage: »Du fährst dann das erste Weg rests (rechts), wenn Du von das große S-traße runter bist«, die ersten drei rechts abzweigenden Wege ausklammerte. Und zwar völlig einleuchtend: Der erste rechts abgehende Weg führte nach etwa zweieinhalb Kilometern direkt in einen Sumpf mit reichlich Wollgras – der war also zu vernachlässigen. Der zweite rechts führende Weg ging direkt hinter einem riesenhaften Findling im Wald ab. Erst wenn man schon vorüber war, konnte er bemerkt werden. Und auf dem dritten kam man zum Sommerhaus eines Nachbarn, den Matti nicht leiden konnte, weil der beim Eisangeln im Winter grundsätzlich mindestens einen Fisch mehr gefangen hatte als alle anderen. Logisch, dass sein Zufahrtsweg auch nicht zählte.

Wir begutachteten damals Mattis Grundstück bis in den kleinsten Winkel: viele Bäume, viel Unterholz und viele Schnaken und Bremsen. Und unten am Strand: viel Wasser. Die Sauna war gemütlich und vor allem schon angeheizt. Während der Besichtigung gab mir Matti eine Lehrstunde in finnischem Humor: »Was ist«, fragte er mich, »wenn ein Finne von Dach seiner Sauna in das Snee (Schnee) fällt?« In seinen Augen lauerte das Grinsen ... Ich überlegte blitzschnell. Was konnte dann sein? Na, wahrscheinlich hatte er sich das Genick gebrochen. Oder mindestens mal ein Handgelenk. Das wäre immerhin eine witzige Pointe. Aber irgendwie kam mir das doch fragwürdig vor, und so schwieg ich. »Na???« Mattis Grinsen war kaum noch zu bändigen, wie ich bemerkte. »Weißt Du nicht, he???! – No, ist doch klar: ist Winter!« Und er brach in ein brüllendes, nicht enden wollendes Gelächter aus, das die Bäume um uns herum zum Zittern brachte und bestimmt mehrere Kilometer übern See schallte. Hörte nicht mehr auf zu lachen, der Kerl, und auch später in der Sauna überkamen ihn immer wieder Lachanfälle wegen dieses Witzes.

Zu seiner Entschuldigung sei erwähnt, dass Matti da schon einigermaßen blau war, vom pontikka, den er »zur Eins-tim-mung auf das Besuch von Dir« schon geraume Zeit vor meinem Eintreffen zu sich genommen hatte. Was pontikka ist, verrate ich hier aber noch nicht, dafür gibt es andere, speziellere Stellen in diesem Buch. Immerhin ist wohl klar, dass es sich dabei nicht unbedingt um einen sog. »Softdrink« handelt. So was hätte in Bezug auf »Einstimmung« wohl auch kaum Erfolg. Andererseits sei bemerkt, dass die ehrlichen Finnen in ihrem Land eine beliebte Biermarke verkaufen, die den Namen »Sininen« trägt. Das ist das finnische Wort für »blau« – kann es einen sinnvolleren und aufrichtigeren Namen für Bier geben?

Allerdings, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die Finnen bezeichnen – anders als die Deutschen – jemanden, der zu tief ins Glas geschaut hat, nicht als »blau« (= »sininen«). Der Not gehorchend, diesen Zustand fassbar beschreiben zu müssen, haben sie andere Wortschöpfungen in ihrem Repertoire: humalassa, umpitunnelissa, päissään, tuitterissa, huppelissa, kännissä, tukossa, pää täynnä und andere ... Immerhin also eine gewisse Auswahl an Ausdrücken, deren direkte Übersetzung ins Deutsche hier nicht erforderlich ist. Bis auf einen: »humalassa« heißt auf Deutsch wörtlich »im Hopfen«. Trifft die Sache eigentlich recht gut, finden Sie nicht? Die Merkmale des beschriebenen Zustandes sind übrigens hier wie dort identisch ...

Und so schnell haben Sie – mit Hilfe der finnischen Alkoholkonsumenten – schon zwei nicht ganz unwichtige Begriffe dieser ungewöhnlichen Sprache gelernt, so ganz nebenbei. »Sininen« = »blau« und »humalassa« = »im Hopfen«. Sollen wir diese kleine Sprachübung noch ganz kurz fortsetzen? Weil’s gerade so gut passt? Also: »humala« bedeutet »Hopfen«, und die Endung »ssa« steht für das deutsche »im«. Ist doch ganz einfach: »humala« = »Hopfen«, »humalassa« = »im Hopfen«. Da behaupte noch einer, Finnisch sei unlernbar ... Man muss eben nur ab und an mal einen trinken. Nicht umsonst sagen erfahrene Fremdsprachenkundler, dass sie »Ausländisch« umso besser verstehen und sprechen, je vorgerückter die nächtliche Stunde ist, und je mehr sie »intus« haben ...

Nachdem Sie nun also einen kleinen Einstieg in finnische Denkweisen und sogar die finnische Sprache erhalten haben: viel Spaß beim Weiterlesen – und natürlich viel Vergnügen in Finnland selbst. Es gibt dort unglaublich viel Faszinierendes und Beeindruckendes zu erleben und zu entdecken. Einiges davon finden Sie in den folgenden Kapiteln – zwar bei weitem nicht alles, aber doch manches von dem, was das eigentliche Finnland ausmacht und spürbar werden lässt.

In diesem Sinne: Willkommen in Finnland – tervetuloa Suomeen!

Das Wichtigste in Kürze

1. einige Vokabeln

sininenblau
humalaHopfen
humalassawörtlich: im Hopfen; sinngemäß: »im Alkohol schwimmend« oder kurz »besoffen«
tervetuloawillkommen
SuomiFinnland
tervetuloa Suomeenwörtlich: willkommen nach Finnland
sinngemäß: willkommen in Finnland

2. einige Sprachregeln

»Sininen« ist definitiv nur eine Farbbezeichnung. Die Endung »-ssa« oder »-ssä« steht für die deutsche Präposition »in« bzw. »im«.

3. und einige (nicht ganz ernst gemeinte) Verhaltenstipps

Wegbeschreibungen eines Finnen sind stets richtig. Bestätige das, indem Du eine gute, möglichst genaue Wegkarte oder das Navi zu Rate ziehst.

Finnische Witze sind ausnahmslos »Brüller«.

»Pontikka« ist kein »Softdrink«. Mehr darüber später.

»Ja« heißt nicht »Ja«, sondern »und« ...

Zu einem Land und seinen Menschen Zugang zu finden, eine einigermaßen »echte« und typische Atmosphäre zu er-spüren: Das sollte ein Ziel einer Reise sein. Dies gilt nicht nur für eine Fahrt nach Bayern, sondern für jeglichen Aufenthalt in fremden Gefilden. Kontakte und insbesondere Freunde bekommt man stets leichter, wenn man wenigstens einige Wörter und Ausdrücke der fremden Sprache kennt.

Nun ist das beim Bayrischen schon schwierig genug: »Nie nicht wird a Preuss bayrisch red’n könna.« Sagt der Bayer. Damit hat er sicher Recht, oder hör’ ich da auch a bisserl Hochmut raus?

Egal: Bei den Finnen ist’s wesentlich leichter. Ihre Sprache ist so kompliziert (Das ist kein Widerspruch!), dass sie überhaupt nicht damit rechnen, irgendein Ausländer könne mehr als zwei Wörter davon beherrschen. Entsprechend überrascht sind sie dann, wenn der sich sogar an Drei- oder gar Vierwortsätze traut. Was nicht heißt, dass er sie auch fehlerfrei formuliert ... In einem derartigen Fall gibt es nach finnischer Überzeugung nur drei Erklärungen: a) Der Betreffende ist Finne und tut so, als sei er Ausländer. Dann ist er ein ziemlicher Spinner. b) Der Sprecher hat mindestens einen finnischen Elternteil. Das ist gar nicht so selten. c) Man hat sich verhört, und in Wirklichkeit war das gerade Chinesisch. Klingt unwahrscheinlich, könnte aber immerhin sein.

Ist der Finne jedoch zur Überzeugung gekommen, hier versuche tatsächlich ein Nicht-Finne, Finnisch zu sprechen, kann er wiederum auf drei Arten reagieren: a) Der höfliche, heimatverbundene Finne, dem seine Sprache heilig ist, schweigt (was er sowieso gerne tut) und lässt den Fremden »verhungern«.Das ist meiner Erfahrung nach der Standard. b) Der seltenere, ebenfalls höfliche und ebenfalls heimatverbundene Finne schweigt genauso. Er reicht aber als Beweis seiner Anerkennung Brot und Salz über den Tisch, zum Zeichen, dass der Fremde willkommen ist. Brot und Salz werden dabei häufiger in »flüssiger Form« angeboten. c) Der ebenfalls heimatverbundene, über die Verhunzung seiner einzigartigen Sprache erboste Finne sprudelt sämtliche Sätze raus, die er den in sein Land eingefallenen Touristen schon immer mal an den Kopf werfen wollte. Gott sei Dank ohne Punkt und Komma, dafür mit umfassend verschluckten Endungen, so dass selbst Einheimische nicht verstehen, was er sagen will. Diese Spezies ist allerdings – glücklicherweise – nur recht sporadisch anzutreffen.

In der finnischen Sprache gibt es zwar manches Wort, das uns verständlich erscheint, weil es ähnlich klingt und geschrieben wird wie das entsprechende deutsche. Jeder weiß auch ohne Sprachstudium, dass apteekki eine Apotheke ist, pankki eine Bank und kapteeni ein Kapitän. Leider, leider existieren allerdings zahlreiche Wörter, die man mit den »gängigen« Sprachen kaum assoziativ verknüpfen kann. So heißt »interessant« auf Englisch »interesting«, auf Französisch »interessant« (wird »änterreson« ausgesprochen), auf Italienisch »interessante«, auf Finnisch allerdings nicht »interessanti«, sondern »mielenkiintoinen« ...

Daher kann es infolge nicht sehr großer Routine leicht dazu kommen, dass der ahnungslose Sprecher bei der Suche nach dem richtigen Ausdruck die falsche Schublade seines Gehirnkästleins öffnet. Einer meiner deutschen Bekannten, erst zwei Tage in Finnland, freute sich anlässlich einer größeren Feier sehr, dass alle Finnen in breites Grinsen verfielen, als er ihnen reihum auf Finnisch »willkommen« entbot und die Hand schüttelte. Offenbar staunten sie sehr darüber, dass er ihre Sprache so gut beherrschte. Allerdings saß er kurze Zeit später etwas in sich gekehrt auf seinem Stuhl. Da hatte er nämlich erfahren, dass sein freundliches »näkemiin« nicht »willkommen« heißt, sondern »auf Wiedersehen«. Die Feier war aber dennoch ein Erfolg und lustig, und alle Finnen fanden seinen Mut, Finnisch zu reden, toll!

Die Schilderung dieser kleinen Anekdote veranlasst mich übrigens, auf ein anderes Spezifikum im finnischen zwischenmenschlichen Bereich hinzuweisen: das Nicht-Händeschütteln. Die Kunst, unterschiedliche Situationen dahingehend zu unterscheiden, ob es sich um eine Händeschüttel- oder eine Nicht-Händeschüttel-Situation handelt, gehört zur Hohen Schule finnischer Etikette! Selbst nach langjähriger Übung ist es den meisten Deutschen (bei denen das Händeschütteln ja zur Begrüßung und zum Abschied generell dazugehört) schwer bis unmöglich, bei jeder Zusammenkunft mit Finnen richtig (!) zu entscheiden, was man mit den eigenen Händen zu tun hat. Grundsätzlich ist es am besten, nach der Faustregel zu handeln: Hände weg von den Händen des Gegenübers. Selbst eingefleischte Händeschüttler sollten diesen Rat beherzigen.

Denn: Die übliche finnische Begrüßung besteht in einem angedeuteten Anheben der rechten Hand (Fingerspitzen etwa bis in Bauchnabelhöhe) und gleichzeitig einer der folgenden Äußerungen: »Moi!« (bei eng befreundeten Jugendlichen oder in Ausnahmefällen bei Blutsverwandten jeglichen Alters), »Terve!« (bei miteinander nur locker bekannten Jugendlichen und jungen Erwachsenen oder auch zwischen einander gut bekannten älteren Erwachsenen), »Päivää!« bei weniger guten Bekannten oder »Hyvää päivää!« bei Fremden. Der gleiche »handmäßige« Bewegungsablauf gilt auch bei engsten Familienangehörigen, hier jedoch in der Regel ohne verbale Äußerung. Allerdings kommt es in Extremfällen, beispielsweise nach Rückkehr eines Familienmitgliedes im Rentenalter, das als Student ausgewandert war, zu begleitenden Begrüßungsformeln wie: »No niin!« Fundierte und umfassende Studien dieser Rituale lassen sich unschwer am Flughafen Helsinki durchführen, wenn finnische Väter ihre finnischen Söhne in der Empfangshalle bei deren Rückkehr vom zweijährigen Aufenthalt in Australien begrüßen ...

Wir merken uns also: Schüttelt ein Finne uns bei einer Gelegenheit die Hand, war er entweder mehrere Jahrzehnte im Ausland, oder er zählt uns zu seinen ganz besonderen Freunden. Es handelt sich in einem derartigen Fall demnach um eine Art »Ritterschlag« und Aufnahme in den persönlichen niederen Adelsstand. Die Erhebung zum entsprechenden Hochadel allerdings ist die Einladung ins Sommerhaus. Doch davon an anderer Stelle mehr. Nach dem erwähnten Händedruck gehört man zum auserlesenen Kreis derer, die der Finne mitleidig bedauert, weil sie keine Finnen sind. Er versucht daher, ihr trauriges Dasein durch aufmunterndes Schweigen etwas zu erleichtern.

Doch zurück zur finnischen Sprache: Beim Lesen der oben erwähnten Worte apteekki, pankki, kapteeni könnte man den Eindruck erhalten, viele finnische Wörter seien durch das Anhängen des Vokals »i« gekennzeichnet. Das ist natürlich naiv gedacht. Aber es soll ja auch Leute geben, die meinen, durch Hinzufügen von Endungen wie »-ing«, »-ang«, »-ong« an irgendwelche Wortstämme könne man auf leichtem Weg Chinesisch lernen. Tatsache ist allerdings, dass die finnische Sprache ohne massenweisen Gebrauch von Vokalen, also »a«, »e«, »i«, »o« und »u« sowie Umlauten wie »ä« und »ö« dem Untergang geweiht wäre. Wobei man den ungeheuer wichtigen Buchstaben »y« auf gar keinen Fall vergessen darf, den die Finnen – unbegreiflicherweise – nicht »üpsilon« aussprechen, sondern – na, was glauben Sie?! – richtig!: ü.

Oftmals hat man den Eindruck, den Finnen mache es unbändigen Spaß, möglichst viele »ä« und »i« und »y« usw. in ihre Wörter einzubauen. Oder was denken Sie, wenn Sie beispielsweise sowas lesen wie: »lääkäripäivystys« (ärztlicher Bereitschaftsdienst), »kaalikääryle« (Kohlroulade) oder »seit-semäskymmenesosa« (Siebzigstel).

Wobei sich am letztgenannten Wort gleich noch ein anderes Spezifikum des Finnischen darlegen lässt, das gerade uns Deutschen meist unvorstellbare Schwierigkeiten bereitet: die Aussprache insbesondere der Doppelvokale »ei«. Denn für die Finnen ist das kein »Ei«, sondern »e«-»i« (wie im deutschen »geirrt«). Will der Finne ein »deutsches« »Ei« haben, schreibt er es »ai«! Übrigens – nur, damit Sie nicht zu klar sehen: Die finnische Bezeichnung für Hühnerei ist nicht »ai«, sondern »kananmuna«.

Diese für uns Deutsche selbstverständliche Zusammenziehung des »ei« war für eine Finnin aus unserem Bekanntenkreis, die nach Deutschland gekommen war und hier lebte, ein echtes Problem: Sie trug den finnischen weiblichen Vornamen »Heini«, gesprochen, wie dargelegt, »He-ini«. Hier in Deutschland allerdings wurde ihr Name – für sie gar nicht lustig – stets zu einem männlichen Vornamen, und noch dazu nicht unbedingt zu einem sehr beliebten.

Ach ja, das Finnische ... Wussten Sie, dass die Verdoppelung eines Buchstabens seine Aussprache-Verlängerung bewirkt? Und zwar sowohl bei Vokalen, als auch – aufgemerkt! – bei Konsonanten. Das ist wieder mal anders als im Deutschen, wo z. B. Doppel »1« rascher gesprochen wird als ein einzelnes »1«: Stollen gegen Stola beispielsweise. Kann sein, dass das irgendwelchen deutschen Sprachwissenschaftlern jetzt sauer aufstößt, weil es nicht richtig erklärt ist. Aber ich denke, Sie haben verstanden, was ich meine, oder? Das finnische Wort »nukkua« (schlafen) wird also übers »k« lang gezogen, wie wenn Sie beim Sprechen über einen Stein stolpern und dabei am »k« hängenbleiben. Tut mir leid, aber anders kann ich’s nicht verdeutlichen. Am besten, Sie fahren selbst hin und üben es an Ort und Stelle.

Im Verlauf dieses Buches werde ich Ihnen in geeignetem Zusammenhang noch mehr über die Eigenheiten des Finnischen erzählen. Für jetzt soll es erst mal genug sein.

Ach, wegen der Kapitelüberschrift: Das finnische »ja« entspricht dem deutschen »und«. Dem deutschen »ja« entsprechen das finnische »juu«, »kyllä«, »niin«, »noin« und anderes. Ist doch ganz einfach.

Das Wichtigste in Kürze

1. einige Vokabeln

apteekkiApotheke
pankkiBank
kapteeniKapitän
mielenkiintoineninteressant
näkemiinauf Wiedersehen
lääkäripäivystysärztlicher Bereitschaftsdienst
kaalikääryleKohlroulade
seitsemäskymmenesosaSiebzigstel
kananmunaHühnerei
nukkuaschlafen
jaund
kylläJa

2. einige Sprachregeln

Ei im Finnischen niemals als »Ei« aussprechen, sondern als zwei getrennte Vokale: »E - i«.

Doppelbuchstaben verlängern das Wort aussprachetechnisch.

3. und einige (nicht ganz ernst gemeinte) Verhaltenstipps

Händeschütteln entspricht Ritterschlag. Einladung ins Sommerhaus entspricht Aufnahme in den Hochadel.

Wie kommt man hin?

Die Finnen genießen den Heimvorteil, in Finnland zu leben – und wissen das auch zu schätzen. Denn nach einhelliger Meinung der Einheimischen ist der Himmel nirgendwo in der Welt so hoch und so blau wie in Finnland. »Taivas on sininen ja valkoinen ...« heißt es in einem der schönen finnischen Lieder: »Der Himmel ist blau und weiß ...« Wie die finnische Nationalflagge eben. Und der Finne schwärmt nicht nur vom Himmel: Fragt man die männlichen Eingeborenen, wie sie in Bezug auf ihren weiblichen Kontrapart denken, da kann sich Pamela Anderson an sonnenüberfluteten Gestaden räkeln wie sie will, jeder Finne wird seiner winterpelzvermummten Annikki den Vorzug geben. Zumindest, was den IQ anbetrifft...

Den bedauernswerten (weil nicht-finnischen) Ausländern scheint’s in Suomi jedoch ebenfalls zu gefallen: Immerhin fast 5,5 Millionen von ihnen haben das Land im Jahr 2008 besucht, davon fast 580 000 Deutsche. Damit übertrafen sie sogar die Schweden. Die größte Zahl von Touristen kam übrigens aus dem benachbarten Russland: über eine Million (Quelle: Statistics Finland).

So. Aber wie kommt man hin, besonders von Deutschland aus? Das interessiert uns bei unserer Planung für den nächsten Urlaub logischerweise an erster Stelle.

Ein Blick auf die Karte zeigt uns: Prinzipiell ist das kein Problem, Finnland grenzt ja direkt an Deutschland. Fast. Wenn nicht diese verflixte Ostsee dazwischenläge. Und das auf mehr als 1000 km Luftlinie. Gut, dass es Schiffe gibt. Und Flugzeuge. Obwohl man, wenn man verrückt genug ist und ausreichend Zeit hat, sogar durchgehend hingelangt, ohne nasse Füße zu bekommen: über Polen, Russland (Kaliningrad), Litauen, Lettland, Estland und nochmals Russland (St. Petersburg).

Ruhiger, kürzer, erholsamer ist die Direkt-Reise mit einem der großen Fährschiffe bzw. einer der Fracht-Personenfähren ab Rostock oder Travemünde. Oder von Travemünde und Kiel aus nach Schweden und von dort aus nach Finnland. Oder nach Dänemark und von dort weiter nach Schweden. Alle diese Möglichkeiten sind per Auto durchführbar, mit dem Motorrad, auch mit dem Fahrrad. Sie glauben, das sei ein Witz? Da glauben Sie falsch: Im Sommer werden Sie beim Auffahren auf das von Ihnen gebuchte Fährschiff mit absoluter Sicherheit mehr als einen Radfahrer treffen, der seinen Drahtesel im Bauch des weißen Riesen verstaut!

In früheren Zeiten fuhr, wie vielen auch heute noch bekannt, die GTS »Finnjet« von Travemünde nach Helsinki. Sie war die schnellste Fähre zwischen Deutschland und Finnland, die es je gab, mit Gasturbinen-Antrieb (daher »GTS«). Dieser Riesenkahn legte die Strecke in 22 Stunden zurück, und an Bord gab es unglaublich viel zu bestaunen und zu erleben. Leider wurde die Finnjet inzwischen verschrottet. Ich selbst erinnere jedoch ein ganz besonderes Erlebnis, als ich mit meiner Familie vor vielen Jahren in Travemünde am Kai stand, um den Giganten in den Hafen einlaufen zu sehen. Es war warm, und wir hatten das Auto verlassen, in dem es glühend heiß wurde. Und wir trauten unseren Augen kaum, als wir am Kai einen langjährigen finnischen Freund entdeckten: Caru, seines Zeichens Zirkusartist und Tierdompteur. Seine liebe Frau, ebenfalls Zirkuskünstlerin, war Rollschuh-Kunstläuferin. Zum Staunen brachte uns allerdings nicht Carus Anwesenheit, sondern seine Begleitung: Ein junger Elefant marschierte wie selbstverständlich mit Caru da am Kai auf und ab und wartete darauf, per Finnjet nach Finnland zu gelangen. Soweit mir bekannt, lebt dieser Dickhäuter heutzutage auf Korkeasaari, in Helsinkis zoologischem Garten; allerdings bin ich bezüglich dieser Information nicht absolut sicher.

Zurück zu den aktuellen Reisemöglichkeiten nach Suomi. Wie Sie auch reisen möchten: Einen Elefanten würde ich dabei nicht routinemäßig mit zum Reisegepäck nehmen ... Selbstverständlich fahren auch Busse nach Norden. Nicht nur Reisebusse mit Fahrgästen, die eine Pauschalreise gebucht haben (meist mit Ziel Nordkap). Sogar per Linienbus (Touring eurolines) gelangt man nach Skandinavien. Allerdings leider heutigentags nur nach Stockholm, von wo aus man dann per Schiff nach Finnland weiterreisen kann. Und per Bahn gibt es ebenfalls die Verbindung in die schwedische Hauptstadt, übrigens insbesondere für junge Leute sehr günstig.

In den östlicheren Gefilden sind Reisen von Rostock nach Tallinn möglich, von dort weiter per Schiff nach Helsinki. Letztlich können ganz Unverwüstliche gar per Bahn über die baltischen Länder von Berlin aus den Finnen einen Besuch abstatten. In welcher physischen und psychischen Verfassung sie ihr Ziel erreichen, bleibt allerdings dahingestellt.

Für alle diese Wege benötigt man neben Geld eins: Zeit. Zwar legen die heutigen Fährschiffe im Vergleich zu früher schon ein ganz gehöriges Tempo vor (vor noch nicht allzu langer Zeit war man von Küste zu Küste mehrere Tage unterwegs), aber nichtsdestoweniger hat noch keiner die Zeitmaschine erfunden, mit der die doch erheblichen Strecken in Nullkommanix zu überwinden wären. Was für ein Glück! Denn sich an Bord eines der luxuriösen Pötte kulinarisch verwöhnen zu lassen, je nach Lust und Laune in die Sauna zu gehen oder, gemütlich an die Reling gelehnt, das Haar vom Seewind zerzaust zu bekommen: Das ist schon ein wunderbarer Vorgeschmack auf das schöne Land, das einen erwartet – und ein unvergesslicher Urlaubseinstieg par excellence.

Nun soll es ja auch Leute geben, die möglichst rasch von A nach B kommen möchten. Keine Angst, ihnen kann geholfen werden: Helsinki hat einen schnuckeligen internationalen Flughafen. Seine offizielle Bezeichnung: Helsinki-Vantaa. Dass der ständig größer und größer wird, dafür sorgen die vielen Reisenden, die aus aller Herren Länder dort ankommen oder abfliegen (2005: über 11 Millionen, 2007: über 13 Millionen; Quelle: Finavia). Dennoch hat Helsinki International Airport in gewisser Beziehung seinen rustikalen Charakter behalten: Das einzige Restaurant hinter bzw. vor dem Check-in (je nachdem, ob man ankommt oder abfliegt), quasi »im Keller der Haupthalle« gelegen, schließt um 19 Uhr. Die wenigen Geschäfte in diesem Bereich übrigens ebenso. Und auch die Schalter der Mietwagenfirmen sind nicht rund um die Uhr besetzt. Daher sollten Sie sich klugerweise bei Abschluss des Mietvertrages erkundigen, wie lange Ihr Autoverleiher Personal am Counter sitzen hat.

Nach Ihrer Landung bleiben Sie cool und behalten Sie die Nerven: Sie sind nicht nach Tokio oder Seoul umgeleitet worden. Die Scharen von Asiatinnen und Asiaten, die in Vantaa-Airport herumwuseln, wurden von der finnischen Fluggesellschaft FINNAIR im Land der aufgehenden Sonne und weiteren fernöstlichen Regionen »eingesammelt« und warten großenteils auf ihren Weiterflug in andere Länder. Denn FINNAIR hat sich zu einem der größten »Carrier« von Asiaten nach Europa entwickelt, auch dank der günstigen Umsteigezeiten in Helsinki.

Klar, dass nicht nur FINNAIR in Helsinki landet und startet. Ebenso kommen die Lufthansa, SAS, British Airways, Air France, Blue One, United Airlines und zahlreiche andere hierher. Zudem ist Vantaa »Umsteigebahnhof« für die vielen innerfinnischen Flüge. Doch merke, bei den Inlandsflügen gilt hinsichtlich der Sitzplätze: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!« Bedeutet allerdings nicht, dass Zuletztkommende mit Stehplatz und Halteschlaufe vorlieb nehmen müssen. Aber in der Regel besteht »freie Sitzplatzwahl«, und das heißt: Die Fensterplätze mit guter Aussicht auf die unendlichen finnischen Wälder sind zuerst weg. Sollten Sie trotzdem einen Platz am Fenster ergattern, obwohl Sie im hinteren Drittel der Warteschlange angestanden haben, sitzen Sie garantiert direkt über den Flügeln. Sie können dann sehr schön das Auf und Ab der Landeklappen bei Start und Landung beobachten ... Gehört eine finnische Eishockeymannschaft zu den Reisenden, haben deren Mitglieder nicht nur Narrenfreiheit in Bezug auf ihr Auftreten, sondern auch Anspruch auf die vorderen Plätze. Folglich – Pech gehabt – übernimmt die hübscheste Stewardess an Bord die Betreuung in diesem Bereich. Gewiefte Finnlandreisende haben aus diesem Grund stets ein Eishockey-Trikot im Handgepäck, das sie sich kurz vor Betreten der Maschine rasch überwerfen ...

Nebenbei bemerkt gibt es unzählige Situationen in Finnland, bei denen ein derartiges Trikot hilfreich ist und ansonsten verschlossene Türen öffnet. Denn Eishockey, auf Finnisch »jääkiekko«, auch »jääpallo«, ist in Finnland das Synonym für »Sport« (ähnlich dem Fußball in Deutschland), und keine weltweit renommierte Anerkennung (wie z. B. der Friedensnobelpreis für den Finnen Ahtisaari 2008) reicht an den Ruhm einer siegreichen Eishockey-Mannschaft im finnischen Hinterland heran. Allenfalls internationale Rallye- oder Leichtathletik-Siege können bei den Finnen darauf hoffen, einen Strahl der Ruhmessonne zu erhaschen ...

Haben Sie einen Sitzplatz am Fenster erobert, lehnen Sie sich zurück und genießen Sie den unendlichen Blick über Finnlands Weite. Sie werden viele Bäume erblicken, viele Seen, durch ungezählte Inseln und Inselchen geteilt sowie einzeln verstreute Gehöfte. Vorausgesetzt, das Wetter ist klar und der Himmel, na, wie schon: sininen ja valkoinen, also blau und weiß. Und zur allgemeinen Überraschung: Das ist er tatsächlich an vielen, vielen Tagen. Denn Finnland ist bei weitem nicht das Land, in das man auch im Hochsommer nur mit Rollkragenpullover und Fausthandschuhen reisen kann, wie die Mitteleuropäer gemeinhin annehmen.