Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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Copyright © by Frick Verlag GmbH, Pforzheim

1. Auflage 2018

Umschlaggestaltung und Illustrationen:

Toni Traschitzker

Alle Rechte, auch die der auszugsweisen

oder fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

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Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-939862-70-3

Inhaltsverzeichnis

  1. Feigling?
  2. Außenseiter
  3. Nur ein Scherz
  4. Mamas armer Garten
  5. Ein kühner Gedanke?
  6. Die Entscheidung
  7. Großbaustelle
  8. Unter Strom
  9. Vertrackter Vertrag
  10. Umweltpioniere?
  11. Schreibmeister
  12. Stilübungen
  13. Der Winter lässt grüßen
  14. Photovoltaik-Lohn?
  15. Burlis Stromtricks
  16. Intelligent?
  17. F-Mobilität
  18. „Ich schaff’s nicht mehr!“
  19. Photovoltaik-Winterdienst
  20. Ein Brief im Zorn?
  21. Tolle Lösung
  22. Ein neues Gesicht
  23. Leserbriefkämpfe
  24. Umweltfreunde
  25. Knallschalter
  26. Notdienst-Telefon
  27. Noch ein Verkehrt-Minister?
  28. Frohe Weihnachten
  29. Zukunftsmusik
  30. Theorie und Praxis
  31. Alles neu?
  32. Technik-Tester
  33. Zu früh gefreut?
  34. Fehler, die keine Fehler sind?
  35. „Grüner Strom“
  36. „Das haut nicht hin!“
  37. Papa allein
  38. Düstere Zeiten
  39. Strafe für Lebensretter
  40. Burlis Geheimnis

Vorwort

Als diese Geschichte geschrieben wurde, gingen immer mehr Hausbesitzer dazu über, ihre Hausdächer mit Photovoltaik-Platten zu bestücken. Manche stellten solche Anlagen in ihren Gärten auf, in der Hoffnung, die Stromkosten zu senken.

Anfangs unterstützten die großen Stromversorger diese Leute und boten ihnen Geld an, wenn sie überschüssigen Strom ins öffentliche Netz „einspeisten“, wie man das nannte. Leider hatte dieser Strom den Nachteil, dass er dauernd schwankte, je nachdem in welchem Winkel die Sonne gerade auf die sogenannten „Module“ schien – wenn sie nicht wieder einmal für Augenblicke hinter eine Wolke verschwand. Dann ging den Modulen arg die Luft – sprich Leistung – aus. Auch wenn ein Schatten auf die Platten fiel, rauschte ihre Leistung augenblicklich nach unten.

Diese ständigen Schwankungen des eingespeisten Stroms verursachten technische Probleme für die öffentlichen Stromversorger, sodass sie die „Tarife für eingespeisten Strom“ von Jahr zu Jahr absenkten oder neue „Service-Gebühren“ einführten. Die umweltfreundlichen Photovoltaik-Besitzer fühlten sich gefoppt, weil man ihnen anfangs großzügige Tarife versprochen hatte.

Indessen machten die Hersteller von Atomstrom weiterhin fette Geschäfte. Die obersten Leiter und Eigentümer dieser Unternehmen waren ja weder von einer russischen noch von einer japanischen Atomkatastrophe persönlich getroffen worden. Ihre einzige Sorge bestand offenbar darin, dass die Gewinne aus dem Stromverkauf sinken könnten. Daher wagten findige Atomstromlieferanten, ein großes europäisches Land wegen Geschäftsschädigung zu klagen, weil es auf Atomstrom verzichten und zu „alternativer Energiegewinnung“ wechseln wollte.

Es war eine verwirrende Zeit: Immer hieß es, man solle Energie, also auch Strom, sparen. Gleichzeitig forderte man „Digitalisierung“, was nichts anderes bedeutete, als noch mehr Geräte einzusetzen, die Strom verbrauchten. Man musste also noch mehr Strom erzeugen oder noch mehr Strom aus Batterien verwenden, wobei nicht klar war, wohin mit den vielen verbrauchten Batterien. Ihre bloße Kennzeichnung als „Sondermüll“ reichte nicht. Was mit diesem Sondermüll tatsächlich geschah, wussten die wenigsten.

Geredet wurde viel über Umweltschutz und Energiesparen. Man forderte den Ersatz von Autos mit Verbrennungsmotoren durch Autos mit Elektromotoren. Reiten galt zwar als Freizeitsport. Aber zum Arbeitsplatz reiten wollte niemand, gehen wollten auch nur wenige. Die Fahrzeugindustrie hatte es nämlich geschafft, den Leuten einzuhämmern, dass Fahren und nicht Gehen die natürliche Art der Fortbewegung für Menschen wäre. Der Besitz eines Autos galt seither als ebenso wichtig wie der Besitz einer Zahnbürste. Nur mussten wegen der „Umweltbedrohung“ durch Autoabgase elektrische Autos her. Dafür würde man aber bald noch mehr Strom verbrauchen ...

Einige Leute beschlossen, vom bloßen Reden zum Tun überzugehen – so wie die beiden „Helden“ dieses Buches. Auf ein solches „Heldentum“ waren allerdings viele nicht neugierig. „Helden“ gab es ja genug in Film, Sport und anderen Bereichen, hochgejubelt von den Medien. Wen interessierte schon das, was ein paar „spinnerte Außenseiter“ taten?

Allein gegen den Strom zu schwimmen ist schwierig – erst recht, wenn es um den elektrischen Strom geht! – Aber sich einfach gedankenlos – verantwortungslos – auf dem Strom der Zeit dahintreiben zu lassen, kann wohl nicht das Richtige sein. Das glaubt zumindest Burli in diesem Buch; und sein engster Mitstreiter ist erstaunlicherweise niemand Geringerer als sein gestrenger Papa.

Toni Traschitzker, 22. November 2016

1

Feigling?

„Ich bau’ einmal einen Wolkenkratzer“, verkündete Wilfried.

„Und ich einen Staudamm!“, ereiferte sich Balduin.

„Und ich ein Atomkraftwerk!“, versuchte Axel alle zu übertrumpfen.

Die drei Zehnjährigen prahlten um die Wette, ein vierter stand dabei und sagte kein Wort.

„Na und du, Burli? Was baust du?“, fragte Wilfried.

„Ein ... ein ...“ Burli stockte. Er schien zu wissen, was er bauen könnte, aber er brachte das Wort nicht recht heraus. „Ein ... Pho... Photo...“

„Ein Foto! Haha! Ein Foto kannst du nicht ‚bauen‘! Das kannst du nur knipsen!“ Axel schüttelte sich vor Lachen. Er hatte sich, wie meistens, das Gefährlichste ausgesucht, um seinen Mut zu zeigen: ein Atomkraftwerk. Burli, der Feigling, hingegen traute sich nie etwas Waghalsiges. Dumm war er obendrein. Ein Foto wollte er „bauen“!

Axel lachte nicht bloß, er kreischte geradezu. Da er selber nicht der Klügste war, packte ihn jedes Mal die Spottlust, wenn er glaubte, einen Dümmeren vor sich zu haben.

„Ich meine etwas anderes“, wagte Burli zu erwidern. „So ein ... Dings ... ich habe das Wort einmal in der Zeitung gelesen ... ein Wort, das mit ,ph‘ anfängt: Photo... Photowerk oder so ähnlich.“

„Fotowerk! Das wird ja immer dümmer!“, platzte Axel heraus, und jetzt kreischte auch Wilfried vor Lachen.

Da mischte sich Balduin ein: „Ich weiß, was er meint: eine Photovoltaik-Anlage. So ein Riesengestell mit Platten, die Strom erzeugen, wenn genug Licht drauffällt.“

„Genug Licht, haha!“, lachte Axel noch immer. „Da muss er wohl mit einem Scheinwerfer draufleuchten. Aber wer gibt ihm den Strom für den Scheinwerfer?“

„Das Licht kommt von der Sonne!“, erwiderte Balduin. „Gewöhnliches Tageslicht reicht schon. Das ist wie bei meinem Taschenrechner.“

„Pah! Das bisschen Strom für einen Taschenrechner!“, entgegnete Axel spöttisch. „Ein Atomkraftwerk ist das stärkste Kraftwerk auf der Welt! Wie willst du mit hundsgewöhnlichem Tageslicht mehr Strom zusammenbringen? Und überhaupt: Was tust du mit deinem Photo... Photo... Dingsda in der Nacht, wenn’s finster ist?“

„Na ja ... in der Nacht geht’s nicht. Pech gehabt.“ Balduin zuckte mit den Schultern.

„Siehst du?“, wandte sich Axel wieder an Burli. „Bei Nacht kannst du mit deinem Photo... Plattengestell Verstecken spielen. Da kriegst du nicht einmal Strom für eine mickrige Taschenlampe zusammen.“

„Doch, doch, viel mehr“, erwiderte Burli. „Mit Batterien.“

„Was für Batterien?“

„Starke Batterien eben. Wenn ich tagsüber Strom vom Sonnenlicht übrig habe, lade ich damit Batterien auf.“

„Batterien ... bäh ...“ Axel schien nicht recht begriffen zu haben. Er tippte sich mit dem Finger auf die Stirn und meinte: „Du hast wohl einen kleinen Kurzschluss da droben ...“

„Wird wohl so sein“, murmelte Burli verlegen, um dem Gezänk ein Ende zu machen. Er wandte sich ab und trottete nach Hause.

„Wiederseh’n, Foto-Burli!“, spottete Axel hinter ihm her.

Burli drehte sich nicht um.

2

Außenseiter

Ja, so war Burli: Bevor es brenzlig wurde, gab er nach. Eigentlich hieß er Benjamin, aber alle riefen ihn „Burli“, auch seine Eltern. Wer ihn als Feigling bezeichnete, hatte nicht unrecht. Aber dumm, wie Axel glaubte, war er nicht. Als Einziger von den vier Buben schaffte er es ins Gymnasium. Dort blieb er ein Außenseiter: still, unauffällig. Schon in der Volksschule hatten ihn die Lehrerinnen wegen seiner „schönen Aufsätzchen“ gelobt; und auch die strengen Deutschprofessoren im Gymnasium bestätigten Burlis Eltern, dass seine Aufsätze „deutlich über dem Durchschnitt“ lägen.

„Von mir kann er diese Begabung kaum haben“, meinte der Vater einmal am Elternsprechtag. „Das muss das Verdienst meiner Frau sein. Die hat ihm schon im Kleinkindalter allerlei Märchen vorgelesen.“

Auch in den übrigen Fächern war Burli „überdurchschnittlich“. Das lag wohl auch daran, dass sein Vater – selbst gewissenhafter Buchhalter in der Stadtgemeinde – Fleiß und Genauigkeit verlangte. Die Mutter hatte in ihrer Schulzeit gern Aufsätze geschrieben, manchmal regelrecht kleine Geschichten. Im Unterschied zu anderen Frauen in ihrem Bekanntenkreis unterbrach sie ihre Arbeit als Angestellte in der Stadtgärtnerei um sechs Jahre, damit sie möglichst lange zu Hause für „ihren Burli“ da sein konnte. Freundinnen warnten sie vor Nachteilen bei der Pensionierung, doch die Mama sagte: „Ich habe nur dieses eine Kind – warum sollte ich auf die schönste Zeit mit ihm verzichten? Die Pension ist noch lang nicht da, aber leben muss ich jetzt.“

Ja, so lebte sie – mit ihrem Burli und für ihren Burli; und es war für beide eine schöne Zeit. Eine bessere Zeit – und schon gar nicht die Pensionszeit – kam leider nicht. Als Burli gerade erst vierzehn Jahre alt geworden war, brach die Mama einmal in ihrem geliebten Garten zusammen. Obwohl die Nachbarn es bemerkten und die Rettung verständigten, war es zu spät. Die Mama überlebte den Transport ins Krankenhaus nicht.

Für Burli war es damals ein Glück, dass gerade ein neues Schuljahr begonnen hatte. Da blieb ihm wenig Zeit zum Trauern und Grübeln. Wenn er heimkam, lauerten schon die schriftlichen Schulaufgaben und jede Menge Lernstoff.

Für den Papa war es schlimmer. Nach seiner Arbeit im Gemeindeamt warteten auf ihn zu Hause keinerlei schulische Verpflichtungen. In den ersten paar Wochen nach dem Tod seiner Frau saß er oft trübselig in seinem Polstersessel im Wohnzimmer, Radio- und Fernsehgerät blieben stumm. Erst wenn Burli nachschauen kam, schien der Papa richtig wach zu werden, obwohl er in seinem Sessel selten einschlief.

„Ach ja, Abendessen!“ Mit diesen Worten raffte er sich oft auf. Gemeinsam gingen die beiden in die Küche, um etwas als Abendessen zu „basteln“, wie der Papa das nannte. Anfangs begnügten sie sich mit einfachen Gerichten wie Spiegeleiern und Brot oder einer Suppe. Aber schon bald trieb der Ehrgeiz den Papa zu aufwendigeren „Kochexperimenten“ an. Burli half nicht ungern mit, indem er beispielsweise Kartoffeln schälte. Er hatte den Eindruck, der Papa sei in letzter Zeit irgendwie milder geworden und nicht mehr so streng wie zu Mamas Lebzeiten. Vielleicht hing das nur damit zusammen, dass Burli kaum Anlass für Strenge gab. In der Schule blieb er zwar ein Außenseiter ohne enge Freundschaften. Aber er kam mit allen Mitschülern gut aus, ebenso mit den Professoren.

Burlis Lieblingsfach wurde mehr und mehr Physik. Manchmal dachte er, das hinge mit der Errichtung der Solar-Anlage zusammen. Noch im letzten Lebensjahr der Mama hatte der Papa auf dem Hausdach zwei „Solarmodule“ anbringen lassen: zwei Platten, in denen die Sonne – bei günstigem Wetter – Heizrohre derart erwärmte, dass man damit das Wasser in einem 300-Liter-Kessel im Keller auf bis zu 70 Grad erhitzen konnte.

Obwohl Burli damals kein Kind mehr gewesen war, hatte er es nicht lassen können, immer wieder mit kindlicher Begeisterung in den Keller hinunter zu flitzen, um nachzusehen, wie stark die Sonne das Wasser bereits aufgeheizt hatte. Bei Schlechtwetter starrte er manchmal böse durchs Kellerfenster hinauf zu den Wolken und fauchte: „Haut endlich ab, ihr blöden Viecher!“ Sobald die Sonne zaghaft begann, die Wolkendecke anzuknabbern, zischte er angriffslustig: „Vorwärts, mach weiter so! Friss sie auf, die blöden Viecher!“

Wenn im Spätherbst die sonnenarmen Tage den Winter ankündigten, blieb Burli manchmal minutenlang neben dem Warmwasserkessel stehen und überprüfte, wie die Gastherme für die Sonne einsprang und das Wasser im Kessel aufwärmte. Noch ahnte Burli nicht, dass die Gastherme diese Aufgabe nicht mehr lange übernehmen sollte.

3

Nur ein Scherz

Was habe ich? Keinen Wartungsvertrag?!“

Da Papa saß mit einer Zornesmiene beim Telefon, als wolle er gleich auf- und jemanden anspringen.

„Sie werden noch einmal nachsehen? Bitte! Ich will endlich wissen, wann der Servicetechniker kommt!“, rief der Papa in den Hörer, ohne seinen Unmut zu verbergen. „Im August schon wäre der Termin fällig gewesen! Und jetzt beginnt bald die Heizperiode ... ja, ja ... na hoffentlich!“

Krach! Wütend hatte der Papa den Hörer aufgelegt.

Burli, der soeben von der Schule gekommen war und den letzten Teil des Gesprächs mitgehört hatte, wagte zu fragen: „Was ist passiert, Papa?“

„So eine Service-Bagage, eine saublöde!“, raunzte der Papa, nachdem er sich seinem Sohn zugewandt hatte. „Das vierte Mal ruf’ ich jetzt schon wegen der jährlichen Überprüfung der Gastherme an. Jedes Mal ist eine andere Kuh am Apparat.“

„Eine Kuh?“, wiederholte Burli verdutzt.

„Ja – irgendeine Sekretärin eben, die von der Sache keine Ahnung hat!“, schimpfte der Papa weiter. „Es heißt, die hätten ihren Service jetzt ,zentralisiert‘. Früher habe ich immer mit dem Techniker persönlich einen Wartungstermin vereinbart, und den hat er eingehalten. Jetzt werden alle Wartungstermine von einer ,Zentrale‘ festgelegt – und da weiß anscheinend der eine nicht, was der andere tut.“

„Wieso?“

„Dreimal hab’ ich schon angerufen! Und jedes Mal hat man mir einen Rückruf versprochen. Und heute rufe ich das vierte Mal an – und die blöde Kuh behauptet, ich hätte gar keinen Wartungsvertrag! – Sei so gut und richte dir selber etwas zum Essen, ich brauch’ nichts. In bin schon angefressen ... von dieser Saubande.“

Burli verzog sich seufzend in die Küche. Er kochte eine Nudelsuppe – sicherheitshalber ein bisschen mehr. Tatsächlich spürte der Papa etwas später doch Lust auf Suppe. Er hatte inzwischen noch einmal – zum fünften Mal – bei der Heizungsfirma angerufen, war an eine andere Mitarbeiterin geraten, und die hatte ihm betreten gestanden: Sein Name sei bedauerlicherweise unter zwei verschiedenen Kundennummern „abgespeichert“ worden; einmal mit und einmal ohne Hinweis auf den Wartungsvertrag.

Burli konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen: „Es heißt bei denen wohl ,Wartungsvertrag‘, weil man so lange warten muss, bis man einen Termin mit dem Techniker bekommt.“

„Genau!“, brummte der Papa. „Am liebsten würde ich die Gastherme zum Fenster hinausschmeißen. Wenn ich dran denke, dass der blöde Apparat im ersten Jahr dreimal ein Service gebraucht hat, bis man endlich draufgekommen ist, dass der Gleichrichter schadhaft war ...“

Der Papa sprach nicht weiter. Doch Burli wusste, worauf er anspielte: auf jene unglücklichen Zeiten, in denen die Gastherme nachts plötzlich aus unbegreiflichen Gründen immer wieder zu dröhnen angefangen hatte.

„Na ja, das Ding ist sowieso schon ziemlich alt ...“ Burli zögerte. Ohne aufzuschauen, fügte er unsicher hinzu: „Warum ... warum schaffst du nicht eine Wärmepumpe an? Die braucht angeblich nicht so ein teures Service. Obendrein ist sie umweltfreundlicher als eine Gasheizung.“

„Umweltfreundlich ... pah! Das sind lauter Schmähs“, brummte der Papa.

„Ich meine ja nur“, entgegnete Burli hastig, um den Papa nicht wieder zu erzürnen.

Ein paar Tage später rief der Papa zum sechsten Mal bei der Heizungsfirma an. Zwei Wochen später war es endlich so weit: Derselbe Techniker, der schon seit Jahren für das Service sorgte, parkte seinen Wagen vor dem Gartentor. Etwa eine Stunde später fuhr er wieder weg, die „Heizperiode“ konnte beginnen. Trotzdem saß der Papa tags darauf nachdenklich beim Mittagessen. Als Burli vorsichtig fragte, ob es Probleme mit der Gastherme gebe, antwortete der Papa: „Ich habe einen Bekannten gefragt, wie das so ist ... mit einer Tiefenbohrung im Garten.“

„Tiefenbohrung? Willst du Erdöl finden?“, platzte Burli verdutzt heraus.

„Nein“, erwiderte der Papa. „Es ginge um eine Tiefenbohrung für eine Wärmepumpe.“

„Wärmepumpe? Also doch?“ Burli machte ein überraschtes Gesicht.

„Na ja ... wäre aber sauteuer“, gestand der Papa. „Aber wennschon ... auf dem Sparbuch hätte ich noch Reserven. Außerdem habe ich nach Mamas Tod das Auto verkauft. Ich brauche keines mehr, da werde ich mir in Zukunft noch einiges ersparen.“

„Dann ist ja alles klar“, sprudelte Burli heraus. „Frag doch die Firma Eichinger, die uns die Solar-Anlage auf dem Dach errichtet hat!“

Zu Burlis Erstaunen ging der Papa auf den Vorschlag ein: „Ja, warum nicht? Beim Service für die Solar-Anlage hat’s nie Schwierigkeiten gegeben. Die Firma Eichinger ist zuverlässig. Nur ... so eine Wärmepumpe frisst angeblich viel Strom.“

„Dafür ist sie umweltfreundlich“, ereiferte sich Burli. „Und du brauchst dich nicht mehr mit den Leuten von der Heizungsfirma herumzuärgern.“

„Ja, die wären wir los.“ Der Papa grinste einen Augenblick. „Aber die hohen Stromkosten ...“

„Dann lass auch gleich eine Photo... Photovoltaik-Anlage errichten!“, stammelte Burli aufgeregt.

„Jaaa, das mach’ ich“, entgegnete der Papa scheinbar ernst. „Wenn du die Baukosten übernimmst!“

„Es war nur ein Scherz.“ Burli schmunzelte verlegen.

4

Mamas armer Garten

Nicht nur als Angestellte der Stadtgärtnerei, auch zu Hause hatte die Mama immer wieder bewiesen, dass der Umgang mit Pflanzen ihr am Herzen lag. Der große Garten vor dem Haus strotzte von Ribisel- und Stachelbeersträuchern, Gemüse- und Blumenbeeten. Apfelbäume sorgten im Sommer für angenehmen Schatten, im Herbst für reiche Ernten. Aber so ein Garten braucht Pflege. Davon verstand der Papa nicht viel. Zwar pflückte er im Herbst nach Mamas Tod mit Burlis Hilfe die Äpfel, aber das war schon alles, was er sich zutraute. Anstatt sich im Frühjahr zu überlegen, ob er vielleicht wenigstens Radieschen oder Möhren ansäen sollte, ließ er Mitte März ein schweres Kettenfahrzeug zum Gartentor herein und über die Einfassungen am Wegrand hinweg rumpeln. Ein kleiner Bohrturm wurde ausgefahren, und zwei Arbeiter verlegten eine dicke Schlauchleitung zwischen ihm und einem Behälter, den sie vorher von einem Lastwagen abgeladen hatten.

„Herr Nachbar, gehst du auf Erdölsuche?“, fragte Iris, die Nachbarin, staunend.

„Nein, auf Wärmesuche. Erdwärme“, antwortete der Papa schmunzelnd.

„Ah! Lässt du dir also eine Wärmepumpe einrichten?“, fragte Iris.

„Stimmt.“ Der Papa nickte. „Die Scherereien mit der Gasheizung hab’ ich satt.“

Bald begann sich die Bohrstange zu drehen. Neugierig folgte der Papa der Schlauchleitung zum Behälter, der sich mit Schlamm füllte. Immer wieder unterbrachen die zwei Arbeiter den Bohrvorgang, um eine neue Bohrstange als Verlängerung einzuschrauben. Fünfundsechzig Meter tief sollten die beiden Bohrungen im Garten werden.

Der Papa, der sich Urlaub genommen hatte, schaute zu. Immer wieder rieb er sich die Hände. Es war kalt. Gerade erst vor zwei Tagen hatte es geschneit. Auf der Wiese lagen ein paar Zentimeter Schnee. Im Umkreis der Bohrarbeiten verfärbte er sich zu einem schmutzigen Braun.

„Wie sieht’s aus mit dem Boden tief unten?“, erkundigte sich der Papa.

„Viel Wasser dabei“, gab einer der beiden Arbeiter knapp zurück. „Schlecht für uns.“

„Wieso?“, fragte der Papa besorgt.

„Schlecht für uns“, wiederholte der Arbeiter grinsend. „Weil wir beim Bohrstangenwechsel aufpassen müssen, dass wir nicht angespritzt werden. Aber gut für Sie: Wasser bedeutet, dass da unten genug Wärme ist – für Ihre Wärmepumpe.“

„Aha.“ Der Papa nickte zufrieden.

Burli kam gerade von der Schule, als vier Schlauchleitungen in das erste Bohrloch eingeführt wurden. Was der Papa vergessen hatte, holte Burli sofort nach: Er schnappte sich den Fotoapparat und begann zu knipsen. Die Schulaufgaben mussten ausnahmsweise warten. Das, was sich hier im Garten abspielte, würde sich nie wiederholen!

Am nächsten Tag, einem Freitag, hätte Burli am liebsten die Schule geschwänzt, um weiterzufotografieren. Aber das tat diesmal der Papa. Er hatte ja Urlaub.

„Vergiss nicht, das Bohren des zweiten Lochs zu knipsen!“, hatte Burli dem Papa schon in aller Früh eingebläut. „Denk dran: zweimal fünfundsechzig Meter tief! Das ist einmalig!“

„Stimmt“, hatte der Papa zugegeben. Nun eilte er also im Garten hin und her und fotografierte alles: das Kettenfahrzeug; den Bohrturm; den Arbeiter am riesigen Schaltpult; den Arbeiter, der wieder einmal eine von den zwei Meter langen Bohrstangen einsetzte; die Schlauchleitung für den Bohrschlamm; den Bohrschlammbehälter; den Lastwagen, mit dem alles transportiert worden war; das neuerliche Einführen von vier Schläuchen, diesmal in das zweite Bohrloch ...

Als Burli am späten Nachmittag von der Schule heimkam, erinnerten an die Bohrarbeiten nur noch zwei Bündel mit jeweils vier Schlauch-Enden, die anstelle von Gras aus der noch immer schneebedeckten Wiese herauszuwachsen schienen. Dort, wo gearbeitet worden war, sah die Wiese trostlos aus. Die Randsteine waren unter dem Gewicht des Kettenfahrzeugs zerbrochen, Schnee und Erde hatten sich zu einer schmutzigen Masse vermischt. Die beiden Schlauchbündel wirkten wie schlangenartige Ungeheuer, die aus dem Boden hervorkriechen wollten, aber irgendwie festklemmten.

„Die sind rundherum mit Spritzbeton eingefasst“, erklärte der Papa. „Da können keine Schädlinge dran, um sie anzuknabbern. Notfalls würde sie sowieso der eigentümliche Geruch der Schläuche abschrecken.“

„Aha“, meinte Burli. „Der Garten schaut jetzt aber auch irgendwie abschreckend aus. Wenn Mama das sehen müsste ...“

Es sollte noch abschreckender werden. Etwa drei Wochen später kamen die Grabungsarbeiten an die Reihe. Für die Schlauchverbindung von den Bohrlöchern zum Keller, wo die Wärmepumpe aufgestellt werden sollte, musste ein Graben ausgehoben werden. Mit dieser Arbeit hatte die Firma Eichinger ein Gartenbauunternehmen beauftragt, dessen Chef, ein Mann namens Fürst, sich pünktlich mit seinem „Minibagger“ in Mamas Garten einfand.

Burli hatte gerade Osterferien und ließ es sich nicht nehmen, die Grabarbeiten zu fotografieren. Herr Fürst, ein drahtiger kleiner Mann, war alles andere als fotoscheu und fühlte sich geehrt, einen besonderen Platz in Burlis „Fotodokumentation“ einzunehmen.

Einen Meter und sechzig Zentimeter tief wurde der Graben für die Schlauchleitung. Vom Balkon aus wirkte er wie ein gewaltiger Riss durch Mamas Garten. Mehr als nur einmal fragte sich Burli, was die Mama dazu wohl sagen würde. Alle ihre Stachelbeersträucher wurden ein Opfer der Grabarbeiten, und von den Ribiselstauden blieben nur jene verschont, die auf der anderen Seite der Hofeinfahrt wuchsen.

Bald kamen Facharbeiter der Firma Eichinger, verlegten im Graben Schläuche und bohrten die nötigen Löcher durch die Kellerwand. Burli fotografierte emsig, und wenn sich eine Weile nichts Neues tat, setzte er sich sofort zu Papas Computer und ergänzte die Fotosammlung. Unter jedes Bild schrieb er eine Erläuterung, sodass der Papa erstaunt fragte, ob das schon die Vorbereitung auf die schriftliche Maturaprüfung sei. Burli lachte nur. Die Matura schien für ihn noch in weiter, weiter Ferne zu liegen.

Als die Schlauchleitungen fertig verlegt waren, verschloss Herr Fürst den Graben fachmännisch mit unterschiedlich groben Sand- und Schotterschichten und Gartenerde. Trotzdem konnte man den Eindruck nicht loswerden, dass es hier noch jahrelang nach „Baustelle“ aussehen würde. In diesem Zustand wollte der Papa den Garten nicht lassen. Herr Fürst schlug vor, zunächst einmal abzuwarten, bis sich der Boden rund um den Graben „beruhigt“ habe. Dann könne man überlegen, was am besten zu machen sei. Die ohnehin schon alten Wegplatten der Hofeinfahrt verlangten ja auch nach einer „Verschönerung“. Das könne später einmal alles in einem einzigen Arbeitsgang erledigt werden.

Der Papa seufzte, weil er an die zusätzlichen Kosten dachte. Herr Fürst verabschiedete sich jedenfalls in der Hoffnung, vielleicht einen „Folgeauftrag“ zu erhalten. Er sollte sich nicht täuschen. Freudig nahm er eine Kopie von Burlis bisheriger „Fotodokumentation“ entgegen – als „Werbung“ für seine Kunden! Er ahnte nicht, wie viele Fotos noch dazukommen sollten.

Die Fachleute der Firma Eichinger werkten zügig weiter, und am Beginn der letzten Woche im April war es so weit: Die Wärmepumpe konnte – weil es draußen ohnehin noch kühl war – zum ersten Mal getestet werden.

Der Papa war zufrieden, Burli schlichtweg begeistert.

„Toll!“, schwärmte er. „Ein paar Grad Wärme aus der Tiefe reichen, um das Wasser für die Heizung zu erhitzen!“

Der Papa hatte mit dem Chef der Firma Eichinger vereinbart, zunächst noch den kommenden Winter abzuwarten. Wenn sich die Wärmepumpe auch bei tiefsten Temperaturen bewährte, sollte die Gastherme endgültig abgebaut werden.

„Das erledigen wir gern für Sie“, sagte der Techniker lächelnd. „Sie werden sehen – die Gasheizung brauchen Sie in Zukunft nicht mehr.“

„Mensch, Papa!“ Burli boxte seinem Vater in die Seite. „Dann kannst du dich von der Gasfirma und ihrem lausigen Kundendienst endgültig verabschieden!“

„Klar.“ Der Papa boxte zurück. „Darauf freu’ ich mich schon.“

5

Ein kühner Gedanke?

„Papa, die Wärmepumpe hat Stromhunger!“, meldete Burli wieder einmal. Er merkte es schon an der Art des Summens im elektrischen Schaltkasten, wenn viel Strom verbraucht wurde. Ein Blick in den Kasten hinein genügte, um zu sehen, dass es darin im wahrsten Sinne des Wortes rund ging: Das Zählrad des Stromzählers drehte sich ungewöhnlich schnell, die Wärmepumpe hatte sich also eingeschaltet. Burli hörte, wie sie im Keller brummte.

Der Papa kam herbei, schaute auf das Zählrad und meinte seufzend: „Die Pumpe scheint ein Strom-Vielfraß zu sein.“

„Ja. Aber dafür verursacht sie keine Abgase“, erwiderte Burli. „Wir zwei sind echte Umweltschützer: mit der Solar-Anlage auf dem Dach und der Wärmepumpe im Keller. Und im Winter haben wir es im Haus schön warm.“

„Stimmt.“ Der Papa grinste. „Schön wird aber auch die Stromrechnung sein.“

„Dafür kriegen wir keine Gasrechnung mehr!“, rief Burli. „Und ... und wenn wir eine Photo... Photovoltaik-Anlage hätten, würde die Stromrechnung wieder kleiner.“

„Ja, kleiner – du bist ein kleiner Umweltspinner!“ Der Papa lachte. „Hast du für so eine Anlage zufällig ein paar Tausender übrig?“

„Nein“, gestand Burli. Hastig fügte er hinzu: „Aber vielleicht gibt es dafür vom Land eine finanzielle Unterstützung – so wie für die Wärmedämmung für unser Haus; und für die Solarplatten auf dem Dach.“

„Ach ja, richtig“, entgegnete der Papa. „Gut, dass du mich daran erinnerst. Für die Errichtung der Wärmepumpe zahlt das Land ja auch einen Zuschuss. Die Formulare habe ich schon ausgefüllt. Morgen bringe ich sie zur Post. Hoffentlich wird eine Förderung auch diesmal genehmigt.“

Der Papa hatte Glück, die Landesregierung gewährte einen Baukostenzuschuss.

„Schade, dass es keinen Zuschuss für Gartenreparaturen gibt“, sagte der Papa, nachdem er wieder einmal seufzend aus dem Fenster geblickt hatte. „Man erkennt noch immer die Fläche, wo gegraben worden ist; und die Randsteine und die Wegplatten sind in einem jämmerlichen Zustand.“

Ein paar Wochen später – die Wärmepumpe hatte keinen „Stromhunger“ mehr, weil man nicht mehr heizen musste – ein paar Wochen später also sorgte gerade die Errichtung der Wärmepumpe für eine Überraschung: Der Senior-Chef der Firma Eichinger meldete sich telefonisch. Er sagte, er habe von seinen Leuten erfahren, dass Burli während der Arbeiten fotografiert habe. Ein paar Kunden hätten sich inzwischen wegen einer Tiefenbohrung erkundigt und wüssten gern, wie so etwas genau ablaufe. Wenn man nun Fotos von den Bohrarbeiten zeigen könnte, wäre das eine wertvolle Beratungshilfe.

Burli war begeistert, weil jemand seine „Fotodokumentation“ sehen wollte!

Einige Tage später kam der Senior-Chef persönlich auf Besuch. Er ließ sich die Fotos zeigen und die Fotodaten vom Computer auf eine Festplatte kopieren, die er eigens mitgebracht hatte. Zuletzt bedankte er sich mit einem Gutschein für ein Mittagessen für zwei Personen. Das Gasthaus konnte man sich aus einer kleinen Liste aussuchen. Bereits am Sonntag darauf verspeisten Burli und sein Papa ihr Mittagessen in einem dieser Gasthäuser.

„Danke fürs Essen“, sagte der Papa gut gelaunt, nachdem er einen Erdbeerpudding als Nachspeise verzehrt hatte.

„Wieso?“, fragte Burli verdutzt.

„Na du hast doch die Fotodokumentation zusammengestellt.“ Der Papa schmunzelte. „Du also hast uns dieses fürstliche Essen beschert.“

„Aber du hast ja auch fotografiert“, erwiderte Burli bescheiden.

„Wenn du meinst ...“ Der Papa schmunzelte. „Dann haben wir uns eben beide dieses Essen erarbeitet – sozusagen er-fotografiert. Fürstlich war es auf jeden Fall. Fürstlich – da fällt mir ein: Ich muss unbedingt mit Herrn Fürst wegen des Gartens sprechen. So verwildert, wie alles aussieht, seit die Leute mit dem Tiefenbohrpanzer alles plattgewalzt haben ... da müsste man etwas machen.“

Herr Fürst war gern bereit, den Papa zu beraten. Inzwischen war es Sommer geworden. Da Burli Schulferien hatte, hörte er den beiden Männern zu.

„Die Wegplatten sollten auf jeden Fall ausgetauscht werden“, schlug Herr Fürst vor. „Den gesamten Bereich rechts von der Einfahrt – vom Haus her gesehen – würde ich einebnen. Aber dann müssten die zwei Apfelbäume weg. Wenn ich rundherum die Erde abtrage, damit alles dieselbe Höhe hat, stehen die Bäume zu hoch, und der nächste Sturm wirft sie um wie nichts. Die Bäume müssten also weg.“

„Ja, aber ...“ Der Papa runzelte misstrauisch die Stirn. „Dann habe ich auf dieser Seite des Gartens überhaupt keinen Schatten mehr.“

Noch bevor Herr Fürst etwas erwidern konnte, sprudelte Burli heraus: „Überhaupt kein Schatten – das wäre gerade recht für eine Photo... Photovoltaik-Anlage!“

„Wie bitte?“ Der Papa schaute verdutzt drein. Herr Fürst hingegen antwortete ruhig: „Richtig. Ein oder zwei Reihen solcher Platten ergäben ein niedliches, kleines Kraftwerk. Als Untergrund denke ich an eine Kiesfläche. Den Rest könnte ich als Wiese gestalten, vielleicht mit einer netten Blumenecke. Das würde gut aussehen. Gemüsebeete wollen Sie ja keine mehr anlegen – obwohl Sie das später einmal immer noch tun können.“

„Hm ... tja ...“

Der Papa wirkte verwirrt. Schließlich sagte er: „Im Winter, wenn die Wärmepumpe am meisten Strom verbraucht, wird so eine Anlage nicht viel bringen, noch dazu wo im Dezember die Sonne schon um halb eins hinterm Berg verschwindet. Zugegeben – aufs ganze Jahr umgerechnet ... da könnte ein Teil der Stromkosten abgefangen werden. Aber ... ich möchte sowieso erst abwarten, wie sich die Wärmepumpe im nächsten Winter bewährt. Womöglich brauche ich, wenn’s allzu kalt wird, ja doch wieder die Gasheizung.“

„Zum Überlegen bleibt Ihnen noch genug Zeit“, meinte Herr Fürst. „Den Garten kann ich Ihnen auf alle Fälle wieder sauber herrichten – am besten im nächsten Frühjahr.“

„Hm ... tja ...“

Der Papa war noch immer unentschlossen. Burli hingegen erinnerte sich plötzlich an die Auseinandersetzung mit Axel, Wilfried und Balduin. Ausgelacht hatten ihn die drei, als er gesagt hatte, er würde ein Pho... Photo... – ach! Dieses verzwickte Wort bescherte ihm noch immer Schwierigkeiten! Aber jetzt konnte er vielleicht tatsächlich bald daran denken: „Ich baue eine Photovoltaik-Anlage ...“

Natürlich war das Unsinn. Er konnte so eine Anlage gar nicht bauen. Aber er konnte hoffen, dass sich der Papa dazu überreden ließ!

6

Die Entscheidung

Der nächste Winter kam – und die Wärmepumpe bewährte sich!

An den Nachbarhäusern sah man sofort, dass geheizt wurde: Aus Kaminen rauchte und qualmte es, aus Abgasrohren für Gasheizungen dampfte es. Nur in Burlis Elternhaus wurde nichts verbrannt; und doch waren alle Räume gemütlich warm.

Die Gastherme blieb still. Nicht einmal mehr für Warmwasser wurde sie gebraucht. Wenn die Sonne ausblieb oder es nicht schaffte, das Wasser im Boiler aufzuheizen, übernahm das die Wärmepumpe; und wenn’s schnell gehen sollte, sorgte dafür eine sogenannte „E-Patrone“, eine Art elektrischer Heizstab im oberen Bereich des Boilers.

Als auch der kalte Jänner ohne Heizprobleme überstanden war und milde Feber-Temperaturen schon einen Vorgeschmack auf den Frühling boten, machte der Papa mit der Gastherme Schluss: Er ließ sie von der Firma Eichinger abbauen. Für Burli hatte er einen Sonderauftrag: „Du bist, seit Mama nicht mehr da ist, der Schreibmeister in der Familie. Schreib einen Brief an die Gasfirma! Schreib denen, dass wir ihren Wartungsdienst nicht mehr benötigen!“

Burli nahm diese Herausforderung an. Zehn Minuten später streckte er dem Papa einen handschriftlichen Entwurf zum Durchlesen entgegen. Der Papa griff danach und las:

Kündigung des Wartungsvertrags

Im Vorjahr musste ich sechsmal (!) in der Zentrale

Ihres Werkskundendienstes anrufen, bis endlich die

Wartung meiner Gastherme möglich war. So lange

will ich nie mehr warten, also kündige ich diesen

Wartungsvertrag. Erwarten Sie bitte nicht, dass

ich so ein Wartungsservice weiterempfehle.

Der Papa schüttelte den Kopf und murmelte: „Da steckt ja ... sechsmal das Wort ,warten‘ mit drin.“

„Na freilich! Du hast ja sechsmal angerufen, und sie haben dich dauernd warten lassen“, entgegnete Burli. „Das wollte ich hervorheben. Soll ich’s anders schreiben?“

„Auf keinen Fall!“ Der Papa grinste. „Tipp das gleich so in den Computer! Ich schreib’ dann noch Adresse und Kundennummer und meinen Namen dazu, danach ab die Post! Jetzt hat es sich ausgewartet!“

Der Papa wollte wirklich nicht länger warten – auch nicht mit der Erneuerung des Gartens. Also ließ er sich Mitte Feber von Herrn Fürst ein schriftliches Angebot schicken. Zu seiner Verblüffung fragte Herr Fürst telefonisch nach, ob er eine Kiesfläche als Untergrund für Photovoltaik-Module berücksichtigen solle. Burli, der das Telefongespräch mithörte, zuckte zusammen. Der Papa antwortete mit einem kurzen Ja!

Eine Woche später empfing er einen Mitarbeiter einer auswärtigen Elektrofirma, die sich in ihrer Werbung als „Spezialist für PV-Anlagen“ anpries. Burli durfte bei der Besprechung dabei sein.

„Was hältst du von dem Herrn?“, fragte der Papa, nachdem sich der Vertreter verabschiedet hatte.

„Der macht einen netten Eindruck“, meinte Burli. „Aber die Firma ist so weit weg von uns. Das könnte umständlich werden, wenn wir einmal schnell ein Service brauchen.“

„Umständlich ... stimmt; und teuer.“ Der Papa starrte unentschlossen vor sich hin. Auf einmal platzte er heraus: „Weißt du was – ich frag’ einfach den Bleiner! Der ist ja auch Elektriker. Ich kenn’ ihn. Wir sind Fußballer-Kollegen, wir haben früher gemeinsam in der Fußball-Schülermannschaft trainiert.“

„Der Bleiner – der wohnt ganz in der Nähe!“, rief Burli. „Und er hat sein Hausdach voll mit Photovoltaik-Platten.“

„Eben! Und seine Werkstatt genauso!“, bestätigte der Papa eifrig. „Ich frag’ ihn!“