Nr. 151
Sternenfieber
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Klappentext
Kapitel 1-10
1. Nur eine Pflanze?
2. Reginald Bull
3. Vathin
4. Der Elfahder
5. Besucher
6. Krieger Bull
7. Gefangen
8. Vor der Schlacht
9. Sieger und Besiegte
10. Flug nach EDEN II
Kapitel 11-20
11. Neu-Moragan-Pordh
12. Fornax
13. Paratau
14. Am Ziel
15. Die V'Aupertir
16. Shrou
17. Artefakte
18. Herr der Elemente
19. Entscheidung
20. Zwei Bewusstseine
Kapitel 21-27
21. Störungen?
22. Devolution
23. Zeitflecken und Raumschimmel
24. Der Pakt
25. Sheela
26. Upanishad
27. Rückkehr
Nachwort
Zeittafel
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Millionen von Menschen sind vom Sternenfieber ergriffen worden. Mit ihren Raumschiffen streben die Vironauten hinaus ins All – sie träumen davon, die Wunder des Universums kennenzulernen. Ihr wichtigstes Ziel sind die Galaxien der Mächtigkeitsballung Estartu, wohin man sie eingeladen hat.
Perry Rhodan folgt währenddessen einer kosmischen Aufgabe. Mit der BASIS, dem größten Raumschiff der Menschheit, sucht er nach EDEN II. Auf dieser Welt der Superintelligenz ES will er Informationen und Machtmittel an sich bringen.
Doch dann gerät Rhodan in die Gewalt des Herrn der Elemente. Dieser unerbittliche Gegner der Menschen hat zuletzt Krieg und Unruhe in die Milchstraße getragen. Nun zieht er mit Rhodan zur Erde – dort wartet Stalker auf sie, der geheimnisvolle Gesandte aus Estartu ...
Die kleine Virenschaukel schwebte auf ihrem Antigravfeld neben dem Schott in die Höhe, bis Jizi Huzzel den Öffnungssensor berühren konnte. Die Siganesin war leicht verärgert, weil ihr terranischer Freund den Eingang nicht selbst öffnete. Er hätte ihr damit die für ihre geringe Körpergröße mühsame Prozedur ersparen können. Trotzdem unterdrückte sie ihren Groll. Der Lange, wie sie Rainer Deike zu nennen pflegte, bereitete wohl die angekündigte Überraschung vor. Schließlich war heute ihr 800. Geburtstag.
Das Virenkonglomerat, das ein gängiges Schiffsschott nachbildete, floss nach allen Seiten auseinander und gab den Weg frei. Jizi stoppte per Gedankensteuerung ihre Virenschaukel, denn dicht vor ihr stand der Terraner.
»Willkommen an Bord der ACHTERDECK!« Rainer Deike lachte. »Ich freue mich, dass du wieder da bist.« Er grabschte nach der Schaukel, die auf seiner flachen Hand Platz fand, und zog sie vor sein Gesicht.
»Schäm dich«, seufzte Jizi, weil ihr Freund wieder nur den alten blauen Bademantel und seine Schlappen trug. »Anlässlich deiner Rückkehr und meines Geburtstags hättest du dich passender kleiden können.«
Deike winkte ab. Er genoss die Zwanglosigkeit, die in fast allen Virenschiffen im Pulk um Reginald Bulls EXPLORER vorherrschte. »Sei froh, kleine Hexe, dass ich deinen Geburtstag nicht vergessen habe«, feixte er. »Sieh dir an, welches Geschenk ich für dich aufgetrieben habe.« Er drehte sich um und ging voraus.
Die ACHTERDECK gehörte zu den kleinsten Virenschiffen, die sich dem Segment-1, der EXPLORER, angeschlossen hatten. Sie maß maximal 100 Meter und hatte etwa die Form einer Pyramide, deren obere Hälfte fehlte und deren Kanten abgeschliffen waren. Mit einer Schmalseite hing Seg-1234, so die offizielle Bezeichnung der ACHTERDECK, an zwei weiteren Virenschiffen. Über eine dieser Verbindungen war Jizi Huzzel gekommen, nachdem sie von Deikes Rückkunft erfahren hatte.
Der junge terranische Biologe hatte darauf bestanden, den Ausflug ohne seine kleine Begleiterin zu absolvieren. Jizi, ebenfalls Biologin und zudem Positronikexpertin, hatte erst eingewilligt, als er den Grund für dieses Verhalten genannt hatte. Deike wollte seine Gefährtin mit einem besonderen Geburtstagsgeschenk überraschen.
Nun schwebten beide in einem Antigravschacht in die obere Region der ACHTERDECK, wo Deikes Labor und ihre Unterkünfte lagen. Endlich begrüßte auch das Schiff die Siganesin. Nicht mit der wohlklingenden Stimme Vishnas, sondern bärbeißig wie ein historischer Seemann. Deike und seine Gefährten – alle Wissenschaftler und Mitglieder eines Clubs für historische Seeschifffahrt – hatten beim Heranwachsen der ACHTERDECK aus einer Virenwolke auf diesem Detail bestanden. Sie nannten das Schiff auch nicht Vi, wie andere Vironauten das taten, sondern Käpt'n.
»Öffne bitte, Käpt'n«, sagte Deike, als Jizi und er den Wohnraum erreichten.
Die Siganesin seufzte zufrieden. Sie lenkte ihre Virenschaukel nur mit Gedankenkraft. Das schüsselförmige Gerät war eine auf sie abgestimmte Antigravplattform.
Deike zeigte auf den offenen Durchgang zum Nebenraum. Er lächelte verheißungsvoll. Jizi landete ihre Virenschaukel unter dem dekorativen alten Schiffsruder und sprang auf den Boden. Dass sie 20 Schritte machen musste, während Deike nur einen tat, störte sie nicht.
»Du machst es richtig spannend, Langer!«, rief sie über ihren Sprachverstärker.
Im nächsten Moment schrie sie auf und blieb verblüfft stehen. »Die Comanzatara!« Jizis Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Es gibt sie tatsächlich, und du hast sie gefunden! Das ist phantastisch. Du wirst in die Annalen der Bioforschung eingehen.«
»Halb so schlimm.« Deike hob die nur 18 Zentimeter messende Frau vorsichtig in die Höhe. »Obwohl ich sie gefunden habe, gehört sie nicht mir. Herzlichen Geburtstag zum Geburtstag, meine Kleine! Die Comanzatara ist dein Geschenk.«
»Das kann ich nicht annehmen, Rainer!« Ausnahmsweise benutzte sie den richtigen Namen ihres großen Freundes.
»Doch! Du kannst. Allerdings hätte ich nichts dagegen, wenn du mich an den Forschungsarbeiten beteiligen würdest.«
Sie sprang aus seiner Hand auf seine Schulter und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
»Erzähl mir, wie du Comanzatara gefunden hast«, bat sie. »Ich muss alles genau wissen.«
»Und du berichtest, was sich hier ereignet hat, während ich weg war.«
»Das ist zweitrangig ...«
Neun Männer und neun Frauen, das war die Mannschaft der ACHTERDECK. Oder anders ausgedrückt: sieben Paare und vier Singles. Rainer Deike und Jizi Huzzel waren zweifellos das merkwürdigste der Paare. Sie kannten einander seit Jahren, und immer schon hatten sie ihrer Arbeit weit draußen im Weltraum nachgehen wollen. Alle an Bord der ACHTERDECK verbanden Fernweh und Forschungsdrang. Nur ein Mann hatte letztlich einen Rückzieher gemacht und sich einer anderen Gruppe von Vironauten angeschlossen.
Das Schiff bestand deshalb aus zwölf Sektoren, von denen einer nicht bewohnt war. Jeder Sektor hatte einen Wohn-und-Laborbereich, der nach den Wünschen der Nutzer gestaltet worden war. Nur in Deikes Abschnitt existierte überhaupt so etwas wie eine Kommandozentrale, wenngleich diese völlig anders aussah als der Standard auf galaktischen Raumschiffen. Abgesehen von zwei Sitzmöbeln und einem kleinen Tisch war dieser Raum leer. Gesteuert wurde das Virenschiff ohnehin nur über mündliche Anweisungen. Der Unterschied zwischen der Zentrale und allen anderen Räumen bestand lediglich darin, dass Käpt'n hier umfangreichere Möglichkeiten der Kommunikation und bildlichen Darstellung zur Verfügung standen.
Eine weitere Besonderheit an Bord stellte Sektor 2 dar, denn dort lebten zwei Maahks in der Abgeschlossenheit ihrer Methanatmosphäre. Sie hießen Grek-98 und Grek-99 und waren als Berater an einer terranischen Universität tätig gewesen. Beide hatte nach der Aktivierung des Chronofossils Terra ebenso das Fernweh ergriffen wie viele andere Nichtterraner. Das Virenschiff hatte ihnen eine Umgebung geschaffen, die ihrem Metabolismus als »Giftgasatmer« in jeder Hinsicht entsprach. Dazu gehörten nicht zuletzt Schutzanzüge, die es den Maahks erlaubten, sich jederzeit außerhalb ihrer Unterkunft zu bewegen.
Die Ereignisse rund um Reginald Bulls EXPLORER interessierten die Besatzung der ACHTERDECK kaum. Dreimal seit dem Aufbruch aus dem Solsystem hatte das Segment 1234 abgekoppelt. Die Forscher waren dabei ihren eigenen Weg gegangen, aber stets rechtzeitig zurückgekehrt, weil sie sich ohne den Pulk einsam fühlten. Die Nähe aller anderen Virenschiffe vermittelte eben ein Gefühl der Sicherheit.
Deike hatte mit seinen Begleitern darauf verzichtet, an den Exkursionen nach Gyhdai teilzunehmen. Die biologisch tote Welt interessierte ihn und die anderen nicht; sie hatten ein eigenes Ziel gesucht – und waren fündig geworden: ein Planet nur mit pflanzlichem Leben, ohne Fauna. Schon das war ein grandioser Erfolg.
Darüber hinaus hatte Jizi Huzzel eine verfallene Hütte entdeckt, die bewies, dass vor nicht zu langer Zeit raumfahrende Intelligenzen gelandet sein mussten. Die Ausbeute in der Hütte schien zunächst bedeutungslos zu sein: ein Stück Draht, mehr nicht.
Erst an Bord der ACHTERDECK, nachdem Käpt'n alle mitgebrachten Proben als unbedenklich eingestuft hatte, war deutlich geworden, dass der winzige Draht Informationen in Form magnetisch gepolter Segmente enthielt.
Der Draht war unvollständig. Doch schon das kleine Stück erwies sich für Deike und die Siganesin brisanter als eine Arkonbombe.
... du eine gute Tat tun willst, Fremde, die du dies liest. Das All ist voll mit Wundern, die zu sehen sich lohnt. Zugleich gibt es beherrschende Kräfte, die du meiden sollst. Und tödliche Gefahren, die du erkennen musst. Da sind farbenprächtige Sterne, deren Planeten Leben geboren haben, das du bestaunen wirst. Und dunkle Schlünde, durch die du gehen kannst, falls du das Leben nicht liebst. Es gibt die Sünde, der du dich schuldig machst, wenn du eine Pflanze zertrittst. Es gibt den Schein der Morgenröte, den du vergessen wirst, wenn dein Abend naht. Da ist das Wunder der Unsterblichkeit des Kosmos, das du erahnen kannst ...
Zahlen und Binärcodes... Womöglich Koordinaten?
Das All lebt. Auch die Zonen zwischen den Sternen leben. Nichts ist tot. Alles ist in Bewegung. Das eine schnell, das andere langsam, manches scheinbar ruhend. Deine kümmerlichen Sinne können diese Bewegung oft nicht erfassen. Sie sind zu stumpf. Oder besitzt du die Gabe, Comanzatara zu verstehen? Wohl kaum ...
Wieder geheimnisvolle Bits, ein rhythmisches Muster, vielleicht eine Art von Begleitmusik? Der Umsetzversuch Käpt'ns in eine Melodie stimmte Rainer Deike und Jizi Huzzel so traurig, dass sie diese Passage nie wieder hören wollten.
... es gibt sie: Comanzatara. Wenn du ihr begegnest, solltest du ihr beistehen. Sie braucht Hilfe. Sie ist nichts, wenn du sie mit den Wundern des Kosmos vergleichst, trotzdem ist sie schön. Ihre Pracht wird dich so faszinieren, dass du ihr eigentliches Problem übersiehst. Und niemand wird es dir nennen. Du kannst Comanzatara nur helfen, wenn du ihre Ewige Frage selbst findest – und die Antwort darauf ebenfalls. Das mag für dich, Fremde, geheimnisvoll klingen. Ich sage dir, dass es nicht geheimnisvoll ist. Es ist das Leben – das größte Wunder, das unser All aus sich heraus geboren hat. Wir alle verstehen nicht, was sich hinter diesem grandiosen Schöpfungsakt verbirgt, vor dem wir uns mit tiefer Ehrfurcht verneigen und rufen: »Das wollen wir erhalten!« Falls du das nicht glaubst, hör auf, diese Nachricht zu lesen, denn dann kannst du Comanzatara nicht helfen ...
Erneut folgten unverständliche Zeichen und Symbole, aus denen nur ein verständliches Wort erkennbar wurde: Ciclaun. Es klang wie ein Name. Alles andere in diesem winzigen Abschnitt des Drahtes blieb wirr und unverständlich.
... sage dir, wie du Comanzatara erkennst. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihre scheinbare Einmaligkeit. Ich sage dir, Leserin dieser Botschaft, sie ist einmalig! Aber wenn du sie fragen würdest und sie dir antworten könnte, würde ihre Antwort anders lauten. Sie ist eine Frau. Eine Pflanze, ein Geschöpf des Bodens, mit dem und aus dem sie lebt. Sie ist unstet und schön. Wunderschön! Lass dich davon nicht täuschen, denn ihre prächtige Ausstrahlung schadet ihr und verhindert, dass du erkennst, was sie wirklich ist. Sie ist permanent wie die Bewegungen der Sterneninseln. Sie ist lebendig wie jedes Atom, das den Weltraum zu dem macht, was er ist. Sie ist schön und XXX. Ich habe dieses Wort nachträglich gelöscht, Fremde, die du dies liest. Wenn es weiterhin an dieser Stelle stünde, hätte ich den ersten Schritt, den du vollziehen sollst, schon in ein Stolpern verwandelt. Hab also Verständnis für meine Vorsicht, denn nur wahre und ehrliche Hilfe kann Comanzatara nützen. Und wisse, dass ihr Nutzen für dich Hilfe bedeutet. Ein Blatt wäscht das andere! ... andere ...
»Eine Pflanze!« Jizi Huzzel hatte an dieser Stelle in die Hände geklatscht und dabei versehentlich die Verstärkung ihres Sprechgeräts so übersteuert, dass Deike sich stöhnend die Ohren zuhielt.
Ciclaun, Perpetim, Sans-Cror, Alvaandoree, Manludum, Vilyandoc – Orte des Versagens für Comanzatara! Flecken, die Hoffnungslosigkeit schürten. Wisse, unbekannte Leserin dieser Informationen, Comanzatara gibt nie auf! Die Hoffnungslosigkeit ist nur scheinbar und wird niemals von ihr Besitz ergreifen, denn das ewig Weibliche versiegt nicht. Es XXX ... Es tut mir leid, ich musste aus den schon genannten Gründen auch dieses Wort löschen. Comanzataras Chancen, an die ich nicht glaube – aber das sage ich ihr nicht –, würden sonst nur schwinden, vergehen ...
Eine rasche Folge von Positiv- und Negativbits schloss an. Sie waren unmelodisch, unmathematisch, trotzdem systematisch. Ihre Bedeutung blieb unklar.
... du Comanzatara finden willst, wird es dir gelingen, denn sie will dich ebenfalls finden. Sie braucht dich, aber du brauchst sie nicht. Das sind die Fakten. Was kümmert dich eine Pflanze, die etwas XXX ... Nun ja, du weißt schon. Ich musste auch das löschen. Wenn du die Grazie des Kosmos sehen willst, dann suche Comanzatara. Sie ist nichts Besonderes, doch sie ist schön. Dabei beschäftigt sie etwas anderes. Du weißt schon: XXX ...
»Das ist mir zu hoch!«, hatte Deike seufzend zugegeben.
... ist nicht groß. Vielleicht etwas größer als die Gräser, die auf den unendlich vielen Welten wachsen. Ihr Körper ist geschwungen und purpurrot. Die Wurzeln sind zart und klein, zugleich sehr hart. Der Stamm strahlt eine Harmonie aus, die den Betrachter fasziniert. Vier dunkelgrüne Blätter zieren ihren Körper. Diese Blätter und der Stamm zeigen Comanzataras Weiblichkeit. Wer ihren Charakter kennenlernt, sieht das sehr deutlich und versteht ihre XXX. Du wirst das ebenfalls verstehen, unbekannte Leserin dieser Informationen. Der Kopf ist die Knospe. Prall, strahlend, in tausend Farben im Wechselspiel. Feine Fühler. Blitzende Enden. Tastende und XXX Sinne. Schweigen. Kein Selbstmitleid. Kein Jammern. Wenn du die Blüte siehst, und ich nehme an, dass du Comanzatara finden wirst, wird sie in weichem Blau strahlen. Sobald du Comanzatara verstehst, wird sie diesen Blauton verschwinden lassen und glutrot leuchten ...
Einmal mehr folgten unübersetzbare Zeichen.
... dir diese Beschreibung? Falls nicht, mach dir deshalb keine Gedanken, Fremde. Wenn du mich suchen willst, wirst du mich finden. Und damit gebe ich preis, dass ich selbst Comanzatara bin – diese Worte stammen von mir. Der Verstorbene hat mir geholfen, die Aufzeichnung herzustellen. Ich weiß nicht, ob sie gelungen ist. Und ich habe Zweifel daran, dass sie überhaupt jemand finden wird. Aber, wie gesagt: Comanzatara gibt die Hoffnung nie auf! Man muss seine Spuren hinterlassen, um seine Chancen zu wahren ...
Eine Pause.
Schließlich folgte eine bildliche Darstellung. Käpt'n konnte auch diese Umsetzung erstellen.
Deike und die Siganesin sahen Comanzatara.
In ihrer Selbstdarstellung hatte die Pflanze extrem untertrieben. Das Bild allein war schon eine Pracht.
Der Magnetdraht endete an dieser Stelle.
»Sag mir endlich, wie du Comanzatara gefunden hast!«, flehte Jizi Huzzel.
»Korks«, antwortete Deike lapidar, als wollte er Jizi quälen. Allerdings redete er sofort weiter: »Korks nannten wir unseren Professor, der sich nun als Abenteurer und Schiffskommandant austobt. Er konnte einen Teil der unverständlichen Bytes entschlüsseln. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich dir ein Geschenk präsentieren wollte, das jedes andere aussticht. Die Bytes bezeichneten Koordinaten. Deshalb fand ich Comanzatara, hatte aber verdammt viel Glück dabei. Oder sie wollte es so.«
Jizi Huzzel starrte in den Nebenraum. Die knapp einen Meter große Pflanze ruhte in einer Schale. Ihre Knospe strahlte in gleichmäßigem Blau.
»Es handelt sich nur um eine Pflanze«, sagte Deike. »Keine verborgene Intelligenz, keine Möglichkeit, sich irgendwie mitzuteilen. Nichts. Ich habe dir die Comanzatara geschenkt, weil du Pflanzen ebenso liebst wie ich. Sie ist in der Tat wunderschön. Sogar faszinierend. Vor allem konnte ich nur diese eine finden. Insofern hat der Magnetdraht recht, sie ist einmalig. Wenn du dich an ihrem Anblick begeisterst, dann freue ich mich ebenfalls.«
»Du hast wirklich den ganzen Planeten abgesucht und nichts entdeckt, was Comanzatara gleicht?«, fragte Jizi.
Rainer Deike nickte stumm.
»Ciclaun, Perpetim, Sans-Cror ... Was bedeuten diese Namen?«, bohrte die Siganesin weiter.
Der Terraner schüttelte stumm den Kopf. Die Comanzatara reckte in dem Moment ihre oberen Blätter in die Höhe. Die Knospe an der Spitze des Stamms wurde grau.
»Ich zeig dir was«, sagte der Terraner. »Käpt'n!«, rief er im gleichen Atemzug. »Mach das Licht aus!«
Es wurde dunkel.
Comanzatara leuchtete. Der Stamm strahlte in sanftem Purpurton, und die Knospe lockte die beiden Betrachter mit einem Wechselspiel von Farbnuancen. Ihr heller Schimmer warf anheimelnde Schatten.
Jizi erschien es, als ob sich die Pflanze sanft wiegte. In ihren Umrissen lag eine tiefe, wenn auch schwer verständliche Harmonie ...
... und Trauer.
»Ich werde dir helfen!«, sagte Jizi Huzzel leise.
Comanzatara leuchtete eine Nuance heller.
»Ich war nur sieben Tage fort«, resümierte Rainer Deike wenig später. »Bully hat in der Zeit offensichtlich alles auf den Kopf gestellt. Was ist hier bei euch eigentlich los?«
Jizi schüttelte den Kopf. »Bevor wir darüber reden, will ich mehr über die Analyse deines Professors hören. Konnte er alle unklaren Stellen des Magnetdrahts entziffern?«
»Erst einmal die Koordinaten dieses einen Sonnensystems, in dem ich Comanzatara fand«, antwortete Deike. »Die Namen Ciclaun, Perpetim und so weiter benennen vermutlich Planeten, die Comanzatara ebenfalls besucht hat. Die Pflanze scheint nicht intelligent zu sein, aber wenn ich mir vor Augen führe, was auf dem Draht wiederholt angedeutet wurde ...« Deike massierte sich den Nacken; es wirkte ein wenig hilflos. »Der Professor konnte die Position einer weiteren Welt identifizieren: Ciclaun. Die Daten sind Käpt'n inzwischen bekannt.«
»Wunderbar«, freute sich die Siganesin. »Wir haben also einen Ansatzpunkt, der uns helfen könnte, das Geheimnis zu lüften. Ich schlage vor, wir koppeln die ACHTERDECK ab und suchen Ciclaun. Die anderen werden wohl nichts einzuwenden haben.«
»Ich befürchte, dass wir trotz allem einem Phantom hinterherrennen. Womöglich hat sich jemand nur einen üblen Scherz erlaubt.«
»Selbst wenn, wäre das nicht schlimm«, widersprach Jizi. »Wir klären die Sache, Punktum. Einverstanden?«
Rainer Deike wiegte den Kopf. »Eines irritiert mich: Die Stimme auf dem Draht ging davon aus, dass die Person, die ihre Nachricht hört, ebenfalls weiblich ist. Wie will sie das im Voraus gewusst haben?«
Jizi zuckte mit den Schultern. »Es könnte daran liegen, dass Comanzatara sich selbst als weiblich versteht.«
»Korks hat das ebenfalls vermutet. Und daraus geschlossen, was Comanzatara nicht ausdrücken konnte oder wollte.«
»Heraus mit der Sprache, Langer!«
»Sie sucht etwas.«
»Und? Was?«
»Ein männliches Exemplar. Erinnere dich, dass sie Zweifel äußerte, ob sie einmalig sei oder nicht.«
»Wenn das stimmt, ist Comanzatara wohl das einsamste Wesen hier in Erendyra.«
»Sie ist eine Pflanze«, stellte Deike richtig. Es klang eher hilflos, schon gar nicht überzeugend.
Da die Siganesin schwieg, wechselte er das Thema: »Was plant Reginald Bull?«
»Wir werden ein Sonnensystem anfliegen, in dem es fünf Elysische Ringe geben soll. So recht scheint Bully aber selbst nicht zu wissen, was ihn dort erwartet.«
Deike winkte ab.
»Die verwüstete Welt war wohl nicht so ganz tot«, redete Jizi weiter. »Bully stieß auf ein seltsames Wesen namens Cruhl. Es bezeichnete sich selbst als Elfahder – ein Name, ein Begriff, keine Ahnung. Mehr scheint nicht bekannt zu sein, denn Cruhl sprengte sich selbst in die Luft. Frag mich nicht, warum, Langer, ich weiß es nicht. Es genügt, wenn Bully sich darum kümmert.«
Deike grinste breit. »Du bist und bleibst eine kleine Hexe«, seufzte er, rief nach Käpt'n und bat um eine Verbindung zu allen Sektoren der ACHTERDECK.
Keiner an Bord hatte einen Einwand gegen ein erneutes Abkoppeln. Das Ziel, Ciclaun, lag ohnehin nur 28 Lichtjahre entfernt.
Sofort nach dem Rückruf meldete sich Deike bei Seg-1 ab, der eigentlichen EXPLORER. Eine reine Formalität.
»Ich wünsche euch viel Spaß am neuen Ziel«, scherzte er. »Hat es schon einen Namen?«
»Die Sonne bezeichnen wir als Virgo-Tor«, antwortete die sanfte Stimme aus Bulls Schiff. »Und den Planeten nennen wir Eremit, weil er als einziger die Sonne umkreist.«
Deike wandte sich wieder an die Seele des Schiffes: »Abkoppeln, und Kurs auf Ciclaun!«
»Aye, aye, Sir!«, erwiderte Käpt'n.
Vathin bekleidete die Funktion eines Oberwächters. Das bedeutete, dass er jeweils elf Tage in der Außenstation seiner eigentlichen Aufgabe nachgehen musste und anschließend drei freie Tage hatte, die er auf Ciclaun verbringen durfte. Der Cloreone war ein Einzelgänger, der in seiner Mission aufging. Oft hatte er seine freien Tage schon in der Station verbracht, weil ihn nichts auf seine Heimatwelt zog. Alle Vorgesetzten rechneten ihm dies hoch an, zumal sein Eifer mithalf, die Anzahl der Kurierflüge zwischen den Außenstationen und der Mutterwelt gering zu halten.
Der Tag X kam näher. Admiral Tarcicar hielt fast täglich eine flammende Rede auf sämtlichen Kanälen. Die Schlagworte darin wiederholten sich regelmäßig: der Krieger Kalmer; die Letzte Schlacht; die Bewährungsprobe. Vathin kannte viele dieser Reden auswendig, denn sie wurden immer wieder gesendet. Er verfolgte den Aufmarsch der Flotten, die sich nahe bei Ciclaun sammelten. 2500 Schiffe waren schon da, 3000 sollten es werden.
Die Außenstation, in der Vathin Dienst tat, stand über zwei Lichtstunden von Ciclaun entfernt und damit außerhalb des Sektors, in dem sich die Flotte für die Letzte Schlacht einfand. Bald würde Vathin seinen Posten verlassen, denn er gehörte zur Blauen Garde von Ciclaun und war längst einem Schiff zugeteilt. Er freute sich auf diese neue Aufgabe und übersah dabei geflissentlich, dass er überhaupt nicht wusste, wer der Gegner war.
Wieder lief eine Sendung von Ciclaun ein. Die sechs Oberbefehlshaber der Vereinigten Kolonialflotte diskutierten. Admiral Tarcicar wirkte schon durch seine stämmige Erscheinung und die tiefblaue Uniform. Er stand hinter einem Pult und hatte seine kräftigen Arme aufgestützt. Sein halbkugelförmiger Kopf mit den 36 Augen zuckte leicht und verriet Nervosität.
Der Atemschlitz am Übergang vom Kopf zum Rumpf schnappte nach Luft. Vathin dachte daran, dass Tarcicars Großahn einst Ciclauns Flotte gegen Sans-Cror und Vilyandoc geführt hatte. Die Zeiten, in denen die Kolonial-Cloreonen sich gegenseitig das Leben schwer gemacht hatten, waren zum Glück vorbei. Ihre Einigkeit war gewachsen, je näher der Tag X rückte, den der Ewige Krieger Kalmer vor 5000 Jahren festgelegt hatte.
Vathin war von der Erscheinung des Admirals derart beeindruckt, dass er kaum auf dessen Worte achtete. Erst als Tarcicar das Pult verließ, erfasste die Kamera seine Gesprächspartner. Admiral Gilgamel von den Grünen Garden des Planeten Perpetim verneigte sich leicht, während sein Name genannt wurde. Neben ihm erhob sich Taff-Cror, auf dessen roter Uniform das Symbol seiner Herkunftswelt Sans-Cror prangte. Edamoo von Alvaandoree, zwei Kopf kleiner als die anderen, blieb in der Gruppe unscheinbar.
»Zu Ehren des Ewigen Kriegers!«, brüllte Admiral Paranguard und reckte die Fäuste. Er war der Oberste Führers von Manludum, doch seine purpurfarbene Uniform mutete alt an und abgetragen.
Den Schluss in der Vorstellung bildete Admiral Sparzer von der Kolonialwelt Vilyandoc. Die Farbpunkte auf seiner schwarzen Uniform stachen grell hervor.
»Völker von Ciclaun, Perpetim und Sans-Cror«, begann Tarcicar, und nun hörte Vathin aufmerksam zu, »von Vilyandoc, Manludum und Alvaandoree! Die Stunde der Letzten Schlacht naht. Einst gaben der Krieger Kalmer und der Elfahder Volcayr unserem Volk die Aufgabe, uns für die Letzte Schlacht zu rüsten. Wir können uns glücklich schätzen, dass unsere sechs Kolonien die Bande zur Heimat Cloreon durchschnitten haben. Wir haben unsere eigene Flotte aufgebaut, die dem Ewigen Krieger alle Ehre machen wird. Diese Flotte wird in Kürze aufbrechen. Unser Ziel ist Cloreon, die Heimat der Ahnen. Cloreon wurde vom Ewigen Krieger in ein Energiefeld gehüllt, das niemand von innen nach außen durchdringen kann. Deshalb wissen wir nicht, wie es heute auf Cloreon aussieht, nicht einmal, wie sich unsere Urheimat vorbereitet hat. Aber das muss uns nicht interessieren. Wir wissen, dass wir zu kämpfen haben, um die Ehre des Kriegers neu entstehen zu lassen.«
Vathin hatte sich bisweilen eigene Gedanken über die Geschichte seines Volkes gemacht. Die Gesellschaft war militärisch straff organisiert. Die Cloreonen hatten sechs Sonnensysteme besiedelt, die nah beieinanderstanden. Vier Lichtjahre betrug die durchschnittliche Entfernung zwischen den längst selbstständigen Kolonien.
Der Oberwächter Vathin besaß ein gutes Gespür für Wahrheit und Lüge. Die Admirale redeten in ihrer Runde über den großartigen Fortschritt der eigenen Technik seit einst. Er erinnerte sich jedoch an Erzählungen seines Urgroßahns und folgerte, dass schon in dessen Jugend die Raumschiffe und ihre Bewaffnung nicht anders ausgesehen hatten als in diesen Jahren. Offensichtlich wollte keiner wahrhaben, dass sie alle seit Generationen auf der Stelle traten. Der Wahn um den Krieger hatte die Kolonien blind gemacht.
Der Krieger Kalmer, auch wenn er einst dem Heimatsystem aller Cloreonen Entsetzliches zugefügt hatte, war längst kein Schreckgespenst mehr, weit eher ein Idol. Dafür hatten die Militärs gesorgt.
Die Diskussion der Admirale bewegte sich in Themenbereiche, die Vathin zur Genüge kannte. Sein Interesse erlahmte, bis endlich Fragen an die versammelte Admiralität gestellt werden durften. Allerdings wurde eine sorgfältige Auswahl getroffen, denn nahezu alle Fragen klangen für Vathin banal, ohnehin waren sie schon oft beantwortet worden.
Neben dem Oberwächter tickte ein Automat. Vathin warf einen kurzen Blick auf die eingehende Information: Die letzten Raumschiffe waren da, Taff-Crors Rote Garden und die Reserven von Alvaandoree.
Er hing weiter seinen Überlegungen nach und verfolgte die Diskussionsrunde. Aber schon kurz darauf unterbrach Tarcicar und eilte zum Rednerpult.
»Ich bitte um Ruhe!«, rief der Admiral von Ciclaun. »Die Worte des Ewigen Kriegers erfüllen sich. Weit mehr als tausend Raumschiffe, die wie Kletten aneinanderhängen, sind über Cloreon erschienen. Der Tag X ist da! Wir beenden die Konferenz und brechen auf.«
Die Faust des Ewigen Kriegers erschien in der Übertragung. Vathin dachte schmerzvoll daran, dass dies alles schon vor über zwei Stunden stattgefunden hatte. So lange benötigten die Funkwellen bis zu seiner Außenstation.
Der Distanzalarm heulte. Vathin sprang auf und blickte verwirrt um sich. Seit er vor sieben Jahren als Unterwächter seinen Dienst in der Station begann, war nie Alarm ausgelöst worden. Das nächste Kurierschiff würde erst in drei Stunden kommen, dann endete seine Aufgabe als Wächter.
Auf dem Bildschirm leuchtete weiterhin die Faust des Kriegers. Das Display daneben zeigte einen blinkenden weißen Punkt: Ein nicht angekündigtes Objekt näherte sich Ciclaun.
»Der Ewige Krieger!«, ächzte Vathin und schaltete eine Vergrößerung.
Kalmer? Schwer vorstellbar. Das anfliegende Raumschiff war klein, sogar kleiner als die bescheidensten Einheiten der eigenen Raumflotte. Trotzdem war es kein cloreonisches Schiff.
Vathin alarmierte Ciclaun und setzte gleichzeitig den Standardspruch an den Fremden ab, der diesem eine Andockposition zuwies. Die Symbole waren so eindeutig, dass jede fremde Intelligenz sie verstehen würde.
Dann kauerte Vathin in seinem Kommandosessel und wartete auf eine Reaktion. Ciclaun hatte er über die Hyperfunkstrecke alarmiert, die er für Extremfälle benutzen durfte. Dass jemand im Hauptquartier in der Hektik des bevorstehenden Aufbruchs der Flotte schnell reagieren würde, bezweifelte er.
Das fremde Raumschiff antwortete zuerst. Mit einen Symbolspruch, der nach dem gleichen Muster abgefasst war wie die Aufforderung: »Hier ACHTERDECK. Wir kommen in Frieden und docken an, wie es erbeten wurde.«
»Oh«, sagte Vathin zu sich selbst. »Die sind richtig höflich.«
Ein weiteres Signal kam. »An Außenstation, Oberwächter Vathin!«, donnerte eine Stimme. »Kurierschiff EXE-23 im Anflug. Vathin sofort in Schleuse A melden! Ausrüstung mitführen! Erwarteter Einsatz auf der LEFLAHT. Ehre dem Ewigen Krieger! Bestätigung!«
Vathin schwieg. Er verglich den knappen Tonfall mit den freundlichen Worten der Fremden. Ihm war für die Letzte Schlacht ein Platz als Orter einer Geschützmannschaft auf der LEFLAHT zugewiesen, doch das war kein Grund, ihn derart barsch anzuschreien.
Er wollte gerade antworten, da sprach der Hyperfunkempfang an. »Unteradmiral Lillingjoke«, meldete sich eine kratzige Stimme. »Vathin, kümmern Sie sich um das fremde Raumschiff. EXE-23 wird Ihnen zur Unterstützung unterstellt, bis die Situation geklärt ist. Umgehend Rapport!«
»Verstanden«, sagte der Oberwächter, ließ die Sprechtaste der Hyperfunksenders wieder los und seufzte im Selbstgespräch: »Danke, Unteradmiral.« Hastig fuhr er den Normalfunk hoch. »Vathin an EXE-23!« Nun brüllte er ebenfalls. »Andocken und Waffen klarmachen! Kommandant meldet sich bei mir! Verstanden?«
»Jawohl, Oberwächter Vathin!«, kam es zurück.
Es knisterte im Empfang. »Hier spricht Jizi Huzzel von der ACHTERDECK«, vernahm Vathin eine sanfte Stimme. »Wir haben eure Sprache im Griff. Wir kommen in Frieden und hoffen, dass ihr keinen Angriff auf uns versucht.«
»Kommt einfach«, sagte Vathin. »Ich freue mich auf jeden, der vernünftig redet und nicht schreit.«
Wenig später dockten die ACHTERDECK und die EXE-23 nahezu gleichzeitig an der Außenstation an. Vathin war wieder die Ruhe selbst. Er freute sich auf die Begegnung mit den Fremden. Dass diese mit dem Ewigen Krieger zu tun hatten, war ihm klar. Alles andere wäre in diesen Stunden ein unglaublicher Zufall gewesen.
Ich wurde aus Volcayr nicht schlau. Überhaupt hatte ich Mühe, meine Gedanken zu sortieren und besonnen zu reagieren. Volcayr ist bereit für die Letzte Schlacht. Die Worte des Elfahders klangen in mir nach.
Er hatte mich in einen Bereich der subplanetarischen Anlagen verschleppt, den ich nicht kannte. Meine Begleiter waren zurückgeblieben und wohl an Bord der Virenschiffe zurückgekehrt.
Ich befand mich in einem gepanzerten Fahrzeug, das einem riesenhaften Igel ähnelte. Es war gut 40 Meter lang und nicht ganz halb so hoch. Die Technik war mir fremd, ich konnte nicht abschätzen, welche Möglichkeiten Volcayr damit zur Verfügung standen.
Der Raum, in dem ich mich befand, war zweifellos die Zentrale des Igelpanzers. Die Bildflächen ringsum erlaubten jedenfalls eine nahezu perfekte Außenbeobachtung.
Volcayr stand vor etlichen Schaltelementen. In seiner von Stacheln geprägten Rüstung erweckte er den Eindruck eines zwei Meter großen, aufrecht gehenden Igels. Die im Gegensatz zum Rückenbereich flachen Brustelemente der Rüstung setzten sich aus Lamellengliedern zusammen. Auf der Schulterrundung saß ein ovaler Helm mit einem Gitter an der Vorderseite. Hinter diesem Gitter funkelte es hin und wieder grün, als blickten Raubtieraugen hervor. Zwei kurze Arme ragten zu beiden Seiten des Halsansatzes aus dem Oberkörper. Sie endeten ebenso wie die stämmigen Beine in plump anmutenden Auswüchsen. Volcayrs Stimme klang hell. Seine Sprache, die mein Translator übersetzte, glich einem melodiösen Singsang.
Volcayr ist bereit für die Letzte Schlacht. Eine ganze Weile lag diese Übersetzung schon zurück. Meine Erwartungen an das Reich der ESTARTU hatten sich relativiert. Zumindest hier in der Galaxis Erendyra war durchaus nicht alles eitel Sonnenschein und so überwältigend schön, wie Stalker es geschildert hatte.
O ja, die Elysischen Ringe boten einen atemberaubenden Anblick. Ihre Existenz bewies zudem, dass Stalker uns nicht belogen hatte. Sotho Tal Ker – Homer G. Adams hatte den Namen zu Stalker verkürzt. Ich fragte mich, ob er das bewusst getan hatte oder nur des Wortspiels wegen. Dass uns Unerfreuliches erwarten würde, hatte Homer keinesfalls ahnen können. Die Ringe von Virgo-Tor bestanden aus der Materie ehemaliger Planeten, die vor 5000 Jahren vernichtet worden waren.
Volcayr steuerte sein Fahrzeug weiter durch die Unterwelt des Planeten. Cloreon – wir Vironauten nannten den als einzigen dieses Systems gebliebenen Planeten seiner Einsamkeit wegen Eremit – war ein Albtraum und sehr viel weiter ausgehöhlt, als ich je gedacht hätte.
Bis vor Kurzem hatten wir auf der EXPLORER an eine ruhige Erkundung geglaubt. Wir hatten uns an der Idee berauscht, dass es jedem Vironauten möglich sein würde, seinen eigenen Wünschen zu folgen. Tatsächlich gab es nur Stress. Und den Elfahder empfand ich als kriegslüstern und dienerhaft zugleich.
Der Panzer stoppte. Vor uns erstreckte sich eine gewaltige, in Ausdehnung und Höhe nicht zu überschauende Halle.
»Die Letzte Schlacht, das Alles oder Nichts für die Cloreonen, wird bald beginnen«, säuselte Volcayr. »Siehst du die Maschine?«
Zumindest in dem für mich erkennbaren Bereich reihten sich kilometergroße Aggregate aneinander. Eine unheimliche Zufriedenheit schien bei diesem Anblick von Volcayr auszugehen. »Es ist alles gerichtet«, raunte er in seinem Singsang.
Ich trug Stalkers Permit am linken Handgelenk. Mit etwas Phantasie war die Metallhülse wie die Stulpe eines Handschuhs, dessen Handteil am Fingeransatz abgetrennt worden war. Insofern schien mir die Bezeichnung als »Faust des Kriegers« nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Ich verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Weil Volcayr mich musterte, winkelte ich den linken Arm demonstrativ an.
»Die Faust des Kriegers ...«, säuselte er. »Komm!«
Ohne weiteren Kommentar wandte er sich um und verließ den Igelpanzer. Offensichtlich war er überzeugt davon, dass ich ihm folgen würde.
Augenblicke später standen wir in der gigantischen Halle. Ich fühlte mich hilflos, fast wie gelähmt, denn die riesigen Maschinen waren in Bewegung geraten – ein irrealer, schwer zu akzeptierender Anblick.
»Eine Automatik des Ewigen Kriegers verändert die maschinelle Materie«, kommentierte der Elfahder. »Die Cloreonen müssen nun beweisen, dass sie würdig sind.«
»Würdig?«, fragte ich. »Wem gegenüber? Welchen Sinn hat die Letzte Schlacht?«
Der Elfahder reagierte nicht auf meine Fragen. Er verfolgte die immer schneller ablaufende Veränderung, die eine gewisse Ordnung erkennen ließ. Die Station demontierte sich selbst, und etwas anderes entstand daraus.
Ich versuchte Funkkontakt zu Stronker Keen und den Vironauten aufzunehmen. Aber nur ein wildes Prasseln war zu hören.
Volcayr stand da, als heische er Beifall. »Sieh dir das an!«, sang er trotz des ohrenbetäubenden Getöses, das die gewaltigen Maschinen verursachten. Er reckte einen seiner klobigen Arme und deutete auf das nächste Mammutaggregat. Die Wände des stählernen Blocks, einige Hundert Meter hoch, lösten sich soeben auf und setzten unzählige eiähnliche Gebilde frei.
»Die Herzen des Heeres erscheinen«, sang Volcayr.
Er meinte wohl, dass es sich um Mikropositroniken oder Ähnliches handelte. Die eiförmigen Objekte verteilten sich in der Halle und verschmolzen mit den Fragmenten der Maschinerie. In rasender Geschwindigkeit entstand aus der Fülle des vorhandenen Materials ein Heer von Kampfmaschinen.
Die ersten Gestalten formten sich in Bodennähe. Überall entstanden waffenstarrende Roboter.
»Du siehst das Heer des Ewigen Kriegers«, erklärte mir der Elfahder. Er schien sich an dem Umwandlungsprozess regelrecht zu berauschen.
Binnen Minuten waren von der ursprünglichen Gigantmaschinerie nur noch Gerüste zu sehen, und auch sie wurden in den Verwandlungsprozess einbezogen. Gitterartige Plattformen wuchsen daraus, auf denen die Roboter Waffen montierten. Obwohl mir das alles gar nicht gefiel, musste ich dem Schöpfer dieses technischen Wunderwerks insgeheim meine Anerkennung zollen.
»Träger der Faust des Kriegers!«, rief Volcayr mir begeistert zu. »Nun wird sich zeigen, ob die Quarantäne der Cloreonen ihren Zweck erfüllt hat.«
»Quarantäne?«, fragte ich. Nicht, weil ich keine Ahnung gehabt hätte, was er meinte. Mir kam es darauf an, mehr Informationen zu erhalten.
Der Elfahder drehte mir das Gitter seiner Kopfmaske zu. »Der einseitig gepolte Schirm um Cloreon hat alle an ihre Welt gefesselt und sie gezwungen, sich auf die Letzte Schlacht vorzubereiten. Die Cloreonen hier waren wirklich nicht untätig, und das lässt einen großen Genuss erwarten. Aber erst die Schlacht wird zeigen, ob die Cloreonen gestärkt aus der Abgeschiedenheit hervorgegangen sind.«
Ich fröstelte. Dieser sinnlose Kampf musste vermieden werden, denn er konnte nur so enden, wie ich es auf Gyhdai gesehen hatte.
»Ich muss mit Kalmer sprechen!«, platzte ich heraus.
»Du trägst die Faust des Kriegers«, antwortete er melodisch. »Du bist wie er.«
»Ich will dennoch, dass du Kalmer holst!«
Der Elfahder wirkte für einen Moment, als hätte er mich nicht verstanden. Als er antwortete, klang es nicht sehr melodisch: »Du trägst die Faust. Trotzdem scheint es wesentliche Dinge zu geben, die dir fremd sind.«
»Dann ist es deine Pflicht, mich über diese Zusammenhänge aufzuklären.«
»Das ist es nicht.« Er sang wieder. »Allerdings werde ich mich nicht verschließen. Du sollst wissen, dass der Ewige Krieger Kalmer nur sehr selten persönlich auftritt. Ich habe ihn einmal erlebt. Aber du trägst sein Zeichen. Du kannst es nur aus freien Stücken bekommen und aus freien Stücken angenommen haben. Das allein spricht für dich und deine Bedeutung für die Letzte Schlacht.«
»Auch wenn ich denke, dass diese Letzte Schlacht ein ausgemachter Unsinn ist?«, entgegnete ich frostig.
»Ich erfülle meinen Part, du wirst den deinen ebenso erfüllen«, begehrte der Gepanzerte auf. »Anderes interessiert mich wenig. Kalmer hat einen riesigen Tross von Helfern, deshalb kann und will er nicht an jedem Ort sein. Er muss es auch nicht, denn er hat uns Elfahder. Und er hat dich, du trägst seine Faust. Außerdem verfügt er über viele Vasallen, denen die Ehre zuteilwurde, sich für seine Sache einsetzen zu dürfen. Auf jedem Planeten, der den Krieger interessiert, sind Kaufleute, Spieler, Diplomaten, Händler und Prediger für ihn tätig. Soll ich mich also darüber wundern, dass er einen komischen Vogel wie dich angeheuert hat? Du scheinst wirklich nichts über deine Mission zu wissen. Nun gut. Kalmer handelt nie blind. Die Erinnerung an den Zeitpunkt, als du in seine Dienste getreten bist, wird zweifellos bald in dir erwachen.«
Ich stöhnte. Brauchte ich einen besseren Beweis, dass etwas völlig falsch lief oder von Volcayr absolut unrichtig gesehen wurde? Nur würde ich ihm das nicht plausibel machen können.
Die Umwandlung in der Halle war abgeschlossen, das Roboterheer hatte sich formiert. Mit mächtigen Desintegratoren fingen die Maschinen an, den Fels über ihnen aufzulösen. Das war der kürzeste Weg an die Oberfläche.
»Du erkennst meinen Status als Träger der Faust des Kriegers jedenfalls an?«, fragte ich den Elfahder.
»An deinem Status besteht kein Zweifel«, antwortete er. »In einiger Hinsicht bist du mir sogar übergeordnet. Und sobald die Letzte Schlacht beginnt, ist es sicher in jeder Hinsicht so.«
»Gut. Von wo kommst du, Volcayr?«
Der grüne Schimmer hinter seiner Gittermaske funkelte. »Von Cloreon. Wusstest du nicht, dass ich hier fünftausend Jahre geschlafen habe, wie es der Ewige Krieger wollte? Wir Waffenträger ruhen immer, bis die Letzte Schlacht beginnt.«
»Wird Kalmer selbst erscheinen, sobald sie beginnt?«, wollte ich wissen.
Volcayr stieß eine Folge von Tönen aus, die wie die Ouvertüre zu einem Melodrama klangen. »Sie hat schon begonnen.« Er schaffte es, zweistimmig zu tirilieren. »Du bist da, und deine Raumschiffe stehen über dem Planeten. Der Krieger hat ein beachtliches Potenzial aufgeboten, um den Cloreonen eine letzte Chance zur Rehabilitation zu geben. Die Flotten ihrer Kolonialwelten nahen und werden ihren Anteil tragen. Meine Aufgabe ist es zuerst, dafür zu sorgen, dass die Organismus-Gesellschaft mit ihren Antikörper-Typen deine Vironauten nicht länger behelligt. Die Letzte Schlacht verlangt Ordnung. Der Ewige Krieger erlaubt kein blindes Austoben, denn seine Ziele sind ehern.«
Meine Frage nach Kalmers Erscheinen hatte der Elfahder nicht beantwortet. Noch einmal zu fragen, schien mir in dem Punkt sinnlos zu sein.
»Dann hör mir zu, Volcayr!«, sagte ich betont. »Ich trage die Faust des Kriegers, und ich werde alles daransetzen, diese sinnlose Schlacht zu verhindern. Sie hätte nur den Tod ungezählter Intelligenzen zur Folge.«
Damit war es heraus. Ich fühlte mich wohler.
»Sobald die Letzte Schlacht geschlagen ist, wirst du Zeit für solche Scherze haben«, sang Volcayr unbeeindruckt. »Vorher sind sie unangebracht.«
Vathin war überrascht und enttäuscht zugleich. Die Stimme des weiblichen Wesens aus dem fremden Raumschiff hatte es ihm angetan. Als er nun sah, dass Jizi Huzzel ein winziges Geschöpf war, kleiner als Kutzi, das Haustier seiner Eltern, konnte er seine Verwunderung kaum verbergen.
Der große Fremde, der sich als Rainer Deike vorgestellt hatte, wirkte hingegen beeindruckend. Er trug einen Schutzanzug, der besser zu sein schien als alles, was Vathin je gesehen hatte. Offensichtlich besaßen die beiden Fremden eine überlegene Technik. Die kurze Zeit, die sie benötigt hatten, um die cloreonische Sprache zu verstehen, belegte das. Was Vathin nicht verstand, war das blaue Kleidungsstück aus einem flauschigen Gewebe, das Deike über dem Raumanzug trug. Dieser eher lockere Umhang ergab keinen Sinn, außer, dass in einer der beiden aufgenähten Taschen das kleine Wesen mit der sympathischen Stimme steckte.
»Hier herrscht ziemliche Hektik«, sagte der große Fremde. »Käpt'n, das ist unser Bordrechner, hat an die dreitausend Raumschiffe gezählt und erkannt, dass ihr euch im Aufbruch befindet. Was bedeutet der Aufmarsch, Vathin? Wir haben nur friedliche Absichten. Falls wir stören, ziehen wir uns wieder zurück.«
Der Oberwächter wusste in seiner ersten Überraschung nicht, wie er auf diese Feststellung reagieren sollte. Sein Zögern nutzte das kleine Wesen mit der sympathischen Stimme: »Wir sind nach Ciclaun gekommen, weil wir etwas über eine seltene Pflanze herausfinden wollen. Sie heißt Comanzatara.«
»Inhaftieren!«, brüllte Color dazwischen, der Führer der EXE-23. »Hier herrscht Krieg, auf den wir uns seit fünftausend Jahren vorbereitet haben. Der Ewige Krieger ...«
»Von Schlachten und Kriegen wollen wir nichts hören, Vieläugiger.« Deike fiel dem Kommandanten nicht nur ins Wort, er griff auch noch mit beiden Händen nach dessen kräftigen Oberarmen. »Krieg bringt immer nur Tod und Verwüstung«, sagte er. »Wir haben in dieser Galaxis schon eine ausgelöschte Welt gesehen. Das sollte Ciclaun erspart bleiben, meint ihr nicht?«
»... und der Comanzatara«, meldete sich Jizi.
Sie hatte zwei winzige Arme und zwei kaum größere Beine. Das sah Vathin, weil sie endlich aus der Tasche des blauen Kleidungsstücks hervorschwebte. Sie flog ohne Flügelschlag, ohne sperrige Technik.
Vathins 36 Augen quollen auf, denn das kaum eine Handspanne messende weibliche Wesen mit der zartgrünen Haut verharrte vor seinem Gesicht. Ihm war, als musterte Jizi jedes seiner ringförmig um den Kopf verteilten Augen.
Wie gern hätte er sich darauf eingelassen, doch es war unmöglich. Die Letzte Schlacht, der sein Volk seit vielen Generationen entgegenfieberte, was wichtiger als diese Fremden. Sehr viel wichtiger.
»Tu endlich etwas, Vathin!«, schrie der Kommandant der EXE-23. »Du hast die Verantwortung ...«
Ja, die hatte er. Er gehörte zur Blauen Garde von Ciclaun und sein Platz war ihm zugewiesen, seit er denken konnte. Er musste seine Aufgabe erfüllen, das war seine Pflicht.
»Verschwinde!«, hörte Vathin sich sagen und fragte sich zugleich, ob er das tatsächlich wollte. Ja? Nein? Die beiden Fremden faszinierten ihn. Außerdem hatte Deike etwas gesagt, das in ihm nachschwang und ihn innerlich erschütterte: Krieg bringt immer nur Tod und Verwüstung.
»Wir wollten keine Konflikte zwischen euch heraufbeschwören.« Jizi Huzzels Stimme wischte Vathins Zwiespalt beiseite. Es war so wunderbar zu spüren, dass jemand sanft und ohne hörbaren Zwang redete. Da war kein militärischer Tonfall, kein Befehl, kein Schreien.
»Verschwinde!«, wandte Vathin sich an den Kommandanten und versuchte, ebenfalls leise zu reden. »Das hier ist meine Angelegenheit. Unteradmiral Lillingjoke hat mir die Sache übergeben.«
Was er tat, war Wahnsinn, das war ihm bewusst. Zugleich triumphierte er, denn Color wandte sich um und verließ die Andockkammer. Er, Vathin, der einfache Oberwächter, hatte einen Schiffskommandanten zur Räson gebracht. Wann hätte er das jemals vorhergesehen?
»Bitte, Freund, begleite uns an Bord unseres Schiffes«, sagte Deike. »Wir haben dort eine Pflanze, die Comanzatara heißt. Sie sucht etwas, dabei wollen wir ihr helfen. Wir wissen, dass Comanzatara einmal auf Ciclaun gewesen ist. Ebenso auf Sans-Cror, auf Perpetim, Vilyandoc ...«
»Schon gut«, unterbrach der Oberwächter die Besucher. »Hört ihr mir bitte auch einmal zu?«
Deike schwieg. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, den der Cloreone als entschuldigend verstand. Und Jizi sagte: »Selbstverständlich, Vathin. Verzeih unsere Unhöflichkeit. Wir wollen nur Comanzatara helfen. Diese Pflanze ist das einsamste Geschöpf des Universums.«
»Manchmal war mir, als sei ich das einsamste Lebewesen überhaupt«, entgegnete Vathin.
Weil Deike und die Winzige erwartungsvoll schwiegen, redete er weiter. Er erzählte vom Kodex des Ewigen Kriegers Kalmer, von Ciclaun und den Ereignissen, die vor langer Zeit geschehen waren. Auch von einem seiner Lehrer, der behauptet hatte, dass das Militärregime auf Ciclaun mehr wisse, als es jemals eingestehen würde. Über Cloreon. Über den Stillstand der technischen Entwicklung auf den Kolonialwelten. Und darüber, dass in den Kolonien sehr wohl vieles über die Organismus-Gesellschaft auf Cloreon bekannt war.
Unvermittelt wurde Vathin sehr unruhig. »Die EXE ist weg«, sagte er betroffen. »Ich habe meinen Einsatz auf der LEFLAHT versäumt. Color wird mich dafür vernichten.«
»Es gibt keine Vernichtung«, widersprach Jizi. »Du willst sie nicht, wir auch nicht. Käpt'n meint, das Flaggschiff der Ciclaun-Cloreonen heißt CICLANT. Käpt'n hört euren Funk ab und informiert den Langen und mich. Er sagt, auf der CICLANT fehlt ein Beibootpilot. Der dafür vorgesehene Cloreone trat seinen Dienst nicht an. Euer Admiral wird sich bestimmt freuen, wenn er dich bekommt.«
»Das sind Träume ...«, wehrte Vathin ab.
»Ich erfülle dir diesen Traum«, behauptete die kleine Frau. »Du sagst mir als Gegenleistung, wo Comanzatara auf Ciclaun war, und gibst mir jede Unterstützung, um die Rätsel der Pflanze zu lösen.«
»Ich kenne keine Pflanze Comanzatara«, entgegnete Vathin niedergeschlagen. Seine Stimmung wechselte rasch. »Aber ich verspreche, eurem Forschungsdrang weiterzuhelfen, wenn ihr mich auf die LEFLAHT bringt.«
»Auf die CICLANT«, berichtigte Deike. »Und kein Widerspruch.«
Vathin empfand mit einem Mal Furcht. Er hatte sich verleiten lassen, hatte einem Gefühl nachgegeben und den Verstand und alles, was wirklich wichtig war, ignoriert. Er hatte das Vertrauen hintergangen, das Unteradmiral Lillingjoke in ihn setzte. Damit hatte er sein eigenes Grab ausgehoben. Waren das die beiden Fremden wert? Wo waren seine Träume von der Letzten Schlacht, die er siegreich schlagen wollte?
»Sieh dir Comanzatara wenigstens an«, bat Jizi. »Wir bringen dich danach zu deiner Flotte, zur LEFLAHT oder zur CICLANT, wie du willst. Wir tun das sogar, wenn du Comanzatara nicht sehen möchtest. Wir kennen keinen Zwang und fordern nichts gegen deinen Willen.«
Vathin winkte schwach ab. Seine Gedanken schwirrten durcheinander. Der Tag X ... Der Aufbruch der Flotte ohne ihn ...
Fast schon widerwillig folgte er dennoch den beiden so unterschiedlichen Fremden auf ihr Schiff.
Dort sah er die Schale mit dem weichen Bodensubstrat von Ciclaun – nur die Schale. Das Substrat wies ein paar Mulden auf, die vermuten ließen, dass da etwas gewurzelt hatte.
Comanzatara war nicht mehr da.
»Verrat!«, schrie Rainer Deike wütend auf. »Das können nur die beiden Maahks gewesen sein. Sie treiben ein übles Spiel.«
»Das ist ausgeschlossen«, meldete sich Käpt'n. »Ich hätte es registriert, wenn jemand während eurer Abwesenheit in den Wohnräumen oder Labors gewesen wäre.«
»Dann sag mir, wer Comanzatara entwendet hat!«