»Es geht bei gedämpfter Trommel Klang;
Wie weit noch die Stätte! Der Weg wie lang!
O wär er zur Ruh und alles vorbei!
Ich glaub, es bricht mir das Herz entzwei!
Ich hab in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt.
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu bin auch ich kommandiert.
Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl,
- Nun binden sie ihm die Augen zu, -
Dir schenke Gott die ewige Ruh.
Es haben die neun wohl angelegt,
Acht Kugeln haben vorbeigefegt;
Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz –
Ich aber, ich traf ihn mitten ins Herz.«
Adelbert von Chamisso
»Vorwärts! Hier entlang!«
Grob stieß der Wächter seinem Gefangenen den Gewehrlauf in den Rücken, um ihn anzutreiben. Der Gefangene gab ein ersticktes Keuchen von sich, stolperte und musste sich trotz der Ungeduld seines Peinigers einen Moment lang gegen die kalte Steinwand lehnen. Zitternd presste er die Hand gegen die Wunde in seiner Schulter, und Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Eigentlich hätte er gar nicht mehr am Leben sein sollen. Doch obwohl er sich sichtlich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, richtete er sich plötzlich kerzengerade auf, warf dem Wächter einen verächtlichen Blick zu und sagte kalt: »Ich kenne den Weg. Ich war schon einmal hier.«
Mit schnellen Schritten, stolz und sonderbar würdevoll, lief er voran, bis sie den Zellentrakt erreicht hatten.
Hier unten war es kalt und dunkel, nur wenige Fackeln erhellten den finsteren Gang. Der Wächter öffnete wahllos eine der leeren Zellen und schob den Gefangenen unsanft hinein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich ab, und die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss.
Das Geräusch traf den Gefangenen wie ein Peitschenhieb. Mit einem Mal zerbrach all seine Selbstbeherrschung. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Er wusste nicht, war es die Kälte, der Blutverlust oder einfach nur Furcht. Kraftlos sank er zu Boden, schloss die Augen und saß einen Moment lang reglos, lauschte auf das hektische Klopfen seines Herzens und auf den hämmernden Schmerz in seiner Schulter. Vorsichtig betastete er die Verletzung, versuchte festzustellen, wie schlimm sie wirklich war. Die Kugel musste noch im Fleisch stecken, er würde sie herausholen müssen, aber er hatte nicht den Mut dazu. So riss er nur einen Streifen Stoff aus seiner ohnehin schon zerfetzten Uniformjacke und versuchte umständlich, die Wunde damit zu verbinden. Als er fertig war, sah er sich zum ersten Mal in seinem Gefängnis um. Nicht, dass er im Licht der einzelnen Fackel, die ihm der Wächter zurückgelassen hatte, viel erkennen konnte. Beunruhigt fragte er sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Fackel erlöschen und er in völliger Dunkelheit zurückbleiben würde. Aber vielleicht, so dachte er voll Bitterkeit, würde er diesen Augenblick auch gar nicht mehr erleben. Er konnte bereits spüren, wie die Kraft aus seinem Körper wich, wie sich eine tiefe, verführerische Mattigkeit in seinen Adern ausbreitete. Würde er hier unten, allein und verlassen, in der Dunkelheit sterben? Oder würden sie ihn vorher töten?
Mühsam stand er auf, holte die Fackel näher zu sich heran und betrachtete sie einen Moment lang. »Nun, holdes Licht«, flüsterte er mit belegter Stimme. »Wer von uns beiden wird hier unten wohl länger überdauern?«
Da krallte sich plötzlich mit scharfen Klauen die Angst in sein Herz, und um sich davon abzulenken, hob er den Blick und betrachtete seine Umgebung nun doch genauer. Natürlich gab es nicht viel, was ihm Trost hätte spenden können. Nur kalten Stein, feuchtes Stroh und die Ratten, die außerhalb des schwachen Lichtkreises umherhuschten.
Beinahe hatte es etwas Vertrautes an sich.
Trotz seiner verzweifelten Lage glitt ein Lächeln über das bleiche Gesicht des Gefangenen. Ja, er war schon einmal hier gewesen, hier, in den finsteren Kerkern, tief unten im Keller von Schloss Mirabeaux.
Doch das war lange her.
Hatte er es verdient, hier unten zu sterben?
Vielleicht. Andere mochten das beurteilen.
Andere? Oder vielleicht nur einer?
Erschöpft ließ sich der Gefangene mit der Fackel in der Hand auf dem Stroh nieder, lehnte den Kopf gegen die Wand und dachte an das, was geschehen war. An den Freund, den er geliebt und verraten hatte.
Verraten … Hohl hallte das Wort in seinem Kopf wider.
Doch was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Seufzend blickte er in die Flammen, gab sich seinen Erinnerungen hin und wartete, während die Fackel in seiner Hand langsam verlosch …
Mir ward ein Glück, wie es nur wenigen geworden:
Ich liebte einen Fürstensohn – Mein Herz, nur einem einzigen geweiht,
umschloss die ganze Welt!
Friedrich Schiller, »Don Carlos«
John Blackwood lag wach in seinem Bett, betrachtete den Degen seines Vaters, der blank poliert an der Wand hing, und träumte von Schlachten, Abenteuern und großen Taten. Er war jetzt beinahe zehn Jahre alt, und vielleicht würden sie ihn bald schon an der Militärschule aufnehmen. Dann konnte er ein Soldat des Königs von Tarennes werden, genau wie sein Vater es gewesen war. Dann würde er in die Schlacht ziehen und großen Ruhm erringen, und dann –
»Jonathan!«
Der Ruf seiner Mutter schreckte ihn aus seinen Träumereien.
»John, es ist schon spät! Bist du noch immer nicht aufgestanden? Los, beeil dich!«
Hastig sprang John aus dem Bett, und ein protestierendes Maunzen erklang, als er dabei eines von Minous Jungen aufschreckte. Duval, oberster Stallmeister auf Schloss Mirabeaux, hatte die Katzendame letzte Woche einfach ertränken wollen, damit sie nicht mehr die edlen Pferde des Königs erschreckte. John hatte sie also – sehr zur Freude seiner Mutter! – kurzerhand mit nach Hause genommen, und zwar mitsamt ihrem Nachwuchs.
Auf diese Weise war das winzige Haus, das die beiden bewohnten, nun von einer ganzen Schar beständig überall herumwuselnder Katzenjungen bevölkert. Behutsam stieg John über die Tierchen hinweg, schlüpfte hastig in seine Kleider und polterte bereits die Treppe hinunter in die Stube, während er noch dabei war, sich das Hemd in die Hosen zu stopfen.
»Na endlich!«, begrüßte ihn seine Mutter mürrisch. »Wenn du so weitermachst, wirft dich Duval noch raus!«
John machte ein beleidigtes Gesicht. »Jonathan Blackwood, Stallbursche am Hof König Henri de la Fèvres, zu Euren Diensten, Madame!«, rief er mit einer Bewegung, die er selbst für eine perfekte Verbeugung hielt. Das Schauspiel hatte den gewünschten Effekt: Seine Mutter lachte versöhnlich. »Ein königlicher Träumer, das bist du!« Sie wurde wieder ernst. »Aber nun musst du dich beeilen! Sonst kommst du tatsächlich noch zu spät!«
»Zu Befehl, Mylady!« John grinste, nahm sich ein Stück Brot vom Tisch und verließ das Haus.
Schloss Mirabeaux lag etwas außerhalb der Stadt auf einer Hügelkuppe und thronte über all den übrigen Häusern wie die aufgehende Sonne über dem Horizont. Jeden Morgen, wenn John zur Arbeit ging, lief er an dem schmiedeeisernen, von zwei schlanken Säulen flankierten Tor zum Ehrenhof entlang und konnte einen kurzen Blick auf die prachtvolle, weiß-gelbe Fassade des Palastes werfen. Eine große, kühn geschwungene Freitreppe aus schimmerndem Marmor führte direkt zum Eingang des prunkvoll verspiegelten Ballsaales, und darüber, auf der anderen Seite, den weitläufigen Gartenanlagen zugewandt, lagen irgendwo die Gemächer des Königs.
All das jedoch konnte John nur vermuten, denn diesen Teil des Schlosses hatte er noch nie von innen gesehen. Sein Arbeitsbereich lag weit abseits von den repräsentativen Prachtfassaden, in den Stallungen, die, zwei ausgestreckten Armen gleich, den Innenhof auf beiden Seiten säumten. Aber der Palast war es auch gar nicht, dem all seine Sehnsüchte und kühnsten Träume galten.
Es war die Kaserne daneben, wo die Soldaten untergebracht waren, die Gardisten des Königs in ihren schönen, blauen Uniformen. Manchmal, wenn er sich um die Mittagszeit ein wenig davonstahl, konnte er die Wachablösung im Schlosshof beobachten, und manchmal sah er auch zu, wie die Männer exerzierten. Dann stand er stets still und voller Bewunderung, bis Duval ihn wieder an die Arbeit scheuchte.
Eines Tages, so dachte er versonnen, würde auch er eine goldverzierte, mit blitzenden, schimmernden Orden verzierte Uniform tragen, eines Tages würde er den Degen seines Vaters an der Seite führen, eines Tages …
Eines Tages, aber nicht heute. Ein klägliches Miauen hinter ihm platzte jäh in seine Illusionen, und John hielt überrascht inne. Eines der Kätzchen war ihm den ganzen Weg gefolgt, ohne dass er es bemerkt hatte.
John verdrehte die Augen. Wenn er das Tier jetzt zurückbrachte, dann würde er sich tatsächlich hoffnungslos verspäten, und Duval würde ihm endgültig den Kopf abreißen. Aber er konnte das arme Ding doch auch nicht einfach hier lassen!
»Na komm schon, du Dummerchen«, meinte er versöhnlich, hob das Kätzchen auf und setzte es kurzentschlossen in seine Tasche. Dann lief er los, zu den Ställen, um die erträumten, blank polierten Waffen gegen höchst reale Besen, Schaufeln und Mistgabeln einzutauschen.
Armand François Auguste de la Fèvre, Prinz von Tarennes, saß unterdessen in der goldverzierten Prachtkarosse seines Vaters, spielte mit einem seiner Zinnsoldaten und langweilte sich zu Tode. Eigentlich hatte sein Vater ihm versprochen, eine Ausfahrt mit ihm zu unternehmen, doch der König ließ auf sich warten. Seinen Erzieher hatte Armand mit einiger Überredungskunst dazu gebracht, nach dem Vater zu suchen, doch anscheinend war der Mann aufgehalten worden, denn Armand kam es vor, als säße er hier bereits seit Stunden allein in diesem dummen, stickigen Wagen fest, während der Fahrer auf dem Kutschbock friedlich in der Sonne döste.
Konnte man ihn hier drinnen schlicht und ergreifend vergessen haben?
Nein, das war wohl kaum möglich, beschloss er kurzerhand. Schließlich war er nicht irgendwer, sondern der Kronprinz von Tarennes! Verärgert sah er aus dem Fenster des Gefährts und beobachtete einen Moment lang die Menschen, die sich im Innenhof von Mirabeaux tummelten.
Dann plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke: Er war allein! Allein und vollkommen unbeaufsichtigt. Weit und breit keine Gouvernanten, keine Erzieher, keine Wachen in Sicht.
Warum nicht die ungewohnte Freiheit nutzen?
Mit einem Mal voll neuer, in den Adern kribbelnder Energie steckte Armand den Zinnsoldaten in die Tasche und öffnete vorsichtig die Tür der Kutsche. Verstohlen wie ein Dieb auf der Flucht sah er sich um und schlüpfte schließlich hinaus auf den Innenhof. Einen Wimpernschlag lang wartete er auf den schrillen Protest irgendeines Aufsehers, der nun unweigerlich erfolgen musste, doch nichts geschah. Auch nicht, als er sich langsam von der Kutsche wegbewegte, und selbst dann nicht, als er wie ein gewöhnlicher Höfling über den Innenhof spazierte, so als wolle er nur ein wenig frische Luft schnappen. Sein Herz klopfte ein bisschen schneller. Wie aufregend es war, der Schar seiner Erzieher und Leibwächter für ein paar Augenblicke zu entfliehen!
Mit der schuldbewussten Freude, die allen verbotenen Vergnügungen anhaftet, mischte sich Armand unter die Leute, blieb jedoch schon nach wenigen Sekunden im Schatten der Mauer stehen, um sich umzusehen. Natürlich war der Anblick der Adeligen, Dienstboten und Soldaten, die hier jeden Tag ein und aus gingen, ihm längst so vertraut wie sein eigenes Gesicht. Aber er hatte soeben eine völlig neue Perspektive gewonnen! Es war – ja, fast war es, als wäre er einer von ihnen!
»Hey, du!«
Armand fuhr heftig zusammen, als er die Stimme hinter sich hörte. Hastig drehte er sich um und erblickte einen fremden Jungen, etwa in seinem Alter, mit schmutzigen Kleidern, ungekämmtem, weizenblondem Haar und aufmerksamen blauen Augen.
Hatte der Junge etwa ihn gemeint? Nein, das war gewiss ein Irrtum, niemand, der nicht vollkommen verrückt war, würde ihn derart respektlos ansprechen.
»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte der Junge jedoch, und das mit einem Grinsen, das seine Worte ins genaue Gegenteil verkehrte. »Aber hast du hier vielleicht eine kleine Katze gesehen? Schwarz, mit einem weißen Fleck auf dem Kopf und ungefähr so groß …« Er zeigte mit den Händen, was er meinte. »Sie ist mir weggelaufen. Ich suche sie schon eine Ewigkeit!«
Armand, noch immer fassungslos, starrte den seltsamen Jungen nur weiter an, so entsetzt, als sei er gerade einem Attentat entronnen.
Der Junge runzelte die Stirn. »Hey, ich hab dich was gefragt!«, beschwerte er sich empört. »Du bist doch nicht etwa stumm, oder?«
Die allzu freche Art des Fremden riss den Prinzen endlich aus seiner erstaunten Betäubung. »Ich darf nicht mit Betteljungen reden«, erklärte er hochmütig.
Mit einiger Befriedigung registrierte er, wie der unverschämte Junge daraufhin heftig erbleichte. »Ich bin kein Betteljunge!«, entgegnete er gekränkt. »Mein Vater war ein Soldat des Königs! Er starb in der Schlacht von Cardington.« Stolz schwang in seiner Stimme mit und ein unerwartet feuriger Eifer, als er noch hinzufügte: »Wenn ich erwachsen bin, dann möchte ich auch Soldat werden.«
Armand zog die Brauen hoch, gegen seinen Willen beeindruckt. Etwas in ihm hätte sich gerne entschuldigen wollen, weil er den Jungen zu Unrecht beleidigt hatte, aber natürlich entschuldigte ein Prinz sich nicht, und schon gar nicht bei einem Wildfremden. »Tatsächlich?«, fragte er stattdessen nur, mühsam das Interesse verbergend, das in ihm aufgeflackert war. »Und hast du auch einen Namen, Sohn eines Soldaten des Königs?«
»Jonathan«, antwortete der andere prompt. »Jonathan Blackwood.«
»Jonathan Blackwood«, wiederholte Armand gedehnt und war sich nicht sicher, ob er es richtig aussprach. »Was für ein seltsamer Name …«
»Meine Mutter stammt aus Dorton«, erklärte sein Gegenüber in einem Tonfall, als wäre er es gewöhnt, seinen Namen erst erläutern zu müssen, und als hätte er dies bereits ein paar Mal zu oft getan. »Die meisten nennen mich einfach nur John. Das klingt wie Jean und ist nicht ganz so … fremdartig …«
Armand nickte und unterbrach damit den Redefluss des anderen. »Ja, ich verstehe.« Er bemerkte plötzlich einen kleinen, pelzigen Schatten am Fuße der Mauer, bückte sich und hob ein winziges, schwarzes Kätzchen auf. Das Tier wehrte sich einen Moment lang, dann jedoch begann es in seinen Armen zu schnurren. »Ist das die Katze, die du suchst?«, erkundigte sich Armand und streichelte unwillkürlich das seidige Fell.
»Ja! Ja, genau!« John nickte eifrig. »Danke!« Er sah das Kätzchen an, dann wieder Armand. »Sie mag dich, wie es aussieht. Wenn du willst, kannst du sie behalten.«
»Wirklich?« Verblüfft starrte Armand ihn an.
»Ja, sicher.« Der Junge grinste. »Wir haben noch ein halbes Dutzend anderer zu Hause.«
»Oh.« Armand strich verwirrt über den schwarzen Pelz. »Danke.«
Das Kätzchen schnurrte zufrieden, und der Prinz lächelte versonnen. Dann jedoch fuhr er voll Schreck zusammen, als er eine erregte – und reichlich ungeduldige – Stimme nach ihm rufen hörte: »Euer Hoheit, wo seid Ihr nur?«
»Ich … ich muss gehen«, bemerkte er hastig.
John blickte ihn aus großen Augen an und wurde plötzlich kreidebleich. »Mo-moment mal«, stammelte er. »Hoheit? Doch nicht etwa … Du bist … I-ich … ich meine, Ihr seid …«
Armand grinste spöttisch. »Armand François Auguste de la Fèvre«, vollendete er ungerührt den Satz. »Der Prinz von Tarennes.«
»Bei Gott!« John, eben noch voller Selbstbewusstsein, sah plötzlich aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
»Sag bloß, du hast das nicht von Anfang an gewusst!«, meinte Armand mit ehrlicher Verblüffung. Eigentlich hatte er geglaubt, jeder hier im Schloss müsse ihn sofort erkennen. Sobald er ihn direkt ansah zumindest, nicht einfach im Vorbeigehen wie die Leute vorhin.
Aber der Junge schüttelte nur den Kopf, unfähig, ein Wort herauszubringen.
Armand zog die Brauen hoch. »Aber wenn du nicht gewusst hast, wer ich bin, warum hast du mir dann die Katze geschenkt?«, fragte er irritiert.
John sah ihn unsicher an. »Ich … ich verstehe nicht ganz«, entgegnete er und fügte mit zittriger Stimme hinzu: »Euer Hoheit.«
»Nun, niemand schenkt mir etwas einfach so«, erklärte Armand. »Die meisten erwarten etwas dafür. Ich soll eine Audienz für sie erwirken, bei meinem Vater ein gutes Wort einlegen …« Er vollführte eine unbestimmte Handbewegung. »Irgendetwas eben.«
John blickte nachdenklich drein. »Ich habe Euch das Kätzchen geschenkt, weil es Euch mochte«, sagte er. »Und weil ich den Eindruck hatte, dass es Euch gefällt. Ich wollte wirklich nicht …«
Er verlor den Faden, und Armand musterte ihn einen Moment lang beeindruckt. Einfach so … Noch nie hatte irgendjemand irgendetwas einfach so für ihn getan … Ohne Zweck, ohne Hintergedanken. »Ich danke dir«, flüsterte er, nahezu verstört und betrachtete sein Gegenüber plötzlich mit ganz anderen Augen. Was für ein eigenartiger Junge!
Wieder hörte er seinen Namen rufen, diesmal schon näher – und ärgerlicher. Hastig blickte er sich um, doch dann fiel ihm noch etwas ein. Umständlich angelte er in seiner Tasche nach dem Zinnsoldaten und hielt ihn dem fremden Jungen hin. »Hier. Es ist kein Soldat des Königs, aber immerhin einer des Prinzen.« Er lächelte, als John das Geschenk mit erstauntem Gesicht entgegennahm.
»Danke, Euer Hoheit!«
Ein drittes Mal erscholl die Stimme des Erziehers.
Armand drehte sich um. »Leb wohl, Jonathan Blackwood«, rief er, nahm das Kätzchen hoch und lief zur wartenden Kutsche zurück. »Wenn du wirklich ein Soldat wirst, dann kannst du in die Garde eintreten, und dann werden wir uns gewiss wiedersehen!«
***
»Wo warst du denn nur so lange?«, begrüßte ihn seine Mutter unwirsch, als John überwältigt nach Hause kam. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Ich habe heute den Prinzen von Tarennes getroffen«, erzählte John aufgeregt.
»Tatsächlich?« Seine Mutter zog die Brauen hoch. »Du meinst, du hast ihn in seinem Wagen vorbeifahren sehen?«
John schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mit ihm gesprochen!«, erklärte er heftig.
»Aber Jonathan!« Ein mildes Lächeln zuckte um die Mundwinkel seiner Mutter. »Der Prinz von Tarennes spricht nicht mit einfachen Stallburschen, das weißt du doch …«
Trotzig starrte John sie an. Mit ihm hatte der Prinz sehr wohl gesprochen! Eigentlich war er sogar viel netter gewesen, als man sich einen Prinzen im Allgemeinen so vorstellte.
Seine Mutter seufzte leise und meinte sanft: »Ach, John, wann wirst du endlich aufhören, dir diese merkwürdigen Geschichten auszudenken?«
»Aber das ist keine Geschichte!«, rief John, beleidigt mit dem Fuß aufstampfend. »Es ist wahr!«
»So wie diese Sache mit dem Maskierten Rächer?« Seine Mutter zog skeptisch die Brauen hoch. »Ja, natürlich …«
Scharf sog John die Luft ein und biss sich auf die Lippen, um nicht vor Enttäuschung einfach loszuheulen.
Zugegeben, die Geschichte vom Maskierten Rächer hatte er erfunden, aber dieser Junge, das war wirklich der Prinz gewesen, er hatte es schließlich selbst gesagt!
Da legte ihm seine Mutter die Hand auf die Schulter und wurde plötzlich sehr ernst. »Jonathan, versprich mir, mit diesen Träumereien aufzuhören«, meinte sie eindringlich. »Was soll denn nur aus dir werden, wenn du ständig den Kopf in den Wolken hast?«
»Aber ich habe mir das nicht ausgedacht!«, beharrte John zornig und streifte ihre Hand ab. »Ich habe wirklich den Prinzen getroffen! Ich habe ihm eines der Kätzchen geschenkt, und dann … dann …« Stammelnd brach er ab. Es hatte ja ohnehin keinen Sinn! Seine Mutter hatte Recht: Prinzen sprachen nicht mit Stallburschen, so war das nun einmal.
Aber eines Tages, das versprach er sich selbst, eines Tages würde er kein Stallbursche mehr sein. Irgendwann würde er ein Soldat des Königs werden und in die Garde eintreten. Hatte nicht sogar der Prinz behauptet, es sei möglich? Und wie konnte dann er, Jonathan Blackwood, daran zweifeln?
Trotzdem versuchte John nicht noch einmal, jemandem von der seltsamen Begegnung mit dem Prinzen von Tarennes zu erzählen. Sie würden ja ohnehin nur glauben, er wolle sich mit der Geschichte wichtigmachen. Den Zinnsoldaten jedoch behielt er, hütete ihn wie einen geheimen Schatz oder eine Reliquie.
Mit der Zeit kam es ihm selbst unwahrscheinlich vor, dass er tatsächlich mit dem Prinzen von Tarennes gesprochen haben sollte, er, ein Niemand. Aber dann holte er den Soldaten aus der Tasche und wusste, er hatte es sich nicht eingebildet. Armand de la Fèvre hingegen sah er später nur noch aus der Ferne, wie er in der vergoldeten Prachtkutsche Ausfahrten unternahm oder begleitet von einem Dutzend Leibwächtern ausritt. Doch er dachte noch oft an den Prinzen, fragte sich, was der Sohn eines Königs wohl so tat, während der Sohn eines Soldaten, der in der Schlacht von Cardington gestorben war, die Ställe ausmistete.
Irgendwie war Armand de la Fèvre ganz anders, als sich John einen Prinzen vorgestellt hatte. Eigentlich, so dachte er, hatte er wie ein ganz normaler Junge gewirkt. Doch das war natürlich Unsinn. Armand de la Fèvre war kein gewöhnlicher Junge. Er war der Sohn des Königs, die Hoffnung von ganz Tarennes.
Ob er das Kätzchen wohl behalten hatte?
John bekam keine Antwort auf diese Frage, für lange Zeit nicht. Und er wurde auch kein Gardesoldat. Stattdessen arbeitete er jeden Morgen in den Ställen und ließ sich von Duval herumkommandieren. Am Wochenende ging er manchmal zur Sonntagsschule und wenn er irgendein Buch in die Finger bekam, egal welches, so verschlang er es eifrig, bis seine Mutter das Licht löschte und ihn schlafen schickte. Dann träumte er vor sich hin und dachte sich Geschichten aus, vom Maskierten Rächer, von Kämpfen und großen Taten, nur um am nächsten Morgen wieder die Ställe auszumisten.
Eigentlich hätte sein Leben für immer so weitergehen können, doch dann geschah etwas, was die unbeschwerte Eintönigkeit seines Alltags mit einem Schlag zerstörte: Kurz vor seinem dreizehnten Geburtstag wurde seine Mutter krank und nur wenige Wochen später starb sie.
Im ersten Moment war John zornig. Wie konnte sie ihm das nur antun? Wie konnte sie ihn jetzt einfach allein lassen? Dann war er verzweifelt, und schließlich erstickte er seinen Schmerz in einer allumfassenden Gleichgültigkeit gegenüber allem, was ihm bisher wichtig gewesen war. Allein gelassen, ohne einen einzigen Verwandten oder wenigstens einen echten Freund, zog er sich in das leere Haus zurück, verkroch sich in seinem Zimmer und ertränkte sich selbst in Einsamkeit. Er ging nur noch selten zur Arbeit und schließlich überhaupt nicht mehr, bis Duval ihn endlich hinauswarf, trotz des Mitleids, das er für den verwahrlosten Waisenjungen empfand.
John war es egal. Alles war ihm egal geworden.
Doch dann wachte er eines Morgens auf, halb verhungert, denn er hatte kaum mehr Geld für Nahrung, blickte wieder, wie so oft in all den Jahren seiner Kindheit, auf den Degen seines Vaters an der Wand und wusste plötzlich, was er tun musste.
Wenn du wirklich ein Soldat wirst, dann kannst du in die Garde eintreten, und dann werden wir uns gewiss wiedersehen, hatte der Prinz gesagt. Ein Soldat des Königs … Wie sein Vater … Aber er würde seinem Vater keine Ehre machen, wenn er sich hier in seinem Schmerz vergrub.
Zum ersten Mal seit Wochen spürte John wieder so etwas wie Tatendrang in sich. Entschlossen stand er auf, nahm ein ausgiebiges Bad, zog seine besten Kleider an und verzehrte die letzten Vorräte in der Küche. Danach ging er in sein Zimmer, nahm den Degen seines Vaters von der Wand und kroch unter das Bett, um etwas von dort hervorzuholen, das er als Kind stets wie einen Schatz gehütet hatte. Es war eine kleine Blechdose, ein wenig verbeult und verstaubt mittlerweile. John wischte sie mit dem Handrücken ab, öffnete sie, vorsichtig, so als wisse er nicht genau, was ihn dort erwartete, und betrachtete mit Wehmut ihren Inhalt. Die Dose enthielt eine Reihe von kleinen, militärischen Gegenständen, die er früher mit Feuereifer gesammelt hatte: einige verblichene, zum Teil zerknitterte Schlachtbildchen, einen Knopf von der Uniform eines Gardesoldaten, den er einmal im Schlosshof auf dem Boden gefunden hatte, einige abgeschossene Bleikugeln vom Übungsplatz der Kaserne. Und ganz zuoberst der größte all seiner Schätze: der kleine Zinnsoldat, den der Prinz von Tarennes ihm einst geschenkt hatte. Lächelnd verstaute John die Dose wieder unter dem Bett, den Zinnsoldaten aber steckte er ein, als majestätischen kleinen Talisman.
Dann verließ er das Haus, um ein Soldat in der königlichen Garde zu werden.
***
Schon am Kasernentor stellten sich ihm jedoch die ersten Hindernisse in Gestalt zweier bewaffneter Gardisten in den Weg.
»Ein Soldat des Königs?«, wiederholte der eine mit gerunzelter Stirn, nachdem John sein Anliegen vorgetragen hatte. Misstrauisch musterte er den Jungen von oben bis unten, bevor er schallend zu lachen anfing. »Kleiner, der König braucht Männer, keine Kinder. Geh besser nach Hause zu deiner Mutter.«
John fuhr heftig zusammen. »Meine Mutter ist tot«, sagte er kalt, »und ich bin kein Kind mehr.«
Irgendetwas schwang in seiner Stimme, was die Heiterkeit aus dem Gesicht des Soldaten vertrieb, doch durchs Tor ließ er ihn deswegen keineswegs. Niedergeschlagen und den Tränen nahe trottete John nach Hause.
Doch schon auf dem Weg regte sich sein Trotz. Sollte er wirklich so schnell aufgeben? War er feige genug, um sich durch einen einzigen Misserfolg von seinem großen Ziel abbringen zu lassen? Nein, das kam nicht in Frage! Entschlossen machte er sich am nächsten Tag wieder auf den Weg zur Kaserne, und auch am übernächsten. Nachdem er dieses Spielchen eine Woche lang getrieben hatte, seufzte einer der Wachen ergeben. »Also schön«, meinte er resigniert und wandte sich an seinen Kameraden: »Bring ihn zu Hauptmann Roger. Soll der entscheiden, was mit dem Jungen zu tun ist!«
Es war offensichtlich, dass er John nur loswerden wollte, so wie man sich einer lästigen Ratte entledigt, indem man sie in die Fänge der Katze treibt, doch John spürte trotzdem ein heftiges, in der Brust springendes Gefühl von Triumph in sich. Er hatte es geschafft! Nun ja, zumindest beinahe …
Als er kaum zwei Minuten später das winzige Arbeitszimmer des Hauptmanns betrat, verflüchtigte sich seine Hochstimmung schlagartig. Hauptmann Roger war ein Riese von einem Mann, mit grauem, schon etwas schütter werdendem Haar und Händen, die aussahen, als könnten sie ohne große Anstrengung einen Felsen zerquetschen.
Jonathan Blackwood war normalerweise alles andere als zaghaft, doch wenn er jemals etwas wie Unverfrorenheit anderen Menschen gegenüber besessen hatte, so schmolz diese unter dem stahlblauen Blick des Hauptmanns zusammen wie ein Eiswürfel in einem Hochofen.
»So, du möchtest also ein Soldat des Königs werden«, meinte Roger abschätzend. Seine Stimme klang überraschend sanft und wollte gar nicht so recht zu seinem einschüchternden Äußeren passen. »Ich nehme an, das bedeutet, du willst in die Akademie aufgenommen werden, um später in der königlichen Garde dienen zu können?«
John schluckte. »Ja, Herr«, brachte er mühsam hervor.
Roger nickte, ohne John auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Langsam begann dieser, sich ernsthaft unwohl zu fühlen.
»Wie ist dein Name, Junge?«, fragte Roger mit seiner seltsam sanften Stimme.
»Jonathan Blackwood, Herr.«
»Jonathan Blackwood?« Roger runzelte die Stirn.
»Meine Mutter stammte aus Dorton«, erklärte John, die unweigerliche Frage nach der Herkunft seines ungewöhnlichen Namens vorwegnehmend.
»Aber mein Vater war aus Tarennes«, fügte er hastig hinzu, als sich das Stirnrunzeln Rogers noch vertiefte. »Er war auch in der königlichen Garde.«
»Dann hat er deine Mutter wohl als Kriegsbeute mitgebracht, wie?«, bemerkte der Hauptmann spöttisch, und John spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Die lähmende Ehrfurcht, die ihn bisher gefangen gehalten hatte, zerbrach. »Was soll das?«, fragte er, zitternd vor Zorn. »Warum beleidigt Ihr mich? Ihr habt keinen Grund dazu!«
Das Gesicht des Hauptmanns verhärtete sich. Einen Moment lang fürchtete John, zu weit gegangen zu sein, doch dann lachte Roger plötzlich. »Nun, Mut hast du zumindest«, bemerkte er trocken. »Das ist gut, aber es genügt nicht. Nur die Söhne aus den ersten Familien des Landes werden in die Akademie aufgenommen. Für das uneheliche Kind einer Ausländerin ist hier wirklich kein Platz, das verstehst du doch, oder?«
Er redete, als spräche er mit einer kranken Kuh oder einem Pferd, und John spürte, wie schon wieder Ärger in seinem Inneren emporbrodelte. Aber diesmal beherrschte er sich. »Nein, das verstehe ich nicht«, erklärte er kalt. »Mein Vater wollte meine Mutter ja heiraten, aber … aber …« Er geriet ins Stammeln, fühlte, wie er sich zu schämen begann für eine Abstammung, auf die er bisher stets stolz gewesen war, und hasste sich selbst dafür.
»Aber?« Roger zog die Brauen hoch.
»Er kam nicht dazu«, vollendete John trotzig. »Er starb in der Schlacht von Cardington.«
»Cardington?« Ein winziges Lächeln huschte über das Gesicht des Hauptmanns. »Soso …« Einen Moment lang schien er sich in Erinnerungen zu verlieren, dann meinte er, mit einem Mal ein ganzes Stück versöhnlicher: »Wenn du unbedingt Soldat werden willst, warum gehst du dann nicht zu einem der Söldnerheere? Die können immer Männer gebrauchen.«
Eigentlich hatte John bisher noch gar nicht an diese Möglichkeit gedacht, doch es war auch nicht das, was er wollte. Die Söldner waren Bürger, die sich für einen oder zwei Kämpfe verpflichteten, dafür einen nicht unbeträchtlichen Lohn einstrichen und dann, sofern sie den Krieg überlebten, wieder ihrer Wege zogen. Für sie zählte nur das Geld. Bei den Soldaten des Königs jedoch war es anders. Sie waren eine Garde von Männern, die nach einer umfassenden militärischen Ausbildung ihr ganzes Leben in den Dienst des Herrschers stellten. Hier ging es um ganz andere Werte. Doch wie sollte John dem Hauptmann klarmachen, wovon er als Kind immer geträumt hatte? Was er wirklich gesehen hatte, während er den Degen seines Vaters betrachtete?
»Ich möchte auf die Akademie«, sagte er schließlich einfach.
Roger seufzte. »Hast du wenigstens Geld? Um die Ausbildung zu bezahlen?«
»Nein.« John sah zu Boden, der Verzweiflung nahe. Er berührte den Degen seines Vaters, und da stieg erneut Zorn in ihm auf und erstickte die aufkeimende Mutlosigkeit. »Nein, ich habe kein Geld!«, erklärte er heftig. »Und ich habe auch keinen Titel. Aber ich habe einen Degen und einen Arm, um damit zu kämpfen! Und ein Herz, um dem König zu dienen, und Blut in den Adern, um es für ihn zu vergießen!«
Er hatte lauter gesprochen, als eigentlich beabsichtigt, während er sich immer mehr in seine überzogen pathetische Rede hineinsteigerte, jetzt schwieg er und starrte zitternd den Hauptmann an.
Dieser wirkte einen Augenblick lang völlig verblüfft, dann blinzelte er. »Nicht nur mutig, sondern auch noch melodramatisch, wie?«, bemerkte er trocken, aber er lächelte, als John unter diesen Worten zusammenzuckte. »In welcher Einheit diente denn dein Vater?«, fragte er unvermittelt.
»In der fünften, Herr.« John fand allmählich seine Manieren wieder.
»Es heißt Capitaine«, korrigierte ihn Roger ruhig.
John starrte ihn verständnislos an. »Wie bitte?«
»Capitaine«, wiederholte Roger geduldig. »Ich bin Hauptmann, und meine Untergebenen sprechen mich mit Capitaine an.«
John wagte kaum zu atmen. »Eure … Eure Untergebenen?«, stammelte er ungläubig.
Roger seufzte leise. »Ich weiß nicht warum, aber irgendwie gefällst du mir, mein Junge«, sagte er offen. »Du bist ein Träumer und ein Kindskopf und es mangelt dir eindeutig an Respekt, aber du gefällst mir.«
Er ließ die Hand auf den Tisch klatschen, und John wartete gespannt, was er als Nächstes sagen würde. Die Worte des Hauptmanns überraschten ihn dann aber doch: »Kannst du lesen und schreiben?«
John nickte irritiert. »Ja, Herr … ähm … Capitaine. Ja, das kann ich.«
»Sehr schön.« Roger deutete auf die Akten, die sich in dem winzigen Zimmer stapelten. »Du wirst mir hier ein wenig zur Hand gehen«, erklärte er unvermittelt. »Und zur Belohnung darfst du am Unterricht teilnehmen. Aber ich kann dir nichts versprechen. Ich kann dir nicht versprechen, dass du tatsächlich in die Garde aufgenommen wirst, und du wirst vorerst keinerlei Chargen erwerben können.«
Johns Herz begann zu rasen. »Heißt das, ich … ich meine, heißt das, ich kann … also …« Seine Stimme versagte.
»Du wirst als Zögling an der Akademie aufgenommen und das Geld für die Ausbildung bei mir abarbeiten, ja«, erklärte Roger nüchtern. Kopfschüttelnd wandte er sich seinen Akten zu und griff nach einer Feder.
»Jonathan Blackwood«, murmelte er, während er etwas Unleserliches in eine lange Liste eintrug. »Nun, wenn dein Vater in der Garde gedient hat, dann wirst du schon irgendeinen adeligen Vorfahren haben, nicht wahr?« Er zwinkerte verschmitzt.
John konnte seinen Worten kaum noch folgen. Er musste sich zu sehr beherrschen, dem hünenhaften Hauptmann nicht um den Hals zu fallen.
»Ich … ich danke Euch!«, stammelte er, trunken vor Freude. »Danke!«
Roger lächelte. »Warte mit deiner Dankbarkeit, bis du die Ausbildung überstanden hast«, erklärte er ungerührt. »Es kommen harte Zeiten auf dich zu.«
***
John ahnte nicht, wie Recht der Hauptmann damit hatte. Zuerst verkaufte er alles, was sich in seinem Elternhaus noch finden ließ, besorgte sich von dem Geld Waffen und Uniform und gab den Rest Roger für die Ausbildung. Danach zog er in die Kaserne um, tauschte sein winziges, schäbiges, aber immerhin eigenes Zimmer gegen einen prachtvoll ausgestatteten Schlafsaal, den er sich mit acht anderen Jungen teilen musste. Das Leben an der Akademie jedoch war keineswegs so abenteuerlich, wie er es sich immer vorgestellt hatte.
Er stand um fünf Uhr morgens auf, und um halb sechs begannen die ersten körperlichen Übungen. Nach dem Frühstück kam der theoretische Unterricht, der bis zum Mittag andauerte. Danach hatte er etwa eine Stunde Pause, bis es mit dem Unterricht weiterging. Am späten Nachmittag, wenn die anderen bereits ihre Freizeit genossen, ging er zu Roger und half dem Hauptmann in seiner winzigen Schreibstube, Akten zu sortieren, Berichte zu kopieren oder Unterlagen zu ordnen. Manchmal musste er auch einfach nur den Boden fegen.
Wenn dann der Abend kam, war er meist völlig erledigt, doch er wollte den Hauptmann, ohne dessen Großzügigkeit er diese Ausbildung niemals bekommen hätte, nicht enttäuschen. Und so übte er, während die meisten seiner Kameraden längst schliefen, allein in der großen Halle noch einmal alle Fechtpositionen durch. Er schwang den Degen seines Vaters, bis er glaubte, der Arm würde ihm abfallen, trainierte seine Treffsicherheit mit den Pistolen, bis das Ziel vor seinen Augen verschwamm, und lernte seine Aufzeichnungen über Taktik und Strategie auswendig, so lange, bis ihm der Kopf zu zerspringen schien.
Aber das war längst nicht alles. Er hatte geglaubt, es genüge, kämpfen zu können, um Offizier zu werden, doch da hatte er sich getäuscht. Er lernte Latein, Geschichte und Geographie, Mathematik und Physik. Zu seinen Fächern gehörten Festungsbau, Zeichnen, Reiten, Tanzen und gutes Benehmen. In einigen Disziplinen war John bereits besser als seine Kameraden, von anderen hatte er hingegen nicht die geringste Ahnung.
Er beherrschte eine Fremdsprache – die Sprache seiner Mutter –, und das war gut, auch seine intensive Lektüre half ihm jetzt weiter, und dass er den Umgang mit Pferden gewohnt war. Aber er konnte keine Geländekarten anfertigen, wusste nicht, wie man die Flugparabel einer Kanonenkugel berechnete, hatte nicht die geringste Ahnung von höfischem Benimm.
Es gab so viele Dinge, die er nachholen musste, so viel Lernstoff, der für die anderen bereits selbstverständlich war. Und all das eignete er sich nachts an, nach seiner Arbeit bei Roger, nach seinem heimlichen Training. Meist nickte er über seinen Aufzeichnungen ein, schlief tief und traumlos und wurde erst vom Appell am nächsten Morgen wieder hochgeschreckt.
Mit den Kameraden sprach er während der ersten Monate kaum ein Wort. Sie jedoch sprachen sehr wohl über ihn. Zunächst war er zu erschöpft, zu beschäftigt, um darauf zu achten. Dem Ersten jedoch, der seine Mutter eine Hure nannte, schlug er die Nase blutig. – Dem Zweiten brach er sie.
Roger schickte ihn dafür volle zwei Tage in Arrest, was John nur recht sein konnte. Er durfte seine Bücher mit in den Karzer nehmen und so hatte er zumindest Zeit genug, einiges an Lernstoff nachzuholen. Allerdings war es empfindlich kalt in der Zelle, das schmale, vergitterte Fenster, durch das er in den Hof hinausschauen konnte, war nicht verglast, und der Wind pfiff ungehindert hindurch. John biss die Zähne zusammen und versenkte den Blick tief in sein Geschichtsbuch, sich keinerlei Schuld bewusst, ohne die mindeste Reue zu empfinden für seine Tat. Er war dankbar dafür, an der Akademie aufgenommen worden zu sein, sein Wunsch, Soldat zu werden, war ungebrochen. Doch was war eine Uniform wert, wenn man noch nicht einmal seine Ehre verteidigen durfte?
In finsterem Trotz vergingen die Stunden. Langsam wurde es dunkel in dem winzigen, kalkverputzten Raum, bald würde das Lesen unmöglich sein. Da hörte John plötzlich eine helle Stimme über sich: »Pssst …« Überrascht hob er den Blick. Zwischen den Gitterstäben des Fensters war ein Gesicht aufgetaucht, ein vage vertrautes Gesicht, umrahmt von hellblondem Haar, mit fein geschnittenen, mädchenhaft schönen Zügen und großen, freundlich blickenden Augen.
»Bernard!«, rief John überrascht und sprang auf, eilig zum Fenster hinstrebend. »Was machst du denn hier?«
Der Junge war in seinem Jahrgang, einer von den stilleren Zöglingen, ein wenig schüchtern fast, obwohl er aus einer der angesehensten Familien des Landes stammte.
»Ich habe dir eine Decke gebracht«, antwortete der andere im Flüsterton. »Nachts wird es verdammt kalt dort drinnen!«
»Woher weißt du das?«
Bernard grinste, seine blütenweißen Zähne blitzten. »Ich war auch schon einmal eingesperrt.«
»Wirklich?« John blinzelte zu ihm auf. »Was hast du getan? Hast du dich auch geprügelt?«
»Nein.« Das Grinsen erlosch. »Mir hat an der Uniform ein Knopf gefehlt, bei der letzten Parade. Sogar der König hat’s gesehen!«
»Oh …« John schluckte. Das war peinlich, allerdings.
»Hier.« Bernard quetschte ein dunkles Bündel durch die Gitterstäbe hindurch. »Ein paar Kerzen sind auch drin!«
Dankbar nahm John das Päckchen entgegen. »Bekommst du keinen Ärger?«, erkundigte er sich besorgt. »Wenn Roger herausfindet, was du getan hast?«
»Nicht doch …« Heftig schüttelte der blonde Junge den Kopf. »Ich bin ja mit seiner Erlaubnis hier.«
»Was?!« Verblüfft starrte John ihn an.
»Roger hat dich wirklich gern, weißt du das nicht?«, bemerkte Bernard.
»Warum hat er mich dann hierher geschickt?« John konnte den Vorwurf in seiner Stimme nicht unterdrücken.
»Weil auch ein Hauptmann seine Vorschriften hat, Dummkopf!« Bernards Augen blitzten amüsiert. »Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dich zu bestrafen, aber ich glaube, es tut ihm sehr leid! Die anderen haben kein Recht, sich über deine Herkunft lustig zu machen. Du bist ziemlich gut, besser als die meisten von uns!«
Das sagte er ganz unbekümmert, ohne den geringsten Anflug von Neid. John blickte ihn an, verwundert und ein wenig außer Fassung, denn dies war das erste Lob, das er aus dem Munde eines seiner Kameraden zu hören bekam.
»Danke«, flüsterte er, ein wenig verlegen, doch er konnte sich nicht verkneifen zu fragen: »Warum tust du das? Warum bist du so nett?«
Der andere blinzelte verständnislos. »Warum nicht?«
»Ich meine … du gehörst dem Hochadel an. Deine Familie geht in Mirabeaux ein und aus. Findest du nicht, der uneheliche Sohn einer Ausländerin sei eine Schande für die Akademie?« Nun schlich sich ein Hauch von Bitterkeit in seine Stimme.
»Nein«, entgegnete Bernard jedoch nur, schlicht und knapp. »Du bist gut, das sagte ich doch schon. Ein Soldat sollte nach seiner Leistung beurteilt werden, nicht nach seiner Herkunft, denkst du nicht?« Hastig drehte er sich um.
»Ich muss gehen«, flüsterte er, hektischer als zuvor. »Ich habe Roger versprochen, mich nicht erwischen zu lassen!« Er zwinkerte versöhnlich. »Mach’s gut, Jonathan!«
»Ja, du auch.«
Verblüfft und ein wenig nachdenklich blieb John in der Zelle zurück.
***
Von nun an ließen ihn die Kameraden in Ruhe. Er provozierte niemanden, suchte keinen Streit, und allmählich gewöhnten sie sich an den merkwürdigen Sonderling mit dem eigenartigen Namen, der sich da in ihre Reihen eingeschlichen hatte. Vielleicht hätte er sogar Freundschaften schließen können, doch dafür hatte er keine Zeit. Denn eines hatte er durch das Gespräch mit Bernard gelernt: Wenn er sich den Respekt der anderen nicht durch Titel oder Reichtum erringen konnte, dann musste er es durch seine Leistung schaffen. Er hatte nur eine einzige Berechtigung, an dieser Akademie zu studieren, und das waren sein Lerneifer, seine Wissbegier und sein Können. Alles andere war gleichgültig. Er musste einfach nur gut sein, besser als die anderen.
Also arbeitete John noch härter, tat alles, um Rogers Großzügigkeit nicht zu enttäuschen. Ein ganzes Jahr lang hielt er dieses einzelgängerische, anstrengende und von brennendem Ehrgeiz erfüllte Leben durch, dann ließ Roger ihn in sein Arbeitszimmer kommen und stellte ihn zur Rede.
»Du sollst große Fortschritte machen, hat man mir berichtet«, begann er das Gespräch. »Und du sollst heimlich trainieren«, fügte er mit einem Lächeln hinzu. »Stimmt das?«
John wurde rot. »Ja, Capitaine«, gab er kleinlaut zu. Eigentlich hatte er geglaubt, es würde niemand merken, wenn er sich abends in die Halle schlich.
Der Hauptmann musterte ihn mit seinen stahlblauen Augen durchdringend. »Und wie lange gedenkst du, das durchzuhalten, mein Junge?«, fragte er schließlich.
»Ich verstehe nicht, Capitaine«, antwortete John verunsichert. »Wenn ich irgendeinen Anlass zum Tadel gegeben habe, dann –«
»Das hast du nicht«, unterbrach ihn Roger. »Das ist ja gerade das Problem. Du bist mit einem Eifer bei der Sache, der schon beinahe erschreckend ist. Es ist erst ein Jahr her, seit du zu mir gekommen bist, doch deine Ausbilder sagen, du wärst bereits besser als so manch älterer Junge. Du erlaubst dir offenbar kaum je einen Fehler.«
John zog die Brauen hoch. Er verstand nicht, worauf Roger hinauswollte. »Ich soll Fehler machen?«, fragte er verwirrt. »Ist es das, was Ihr von mir verlangt?«
»Nein.« Roger lächelte. »Ich will, dass du einmal in den Spiegel siehst, mein Junge. Du bist bleich wie ein Gespenst und die Ringe unter deinen Augen sind schwarz wie Schießpulver. Wann hast du das letzte Mal ausreichend geschlafen? Hast du in den letzten Wochen überhaupt einmal richtig geschlafen?«
John antwortete nicht. Mit zusammengepressten Lippen starrte er auf seine blank polierten Stiefelspitzen, krampfte die Hand um den Degen in seinem Gürtel und kämpfte plötzlich gegen Tränen. Ein ganzes Jahr lang hatte er alles gegeben, hatte all seine Kraft, all seinen Ehrgeiz auf nichts anderes als seine Ausbildung konzentriert, und jetzt das? Er wusste nicht, was er eigentlich erwartet hatte, aber ganz bestimmt nicht, dass man ihn tadeln würde, weil er zu wenig schlief.
»Aber ich … ich wollte doch nur …«, begann er mit erstickter Stimme und zuckte schließlich hilflos mit den Schultern. Ja, was eigentlich? Dass Roger stolz auf ihn war? Das klang selbst in seinen eigenen Ohren anmaßend. »Ihr sollt es doch nur nicht bereuen, mich aufgenommen zu haben«, nuschelte er endlich kläglich. »Ich wollte Euch Ehre machen, Capitaine.«
Roger lächelte milde. »Das wirst du aber nicht, indem du vor Erschöpfung zusammenbrichst, noch bevor du den ersten Feind gesehen hast«, meinte er sanft.
John sah zu Boden, ballte die Hände zu Fäusten und würgte an der Enttäuschung, die ihn zu ersticken drohte. »Was also schlagt Ihr vor?«, fragte er, nur mühsam beherrscht.
»Nun …« Roger tat, als überlege er. »Ich würde vorschlagen, als Erstes hörst du auf, für mich zu arbeiten.«
John starrte ihn an. »Aber … aber dann … dann habe ich kein Geld für die Ausbildung!«, stammelte er entsetzt.
Der Hauptmann winkte ab. »Mach dir deshalb keine Sorgen«, entgegnete er ruhig. »Der König vergibt jedes Jahr fünf Stipendien an die besten aller Zöglinge der Akademie. Ich habe dich vorgeschlagen. Du wurdest angenommen.«
»Was?!« John konnte regelrecht fühlen, wie ihm die Augen aus den Höhlen quollen. Nach allem, was passiert war, war das das Letzte, was er erwartet hatte.
Roger lachte. »Jetzt mach nicht so ein verdutztes Gesicht! Hast du im Ernst geglaubt, ich würde dich tadeln wollen?« Er schüttelte den Kopf. »Jonathan, du hast nichts falsch gemacht. Im Gegenteil.« Er wirkte plötzlich nachdenklich. »Ich verstehe es nur nicht ganz«, gestand er dann. »Wieso liegt dir so viel daran, ein Soldat des Königs zu werden?«
John, noch immer fassungslos, zuckte mit den Schultern. »Ich … ich weiß nicht«, murmelte er verwirrt.
Roger zog eine Braue hoch. »Für Ich-weiß-nicht hast du dich aber ganz schön ins Zeug gelegt«, bemerkte er trocken.
Ein zaghaftes Lächeln glitt über Johns Gesicht. »Nun ja, mein Vater war in der königlichen Garde«, erklärte er. »Er starb, als ich noch sehr klein war. Aber meine Mutter hat mir viel von ihm erzählt. Ich wollte immer so werden wie er.«
»Deine Mutter war doch eine Ausländerin, oder?«, erkundigte sich Roger. »Wieso hat sie ihrem Sohn so viel Patriotismus beigebracht?«
»Nun, sie war noch sehr jung, als sie hierher kam«, antwortete John nachdenklich. »Und ich glaube, sie hat meinen Vater sehr geliebt.«
Roger nickte. »Verstehe.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen. »Capitaine?«, meinte John schließlich ernst. »Ich danke Euch. Danke für alles.«
»Schon gut, mein Junge.« Der Hauptmann stand auf und legte John die Hand auf die Schulter, und mit einem Mal spürte John eine tiefe Zuneigung zu diesem hünenhaften Mann, beinahe wie zu dem Vater, den er nie gehabt hatte.
»Versprich mir eines«, sagte Roger ruhig, und John nickte bewegt.
»Alles, was Ihr wollt, Capitaine.«
»Hör auf, dich in deinem Eifer zu verzehren. Such dir ein paar Freunde, mach mit ihnen die Stadt unsicher und genieße deine Jugend, solange du sie hast.« Durchdringend blickte er John an. »Es ist gut, wenn man große Ideale hat. Aber man darf darüber nicht vergessen zu leben, mein Junge. Denk immer daran.«
John nickte. »Versprochen«, erklärte er mit Tränen in den Augen.
Armand de la Fèvre war ein sehr gutaussehender junger Mann, hoch gewachsen für seine sechzehn Jahre und dabei so schlank wie die Degenklinge, die er erhoben hielt.
Marcel Rostand, Hofmaler des Königs und gern gesehener Gast in Schloss Mirabeaux, hatte sich entschlossen, den Prinzen von Tarennes in einer kriegerischen Pose zu porträtieren, und während er jetzt mit zusammengekniffenen Augen abwechselnd sein Modell und das bereits fast vollendete Gemälde betrachtete, stellte er fest, dass dies eine kluge Wahl gewesen war.
Die purpurne Galauniform stand dem Prinzen ganz ausgezeichnet. Das kräftige Rot des Überrocks harmonierte gut mit dem rabenschwarzen Haar des Thronfolgers, das ihm in sanften Wellen über die Stirn fiel und einen schönen Kontrast bildete zu der erlesenen Blässe seines vornehmen Gesichts.
Ja, das Porträt war wirklich gelungen. Nur die Augen, grau wie die See nach einem Sturm, waren noch nicht perfekt. Stolz lag darin, Stolz und eine gewisse Eigensinnigkeit, doch da war noch etwas anderes, eine seltsame Mischung aus würdevoller Reserviertheit und verhaltener Leidenschaft, die nur schwer zu erfassen war. Es war wie das Zusammenspiel von Licht und Schatten während der Dämmerung, für jedermann zu empfinden, aber nicht leicht in Farbe zu bannen.
»Braucht Ihr noch lange?«, fragte der Prinz plötzlich ungeduldig, und was immer zuvor in seinem Blick gelegen haben mochte, wurde nun von Ärger überschattet.
Rostand seufzte. »Nicht mehr lange, Euer Hoheit«, versicherte er respektvoll. »Nur noch einen kleinen Moment.«
»Aber ich bekomme schon einen Krampf im Arm!«, beschwerte sich Armand und ließ den Degen sinken.
»Ihr könnt die Waffe hinlegen«, meinte Rostand, denn er wollte nur noch an den Augen einige Veränderungen vornehmen. »Aber bitte, Monseigneur, wenn Ihr noch einmal den Kopf ein wenig zur Seite drehen würdet … Ja, so ist es gut, danke.«
Armand verzog das Gesicht, fügte sich dann aber und stand eine weitere halbe Stunde reglos, bis Rostand endlich den Pinsel sinken ließ und mit einem zufriedenen Lächeln das Porträt einer letzten Musterung unterzog. »Es ist fertig, Hoheit«, verkündete er stolz. »Ihr könnt es Euch jetzt ansehen.«