Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2019 Luxembourg School of Religion & Society
Centre Jean XXIII
52, rue Jules Wilhelm
L-2728 Luxembourg
www.lsrs.lu
Hintergrundbild auf dem Cover:
„Rom“ von Mirjam Gwosdek (Kronach)
Layout: Gilberte Bodson
ISBN 978-3-7494-2415-3
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
von Georg RUBEL
Am 22. September 2018 fand an der Luxembourg School of Religion & Society (LSRS) in Luxemburg ein Studientag statt mit dem Titel „#Jugend #Glaube #Berufung. Fragen und Erwartungen von Jugendlichen an die Kirche“. Dieser Studientag hatte einen konkreten Anlass. Er sollte einstimmen und vorbereiten auf die im Oktober bevorstehende XV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode in Rom zum Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung“.
Das Arbeitsdokument für diese Synode, das sog. Instrumentum Laboris, beginnt mit den Worten: „Die Betreuung und Begleitung der Jugendlichen ist keine fakultative Aufgabe der Kirche, sondern ein wesentlicher Bestandteil ihrer Berufung und ihres Auftrags im Lauf der Geschichte.“1 Damit wird gleich am Anfang dieses Dokuments klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Jugendpastoral nicht um ein zusätzliches Angebot der Kirche handelt („nice to have“, aber nicht unbedingt notwendig), sondern vielmehr um einen Grundvollzug kirchlichen Handelns. Die Jugendlichen und ihr Glaube sind wichtig für das Leben der Kirche. Und die Kirche tut gut daran, die Jugendlichen und ihre Situation in der Welt von heute in den Blick zu nehmen. Deshalb haben sich Nachwuchswissenschaftler der Theologie sowie haupt- und ehrenamtlich in der Jugendpastoral Tätige einen ganzen Tag mit dem Thema Jugendliche und Kirche beschäftigt.
Der hier vorliegende Studienband enthält sämtliche Beiträge des Studientages in der Reihenfolge, wie sie dargeboten wurden: Ansprache zur Eröffnung des Studientages (Jean Ehret), Erfahrungsbericht von der Vorsynode in Rom (Pierre Lacoste), Impuls zur Jugendpastoral (Erzbischof Jean-Claude Hollerich), Vortrag „Die Jugendlichen sind gefragt! – Der Weg zur Bischofssynode“ (Sebastian Kießig), Vortrag „…damit eure Freude vollkommen wird“! – Theologische Anstöße zur Synode „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung“ (Marco Kühnlein). Alle diese Beiträge sind so veröffentlicht, wie sie gehalten wurden. In Einzelfällen wurden lediglich sprachliche Korrekturen vorgenommen, um das gesprochene Wort besser lesbar zu machen.
Neben den genannten Vorträgen bietet der Sammelband eine Zusammenfassung der beiden angebotenen Workshops: „Just tweet it! Kirche, Jugendliche und soziale Medien“ (Michel Remery) und „Just do it! Christsein in der Schule und im Alltag“ (Jean-Louis Zeien). Schließlich findet sich in diesem Büchlein auch ein Interview, das Erzbischof Jean-Claude Hollerich und Pierre Lacoste dem Pressesprecher des Erzbistums Luxemburg, Roger Nilles, im Vorfeld der Jugendsynode gegeben haben.
Mein aufrichtiger Dank gilt allen, die an dem Studientag das Wort ergriffen und ihre Beiträge zur Veröffentlichung in diesem Band zur Verfügung gestellt haben. Den Leserinnen und Lesern wünsche ich eine gute und inspirierende Lektüre!
1 Instrumentum Laboris zur XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode „Die Jugendlichen, der Glaube, die Berufungsentscheidung“ vom 08.05.2018: http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20180508_instrumentum-xvassemblea-giovani_ge.html (aufgerufen am 29.11.2018).
von Jean EHRET
Das Anliegen der Luxembourg School of Religion & Society ist es, das wechselseitige Verhältnis zwischen Religion oder Religionen einerseits und unserer Gesellschaft andererseits zu untersuchen, um es zu verstehen und zu denken. Unsere Forschungsarbeit strebt danach, diese gegenseitige Beziehung zu verstehen. Unsere Lehrveranstaltungen und Bildungsangebote befähigen die, die daran teilnehmen, ihre Religionsgemeinschaft, die Gesellschaft, in der sie leben, und das gegenseitige Verhältnis von Religionsgemeinschaft und Gesellschaft mit zu gestalten. Es geht der Luxembourg School of Religion & Society darum, einen Beitrag zu leisten, damit Menschen in Kirche und Gesellschaft ihre Verantwortung in Sachkenntnis wahrnehmen können.
In unserer Forschung, in der Lehre und in der Bildungsarbeit sind wir, so wie es die Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium von Papst Franziskus aus dem Jahr 2017 zusammenfasst, erstens theologisch im Kerygma verortet, zweitens interdisziplinär orientiert, drittens im Dialog mit Andersdenkenden engagiert und viertens mit anderen Institutionen vernetzt2. Die heutige Tagung ist durch diese vier Charakteristika gekennzeichnet und schreibt sich in die Grundthematik unseres Hauses ein.
Das Thema dieses Studientags „#Jugend #Glaube #Berufung. Fragen und Erwartungen von Jugendlichen an die Kirche“ verbindet Religion und Gesellschaft. Papst Franziskus hat für Oktober 2018 eine Bischofssynode einberufen, in deren Zentrum nicht nur die jungen Menschen, die bereits in der Kirche engagiert sind, stehen, sondern alle, die zu unserer Gesellschaft gehören. Hier treffen z. T. oder weitgehend zwei Welten aufeinander. Einerseits haben die wenigsten Jugendlichen heute einen lebendigen Bezug zur Kirche; andererseits fehlt es kirchlichen Institutionen oft an einem lebendigen Bezug zum konkreten Leben der jungen Menschen. Das Verhältnis ist eventuell noch durch Spannungen, mehr aber noch durch Desinteresse gekennzeichnet. Natürlich wird man einwenden, dass die Kirche, mater et magistra, am Leben der jungen Männer und Frauen von heute interessiert ist: die Frage stellt sich daher eher, ob sie, die Lehrende, auch bereit ist, sich wie eine Mutter, wie leibliche Eltern auf die Lebensgeschichte von jungen Menschen einzulassen und manches von dem, was nicht ihren Vorstellungen entspricht, anders zu entdecken, anders zu sehen. Dann kann sie auch mit ihren Kindern wachsen.
Deshalb wird man sich fragen müssen, wie sie das tun kann. Dieser Vergleich der Kirche, die sich als Mutter versteht, mit den leiblichen Eltern stellt nicht nur methodologische und kommunikationstechnische, sondern zugleich auch offenbarungsund pastoraltheologische Fragen, auf die sich die Kirche in die Dynamik einer Synode einlassen will. Diese Dynamik entsteht bereits vor der Synode; Herr Lacoste und Erzbischof Hollerich werden in sie einführen, damit sie theologisch reflektiert und im Dialog erlebt wird.
Die Dynamik entwickelt sich auch durch die interdisziplinäre Gestaltung. Die Vorträge des Studientages werden von Theologen gehalten, die aus der Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin, Pastoraltheologie und Religionspädagogik, sprechen und Informationen bieten, die zum nach- und andersdenken anleiten können. Der Dialog geschieht zwischen ihnen und den Hörern, aber auch zwischen den Jugendlichen und mit ihnen, sowie im Plenum zwischen allen Beteiligten: Was verändert sich dadurch in der Auffassung der Teilnehmer, in ihren Erwartungen, wenn sie sich – entsprechend der Formulierung des Themas – auf die jungen Menschen einlassen?
Was verändert der Dialog? Dialog ist kein Selbstzweck, sondern er kann und sollte ein Ort der Suche nach Gottes Gegenwart in unserem Leben sein, damit wir sie auch an den Orten wahrnehmen lernen, an denen wir sie vielleicht nicht erwarteten. Theologisch gesprochen sehe ich in dieser Öffnung auf den Lebensvollzug als locus theologicus ein Ziel dieses Studientages. Das tatsächlich gelebte Leben der Jugendlichen kann dazu führen, das Evangelium mit anderen Augen zu lesen.
Papst Franziskus hat vier Punkte genannt, die seiner Ansicht nach Theologie kennzeichnen sollten: die theologische Verortung im Kerygma, die interdisziplinäre Orientierung, das Engagement im Dialog und die Vernetzung der Institutionen. Die ersten drei Aspekte habe ich kurz hervorgehoben; die Vernetzung geschieht heute dadurch, dass die Tagung in Zusammenarbeit mit Kollegen der Theologischen Fakultät Eichstätt, mit dem Schulreferat und der Jugendpastoral der Erzdiözese Luxemburg organisiert wurde. Damit trägt diese Tagung zu einer Theologie bei, die aus den Gelehrtenstuben ausbricht und sich als Beitrag zum gegenwärtigen quaerere Deum versteht.
2 Franziskus, Apostolische Konstitution „Veritatis Gaudium“ über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, 8. Dezember 2017, http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_constitutions/documents/papa-francesco_costituzione-ap_20171208_veritatis-gaudium.html(20.09.2018), Nr. 5.
von Pierre Lacoste
Die Vorsynode ist die Versammlung von Jugendlichen, die auf Wunsch von Papst Franziskus einberufen wurde und dazu helfen soll, die XV. Bischofssynode vorzubereiten. Die Kirche hat für eine Woche Jugendliche aus der ganzen Welt eingeladen: Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, aber auch Jugendliche anderer Religionen (Moslems, Juden) und auch Nicht-Gläubige.
Bevor ich auf die Vorsynode zu sprechen komme, möchte ich zunächst ein paar Worte über den Papst sagen. Papst Franziskus ist ein Mann, der gern konkret arbeitet und sich speziell der Jugend verbunden weiß. Diese beiden Aspekte konnte ich bei der Vorsynode in Rom sehr gut beobachten. Der Papst hat 300 Jugendliche aus der ganzen Welt eingeladen, um sich in allem Freimut mit ihnen auszutauschen und ihnen Fragen zu stellen, die sie und ihr Leben betreffen. Die Vorsynode begann auch mit einem Vortrag des Heiligen Vaters selbst. Das Erste, was uns Franziskus gesagt hat, war, dass wir den Mut haben sollen, offen und ehrlich zu reden. Er hat uns dazu aufgefordert, das Wort zu ergreifen, denn jeder hat das Recht zu reden, aber was noch viel wichtiger ist, jeder hat das Recht gehört zu werden.
Die Vorsynode ist alles in allem eine Chance für die Jugendlichen, um ihre Zweifel, Wünsche und Fragen zum Ausdruck zu bringen. All das wurde in einem abschließenden Dokument, dem sog. Instrumentum laboris, zusammengefasst als Antwort auf die von der Kirche gestellten Fragen zur Vorbereitung der Synode. Diese Fragen betrafen unterschiedliche Themen wie beispielsweise den Glauben, das Unterscheidungsvermögen, die Persönlichkeitsentwicklung oder aber den Bezug zur Technik, die Beziehung zu Jesus, die Zukunft. Es versteht sich von selbst, dass die meisten Fragen auf die Jugendlichen und die Kirche bezogen waren. Diese Fragen wurden durchgearbeitet und beantwortet in 20 Gruppen und in vier verschiedenen Sprachen: Italienisch, Spanisch, Französisch und Englisch. Daneben gab es auch sechs Gruppen Facebook, die insgesamt 15 000 Mitglieder umfassten. So konnten noch mehr Jugendliche ihren Beitrag leisten zum Abschlussdokument der Vorsynode. Als schließlich alle Antworten gegeben wurden, wurde eine Redaktorengruppe unter den 300 Jugendlichen vor Ort gewählt, um alle Antworten zusammenzufassen.
Dieses große Fazit wurde anschließend in der Vollversammlung besprochen und überarbeitet. Das Auditorium konnte durch Änderungsanträge auf diese erste Version reagieren, wie beispielsweise: „Ich finde, dass die Passage, die von der Zukunft der Jugendlichen spricht, meiner Meinung nach ein bisschen zu pessimistisch ausfällt. Dieser Textabschnitt müsste positiver formuliert werden.“ So konnte jeder seine Gedanken einbringen und seinen Beitrag leisten zur finalen Version des Dokuments.
Eine interessante Antwort, die von den Jugendlichen gegeben wurde, betrifft die Zukunft. Die Jugendlichen träumen von Sicherheit, Stabilität und Selbstverwirklichung. Sie hoffen auf ein besseres Leben für ihre Familie. An vielen Orten dieser Welt hängt das mit einer Suche nach physischer Sicherheit zusammen, für andere mit der Suche nach Arbeit. Die Jugendlichen, die in instabilen Regionen wohnen, erwarten das Eingreifen der Regierungen, um Krieg und Korruption zu beenden und um sich sozialen Ungerechtigkeiten und drohender Unsicherheit zu widersetzen.
Dabei handelt es sich um ein sehr schönes Beispiel, welches die Leistung dieses Abschlussdokuments aufzeigt. Es war eine große Herausforderung, nicht alle Jugendlichen dieser Welt über einen Kamm zu scheren, sondern viele verschiedene Visionen zuzulassen, um den Synodenvätern jeweils ein konkretes Zeugnis zu geben.
Zum Abschluss möchte ich anhand dieses Dokumentes folgendes festhalten: Die Jugendlichen wollen zunächst angehört werden von einer ehrlichen und einladenden Kirche, die nicht über sie urteilt, sondern sie zu verstehen sucht. Gleichwohl war das, was im Abschlussdokument am meisten zurückgehalten wurde, die Notwendigkeit einer stabilen Familie, die die Jugendlichen in ihren Entscheidungen trägt. Mit der generellen Krise der Familien haben es die Jugendlichen sehr schwer, solide Bezugspersonen zu finden. An dieser Stelle sollte die Kirche unersetzlich sein. Die Begleitung ist fundamental wichtig für die Jugendlichen und ihre Familie. Das ist wohlwollend und zeigt beispielhaft, dass die Kirche die Jugendlichen zu Akteuren ihres eigenen Lebens macht. Die Jugendlichen brauchen authentische Zeugen, Heilige und wahre Beispiele, die ein lebendiges und dynamisches Bild abgeben von ihrem Glauben und von der Kirche.
von Erzbischof Jean-Claude HOLLERICH
Liebe Freunde,