Über dieses Buch:
Wann weißt du, dass es wirklich Liebe ist? Auf den ersten Blick sind Nina und Christopher ein echtes Traumpaar: Er, der charmante Pilot, dem alle Herzen zufliegen, und sie, die attraktive Co-Pilotin, die an seiner Seite über den Wolken schweben könnte … wenn da nicht dieses nagende Gefühl wäre, dass Treue für ihn womöglich ein Fremdwort ist. Ausgerechnet in Australien erkennt Nina schließlich, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie geben kann. Aber was soll die junge Frau hier, mutterseelenallein auf einem fremden Kontinent? Nina beschließt, ihren lang gehegten Traum wahr zu machen – und wird Buschpilotin. So lernt sie den Arzt John Taylor kennen, der auf den ersten Blick so rau und abweisend wirkt wie das Outback, in das er sich zurückgezogen hat. Aber Nina weiß, dass man sich auf den ersten Eindruck nie verlassen darf …
Ein mutiges Herz und ein Land voller Abenteuer: Genießen Sie diesen Roman aus dem Nachlass der beliebten Bestsellerautorin Christa Canetta!
Über die Autorin:
Dieser Roman ist etwas ganz Besonderes, da drei Generationen ihn geprägt haben: Christa Canetta war das Pseudonym der deutschen Journalistin und Bestsellerautorin Christa Kanitz (1928–2015). In ihrem Nachlass fanden ihre Töchter – darunter die erfolgreiche Autorin Brigitte D’Orazio – unvollendete Romane, denen sie gemeinsam den letzten Schliff verleihen und die nun unter dem Namen von Christa Kanitz‘ Enkeltochter Virginia veröffentlicht werden.
Von Christa Canetta erschienen bei dotbooks »Das Leuchten der schottischen Wälder«, »Schottische Engel«, »Schottische Disteln«, »Die Heideärztin«, »Die Heideärztin unter dem Kreuz des Südens« und »Eine Liebe in Frankreich«; unter dem Namen Christa Kanitz erschien bei dotbooks der Roman »Die Liebe der Kaffeehändlerin«.
Unter dem Namen Virginia Canetta erschienen bei dotbooks die Romane »Jenseits der Grillenbäume« und »Im Land der roten Erde«.
Brigitte D’Orazio veröffentlichte bei dotbooks die Romane »Die Sterne über Florenz«, »Villa Monteverde« und »Verliebt auf dem Land« sowie die Kurzromane »Fundstücke des Glücks«, »Kapitäne küsst man nicht« und »Ti amo heißt Ich liebe dich« – diese Romane sind auch als Sammelband mit dem Titel »Zum Träumen romantisch« erhältlich – sowie »Das Haus in Portofino«, »Der Fünf-Sterne-Kuss«, »Geliebte Träumerin«, und »Sing mir das Lied von der Liebe«, die auch als Sammelband mit dem Titel »Zum Verlieben schön« erhältlich sind.
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Originalausgabe März 2020
Copyright © der Originalausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Ioan Panik, npscreative, Kyrill Shashkov und AdobeStock/mat_millard
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-96148-928-2
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Virginia Canetta
Im Land der roten Erde
Roman
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Für Jeanny – Tochter und Reisegefährtin in Australien. Tut mir leid, dass ich ein paar Mal gemeckert habe, aber am Uluru war es wirklich sehr heiß, und dann diese Buschfliegen!
Schon seit gut einer halben Stunde war da ein seltsames Gefühl in ihrem rechten Bein, und jetzt fühlte sich der Fuß zunehmend taub an.
Mist! Nina rieb sich unauffällig über den Oberschenkel und knetete die Muskeln. Aber Christopher bekam es natürlich mit. Ihm entging nie etwas.
»Alles in Ordnung?«
»Bestens.« Sie spürte seinen prüfenden Blick auf sich ruhen, schaute aber weiterhin angestrengt geradeaus.
»Willst du eine Pause einlegen?« Seine Stimme klang eindringlich, fast befehlend.
»Das ist nicht nötig.« Sie hatte nicht die Absicht, einem schwachen Moment nachzugeben.
»Komm schon, ich merke doch, dass du Bewegung brauchst. Wir sind auf Autopilot. Mach ruhig einen Spaziergang durch die Gänge.«
Der Gedanke war verlockend. Immerhin saßen sie seit mehr als sieben Stunden im Cockpit des Airbus A 350, und bisher hatte sie sich kaum mal ein paar Minuten gegönnt, um sich frisch zu machen.
Christopher hatte ihr schon häufig vorgehalten, sie sei zu ehrgeizig, zu verbissen. Sie müsse auch mal alle fünf gerade sein lassen. Davon werde die Mühle schon nicht gleich abstürzen.
Er hatte gut reden. Er war ja schon Pilot, Nina nur Kopilotin, aber sie war fest entschlossen, bald mit ihm gleichzuziehen. Im Privatleben waren sie ein Liebespaar, und manchmal fragte sie sich, ob es für ihre Beziehung nicht eher hinderlich war, auch zusammen zu fliegen. Nicht, dass es zu vermeiden war, denn auf die Dienstpläne hatte sie keinen Einfluss.
Aber sie sie hasste es wirklich, wenn Christopher – aus welchem Grund auch immer – den besorgten Beschützer raushängen ließ. Also blieb sie sitzen, massierte weiterhin ihr Bein und hoffte, es würde nicht schlimmer werden.
Ein schneller Seitenblick auf Christophers markantes Profil sagte ihr, dass er nicht glücklich mit ihrer Entscheidung war und sie vermutlich noch dazu für unvernünftig hielt: Die Kiefer zusammengepresst, hatte er den Blick von ihr abgewandt und starrte stur aus dem Cockpitfenster, als könnte er dem endlosen nachtblauen Himmel noch irgendwas Neues abgewinnen, was er nicht schon unzählige Male gesehen hatte.
Nina fand, er übertrieb maßlos. Wegen eines eingeschlafenen Beins und Fußes würde er doch nicht sauer werden? Oder passte es ihm einfach nur nicht, dass sie seinen überfürsorglichen Vorschlag nicht angenommen hatte?
»Es geht mir gut. Wirklich«, sagte sie forsch.
»Schon okay«, kam es unfreundlich zurück. Er wirkte nach wie vor sauer.
Sie gab es auf. Nicht zum ersten Mal war dieser Mann ein Rätsel für sie. Was hatte er nur?
Wenige Minuten später wurde ihr die Lösung buchstäblich auf einem Tablett gereicht.
»Ich habe dir eine kleine Erfrischung gebracht, Christopher.« Die Flugbegleiterin drängte sich ins Cockpit und strahlte Ninas Freund an.
»Danke, Jessica, das ist nett von dir. Du bist die Beste.«
Von dir …? Die Beste …? Vor Wut knirschte Nina mit den Zähnen und starrte über die Instrumententafel hinweg nun selbst in den Himmel.
Seit wann waren die beiden per Du? Beim Abflug in Frankfurt am Main hatte es noch Herr König und Frau Martens geheißen. Und jetzt plötzlich Christopher und Jessica? Da muss ich was verpasst haben, dachte Nina. Sie hörte das leise Kichern der geschmeichelten Stewardess und zwang sich, weiter nach draußen zu schauen.
Irgendetwas musste während der Zwischenlandung in Singapur vorgefallen sein. Das war die einzige mögliche Erklärung. Ein paar Stunden lang hatte sie vergeblich nach Christopher gesucht, immer wieder hatte sie nur seine Mailbox erreicht.
Was hatte er später noch mal als Entschuldigung vorgebracht? Ach ja, der zollfreie Einkauf von Seidenstoffen für seine Mutter hätte so lange gedauert. Nina schüttelte müde den Kopf. Und sie hatte ihm geglaubt. Wie immer. Weil sie einfach nicht begreifen wollte. Weil es nicht in ihr Weltbild passte, dass ihr Freund sie betrog.
Das Kichern schräg hinter ihr nahm zu. Christopher murmelte etwas, das sie nicht verstand.
Es war nicht auszuhalten!
»Gibt’s für mich vielleicht auch was zu trinken?«, fragte sie und merkte selbst, wie eifersüchtig sie klang. »Oder ist dieser Service neuerdings dem Piloten vorbehalten?«
»Oh, selbstverständlich«, sagte die Flugbegleiterin hastig und trat den Rückzug an. »Entschuldigung. Ich bin gleich wieder da.« Sie verschwand durch die enge Tür.
»Warum so garstig?« Christopher grinste sie an und nippte an seinem Orangensaft. Seine schlechte Laune schien mit einem Mal verflogen.
Nina kämpfte mit sich. Sie wusste, sie sollte besser schweigen, aber dann ging doch ihr Temperament mit ihr durch. »Tu bloß nicht so scheinheilig! Als ob ich nicht wüsste, was hier los ist!«
»Ich weiß gar nicht, was du hast. Ich bemühe mich nur um ein gutes Verhältnis zu den Mitgliedern meiner Crew.« Er zuckte mit den Achseln und grinste zu ihr herüber. »Das gehört zu meinem Job.«
Nina warf ihm einen schnellen Blick zu. Verdammt! Wie gut er aussah! Bernsteinfarbene Augen zu braunem Wuschelhaar, dazu sinnliche Lippen und ein Roy-Black-Grübchen im Kinn. Ein unwiderstehlicher Mann, besonders, wenn er seine Pilotenuniform trug. Es war gewiss kein Wunder, dass ihm die Frauenherzen reihenweise zuflogen! Aber Christopher war ihr fester Freund, und zwar schon seit zwei Jahren. Offenbar schienen das aber alle außer ihr selbst von Zeit zu Zeit zu vergessen. Christopher, die Frauen und sogar die Kollegen bei Air King, die es eigentlich wissen mussten.
Manchmal wunderte sich Nina darüber, dass Christopher ausgerechnet sie auserwählt hatte. Dabei hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mit langbeinigen Blondinen wie Jessica, die er doch offensichtlich bevorzugte. Nina war nur mittelgroß, und ihre pechschwarzen Haare widersetzten sich standhaft jedem Tönungsversuch.
Die Haarfarbe und ihre leicht mal aufbrausende Art hatte sie von ihrer italienischen Mutter Angelina. Ihre hellblauen Augen und ihre Zielstrebigkeit waren ein Erbe ihres Vaters. Da sie herzlich wenig Zeit vor dem Spiegel verbrachte, war sie immer überrascht, wenn man ihr sagte, wie wundervoll diese Gegensätze bei ihr harmonierten. Eine gute Freundin hatte ihr einmal gesagt, dass sie von beiden Elternteilen nur das Beste mitbekommen hätte. Ihre Schönheit fiele nicht sofort auf, besäße dafür aber eine Tiefe und Reinheit, von der andere Frauen nur träumen konnten. Es fiel ihr immer noch schwer, das zu glauben.
»Gutes Verhältnis«, wiederholte sie mit einem bitteren Auflachen. »Einfach nur Verhältnis trifft es wohl eher, nicht wahr?«
»Nina, mein Schatz, du tust mir unrecht.« Christopher sah sie mit Unschuldsmiene an und schenkte ihr sein schönstes Lächeln.
Sie verspürte das unbändige Verlangen, ihm eine kräftige Ohrfeige zu verpassen. Ihre Mutter wäre dann bestimmt stolz auf sie gewesen. Es kostete Nina eine Menge Selbstbeherrschung, aber sie beschränkte sich auf scharfe Worte: »Spar dir dein Verführergrinsen. Das zieht bei mir schon lange nicht mehr.«
Christophers Gesicht erstarrte. Er wusste wohl, er war zu weit gegangen, doch er war offenbar davon ausgegangen, dass er bei Nina damit durchkam. So wie immer.
Der Tower von Kingsford Smith, Sydneys internationalem Flughafen, meldete sich über Funk und bat um die Koordinaten des Fluges KA 115, Frankfurt–Sydney. Christopher schien äußerst erleichtert über die Unterbrechung. Er gab dem Fluglotsen die gewünschten Daten durch, überprüfte noch einmal die Instrumente und wandte sich wieder Nina zu.
»In 20 Minuten beginnen wir mit dem Sinkflug. Was wollen wir Schönes in Sydney unternehmen? Wir bleiben ja diesmal zwei Tage. Wie wär’s mit einer großen Hafenrundfahrt? So bekommst du den besten Eindruck von der Stadt. Du warst ja erst zweimal mit hier, und da hatten wir keine Zeit für Besichtigungen. Anschließend könnten wir in Chinatown in der Dixon Street essen. Nun? Was hältst du davon?«
Für ihn war das Thema erledigt, kein Zweifel. Er tat einfach so, als hätte es ihren Streit nicht gegeben, als sei Jessica nur eine von vielen Flugbegleiterinnen.
Nina stellte fest, dass der Krampf in ihrem Bein verschwunden war. Wahrscheinlich bereitete sich ihr Instinkt schon auf die Flucht vor diesem Mann vor. In einem Flugzeug keine einfache Sache, aber das konnte ihr Instinkt ja nicht wissen.
Allerdings war sie nicht bereit, den Vorfall so schnell zu vergessen. Es hatte schon zu viele Verletzungen, zu viele Tränen gegeben. Auf einmal wusste sie, dass sie sich Klarheit verschaffen musste. Sie konnte keine Sekunde länger warten.
Also würdigte sie ihn keiner Antwort, sondern fragte stattdessen: »Warum bist du überhaupt mit mir zusammen, Christopher?«
»Was soll das?«, erkundigte er sich verärgert. »Ist das ein Test oder was?«
»Nein. Eine einfache Frage.« Sie gab sich äußerlich ruhig, aber ihr Herz klopfte wie wild in ihrer Brust.
Wenn er nur jetzt die drei kleinen Worte sagen würde, die sie noch nie von ihm gehört hatte!
Wenn er sagte Ich liebe dich, dann könnte sie ihm vielleicht alle Jessicas dieser Welt verzeihen. Christopher war 41 Jahre alt, acht Jahre älter als sie selbst, und es war an der Zeit, dass er endlich erwachsen wurde. Dazu gehörte ihrer Meinung nach auch, sich zu seinen Gefühlen zu bekennen. Sofern sie denn vorhanden waren. Gleichzeitig sagte sie sich, sie mache sich selbst etwas vor, wenn sie an eine Zukunft mit diesem Mann glaubte. In Wahrheit wusste sie doch längst, dass ihr Stolz es nicht zulassen würde, mit diesem Mann zusammenzubleiben. Trotzdem. Sie wollte hören, was er zu sagen hatte.
»Also? Ich warte.«
Einen Moment lang starrte Christopher konzentriert geradeaus. Doch es gab nichts zu tun, das als Ablenkung hätte dienen können. Der Airbus flog gleichmäßig durch bestes Wetter, der Autopilot tat seine Arbeit.
»Du bist klug«, sagte er endlich, und es war, als stieße er ihr ein Messer in die Brust. »Das macht dich unglaublich sexy. Tausendmal mehr als diese ganzen blonden Hühnchen.« Er deutete vielsagend mit dem Kopf in Richtung Tür. Die wurde genau in diesem Moment wieder aufgestoßen, und das Hühnchen brachte einen Orangensaft für Nina.
»Bitte schön.« Der Blick aber klebte an Christopher.
Nina trank, obwohl sie keinen Durst hatte, und dachte über seine Worte nach. Im Grunde hatte sie eine solche Antwort erwartet.
Liebe? Ha! Bevor Christopher König einmal von Liebe redete, müsste sich dieser moderne Airbus schon in einen Doppeldecker verwandeln.
Das Hühnchen gackerte so laut auf, dass Nina einen kurzen Blick zur Seite warf.
Was …? Sie riss die Augen auf. Wie konnte er nur! Christophers rechte Hand war unter Jessicas Rock verschwunden und fummelte dort herum. Kalte Wut stieg in Nina auf.
»Wie fühlst du dich dabei?«, fragte sie die Flugbegleiterin mit gefährlich leiser Stimme. »Du bist doch eine intelligente junge Frau, und er behandelt dich wie ein hirnloses Püppchen. Warum lässt du dir das gefallen? Weil er Pilot ist? Und dein Boss dazu?«
Und ich?, fügte sie in Gedanken hinzu. Warum lasse ich mir das gefallen?
Christopher zog seine Hand zurück, Jessica erstarrte. Beide blickten Nina an, als wäre sie diejenige, die sich danebenbenommen hatte.
»Was guckt ihr so? Wie wär’s, wenn wir uns jetzt alle wieder um unseren Job kümmern und diesen Flieger landen?«
Ohne ein weiteres Wort sammelte die Flugbegleiterin ihre Gläser ein und verschwand in Richtung Kabine. Nicht ohne Nina noch einen langen, bösen Blick zuzuwerfen.
»Herrgott!« Christopher blickte geradeaus, schaltete den Autopiloten aus und begann mit dem Check für die Landung. »Wie konntest du nur so etwas sagen!«
Plötzlich brach sich ihre Wut Bahn. »Zum Teufel!«, schrie sie ihn an. »Wie konntest du so etwas tun? Du hast ihr vor meinen Augen unter den Rock gefasst. Warum, verdammt noch mal? Wem wolltest du damit etwas beweisen?«
»Es hatte nichts zu bedeuten«, murmelte Christopher, von ihrem Ausbruch überrascht. Er kannte ihr Temperament, aber im Cockpit war Nina normalerweise die Ruhe in Person. Er hatte sich in Sicherheit geglaubt. Außerdem: Warum musste sie auch ausgerechnet in dem Moment hinsehen?
»Ich verstehe. Es hatte also nichts zu bedeuten.« Ninas Stimme war jetzt voller Bitterkeit. »Das war wohl nur so eine kleine Erinnerung an euer Schäferstündchen in Singapur, richtig?«
»Quatsch. Können wir uns jetzt bitte auf den Landeanflug konzentrieren? Ich habe den Eindruck, dass dich so ein Langstreckenflug doch zu sehr belastet.«
Nina machte den Mund auf, die heftige Erwiderung schon auf den Lippen, doch dann presste sie die Zähne fest zusammen und schluckte die Worte hinunter. Worte der Wut und der Enttäuschung, die in ihrem Magen einen kleinen, harten Ball formten.
Christopher war nicht nur ihr Freund, sondern auch ihr Chef. Er war der einzige Sohn von Karl König, dem Besitzer einer Flotte von inzwischen 15 Maschinen. Es war kein Geheimnis, dass er seinen Vater in Personalfragen beriet – das durfte sie niemals vergessen.
Was, wenn er dem alten Herrn sagte, sie wäre ihrer Aufgabe nicht gewachsen? Ihr fehlten noch mehr als 2.000 Flugstunden als Kopilotin, bis sie selbst eine Verkehrsmaschine steuern durfte. Dieses Ziel durfte sie nie – niemals! – aus den Augen verlieren.
Doch eine kleine Stimme in ihrem Innern sagte ihr, dass sie einen hohen Preis dafür zahlte. Und zum ersten Mal fragte sich Nina, ob dieser Preis nicht zu hoch war.
Sie ließ das Fahrwerk ausfahren, überprüfte die Anzeigen auf den Armaturen, und überließ die Landung dann Christopher. Ihr war klar, dass er sie nach einem solchen Streit diese Aufgabe nicht übernehmen lassen würde. Unauffällig musterte sie ihn von der Seite. Der Ball in ihrem Magen wurde zu Stein, und in ihrem Herzen war es kalt.
Liebe ich ihn überhaupt noch?, fragte sie sich. Habe ich ihn je wirklich geliebt, oder war ich nur von ihm fasziniert?
Sie fand keine Antwort auf ihre Fragen und dachte daran, was ihre Mutter erst vor drei Tagen über Christopher gesagt hatte: »Du hast etwas Besseres verdient als diesen donnaiolo, diesen Schürzenjäger.«
»Mama, du bist zu streng mit ihm«, hatte Nina geantwortet. »Was kann er schließlich dafür, wenn ihm die Frauen nachlaufen?«
Angelina Bergmann war dem unsicheren Blick ihrer Tochter mit einem Stirnrunzeln begegnet. Dann hatte sie einen Schluck von ihrem Äppelwoi genommen und säuerlich das Gesicht verzogen.
»Dieses Zeug werde ich nie mögen. Warum kann man hier keinen anständigen, trockenen Sangiovese bekommen?« Sie stammte aus der Emilia-Romagna, und es gab Dinge, an die sie sich auch nach mehr als 30 Jahren nicht gewöhnt hatte.
»Weil wir hier in Sachsenhausen sind, und nicht in Riccione«, hatte Nina geduldig geantwortet. Sie selbst war Frankfurterin mit Leib und Seele, und sie mochte den frischen Geschmack des Apfelweins. Außerdem wusste sie, dass die Klagen ihrer Mutter nie ernst gemeint waren. Angelina hing mit leidenschaftlicher Liebe an ihrem Mann und übertrug diese Liebe auf ihre neue Heimat. Vor vielen Jahren hatte Norbert Bergmann auf seiner ersten Italienreise das Herz der schönen Italienerin erobert. Sie war ihm nach langem Zögern schließlich gefolgt, wohin ihn seine Bank schickte, erst nach Hamburg, dann nach Frankfurt.
Nina wuchs als zärtlich verwöhntes Einzelkind auf. Oft fragte sie sich, ob sie selbst je eine solch große Liebe wie die ihrer Eltern finden würde. Es gab sogar Momente, da hatte sie Angst davor, allein zu bleiben. Sie schob es auf ihren Job. Wer immer unterwegs war, entwickelte keinen Nestbauinstinkt. Doch dann kam Christopher und mit ihm die Hoffnung, endlich jemanden gefunden zu haben, der zu ihr passte.
»Nur, weil er in derselben Branche ist, heißt das nicht, dass er der Richtige ist«, hatte Angelina bemerkt. Sie verfügte manchmal über die unheimliche Fähigkeit, Ninas Gedanken zu erraten.
»Aber wir verstehen uns. Wir liegen auf der gleichen Wellenlänge.«
»Sofern er nicht gerade im Bett einer anderen liegt«, konterte Angelina.
»Mama, bitte!« Nina lehnte sich auf ihrem Gartenstuhl zurück und ließ die ungewohnt warmen Strahlen der Oktobersonne auf ihr Gesicht scheinen. Sie traf sich gern mit ihrer Mutter, zum Einkaufsbummel auf der Zeil, oder wie heute in Sachsenhausen. Seit sie allein in einem kleinen Apartment in der Nordweststadt wohnte, hatte sich ihr Verhältnis gebessert. Früher war Angelina eine richtige italienische Mamma gewesen, die ihrer Tochter kaum Freiraum ließ. Leider liebte sie es immer noch, sich in Ninas Leben einzumischen.
»Ich spreche nur die Wahrheit aus, die du nicht sehen willst, bambina mia.«
Sofort richtete Nina sich wieder auf. »Ich bin kein Kind mehr!«
»Dann benimm dich auch nicht so. Mach deine Augen auf. Einmal betrogen: Schande über ihn. Zweimal betrogen: Schande über dich. Zieh endlich die Konsequenzen.«
Die Konsequenzen ziehen, dachte Nina jetzt. Was ihre Mutter damit gemeint hatte, war klar. Aber noch vor drei Tagen hatte sie nicht wahrhaben wollen, dass Christopher noch immer mit anderen Frauen schlief. Da glaubte sie noch, er werde sie bald bitten, seine Frau zu werden. Sie war sicher gewesen, er hätte mit der Vergangenheit abgeschlossen. Schon mehr als einmal hatte sie ihm einen Seitensprung verziehen, weil er schwor, er liebe sie allein. Und sie hatte ihm geglaubt, als er ebenfalls schwor, damit sei es nun endgültig vorbei.
Aber nun …
Christopher liebte sie nicht, das hatte sie endlich begriffen. Er fand sie sexy, weil sie klug war. Mehr nicht. Ein tiefes Gefühl von Scham überfiel sie. Wie klug kann ich schon sein? Wie hatte sie es nur zulassen können, dass er so mit ihr umsprang? Nina erkannte sich selbst nicht mehr. In ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen.
Nina starrte nach draußen, obwohl sie die Skyline von Sydney durch die kleinen Fenster der Pilotenkanzel nicht sehen konnte. Sie zwinkerte die Tränen fort und sah den unendlichen australischen Frühlingshimmel vor sich. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, und das Farbenspiel raubte ihr den Atem. In Deutschland war es Herbst, aber hier herrschte die Jahreszeit des Neubeginns. Vielleicht war das ja ein Zeichen.
Eine nie gekannte Sehnsucht erfüllte ihr Herz. Australien! Alles, was sie bisher auf diesem Kontinent kannte, war der Flughafen von Sydney. Wie viel mehr gab es hier noch zu entdecken. Zu der ihr unbekannten Sehnsucht gesellte sich noch ein anderes Gefühl: Es war das Gefühl, nach langer Irrfahrt endlich heimzukommen.
Als Christopher die große Maschine weich auf der Landebahn aufsetzte, dachte Nina: Ich bin zu Hause.
Was?
Sie rieb sich über die Stirn. Wo kam dieser merkwürdige Gedanke denn auf einmal her?
Vermutlich hatte Jessica ihr irgendetwas in den Orangensaft gekippt.
Zu Hause auf einem Kontinent, den sie nicht kannte. Nina schüttelte den Kopf. Das konnte ja lustig werden.
Es war später Nachmittag in Sydney, als Nina beschloss, dass sie so nicht weitermachen konnte. Sie saßen in einem der vielen Cafés im malerischen Viertel The Rocks, das jetzt gegen Abend noch lebendiger wurde. Christopher gefiel sich in seiner Rolle als Fremdenführer und referierte mit lauter Stimme: »Hier hat alles angefangen. Auf dieser felsigen Halbinsel zwischen Port Jackson und Darling Harbour haben 1788 die ersten Häftlinge ihre Hütten errichtet. Später standen hier Lagerhäuser und Verwaltungsgebäude.«
Nina wusste natürlich, dass die Besiedlung Australiens durch die Briten im 18. Jahrhundert mit einer Sträflingskolonie begonnen hatte. Sie hörte Christopher nur mit halbem Ohr zu und ließ ihren Blick über die ziegelroten und sandsteinbraunen Fassaden schweifen, die heute Cafés, Restaurants, Boutiquen und Souvenirshops beherbergten. Ein buntes Völkergemisch aus Touristen und Einheimischen flanierte durch die engen Straßen und unter den Arkaden.
»Die anderen Viertel Sydneys werden von modernen Glas- und Betonbauten beherrscht«, fuhr Christopher fort, als hätte Nina das nicht längst selbst entdeckt. »Aber The Rocks hat sich seinen idyllischen Charme bewahren können. Obwohl es mal zum Slum verkommen war und vor 120 Jahren in großen Teilen abgebrannt wurde, um die Ausbreitung der Pest zu verhindern. Hörst du mir zu?«
»Sicher.« Sie wandte ihm ihren Blick zu und empfand nichts. In ihrem Herzen war Leere. Das erschreckte sie, doch es gab ihr auch ein Gefühl von Freiheit. Am frühen Morgen waren sie direkt in ihr Hotel nicht weit vom Flughafen gefahren. Erschöpft von dem langen Flug und von ihrer Auseinandersetzung, hatten sich beide dann nur in ihre Betten verkrochen.
Gegen Mittag wirkte Christopher wie ausgewechselt, während Nina noch unter der Zeitverschiebung litt. Doch nach einem kräftigen Essen war sie friedfertiger Stimmung und ließ sich auf sein Spiel ein. Es hieß: Ich zeige dir die schönste Stadt der Welt, und du vergisst dafür unseren kleinen, dummen Streit.
»Für den ersten Eindruck von Sydney muss man aufs Wasser«, hatte Christopher verkündet.
Also waren sie zum Hafen gefahren und hatten am Circular Quay ein Ausflugsboot bestiegen. Der Blick auf das weltberühmte Opernhaus, auf die Harbour Brigde, auf die modernen Gebäude der Innenstadt und auf die verwunschenen Villen der Reichen auf der anderen Seite der Bucht war atemberaubend.
Schon bei dieser Hafenrundfahrt durch den tiefblauen Pazifik verliebte Nina sich in die Stadt. Sie hatte schon viele Metropolen dieser Welt gesehen, darunter London, San Francisco, und Rio de Janeiro. Doch Sydney mit seiner einzigartigen Lage am weitläufigen Hafenbecken war etwas Besonderes. Das spürte sie genau. Lag es daran, dass die Menschen hier so besonders freundlich waren? Nina hatte zwar große Schwierigkeiten, das australische Englisch zu verstehen, dennoch hatte sie sich den Leuten sofort verbunden gefühlt. Oder hatte es etwas mit dem Aufruhr in ihrem Innern zu tun? Sie wusste es nicht. Sie ahnte nur, dass sich ihr Leben in dieser fernen Ecke der Welt von Grund auf ändern würde. Nichts würde mehr so sein, wie sie es gewohnt war.
Na ja, vielleicht war es keine echte Ahnung, sondern reines Wunschdenken.
Später besichtigten sie das Opernhaus und bummelten durch die Einkaufstempel der City. Obwohl Christopher die ganze Zeit dicht an ihrer Seite blieb, empfand Nina, als würde sie sich mit jedem Schritt mehr von ihm entfernen. Zumindest kam ihr das so vor. Erstaunlich, wie merkwürdig weit entfernt sich jemand anfühlen konnte, der doch immer noch in unmittelbarer Nähe war.
Christopher schien dies nicht zu empfinden. »The Rocks«, sagte er jetzt gutgelaunt, »ist wirklich einmalig schön, findest du nicht?«
Nina nickte. Er ist mir so fremd geworden! Habe ich ihn wirklich je geliebt? Aus ganzem Herzen? Warum bin ich erst heute aufgewacht? Sie nahm an, der Vorfall mit der Flugbegleiterin war nur der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Und es lag an dieser wunderschönen Stadt, in der sie sich so wohlfühlte.
Christopher schien von ihrer Stimmung nichts zu bemerken. Munter fuhr er fort: »Gleich um die Ecke in der George Street gibt es ein Besucherzentrum. Wenn du magst, schauen wir uns das noch an. Oder interessiert es dich nicht?« Endlich war ihm aufgefallen, dass sie unruhig die Passanten betrachtete.
»Doch, natürlich. Entschuldige.«
Er redete weiter, aber die Worte zogen an ihr vorbei wie die vielen Menschen. Flüchtig, nicht fassbar.
»He, Nina!«
»Ja?«
»Hörst du mir nicht zu?«
»Ich …«
»Es ist doch schön hier, oder? Die Restaurants sind klasse, und auf dem Boulevard am Hafen trifft man tolle Leute. Komm, trink aus, ich will dir noch den ehemaligen Exekutionsplatz in der Essex Street zeigen.«
Nina drehte langsam ihre Kaffeetasse in den Händen. »Was?«
»Den Exekutionsplatz! Da steht sogar ein nachgebauter Galgen. Die ersten weißen Australier waren eben Pommies. Das bedeutet Prisoners of her majesty, Gefangene Ihrer Majestät.« Christopher lehnte sich zurück und lächelte, als erwarte er Beifall.
Mein Gott!, dachte sie. Wie selbstzufrieden er war! Glaubte er wirklich, zwischen ihnen beiden wäre alles wieder in Ordnung? Nur weil er sich einmal einen halben Tag Zeit für sie nahm?
»Den Galgen würde ich wirklich gern sehen«, sagte sie ruhig.
»Ach ja?« Überrascht starrte Christopher sie an. »Ich hätte nicht gedacht, dass dich das interessieren würde.«
Nina starrte zurück. »Vielleicht kann man den ja noch benutzen.«
Christopher beugte sich vor, und seine eben noch so fröhliche Stimmung war wie weggeblasen. In eisigem Tonfall sagte er: »Ich dachte, die Sache zwischen uns wäre ausgestanden.«
Nina lachte bitter auf. »Wie kommst du darauf? Nur weil du hier den Reiseleiter spielst? Deshalb soll ich dir jetzt Absolution für deinen Seitensprung erteilen? Da machst du es dir aber ein bisschen zu einfach.«
Er winkte ab. »Seitensprung! Sei nicht albern. Wir sind nicht verheiratet.«
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. »Nein«, stimmte sie ihm leise zu. »Das sind wir nicht, und wir werden es auch nie sein, nicht wahr?«
Christopher fuhr sich nervös durchs Haar, richtete den Blick auf den Boden, sagte nichts.
»Du willst mit mir gar keine Zukunft aufbauen.« Nina sprach jetzt mehr zu sich selbst. »Eine Familie, ein Haus – allein der Gedanke daran ist für dich unerträglich. Und ich kann dich sogar verstehen.«
Jetzt blickte er hoch, schwieg aber weiterhin.
Nina holte tief Luft, seufzte und fuhr schließlich fort: »Weißt du, ich kann dir noch nicht einmal böse sein. Bis vor Kurzem war ich ja wie du. Ich wollte nur frei sein und rauskommen aus meinem viel zu engen Elternhaus …« Sie unterbrach sich, dachte einen Moment an ihr Leben in Frankfurt. Ja, es stimmte, sie liebte ihre Eltern, hatte sich aber auch oft erdrückt gefühlt. Schon als Kind hatte es sie in die Ferne gezogen.
Wenn Norbert und Angelina mit ihr einen Ausflug unternahmen, wollte sie immer zum Rhein-Main-Flughafen. Es gab für die kleine Nina nichts Schöneres, als die Starts und Landungen der großen Maschinen zu beobachten. Noch spannender war es, selbst in einem Flugzeug zu sitzen. Doch das geschah für ihren Geschmack viel zu selten.
Meistens fuhr die Familie mit dem Auto an die Adria, doch immerhin dreimal in Ninas Kindheit flogen die Bergmanns nach Spanien in die Ferien. Den Urlaub selbst vergaß Nina bald, doch die wenigen Stunden im Flugzeug blieben in ihrer Erinnerung haften.
Bald schon reifte in ihr der Wunsch, eines Tages Pilotin zu werden. Doch sie hielt ihn lange Zeit geheim. Sie ahnte ja, dass Mutter und Vater dagegen sein würden. Dennoch: Ihr Wunsch nach Freiheit würde stärker sein als alle Familienbande.
»Bist du fertig mit deiner Predigt?« Ihr Freund sah aus wie jemand, der im falschen Film gelandet war.
»Nein«, erwiderte Nina. »Bin ich nicht. Irgendwann muss ein Mensch erwachsen werden, Christopher. Aber du bist davon noch sehr weit entfernt.«
Er sprang auf. »Das muss ich mir nicht anhören!«
»Okay«, sagte Nina, und die nächsten Worte sprach sie, ohne nachzudenken, aus: »Nur zwei Dinge noch: Das zwischen uns ist aus und vorbei, und ich kündige.«
Christopher ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen.
»Nina! Das kannst du doch nicht machen!«, sagte er fassungslos.
»Und ob. Wegen des Rückfluges brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Martin ist ja da.«
Martin Frenzen war Pilot bei Air King. Er wollte nach einem dreiwöchigen Australienurlaub mit ihrer Maschine zurück nach Frankfurt fliegen.
»Das wird Martin aber nicht gefallen. Schließlich ist er noch im Urlaub.«
Sieh an, dachte Nina. Das ist alles, was dich kümmert. Sie musste hart schlucken. In ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen, sie drängte sie mit aller Kraft zurück. Ihre Welt brach zusammen, aber Christopher blieb eiskalt. Dachte nur an sich selbst. Kein Wort über das Ende ihrer Beziehung, kein Wort über das Ende ihrer Zusammenarbeit. Sie war ihm vollkommen gleichgültig.
Die Erkenntnis erschreckte sie dermaßen, dass sie schlagartig ruhig wurde. Wahrscheinlich habe ich eine Art Schock, dachte sie, war aber froh darüber, denn nun konnte sie wenigstens ihren Stolz behalten.
Sie stand auf. »Bitte richte deinem Vater aus, dass ich meine Kündigung schriftlich nachreiche. Ich hoffe, du legst mir deshalb keine Steine in den Weg.«
Christopher schüttelte den Kopf, schien plötzlich froh zu sein, sie loszuwerden. Vielleicht überlegte er, ob er sich noch mit der Flugbegleiterin Jessica treffen konnte. Der Abend war ja noch lang.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte er dennoch.
»Das geht dich nichts mehr an.« Bevor sie doch noch die Beherrschung verlieren konnte, ging Nina auf seltsam steifen Beinen davon. Erst als sie sich schon ein Stück von ihm entfernt hatte, fühlten sich ihre Glieder wieder normal an.
Nina winkte ein Taxi herbei und fuhr ins Hotel. Dort ließ sie den Wagen warten und ging ihren Koffer packen.
»Können Sie mir eine günstige Pension oder ein kleines Hotel empfehlen?«, fragte sie den Taxifahrer, als sie wieder einstieg.
»Da haben Sie Glück«, sagte er. »Meine Schwester führt ein bescheidenes, aber sauberes kleines Hotel in Paddington. Das ist meiner Meinung nach der schönste Vorort von Sydney. Oder möchten Sie zentraler wohnen? Ich kann Sie auch in die Innenstadt bringen.«