Josef Bordat

Kirche im Klimawandel

Eine Handreichung für Katholiken

Para Renato

„Christinnen und Christen [zeigen] eine Haltung der Wertschätzung aller Mitmenschen und Mitgeschöpfe sowie die aktive Bereitschaft zu Verantwortung und Solidarität. Der Klimaschutz ist eine neue, komplexe und zunehmend bedeutsame Bewährungsprobe für diese Haltung.“

Die deutschen Bischöfe, in: Der Klimawandel.

Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit (2006), Nr. 35.

Vorwort, oder: Warum ich meine, dieses Buch schreiben zu sollen

Ich erinnere mich daran, denn es war an meinem Geburtstag. Ich hatte einige Tage vor dem 20. April 2019 etwas Fürchterliches getan und erhielt dafür – an Geschenken statt – nun die wohlverdiente Quittung. Ich hatte einen Artikel für die englischsprachige Website Catholic365 geschrieben. Thema: Klimawandel. Ich hatte es doch tatsächlich gewagt zu behaupten, dass die drei Päpste der Gegenwart, die seit 1978 Stuhl und Katheder Petri innehatten bzw.- haben, den Klimawandel als ethisches Problem betrachten und daher der Moraltheologie zuweisen.

Voraussetzung dafür ist freilich, dass der Klimawandel vom Menschen in entscheidender Weise mitverursacht wird, sonst könnte er kein Thema dessen sein, was das menschliche Verhalten zum Gegenstand hat: die Moral und ihre theoretische Analyse in Philosophie und Theologie. Eine Ethik der Super-Nova kann es nicht geben, weil der Mensch (nach allem, was wir wissen) keinen Einfluss auf explodierende Sonnen in fernen Galaxien hat. Jemanden dafür verantwortlich machen zu wollen, ist absurd.

Belegt hatte ich meine steile These vom Glauben der Kirche an den anthropogenen Klimawandel mit Aussagen von Papst Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus, die aus Verlautbarungen ihrer jeweiligen Amtszeiten stammen. Mein Artikel bestand zu gut zwei Dritteln aus Papst-Zitaten.

Als ich nun – an meinem Geburtstag – den Beitragshinweis auf der Facebook-Seite von Catholic365 sah (mit rund 260.000 „likes“ eine durchaus stattliche und – dachte ich – heterogene katholische Kommunität), verschlug es mir die Sprache: Ein Sturm der Entrüstung blies durch den Kommentarbereich. Ich hatte bei meinen katholischen Schwestern und Brüdern in Übersee einen Nerv getroffen. Mit Papst-Zitaten.

Erschreckend daran war nicht die Bewertung des Beitrags als „lächerlich“ und „peinlich“, sondern die Tatsache, dass mit keinem Wort auf die Papst-Zitate eingegangen wurde. Franziskus wurde kurzerhand als „Häretiker“ diskreditiert; zu Johannes Paul und Benedikt – die ich besonders berücksichtigt hatte – schwieg man sich aus. Das eigentlich Frappierende war jedoch: Die Beiträge wandten sich ausnahmslos gegen die Prämisse eines anthropogenen Klimawandels. Ausnahmslos.

Nur ein „Idiot“ (ich wähle mal die höflichste Bezeichnung) könne an der These (hier: „Wahn“) eines menschengemachten Klimas festhalten. Ein Idiot wie – ich. Gut, das sehe ich ein. Ein Idiot wie der amtierende Petrusnachfolger? Auch daran muss man sich wohl gewöhnen, wenn man mit bestimmten Kreisen innerhalb der Kirche Kontakt halten will. Ein Idiot wie der emeritierte Papst, dessen – ich glaube: 20-bändiges – Gesamtwerk gerade editiert wird? Hm. Ein Idiot wie sein mittlerweile heiliggesprochener Vorgänger? Spätestens das sollte aufhorchen lassen.

Dies und Äußerungen der Art, dass man „so was“ hier nicht mehr lesen wolle, brachten mich auf den Gedanken, eine Handreichung für Katholiken zur Beantwortung von Fragen hinsichtlich des Klimawandels zu schreiben, wissend, dass das schwierig werden würde, weil ich beileibe kein Experte bin, ahnend, dass die Kommentatoren nicht die Kirche repräsentieren, und hoffend, dass meine Ahnung bei Drucklegung des Textes immer noch wahr ist.

Freilich ist davon auszugehen, dass es auch nach der Lektüre dieses Textes Menschen gibt, die den anthropogenen Klimawandel für eine „Erfindung der Demokraten“ – gemeint ist die politische Partei in den USA – halten und jede Maßnahme zum Klimaschutz von daher als unnötig ablehnen, aber vielleicht schaffe ich es, die eine Schwester oder den anderen Bruder im Glauben zum Nachdenken zu veranlassen. Das ist Sinn, Zweck und Ziel dieses Buchs.

Bedanken möchte ich mich bei all denen, die mich zur Abfassung dieses Manuskripts in ganz unterschiedlicher Art und Weise motiviert haben. Widmen möchte ich es meinem jüngsten Neffen Renato.

Noch einige Hinweise.

Ich zitiere hauptsächlich barrierefreie Internetquellen, die jede Leserin und jeder Leser leicht selbst nachschauen kann. Das vorliegende Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine Handreichung für den Gebrauch in der alltäglichen Diskurspraxis, gerade auch in den Sozialen Medien. Die Verweise in den Fußnoten sind immer ausführlich; auf Standards wie „ebd.“ oder „a.a.O.“ wurde verzichtet. Das ermöglicht einen direkten Zugriff auf die Quelle, ohne langes Suchen.

Bei den Dokumenten aus dem Vatikan habe ich – soweit verfügbar – die deutsche oder die englische Fassung auf vatican.va zugrundegelegt. Sind beide Sprachversionen nicht verfügbar, wird aus der italienischen oder spanischen Fassung zitiert (mit deutscher Übersetzung).

Noch eine Bemerkung zur Schreibweise von Berufs- oder Personenbezeichnungen: Gewählt wird zu besseren Lesbarkeit gewöhnlich das generische Maskulinum, bei dem selbstverständlich Frauen und Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, regelmäßig mitgemeint sind. Nichts liegt mir ferner, als irgendjemanden von der Debatte über den Klimawandel ausschließen zu wollen. Dafür ist das Thema einfach viel zu wichtig.

Berlin, im Februar 2020

Josef Bordat

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1: Wissen

1.1 Empirie

1.1.1 Es wird wärmer

1.1.2 Das hat Folgen

1.1.2.1 Eis wird weniger

1.1.2.2 Meeresspiegel steigt

1.1.2.3 Wetter wird extremer

1.1.2.4 Ernten fallen aus

1.1.2.5 Menschen erkranken

1.1.2.6 Gewalt nimmt zu

1.1.2.7 Menschen fliehen

1.1.2.8 Kultur geht unter

1.1.2.9 System könnte kippen

1.1.3 Das hat Gründe

1.2 Erklärung

1.2.1 „Änderung der Sonnenstrahlung“

1.2.2 „Änderung der Erdbahnelemente“

1.2.3 „Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre“

1.2.4 „Menschliche Tätigkeit“

1.2.4.1 Der Mensch und sein Anteil

1.2.4.2 Die Steigerung anthropogener CO2-Emissionen

1.2.5 Einwände

1.2.5.1 CO2 und Temperatur

1.2.5.2 Vulkane

1.2.5.3 Aerosole

1.2.5.4 CO2 als „Pflanzennahrung“

1.2.6 Zwischenfazit

1.2.7 Der Konsens über den menschengemachten Klimawandel

1.2.7.1 Die Wissenschaft hat festgestellt

1.2.7.2 Zehn kleine (Meta-)Studien

1.2.7.3 Nochmal: Sieben Einwände

1.2.8 Beweis und Vernunft

1.2.9 Klimaforschung

1.2.9.1 Geschichte, oder: Der lange Weg zum IPCC

1.2.9.2 Gegenwart, oder: Modellbildung

1.2.9.3 Kurzer Exkurs

1.2.9.4 Datenbasis

1.3 Lösungen

1.4 Zusammenfassung

Kapitel 2: Moral

2.1 Anthropologische Vorbemerkungen

2.1.1 Das christliche Menschenbild

2.1.2 Das säkularistische Menschenbild

2.2 Das Mensch-Natur-Verhältnis

2.2.1 Radikaler Anthropozentrismus

2.2.2 Pathozentrismus

2.2.3 Biozentrismus

2.2.4 Anthropozentrismus mit Augenmaß

2.3 Kurzes Zwischenfazit

2.4 Klimaethik, oder: Der Mensch hat Verantwortung

2.4.1 Klimaethik als Konsequentialismus

2.4.2 Zum Verantwortungsbegriff

2.4.2.1 Gesinnung und Verantwortung

2.4.2.2 Verantwortung als moralisches Konzept

2.4.2.3 Wer trägt wofür Verantwortung?

2.4.2.3.1 Individuum und Institution

2.4.2.3.2 Verantwortungsethik nach Hans Jonas

2.4.2.3.3 Abstufung von Verantwortung

2.4.2.4 Probleme der Verantwortungsethik

2.4.3 Spezifische Probleme der Klimaethik

2.4.4 Lösungsansätze für die Probleme der Klimaethik

2.5 Fazit: Der Mensch im Mittelpunkt

Kapitel 3: Kirche

3.1 Der Blick in die Bibel

3.1.1 Die biblische Botschaft fruchtbar machen

3.1.2 Was man bewahren will: Schöpfung im Wandel

3.1.3 Bibel und Christentum: Teil der Lösung?

3.2 Der Blick in Dokumente der Kirchengeschichte

3.2.1 Franziskus, der Öko-Heilige

3.2.2 Bischöfe und Einrichtungen weltweit

3.2.3 Umwelt- und Klimaschutz vor Papst Franziskus

3.2.3.1 Papst Johannes Paul II

3.2.3.2 Papst Benedikt XVI

3.2.4 Franziskus, der Öko-Papst

3.2.4.1 Vor Laudato Si'

3.2.4.2 Franziskus' Laudato Si' (2015)

3.2.4.3 Nach Laudato Si'

3.3 Der Blick in Dokumente der Kirche in Deutschland

3.3.1 Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)

3.3.2 Deutsche Bischofskonferenz (DBK)

3.4 Fazit: Gute Ideen und wichtige Impulse

Kapitel 4: Schutz

4.1 Haupthandlungsfelder für Klimaschutzmaßnahmen

4.1.1 Energie

4.1.2 Gebäude

4.1.3 Verkehr

4.1.4 Ernährung

4.2 Weitere Ideen für konkrete Klimaschutzmaßnahmen

4.2.1 Weniger verschwenden

4.2.2 Auf nachhaltige Unternehmen achten

4.2.3 Bio-Produkte verwenden

4.2.4 Hier und jetzt

4.2.5 Teilen und selber machen

4.3 Klimaschutzmaßnahmen im Alltag der Pfarreien

4.4 Fiskalpolitische Maßnahmen

4.4.1 CO2 bepreisen

4.4.2 CO2-Steuer versus CO2-Emissionshandel

4.5 Irrwege beim Klimaschutz

4.5.1 „Bevölkerungswachstum stoppen!“

4.5.2 „Atomenergie länger nutzen!“

4.5.3 „Geoengineering: CO2 einfach speichern!“

4.6 Klimaschutz kostet Geld

4.7 Die Rolle Deutschlands beim Klimaschutz

Schlusswort

Zum Autor

Einleitung, oder: Mein Zugang zum Klima

Die Klimakrise ist eine Vertrauenskrise, eine Moralkrise, eine Glaubenskrise.

Der Klimawandel erfüllt mich mit Sorge. Nach dem, was über die Folgen des Klimawandels gesagt wird, ist das keine irrationale Angst, sondern eine berechtigte Befürchtung. Schon zu Beginn meiner Beschäftigung mit der Thematik vor gut einem Jahrzehnt waren die Warnungen nicht zu überhören. Lange vor Greta Thunberg und „Fridays For Future“ gab es allen Grund zur ernsten Besorgnis. Dass daraus bei einigen Menschen mittlerweile „Panik“ geworden ist, liegt nicht an mangelnden Erkenntnissen der Wissenschaft, sondern an der jahrzehntelangen Untätigkeit der Politik. Zwar hat es Beschlüsse gegeben, die wichtige Ziele formulierten und auch feststellten, wie diese zu erreichen sind, allein an der beherzten Umsetzung der Maßnahmen zur Zielerreichung haperte es.

Mittlerweile ist das anders: Die Rolle des Menschen als Einflussfaktor in allen klimarelevanten Prozessen ist allgemein anerkannt und zum Gegenstand politischen Handelns geworden. Die Politik müht sich zunehmend um konkrete rechtliche Regelungen zur Etablierung von Klimaschutzmaßnahmen in der Gesellschaft – auch als Ergebnis sozialen Drucks, wie ihn „Fridays For Future“ auf die Straße gebracht hat.1

Gleichzeitig ist es allerdings so, dass mit diesen unübersehbaren sozialen und politischen Prozessen die Öffentlichkeit mit dem ehedem akademischen Thema Klimawandel mehr und mehr in Berührung kommt. Und in dieser Öffentlichkeit stehen nun die wissenschaftlichen Erkenntnisse selbst in Frage, zumindest in dem nichtfachlichen öffentlichen Diskurs, wie er insbesondere in den Sozialen Medien stattfindet. Der Aufstieg dieser Kommunikationsform in den vergangenen zehn Jahren trägt mit dazu bei, dass in der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit ein Streit tobt, der innerhalb der Wissenschaft nicht mehr stattfindet und über den die Klimawissenschaftler kollektiv den Kopf schütteln. Man versucht also, die Veränderung in der Gesellschaft dadurch zu stoppen, dass man ihre Quelle untergräbt: die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das verfängt nicht, klar. Doch es ist Teil einer Abwehrstrategie gegen Veränderung, die als solche ernst genommen werden muss. Daher ist es wichtig, den Klimaschutz und seine (kostspieligen) Maßnahmen ganz grundlegend klimawissenschaftlich zu begründen, immer wieder, immer genauer, immer besser.

Ich bin kein Klimaforscher. Ich war nie in der Antarktis, um im Eis zu bohren. Um ganz ehrlich zu sein, verlasse ich meinen Schreibtisch nur selten, wenn ich arbeite. Meine Erkenntnisse stammen aus der Lektüre dessen, was andere zu sagen haben. Klimaforscher, Klimaaktivisten, Klimaskeptiker. Ich betrachte die Dinge dann mit meinen Augen: Die Arbeiten der Klimaforscher wissenschaftstheoretisch, die Einlassungen der Klimaaktivisten und Klimaskeptiker soziologisch. Mir ist dabei aufgefallen, dass sich die Klimakrise im Diskurs als eine dreifache gesellschaftliche Krise zeigt: als Vertrauenskrise, als Moralkrise, als Glaubenskrise.

Vertrauenskrise

Menschen misstrauen einander. Und das ist auch gut so. Zumindest muss es wohl in der Evolution des Menschen Phasen gegeben haben, in denen es sinnvoll war, ständig auf der Hut zu sein. Die meiste Zeit hat der Mensch ohne Gesetze und Gerichte überleben müssen, ohne Polizei und Alarmanlage.

Heute haben wir das alles. Doch so ganz frei sind wir auch heute nicht von dieser ererbten Angst. Wenn wir etwas erfahren, das wir nicht begreifen können, weil es uns gedanklich oder räumlich entzogen ist, werden wir unruhig und skeptisch. Verschwörungstheorien, die sich auf dieses archaische Muster stützen, haben Konjunktur: Es gibt eine Gruppe, die mehr weiß als wir, und uns zu ihren bösen Zwecken benutzt.

Die Skepsis des modernen Menschen richtet sich auf Eliten. Gepaart mit – geben wir es ruhig zu – ein wenig Neid auf „die da oben“ fällt es uns schwer, Vertrauen zu entwickeln. Desto schwerer, je eher und je mehr wir den Eindruck haben, hinters Licht geführt und betrogen zu werden. Stellen nun Eliten Nachteile für uns in Aussicht, ohne dem Anschein nach selbst davon betroffen zu sein, wächst die gesunde Skepsis zu einem prinzipiellen Misstrauen, aus dem heraus es für die Eliten keinen argumentativen Ausweg gibt.

Autorität, Expertise, Befugnis – was auch immer Eliten ins Feld führen, es verstärkt nur den Eindruck, die Wahrheit verschleiern und die Ungerechtigkeit rechtfertigen zu wollen. Je mehr Argumente – auch wissenschaftliche – genannt werden, desto tiefer das Misstrauen, zumal alle, die Argumente liefern, ja selbst Teil der Elite sind. Eine für die Demokratie dramatische und für den Klimaschutz tragische Konstellation.

Ich will versuchen, das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken, indem ich den bestehenden Konsens vorstellen, die wesentlichen Erkenntnisse dieser Mehrheit aufzeigen und skeptische Einwände dagegen entkräften werde.

Moralkrise

Stellen die Eliten Ansprüche an die Moral, treffen sie auf ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Das Grundproblem moralischer Appelle liegt schon darin begründet, dass wir keine gemeinsame Moral haben, weil wir unterschiedlichen Ethiken folgen. Was uns zusammenhält, ist nicht die Moral, sondern das Recht. Immanuel Kant hat dies schon vor über 200 Jahren begriffen und damit – für Preußen resp. Deutschland – die philosophische Grundlage des Rechtsstaats geschaffen.

Dennoch kann man nicht alles gesetzlich regeln. Menschen brauchen Moralität und leben in den meisten Fällen auch danach. Den Nachbarn zu grüßen, „Bitte“ und „Danke“ zu sagen oder Geld für eine karitative Einrichtung zu spenden ist nirgendwo normativ verordnet. Trotzdem tun die allermeisten Menschen das.

Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz gibt es zwei Tendenzen: Einerseits entwickelt sich eine „Hypermoral“, die alles dem Klima unterordnen will, andererseits ist die Verantwortungslosigkeit eines „Weiter so!“ zu beobachten, das sich aus mangelndem Vertrauen speist.

Ich will versuchen, aus der christlichen Anthropologie eine Ethik des Klimawandels zu entwickeln, mit der eine Moral Einzug halten kann, die beidem wehrt: Übertreibung und Gleichgültigkeit. Und die uns hilft, unserer Verantwortung gerecht zu werden.

Glaubenskrise

Religion als ein etabliertes und bedeutendes kulturelles Verständigungssystem muss auf den Klimawandel Antworten geben – und tut es auch. Gerade Christinnen und Christen sind in ganz unterschiedlicher Weise im Diskurs über das Thema Klimawandel aktiv. Kirchen- und Katholikentage finden seit Jahren „klimaneutral“ statt, es gibt seit 2010 den „Ökumenischen Tag der Schöpfung“, 2015 veröffentlichte Papst Franziskus seine Enzyklika Laudato si’.

Religion und Klimawandel stehen dennoch in einem uneindeutigen Verhältnis zueinander. Die Frage ist: Was dient hier eigentlich wem? Der Klimawandel der Religion – als neues Betätigungsfeld der Kirche (und wohl auch als Rechtfertigungsfigur) in säkularisierten Zeiten? Oder die Religion dem Klimaschutz – soweit deren machtvolle Sprachspiele helfen, das Thema im Diskurs prominent zu platzieren (und vielleicht auch immun zu machen gegen Kritik)? Entsteht mithin eine „Klimareligion“, welche die sakrale Tradition und die soziale Autorität der Kirche in die Umweltbewegung hineinträgt und sie so mit Sinngehalt auflädt, ja, unantastbar macht?

In der Tat gibt es beides in der Kirche: Zum einen wird versucht, das Engagement für Klimaschutz selbst als eine neue Religiosität zu bestimmen – selten affirmativ, zumeist, um sich dagegen zu positionieren. So wird rhetorisch eine Konkurrenz für die Kirche aufgebaut, geradezu ein katholisches „Feindbild“. Tatsächlich bietet sich der zuweilen pathetische Duktus der Klimaschutzbewegung dafür an. Zum anderen wird aber auch versucht, ein Engagement für Klimaschutz in die eigene Glaubenstradition einzubringen und dafür ebenfalls – nun aber ohne Zweifel affirmativ – religiöse Metaphern zu nutzen, die bekannt sich, aber doch in der Vergangenheit inhaltlich etwas weniger stark und höchstens unverbindlich gefüllt wurden: Bewahrung der Schöpfung, Schöpfungsverantwortung, Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung.

Ich will versuchen, eine christliche (insbesondere: katholische) Perspektive auf den Klimaschutz einzunehmen und anhand kirchlicher Verlautbarungen zu zeigen, dass der christliche Glaube katholischer Prägung Teil der Lösung des Klimaproblems sein kann.

„Nicht nur in der Natur, auch in der Gesellschaft gibt es Kipppunkte. Die Schülerbewegung Fridays for Future hat die gesellschaftliche Diskussion schon deutlich verändert, unterstützt von den mehr als 26.000 Wissenschaftlern von Scientists for Future und zahllosen anderen.“ (Stefan Rahmstorf,

https://www.sonnenseite.com/de/zukunft/klimaforscher-stefan-rahmstorf-das-ist-alarmstufe-rot.html)