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Louisa May Alcott

Little Women – Kleine Frauen

Illustrierte Fassung

Louisa May Alcott

Little Women – Kleine Frauen

Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020
Übersetzung: J. Schulze, Pauline Schantz
Illustrationen: Frank T. Merrill
EV: Fr. Wilh. Grunow, Leipzig, 1902 (602 S.)
1. Auflage, ISBN 978-3-962817-53-4

null-papier.de/688

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­ter Teil

1. Das Spiel der Pil­ger­rei­se

2. Fröh­li­che Weih­nach­ten

3. Der jun­ge Lau­rence

4. Bür­den

5. Gute Nach­barn

6. Bet­ty fin­det den Palast Wun­der­schön

7. Amys Tal der De­mü­ti­gung

8. Jo kämpft mit Apol­ly­on

9. Meg geht auf den Jahr­markt des Le­bens

10. P. C. und P. O.

11. Ex­pe­ri­men­te

12. Camp Lau­rence

13. Luft­sch­lös­ser

14. Ge­heim­nis­se

15. Ein Te­le­gramm

16. Brie­fe

17. Klein Im­mer­treu

18. Dunkle Tage

19. Amys Te­sta­ment

20. Im Ver­trau­en

21. Lau­rie rich­tet Un­heil an und Jo stif­tet Frie­den

22. Se­li­ge Flu­ren

23. Tan­te March bringt die Sa­che ins Rei­ne

Zwei­ter Teil

1. Plau­de­rei­en

2. Die ers­te Hoch­zeit

3. Kunst­ver­su­che

4. Li­te­ra­ri­sche Er­fah­run­gen

5. Häus­li­che Er­fah­run­gen

6. Be­su­che

7. Fol­gen

8. Un­se­re aus­län­di­sche Kor­re­spon­den­tin

9. Zärt­li­che Sor­gen

10. Jos Ta­ge­buch

11. Ein Freund

12. Herzweh

13. Bet­tys Ge­heim­nis

14. Neue Ein­drücke

15. Bei­sei­te­ge­legt

16. Lau­ries dol­ce far ni­en­te

17. Das Tal der Schat­ten

18. Ver­ges­sen ler­nen

19. Ganz al­lein

20. Über­ra­schun­gen

21. Myl­ord und Myla­dy

22. Dai­sy und Demi

23. Un­ter dem Re­gen­schirm

24. Ern­te­zeit

Dan­ke

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Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

 

Ihr
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Erster Teil

1. Das Spiel der Pilgerreise

Weih­nach­ten ohne Be­sche­rung ist nicht Weih­nach­ten!, murr­te Jo, die auf dem Ka­min­tep­pich aus­ge­streckt lag.

Wie schreck­lich ist es, arm zu sein!, seufz­te Meg mit ei­nem Blick auf ihr al­tes Kleid.

Ich fin­de es nicht hübsch, dass man­che Mäd­chen die schöns­ten Sa­chen im Über­fluss und an­de­re gar nichts ha­ben, setz­te die klei­ne Amy in et­was ge­kränk­tem Ton hin­zu.

Wir ha­ben im­mer­hin Va­ter, Mut­ter und uns ein­an­der, rief Bet­ty zu­frie­den aus ih­rem Win­kel­chen her­über.

Die vier jun­gen, vom Feu­er­schein be­leuch­te­ten Ge­sich­ter er­hell­ten sich bei die­sen Wor­ten, wur­den aber so­fort wie­der düs­ter, als Jo trau­rig sag­te:

Wir ha­ben den Va­ter nicht und wer­den ihn lan­ge nicht ha­ben. Sie setz­te nicht hin­zu: Vi­el­leicht nie! Aber die an­de­ren ta­ten’s im Stil­len und ge­dach­ten des Va­ters, der fern auf dem Schlacht­feld weil­te.

Eine Mi­nu­te lang sprach nie­mand, dann be­gann Meg in ver­än­der­tem Ton:

Ihr wisst, der Grund, wes­halb un­se­re Mut­ter dies Weih­nachts­fest ohne Ge­schen­ke zu be­ge­hen be­schloss, ist der, dass die­ser Win­ter für je­der­mann ein sehr har­ter ist. Sie will kein Geld für Ver­gnü­gen aus­ge­ge­ben wis­sen, wäh­rend un­se­re Leu­te drau­ßen die Drang­sa­le des Kriegs zu er­dul­den ha­ben. Wir ver­mö­gen nicht viel, aber wir kön­nen doch auch un­se­re klei­nen Op­fer brin­gen und sol­len dies freu­dig tun. Doch ich fürch­te, freu­dig tue ich’s nicht! Da­bei schüt­tel­te Meg den Kopf, in­dem sie an all die hüb­schen Din­ge dach­te, die sie sich wünsch­te.

Aber ich den­ke, das we­ni­ge, was wir drauf­ge­hen las­sen, könn­te auch nichts hel­fen. Wir be­sit­zen jede einen Dol­lar, und der wür­de der Ar­mee nicht viel nüt­zen. Ich bin da­mit ein­ver­stan­den, von der Mut­ter und euch nichts zu be­kom­men, doch möch­te ich mir »Un­di­ne« und »Sin­tram« für mich selbst kau­fen; ich wün­sche sie mir so lan­ge schon!, sag­te Jo, die ein Bü­cher­wurm war.

Ich hat­te mir vor­ge­nom­men, mei­nen Dol­lar für No­ten aus­zu­ge­ben, sag­te Bet­ty mit ei­nem klei­nen Seuf­zer, den nie­mand hör­te als der Ka­min­be­sen und der Kes­sel­ha­ken.

Ich wer­de mir ein hüb­sches Etui mit Fa­ber’­schen Blei­stif­ten kau­fen, die ich not­wen­dig brau­che, sag­te Amy ent­schie­den.

Die Mut­ter hat un­se­res Gel­des we­gen nichts be­stimmt, und sie wird nicht wol­len, dass wir al­lem ent­sa­gen. So lasst uns jede kau­fen, was wir nö­tig brau­chen, und uns einen klei­nen Spaß ma­chen. Ich mei­ne, den ha­ben wir uns sau­er ge­nug ver­die­nen müs­sen!, rief Jo und be­trach­te­te wie ein Mann ihre Stie­fel­ab­sät­ze.

Von mir weiß ich das ge­wiss, fast den gan­zen Tag lang die­se schreck­li­chen Kin­der zu un­ter­rich­ten, wenn man sich’s da­heim gern möch­te wohl sein las­sen, füg­te Meg, in den kläg­li­chen Ton zu­rück­fal­lend, hin­zu.

Ihr hab­t’s nicht halb so schlimm wie ich, jam­mer­te Jo. Wie würd es euch ge­fal­len, stun­den­lang mit ei­ner al­ten, ner­vö­sen, ver­wöhn­ten Dame ein­ge­schlos­sen zu sein, die euch stets im Trab hält, nie zu­frie­den ist und euch quält, bis ihr zum Fens­ter hin­aus­flie­gen oder sie ohr­fei­gen möch­tet?

Es ist un­ar­tig, zu kla­gen, aber mei­ne Mei­nung ist, dass Ge­schir­r­auf­wa­schen und Mö­bel­ab­stäu­ben die schlimms­ten Ar­bei­ten in der Welt sind. Es macht mich ver­stimmt und mei­ne Hän­de so steif, dass ich kaum mei­ne Stücke üben kann. Da­bei sah Bet­ty auf ihre rau­en Hän­de mit ei­nem Seuf­zer, den dies­mal je­der hö­ren konn­te.

Ich glau­be nicht, dass eine von euch so lei­det wie ich, rief Amy, denn ihr braucht nicht mit im­per­ti­nen­ten Mäd­chen in die Schu­le zu ge­hen, die euch pla­gen, wenn ihr eure Auf­ga­be nicht könnt, eu­ren An­zug be­spöt­teln, über eure Nase la­chen, wenn sie nicht hübsch ist, und eu­ren Va­ter eti­ket­tie­ren, wenn er nicht reich ist.

Wenn du per­si­flie­ren meinst, könn­test du recht ha­ben, doch sprich nicht von Eti­ket­ten, als ob Papa eine Pi­ckel­büch­se wäre, sag­te Jo la­chend.

Ich weiß, was ich mei­ne, und du brauchst dar­über nicht sa­ti­risch zu sein. Es ist sehr gut, sich ge­wähl­ter Aus­drücke zu be­die­nen und sei­nen Wort­schatz zu be­rei­chern, sag­te Amy mit Wür­de.

Hackt nicht auf­ein­an­der, Kin­der! Wünschst du nicht, dass wir das Geld noch hät­ten, das Papa ver­lor, als wir klein wa­ren, Jo?, frag­te Meg, die an ver­gan­ge­ne bes­se­re Zei­ten zu­rück­zu­den­ken ver­moch­te. Lie­ber Gott, wie glück­lich und gut wür­den wir sein, wenn wir kei­ne Müh­sal hät­ten.

Neu­lich sag­test du doch, wir sei­en viel glück­li­cher als Kings Kin­der, die sich trotz ih­res Gel­des alle Tage zan­ken und är­gern.

Das sag­te ich, Bet­ty. Ja, ich den­ke, wir sin­d’s auch: denn ob­gleich wir hart ar­bei­ten müs­sen, so ha­ben wir doch auch un­se­ren Spaß un­ter uns und sind ein ur­ge­müt­li­ches Volk, wie Jo sa­gen wür­de.

Jo be­dient sich sol­cher Stu­den­ten­aus­drücke, be­merk­te Amy, in­dem sie die auf dem Ka­min­tep­pich aus­ge­streck­te Ge­stalt miss­bil­li­gend an­sah. Jo sprang so­fort in die Höhe, steck­te ihre Hän­de in die Schür­zen­ta­schen und be­gann zu pfei­fen.

Lass das sein, Jo, es ist so bur­schi­kos.

Des­halb tu ich’s eben!

Ich ver­ab­scheue rohe, un­weib­li­che Mäd­chen.

Ich has­se zim­per­li­che Zier­püpp­chen.

Vög­lein im Nest ver­tra­gen sich, sang Bet­ty, die Frie­dens­stif­te­rin, mit so spaß­haf­ter Mie­ne, dass bei­de är­ger­li­chen Ge­sich­ter sich zu ei­nem La­chen auf­klär­ten und das »Ha­cken« eine Zeit lang un­ter­blieb.

Wirk­lich, ihr Mäd­chen, ihr seid bei­de zu ta­deln, be­gann Meg, die sich als äl­tes­te Schwes­ter des Rechts der Rüge be­dien­te. Du bist alt ge­nug, Jo­se­phi­ne, um die­se kna­ben­haf­ten Ma­nie­ren bei­sei­te­zu­las­sen und dich bes­ser be­tra­gen zu ler­nen. Als du ein klei­nes Kind warst, kam nicht viel dar­auf an, doch nun, da du so groß bist und dein Haar auf­ge­bun­den trägst, soll­test du dar­an den­ken, dass du eine jun­ge Dame bist.

Ich bin kei­ne! Und wenn das Haar­auf­ste­cken mich zu ei­ner macht, so will ich’s in zwei Zöp­fen hän­gen las­sen, bis ich zwan­zig Jah­re alt bin!, rief Jo, in­dem sie ihr Netz vom Kopf riss und ihre nuss­brau­ne Mäh­ne schüt­tel­te. Ich mag gar nicht dar­an den­ken, dass ich zu ei­ner Miss March her­an­wach­sen, lan­ge Klei­der tra­gen und steif wie eine Por­zel­la­nas­ter aus­se­hen soll. Es ist so­wie­so schreck­lich ge­nug, ein Mäd­chen zu sein, wenn man Kna­ben­spie­le, Kna­ben­ar­beit und Ma­nie­ren liebt. Ich kann mei­nen Är­ger, dass ich kein Kna­be bin, nicht ver­win­den, und jetzt quält er mich mehr denn je, wo ich so gern mit Papa in den Krieg ge­zo­gen wäre und nun zu Hau­se blei­ben und wie eine wa­cke­li­ge alte Frau St­rümp­fe stri­cken muss.

Dazu schüt­tel­te Jo den blau­en Sol­da­ten­strumpf, dass die Na­deln wie Kas­ta­gnet­ten klap­per­ten und das Knäu­el im Zim­mer um­her­hüpf­te.

Arme Jo! Es ist zu schlimm! Doch da es nun ein­mal nicht zu än­dern ist, musst du dich da­mit be­gnü­gen, dei­nem Na­men einen männ­li­chen Klang zu ge­ben und uns drei Schwes­tern ge­gen­über Bru­der zu spie­len, sag­te Bet­ty, in­dem sie den wir­ren Kopf, der auf ih­rem Schoß lag, mit ei­ner Hand strei­chel­te, de­ren Berüh­rung trotz al­len Ge­schir­r­auf­wa­schens und Ab­stäu­bens nicht rau ge­wor­den.

Was dich be­trifft, Amy, fuhr Meg fort, so bist du viel zu steif und ge­ziert. Dei­ne Art und Wei­se ist jetzt nur ko­misch, doch wirst du mit der Zeit ein af­fek­tier­tes Gäns­chen wer­den, wenn du dich nicht än­derst. Ich mag dei­ne hüb­schen Ma­nie­ren und dei­ne fei­ne Re­de­wei­se ganz gern, so­bald du dich nicht be­mühst, ele­gant zu sein; aber dei­ne ge­such­ten Aus­drücke sind eben­so ab­surd wie Jos Kraft­wor­te.

Wenn Jo ein Wild­fang und Amy eine Gans ist, was bin dann ich, bit­te?, frag­te Bet­ty, die auch ih­ren Teil Schel­te ha­ben woll­te.

Du bist un­ser Lieb­ling und nichts wei­ter, ant­wor­te­te Meg herz­lich, und nie­mand wi­der­sprach ihr, denn »die Maus« war das Schoß­kind des Hau­ses.

Da jun­ge Le­ser gern wis­sen wol­len, wie die Leu­te aus­se­hen, so be­nut­zen wir die­sen Mo­ment, die vier Schwes­tern zu skiz­zie­ren, die im Däm­mer­licht em­sig strick­ten, wäh­rend drau­ßen der Schnee fiel und drin­nen das Ka­min­feu­er knis­ter­te.

Das Zim­mer mach­te einen be­hag­li­chen Ein­druck, ob­schon der Tep­pich ver­bli­chen und die Ein­rich­tung sehr ein­fach war; denn ei­ni­ge gute Bil­der hin­gen an den Wän­den, Bü­cher reih­ten sich auf den Ge­stel­len, Chrysan­the­men und Weih­nachts­ro­sen blüh­ten am Fens­ter, und ein wohl­tu­en­der Hauch häus­li­chen Frie­dens er­füll­te den Raum.

Mar­ga­re­te, die äl­tes­te der vier Schwes­tern, war sech­zehn und sehr hübsch; rund­lich und zart, mit großen Au­gen, ei­ner Fül­le wei­chen, brau­nen Haars, ei­nem lieb­li­chen Mund und fei­nen wei­ßen Hän­den, auf die sie nicht we­nig stolz war. Die fünf­zehn­jäh­ri­ge Jo war groß, ma­ger, braun und er­in­ner­te an ein jun­ges Fül­len, da sie nie recht wuss­te, was sie mit ih­ren lan­gen Glie­dern an­fan­gen soll­te, die ihr sehr im Wege wa­ren. Sie hat­te einen ent­schlos­se­nen Mund, eine drol­li­ge Nase und graue, scharf­bli­cken­de Au­gen, die al­les zu­gleich zu se­hen schie­nen und ab­wech­selnd wild, spaß­haft oder nach­denk­lich bli­cken konn­ten. Ihr lan­ges, rei­ches Haar war ihre ein­zi­ge Schön­heit, doch trug sie es ge­wöhn­lich in ei­nem Netz, da­mit es ihr nicht be­schwer­lich fal­le. Au­ßer­dem be­saß Jo run­de Schul­tern, große Hän­de und Füße, eine Nicht­ach­tung für ihre äu­ße­re Er­schei­nung und je­nes un­schö­ne We­sen ei­nes ge­gen sei­nen Wil­len zur Frau­en­ge­stalt auf­ge­schos­se­nen Kin­des. Eli­sa­beth, oder Bet­ty, wie sie von je­der­mann ge­nannt wur­de, war ein ro­si­ges, weich­haa­ri­ges, hell­äu­gi­ges Mäd­chen mit ei­nem schüch­ter­nen Be­neh­men, ei­nem furcht­sa­men Stimm­chen und ei­nem fried­vol­len Ge­sichts­aus­druck, der nur sel­ten ge­stört wur­de. Ihr Va­ter nann­te sie sein »Kind­chen Still­ver­gnügt«, und der Name pass­te sehr gut für sie, denn sie schi­en in ei­ner ihr ei­ge­nen glück­li­chen Welt zu le­ben, aus der sie nur her­austrat, um mit we­ni­gen, die sie lieb­te und de­nen sie ver­trau­te, zu ver­keh­ren. Amy, ob­schon die Jüngs­te, war ein sehr wich­ti­ges Per­sön­chen, we­nigs­tens nach ih­rer ei­ge­nen Mei­nung. Eine wah­re Schnee­jung­frau, mit blau­en Au­gen, gel­bem, über die Schul­tern fal­len­dem Lo­cken­haar und der Hal­tung ei­ner selbst­be­wuss­ten jun­gen Dame.

Die Cha­rak­tere der vier Schwes­tern mag sich der Le­ser selbst zu­sam­men­set­zen.

Die Uhr schlug sechs, und nach­dem Bet­ty den Herd ab­ge­kehrt, setz­te sie ein Paar Haus­schu­he auf den­sel­ben, um sie zu wär­men. Der An­blick der Schu­he, die die bal­di­ge Heim­kehr der Mut­ter ver­kün­dig­ten, tat eine gute Wir­kung auf die Mäd­chen; sie er­hei­ter­ten sich, um die Mut­ter freund­lich zu be­grü­ßen. Meg hör­te mit Schel­ten auf und steck­te die Lam­pe an, Amy stand un­auf­ge­for­dert von dem Lehn­stuhl auf, in dem sie ge­ses­sen, und Jo ver­gaß ihre Mü­dig­keit, stell­te sich ans Feu­er und wärm­te die Schu­he.

Sie sind ganz ab­ge­tra­gen. Mar­mee muss ein neu­es Paar be­kom­men.

Ich dach­te, ihr ein Paar für mei­nen Dol­lar zu kau­fen, sag­te Bet­ty.

Nein, ich wer­de es tun!, rief Amy.

Ich bin die Äl­tes­te, be­gann Meg; doch Jo fiel ihr ge­bie­te­risch ins Wort:

Ich bin der Mann im Haus, da Papa fort ist, und ich wer­de die Haus­schu­he kau­fen; Papa hat mir bei sei­ner Abrei­se die Für­sor­ge für die Mut­ter über­tra­gen.

Ich will euch sa­gen, was wir tun, ver­setz­te Bet­ty, lasst uns ihr jede et­was für un­ser Geld und nichts für uns selbst kau­fen.

Das sieht dir ähn­lich, du Lie­be!, rief Jo. Was wol­len wir kau­fen?

Jede dach­te eine Mi­nu­te ru­hig nach, dann er­öff­ne­te Meg, als ob ihr der Ge­dan­ke durch den An­blick ih­rer ei­ge­nen schö­nen Hän­de ge­kom­men sei:

Ich wer­de ihr ein Paar net­te Hand­schu­he kau­fen.

Die bes­ten Sol­da­ten­schu­he, die zu ha­ben sind!, rief Jo.

Ei­ni­ge be­reits ge­säum­te Ta­schen­tü­cher, mein­te Bet­ty.

Ich den­ke, ihr eine klei­ne Fla­sche Eau de Co­lo­gne zu kau­fen, das sie sehr liebt; dies wird nicht viel kos­ten, und so bleibt mir noch et­was Geld für mich selbst üb­rig, setz­te Amy hin­zu.

Wie wol­len wir ihr die Sa­chen ge­ben?, frag­te Meg.

Wir le­gen al­les auf den Tisch, füh­ren sie her­ein und las­sen sie die Pa­ke­te öff­nen. Wisst ihr nicht mehr, wie wir es im­mer an un­se­ren Ge­burts­ta­gen mach­ten?, ant­wor­te­te Jo.

Ich war je­des Mal so er­schro­cken, wenn die Rei­he an mich kam, mit ei­ner Kro­ne auf dem Kopf in dem großen Stuhl zu sit­zen und zu se­hen, wie ihr alle fei­er­lich ein­her­ge­schrit­ten kamt, um mir die Ge­schen­ke mit ei­nem Kuss zu über­rei­chen. Ich freu­te mich über die Ge­schen­ke und die Küs­se, aber es war mir schreck­lich, eure Au­gen alle auf mich ge­rich­tet zu wis­sen, wäh­rend ich die Pa­ke­te öff­ne­te, sag­te Bet­ty, wel­che zu glei­cher Zeit ihr Ge­sicht und die Brot­schnit­te rös­te­te.

Mar­mee mag den­ken, dass wir für uns selbst ein­kau­fen, und dann über­rascht sein. Wir müs­sen mor­gen ein­kau­fen ge­hen, Meg: Es ist so viel noch für das Weih­nachtss­piel zu be­sor­gen, sag­te Jo, in­dem sie, die Hän­de auf dem Rücken und die Nase in der Luft, im Zim­mer auf und ab mar­schier­te.

Ich den­ke, dies soll mein letz­tes Weih­nachtss­piel sein, ich wer­de zu alt für sol­che Sa­chen, be­merk­te Meg, die so kin­disch wie mög­lich war, wenn es sich ums Ver­klei­den han­del­te.

Ich weiß, du wirst nicht so bald auf­hö­ren, du siehst dich gar so gern im lan­gen wei­ßen Kleid, mit flie­gen­dem Haar und mit Gold­pa­pier­ju­we­len ge­schmückt. Du bist un­se­re bes­te Schau­spie­le­rin, und wir müs­sen ein­pa­cken, wenn du den Bret­tern Le­be­wohl sagst, mein­te Jo.

Wir müs­sen heu­te Abend Pro­be hal­ten; komm her, Amy, mach die Ohn­machts­sze­ne, denn du bist so steif dar­in wie ein Schürei­sen.

Ich kann’s nicht bes­ser, ich habe noch nie­mand ohn­mäch­tig wer­den se­hen, und ich mag nicht, wie du meinst, mich platt hin­wer­fen, um blaue Fle­cke da­von­zu­tra­gen. Wenn’s zier­lich ge­sche­hen kann, so will ich um­fal­len, wenn nicht, so sin­ke ich gra­zi­ös in einen Stuhl. Ich ma­che mir gar nichts dar­aus, wenn Hugo mit ei­nem Pis­tol auf mich los­stürzt, ent­geg­ne­te Amy, die kei­ne Spur dra­ma­ti­schen Tal­ents be­saß und nur mit­spie­len soll­te, weil sie klein ge­nug war, um vom Hel­den des Stücks schrei­end von der Büh­ne ge­tra­gen wer­den zu kön­nen.

Sieh her, mach’s so wie ich, rin­ge die Hän­de und schwan­ke, wie wahn­sin­nig »Ro­de­ri­go, ret­te mich! Ret­te mich!« schrei­end über die Büh­ne. Und Jo tau­mel­te da­hin und stieß einen marker­schüt­tern­den me­lo­dra­ma­ti­schen Schrei aus.

Amy ver­such­te ih­r’s nach­zu­tun, aber sie streck­te die Hän­de steif vor sich hin und knick­te wie eine Ma­rio­net­te zu­sam­men, wäh­rend ihr »Au!« eher von ei­nem Steck­na­del­stich als von tra­gi­scher Verzweif­lung her­vor­ge­ru­fen schi­en.

Jo stieß ein Stöh­nen voll­stän­di­ger Ent­mu­ti­gung aus, Meg lach­te hell auf, und Bet­ty, die der dra­ma­ti­schen Pro­be auf­merk­sam folg­te, ließ ihr Brot am Feu­er an­bren­nen.

Es geht nicht, tu, was du kannst, bei der Auf­füh­rung, doch wenn dich die Zuschau­er aus­la­chen, so gib nicht mir die Schuld. Nun komm, Meg!

Jetzt gin­gen die Sa­chen glatt. Don Pe­dro trotz­te der Welt in ei­ner zwei Sei­ten lan­gen Rede, ohne zu sto­cken; Ha­gar, die Hexe, sang eine schau­er­li­che Be­schwö­rung über ih­rem Kes­sel voll ko­chen­der Krö­ten mit wun­der­vol­lem Ef­fekt; Ro­de­ri­go zer­riss mit männ­li­chem An­stand sei­ne Ket­ten, und Hugo starb in To­des­qua­len, von den Wir­kun­gen des Ar­se­niks und den Glu­ten der Reue ge­pei­nigt, mit ei­nem wil­den »Ha! Ha!«.

Es ist das Bes­te, was wir ge­habt ha­ben, sag­te Meg, als der tote Bö­se­wicht auf­stand und sei­ne Ell­bo­gen rieb.

Ich kann nicht be­grei­fen, wie du solch herr­li­che Sa­chen schrei­ben und spie­len kannst, Jo; du bist ein zwei­ter Sha­ke­s­pea­re, rief Bet­ty, die fest an eine un­ge­wöhn­lich wun­der­vol­le Be­ga­bung ih­rer Schwes­ter glaub­te.

Nicht ganz, ent­geg­ne­te Jo be­schei­den. Ich hal­te zwar die tra­gi­sche Oper »Der Fluch der Hexe« auch für ein net­tes Stück, wür­de aber lie­ber »Mac­beth« ver­su­chen, wenn wir nur eine Ver­sen­kung für Ban­quos Geist hät­ten. Ich möch­te so gern die Mör­der­rol­le spie­len. Ist dies ein Dolch, was ich da vor mir sehe?, mur­mel­te Jo, ihre Au­gen rol­lend und in die Luft grei­fend, wie sie dies einst von ei­nem be­rühm­ten Tra­gö­den ge­se­hen hat­te.

Nein, es ist die Röst­ga­bel mit Ma­mas Schuh dar­an statt des Brots; auch Bet­ty er­greift das Thea­ter­fie­ber!, rief Meg, und die Pro­be en­de­te un­ter all­ge­mei­nem Ge­läch­ter.

Freut mich, euch so lus­tig zu fin­den, mei­ne Mäd­chen, ließ sich eine freund­li­che Stim­me von der Tür her ver­neh­men, und Schau­spie­ler wie Pub­li­kum eil­ten, eine star­ke, müt­ter­lich aus­se­hen­de Frau zu be­grü­ßen, der Güte und Hilfs­be­reit­schaft aufs Wohl­tu­ends­te aus den Au­gen leuch­te­te. Sie war nicht eben eine be­son­ders hüb­sche Er­schei­nung, doch Müt­ter sind in ih­rer Kin­der Au­gen im­mer rei­zend, und die Mäd­chen mein­ten, der graue Man­tel und der alt­mo­di­sche Hut be­deck­ten die schöns­te Frau der Welt.

Nun, ihr Lie­ben, wie habt ihr den Tag ver­bracht? Es gab so viel mit dem Ein­pa­cken der Schach­teln, die mor­gen ab­ge­hen sol­len, zu tun, dass ich nicht zu Tisch kom­men konn­te. Ist je­mand da ge­we­sen, Bet­ty? Wie steht’s mit dei­ner Er­käl­tung, Meg? Jo, du siehst mir tod­mü­de aus. Komm und küs­se mich, Klei­ne!

Wäh­rend Mrs March die­se müt­ter­li­chen Fra­gen tat, zog sie ihre nas­sen Sa­chen aus, die war­men Schu­he an, setz­te sich in den Arm­stuhl, zog Amy auf ih­ren Schoß und mach­te sich be­reit, die glück­lichs­te Stun­de des Ta­ges zu ge­nie­ßen, den sie in Ar­beit und An­stren­gung ver­bracht. Die Mäd­chen flo­gen um­her, jede auf ihre Wei­se be­müht, al­les ge­müt­lich her­zu­rich­ten. Meg deck­te den Tee­tisch; Jo brach­te Holz her­bei und setz­te die Stüh­le zu­recht, al­les, was sie in die Hand nahm, fal­len las­send, um­wer­fend und klap­pernd ma­chend. Bet­ty trot­te­te ru­hig und ge­las­sen zwi­schen Wohn­stu­be und Kü­che hin und her, wäh­rend Amy, die Hän­de im Schoß da­sit­zend, al­len Be­feh­le aus­teil­te.

Als sie um den Tisch ge­reiht sa­ßen, sag­te Mrs March mit ei­nem ganz be­son­ders glück­li­chen Ge­sicht: Ich habe nach dem Tee einen Schmaus für euch.

Ein schnel­les, freu­di­ges Lä­cheln flog wie ein Son­nen­strahl über je­des Ge­sicht. Bet­ty schlug, un­ge­ach­tet des hei­ßen Bis­kuits, das sie hielt, ihre Hän­de zu­sam­men, und Jo warf ihre Ser­vi­et­te in die Höhe mit dem Ruf: Ein Brief, ein Brief! Drei Hur­ra für Papa!

Ja, ein hüb­scher, lan­ger Brief. Er be­fin­det sich wohl und hofft die kal­te Jah­res­zeit bes­ser zu über­ste­hen, als wir ge­fürch­tet. Er sen­det alle mög­li­chen zärt­li­chen Wün­sche fürs Weih­nachts­fest und eine be­son­de­re Bot­schaft für euch, ihr Mäd­chen, sag­te Mrs March, an ihre Ta­sche klop­fend, als ob die­se einen Schatz ent­hiel­te.

Be­eilt euch, dass ihr fer­tig wer­det! Hal­te dich nicht da­mit auf, dei­nen klei­nen Fin­ger zu dre­hen und dich über dei­nem Tel­ler zu zie­ren, Amy, rief Jo, in­dem sie ih­ren Tee hin­un­ter­stürz­te und ihr Brot, mit der But­ter nach un­ten, auf den Tep­pich fal­len ließ in der Hast, den ver­hei­ße­nen Schmaus zu ge­nie­ßen.

Bet­ty aß nicht mehr, son­dern schlich in ihr dunkles Eck­chen, wo sie sich ganz still auf den Ge­nuss freu­te, der ihr be­vor­stand, wenn die an­de­ren fer­tig wä­ren.

Ich fin­de es so herr­lich vom Va­ter, dass er als Feld­geist­li­cher mit­ging, da er zu alt und nicht stark ge­nug war, um den Krieg als Sol­dat mitz­u­ma­chen, sag­te Meg herz­lich.

Wie wünsch­te ich, als Tam­bour, als Vi­van – wie heißt’s doch gleich? – oder als Kran­ken­wär­te­rin zu ge­hen, so­dass ich bei ihm sein und ihm bei­ste­hen könn­te!, rief Jo laut at­mend.

Wie schreck­lich, seufz­te Amy, un­ter ei­nem Zelt zu schla­fen, alle mög­li­chen schlecht schme­cken­den Din­ge zu es­sen und aus ei­nem Zinn­krug zu trin­ken.

Wann wird er heim­kom­men, Mar­mee?, frag­te Bet­ty mit ei­nem lei­sen Zit­tern ih­rer Stim­me.

Nicht un­ter meh­re­ren Mo­na­ten, mein Kind, wenn er nicht krank wird. Er wird blei­ben und sein Werk, so­lan­ge er kann, treu­lich zu Ende füh­ren, und wir wol­len ihn uns nicht eine Mi­nu­te eher zu­rück­wün­schen, als er ent­behrt wer­den kann.

Alle reih­ten sich ums Feu­er, die Mut­ter in ih­rem Arm­stuhl mit Bet­ty zu ih­ren Fü­ßen, Meg und Amy ihr zur Sei­te, je eine auf der Arm­leh­ne des Stuhls sit­zend, und Jo über die Rücken­leh­ne ge­beugt, wo nie­mand ein Zei­chen ih­rer Er­re­gung se­hen konn­te, wenn der Brief etwa rüh­ren­de Stel­len ent­hal­ten soll­te.

We­nig Brie­fe wur­den wäh­rend die­ser har­ten Zei­ten ge­schrie­ben, die nicht rüh­rend ge­we­sen wä­ren, be­son­ders die, die die Vä­ter nach Hau­se sand­ten. In die­sem war nicht viel von er­tra­ge­nen Be­schwer­den, be­stan­de­nen Ge­fah­ren oder über­wun­de­nem Heim­weh die Rede; es war ein hei­te­rer, hoff­nungs­fro­her Brief, voll von le­ben­di­gen Be­schrei­bun­gen des Le­bens im Feld, der Mär­sche und mi­li­tä­ri­schen Neu­ig­kei­ten; nur am Ende des Briefs floss des Schrei­bers Herz in vä­ter­li­cher Lie­be und Sehn­sucht für die klei­nen Mäd­chen da­heim über.

Sag ih­nen al­len, dass ich sie in­nig lie­be und küs­se; sag ih­nen, dass ich des Ta­ges ih­rer ge­den­ke und des Nachts für sie bete und mein größ­tes Glück all­zeit in ih­rer Lie­be fin­de.

Ein Jahr bis zum Wie­der­se­hen scheint wohl eine lan­ge Zeit, doch er­in­ne­re sie dar­an, dass wir die Tage des War­tens mit Ar­beit aus­fül­len, so­dass sie nicht ver­lo­ren sind. Ich weiß, dass sie alle mei­ner Ge­bo­te ein­ge­denk sein wer­den, dir zärt­li­che Kin­der sein, ihre Pf­lich­ten ge­treu­lich er­fül­len, ihre bö­sen Re­gun­gen tap­fer be­kämp­fen und sich sieg­reich be­herr­schen ler­nen wer­den, dass ich, wenn ich zu­rück­keh­re, mit mehr Stolz und Lie­be als je, mich mei­ner »klei­nen Frau­en« er­freu­en kann.

Alle hat­ten Trä­nen in den Au­gen, als man an die­se Stel­le ge­kom­men war. Jo schäm­te sich der großen Zäh­re nicht, die von ih­rer Na­sen­spit­ze tropf­te, und Amy küm­mer­te sich um das Zer­drücken ih­rer Lo­cken nicht, als sie ihr Ge­sicht an der Mut­ter Schul­ter barg und schluch­zend rief: Ich bin ein selbst­süch­ti­ges Ge­schöpf! Aber ich will mich zu bes­sern su­chen, da­mit er einst nicht durch mich in sei­nen Hoff­nun­gen ge­täuscht wer­de.

Das wol­len wir alle, rief Meg; ich bin ei­tel und has­se die Ar­beit! Aber ich will mich än­dern, wenn ich’s kann!

Ich wer­de mir Mühe ge­ben, das zu sein, was er wünscht, dass ich sein soll: eine klei­ne Frau, und nicht roh und wild blei­ben; hier mei­ne Pf­licht er­fül­len, statt mich in die Fer­ne zu seh­nen, sag­te Jo, in der Mei­nung, das Be­kämp­fen ih­rer Sin­nes­art da­heim sei eine viel schwe­re­re Auf­ga­be als die, ei­ni­gen Re­bel­len drun­ten im Sü­den ge­gen­über­zu­ste­hen.

Bet­ty sag­te nichts, son­dern trock­ne­te ihre Trä­nen mit dem blau­en Sol­da­ten­strumpf ab und fing mit al­ler Macht zu stri­cken an, um an ih­rer nächst­lie­gen­den Pf­licht nichts zu ver­säu­men, wäh­rend sie in ih­rer klei­nen, stil­len See­le den Ent­schluss fass­te, so zu wer­den, wie ihr Va­ter sie zu fin­den hoff­te, wenn die Zeit ihn einst glück­lich in die Hei­mat zu­rück­füh­ren wür­de.

Mrs March un­ter­brach die Stil­le, die Jos Wor­ten ge­folgt war, in­dem sie mit ih­rer freund­li­chen Stim­me sag­te: Erin­nert ihr euch, wie ihr die Pil­ger­rei­se zu spie­len pfleg­tet, als ihr klei­ne Kin­der wart? Nichts mach­te euch mehr Freu­de, als wenn ich euch mei­ne Fli­cken­bün­del auf den Rücken band als Bür­den, euch Pil­ger­hü­te, Ste­cken und Pa­pi­er­rol­len gab und euch durchs gan­ze Haus wan­dern ließ, vom Kel­ler, wo die Stadt des Ver­der­bens war, bis hin­auf aufs Dach, wo ihr alle hüb­schen Din­ge, de­ren ihr hab­haft wer­den konn­tet, auf­ge­stellt hat­tet, um die Stadt der Se­lig­keit dar­zu­stel­len?

Wie spaß­haft war es, rief Jo, bei den Lö­wen vor­über­zu­ge­hen, mit Apol­ly­on zu kämp­fen und durch das Tal der Ge­s­pens­ter zu wan­dern!

Ich lieb­te die Stel­le, wo die Bür­den uns vom Rücken fie­len und die Trep­pe hin­ab­kol­ler­ten, sag­te Meg.

Mein Lieb­lings­platz war das fla­che Dach, wo un­se­re Blu­men und Lau­ben und alle hüb­schen Sa­chen stan­den und wo wir so freu­dig im hel­len Son­nen­schein san­gen, mein­te Bet­ty, in Erin­ne­rung an je­nen glück­li­chen Au­gen­blick still vor sich hin lä­chelnd.

Ich kann mich all des­sen nicht mehr ge­nau ent­sin­nen, nur, dass ich mich vor dem Kel­ler und dem dunklen Haus­gang fürch­te­te und mich an der Milch und dem Ku­chen freu­te, die wir auf dem Dach fan­den. Wenn ich nicht zu alt wäre, wür­de ich es gern noch ein­mal spie­len, setz­te Amy hin­zu, die, im rei­fen Al­ter von zwölf Jah­ren ste­hend, vom Auf­ge­ben kind­li­cher Freu­den zu re­den be­gann.

Wir sind hier­zu nie zu alt, lie­bes Kind, denn es ist ein Spiel, das wir le­bens­lang auf die­se oder jene Wei­se spie­len müs­sen. Wir ha­ben un­se­re Bür­den, un­ser Weg liegt vor uns, und die Sehn­sucht nach Fröm­mig­keit und Glück­se­lig­keit ist un­se­re Füh­re­rin durch man­che Wirr­sa­le und Irr­tü­mer bis zum Frie­den, der die wah­re Stadt der Se­lig­keit ist. Nun, mei­ne klei­nen Pil­ger, was meint ihr? Fangt noch ein­mal an, nicht im Spiel, son­dern im Ernst, und seht, wie weit ihr bis zur Rück­kehr des Va­ters ge­langt.

Wirk­lich, Mut­ter? Wo sind un­se­re Bür­den?, frag­te Amy, die eine sehr am Buch­sta­ben haf­ten­de jun­ge Dame war.

Jede von euch hat ihre Bür­de be­reits ge­nannt, au­ßer Bet­ty, ich den­ke, sie hat gar kei­ne, sag­te die Mut­ter.

Ja, ich habe mei­ne Bür­de!, rief Bet­ty. Schüs­seln sind drin und Wisch­tü­cher und der Neid auf die Mäd­chen, die schö­ne Pia­nos be­sit­zen, und die Furcht vor den Men­schen.

Bet­tys Bür­de war so drol­li­ger Art, dass jede dar­über la­chen woll­te, aber kei­ne tat’s, um des Schwes­ter­chens Ge­füh­le nicht zu ver­let­zen.

Lasst uns pil­gern, mein­te Meg, es ist nur ein an­de­rer Name für die Be­mü­hung, gut zu sein; das Gleich­nis mag uns hel­fen, denn ob­schon wir gut sein möch­ten, ist es doch schwe­re Ar­beit, wir ver­ges­sen oft und stren­gen uns nicht an.

Wir wa­ren heu­te Abend im Pfuhl des Klein­muts, bis die Mut­ter kam und uns her­aus­zog, wie die Hil­fe es in der Er­zäh­lung tut. Wir soll­ten auch wie dort un­se­re Weg­wei­s­er­rol­len ha­ben. Wie sol­len wir das an­fan­gen?, frag­te Jo, ent­zückt von dem Ge­dan­ken, durch et­was Ro­man­tik die oft trü­be und scha­le Ar­beit der Pf­licht­er­fül­lung sich zu er­leich­tern.

Seht am Christ­mor­gen un­ter euer Kopf­kis­sen, da wer­det ihr eu­ren Weg­wei­ser fin­den, sag­te Mrs March.

Sie be­spra­chen den neu­en Plan, wäh­rend Han­nah den Tisch ab­räum­te; dann wur­den die vier Ar­beits­kör­be her­bei­ge­holt, und die Na­deln der Mäd­chen flo­gen em­sig, an Bett­tü­chern für Tan­te March zu nä­hen.

Es war eine lang­wei­li­ge, un­in­ter­essan­te Ar­beit, doch heu­te Abend murr­te nie­mand. Sie gin­gen auf Jos Vor­schlag ein, die lan­gen Säu­me in vier Tei­le zu tei­len und die­se Vier­tel Eu­ro­pa, Asi­en, Afri­ka und Ame­ri­ka zu nen­nen; auf die­se Art ging es treff­lich vor­wärts, be­son­ders wenn sie sich über die ver­schie­de­nen Ge­gen­den un­ter­hiel­ten, in­dem sie sich lus­tig durch den Welt­teil fort­sti­chel­ten.

Um neun Uhr hör­ten sie mit ih­rer Ar­beit auf und san­gen wie ge­wöhn­lich, ehe sie sich nie­der­leg­ten.

Nie­mand au­ßer Bet­ty ver­moch­te dem al­ten Kla­vier mu­si­ka­li­sche Töne ab­zu­lo­cken, sie aber hat­te eine ganz ei­ge­ne Art, die al­ten gel­ben Tas­ten ganz lei­se zu be­rüh­ren und die ein­fa­chen Ge­sän­ge lieb­lich zu be­glei­ten. Meg hat­te eine Flö­ten­stim­me und lei­te­te mit ih­rer Mut­ter den klei­nen Chor. Amy zirp­te wie eine Gril­le, und Jos Stim­me flog nach ih­rem ei­ge­nen sü­ßen Wil­len durch die Lüf­te und kam im­mer an falscher Stel­le mit ei­nem Tril­ler oder Häk­chen zum Vor­schein, wo­mit sie die ge­fühl­volls­te Me­lo­die verd­arb. Sie hat­ten die­se Abend­ge­sän­ge schon seit je­ner Zeit be­gon­nen, wo sie eben zu lis­peln be­gan­nen:


Blin­ke, bli­cke, klei­ner Stern,

und so war es ein Haus­brauch ge­wor­den, denn die Mut­ter war eine ge­bo­re­ne Sän­ge­rin. Der ers­te Ton des Mor­gens war ihre Stim­me, wenn sie, sin­gend wie eine Ler­che, durchs Haus ging, und der letz­te Ton des Abends war der­sel­be freund­li­che Klang, und die Mäd­chen wur­den nie zu alt für die­se lie­ben, ge­wohn­ten Wie­gen­lie­der.

2. Fröhliche Weihnachten

Jo er­wach­te zu­erst im grau­en Däm­mer­licht des Weih­nachts­mor­gens. Kei­ne St­rümp­fe hin­gen am Ka­min, und im ers­ten Au­gen­blick fühl­te sie sich eben­so ent­täuscht wie einst vor Jah­ren, als ihr klei­nes St­rümpf­chen her­ab­ge­fal­len war, weil es so schwer mit gu­ten Din­gen an­ge­füllt ge­we­sen. Dann dach­te sie an das Ver­spre­chen ih­rer Mut­ter, steck­te die Hand un­ter ihr Kopf­kis­sen und zog ein klei­nes, rot ge­bun­de­nes Buch her­vor. Sie kann­te es sehr gut, denn es ent­hielt die alte, schö­ne Ge­schich­te des bes­ten Le­bens, das je ge­lebt wor­den ist, und Jo fühl­te, dass es ein gu­ter Weg­wei­ser für je­den Pil­grim auf der lan­gen Rei­se sei. Sie weck­te Meg mit ei­nem »Fröh­li­che Weih­nacht!« und for­der­te sie auf, un­ter ihr Kopf­kis­sen zu se­hen, was dar­un­ter­lä­ge. Ein grün ein­ge­bun­de­nes Buch kam zum Vor­schein, mit dem glei­chen Ti­tel­bild und ei­ni­gen Wor­ten von der Hand der Mut­ter. Jetzt er­wach­ten auch Bet­ty und Amy, die eben­falls nach dem Christ­ge­schenk such­ten und die­sel­ben Büch­lein mit der Mut­ter Hand­schrift fan­den, die je­der ihre Gabe be­son­ders wert­voll mach­te: das eine mit tau­ben­far­bi­gem, das an­de­re mit blau­em Ein­band; und alle sa­ßen sich ih­rer Bü­cher freu­end und dar­über plau­dernd, wäh­rend der er­wa­chen­de Tag den Os­ten ro­sig färb­te.

Un­ge­ach­tet ih­rer klei­nen Ei­tel­keit hat­te Mar­ga­re­te in ih­rem We­sen et­was so Sü­ßes und From­mes, dass sie un­be­wusst ihre Schwes­tern be­ein­fluss­te, ganz be­son­ders Jo, die sie zärt­lich lieb­te und ihr ge­horch­te, weil ihre Ratschlä­ge auf so sanf­te Wei­se ge­ge­ben wur­den.

Ihr Mäd­chen, sag­te Meg mit erns­tem Ton, in­dem sie von Jos wir­rem Kopf zu den zwei be­nacht­mütz­ten Köp­fen ins Ne­ben­zim­mer sah, die Mut­ter wünscht, dass wir die­se Bü­cher be­trach­ten, le­sen und wert­hal­ten, und wir müs­sen so­gleich den An­fang da­mit ma­chen. Frü­her la­sen wir ge­treu­lich dar­in, doch seit­dem der Va­ter fort ist und all die­se Kriegs­un­ru­he uns ver­wirrt, ha­ben wir man­cher­lei Nö­ti­ges ver­säumt. Ihr könnt es hal­ten, wie ihr wollt, doch ich wer­de mein Buch hier auf mei­nem Tisch lie­gen las­sen und je­den Mor­gen, wenn ich er­wa­che, ein Stück dar­aus le­sen; das wird mir, wie ich ge­wiss weiß, gut­tun und durch den Tag fort­hel­fen.

Da­mit schlug sie ihr neu­es Buch auf und be­gann zu le­sen. Jo schlang ih­ren Arm um der Schwes­ter Hals, und Wan­ge an Wan­ge ge­lehnt las auch sie mit ei­ner so fried­vol­len Mie­ne, wie sie sich nur sel­ten auf ih­rem un­ru­hi­gen Ge­sicht zeig­te.

Wie gut ist Meg! Komm, Amy, wir wol­len ih­rem Bei­spiel fol­gen. Ich wer­de dir bei den schwe­ren Wor­ten hel­fen, und die Schwes­tern wer­den uns das, was wir nicht ver­ste­hen, er­klä­ren, flüs­ter­te Bet­ty, sehr ein­ge­nom­men von den hüb­schen Bü­chern und dem gu­ten Bei­spiel.

Ich freue mich, dass meins blau ist, sag­te Amy, und dann wur­de es ganz still in dem Schlaf­stüb­chen. Man ver­nahm nur das lei­se Um­wen­den der Blät­ter, und der Win­ter­son­nen­schein schlüpf­te her­ein und küss­te die hel­len Köp­fe und erns­ten Ge­sich­ter zum fro­hen Weih­nachts­gruß.

Wo ist die Mut­ter?, frag­te Meg, als sie und Jo nach ei­ner hal­b­en Stun­de her­un­ter­ka­men, um ihr für ihre Ge­schen­ke zu dan­ken.

Gott weiß es. Ein ar­mes Ge­schöpf kam, um zu bet­teln, und Ihre Mama ging so­gleich fort, um zu se­hen, was not­tut. Eine sol­che Frau lebt nicht mehr, die Es­sen und Trin­ken, Klei­der und Feue­rung so weg­gibt, sag­te Han­nah, die seit Megs Ge­burt im Hau­se war und mehr als Fa­mi­li­en­glied denn als Die­ne­rin an­ge­se­hen wur­de.

Ver­mut­lich kommt sie bald zu­rück, sag­te Meg, so macht eure Ku­chen fer­tig und hal­tet al­les be­reit. Da­mit über­blick­te sie die Ge­schen­ke, die, in ei­nem un­ter dem Sofa ver­steck­ten Korb ver­bor­gen, des Mo­ments, wo sie her­vor­kom­men durf­ten, harr­ten. Wo ist Amys Eau de Co­lo­gne?, frag­te sie, die klei­ne Fla­sche ver­mis­send.

Sie nahm sie vor­hin aus dem Korb und lief da­mit fort, um sie mit ei­nem Band oder der­glei­chen zu schmücken, sag­te Jo, die im Zim­mer um­her­tanz­te, um den neu­en Schu­hen, die sie an­ge­zo­gen hat­te, die ers­te Steif­heit zu neh­men.

Wie hübsch mei­ne Ta­schen­tü­cher aus­se­hen, nicht? Han­nah wusch und plät­te­te sie mir, und ich zeich­ne­te sie alle selbst, sag­te Bet­ty und be­trach­te­te stolz die et­was un­glei­chen Buch­sta­ben, die ihr so viel Mühe ver­ur­sacht hat­ten.

Welch ein Kind! Sie hat Mut­ter statt Mrs March in die Tü­cher ge­zeich­net! Wie drol­lig!, rief Jo, eins der­sel­ben in die Hand neh­mend.

Ist’s nicht recht so? Ich dach­te, es sei bes­ser, da Megs Buch­sta­ben auch M. M. sind und nur Mar­mee mei­ne Tü­cher be­nut­zen soll, sag­te Bet­ty et­was be­tre­ten.

Es ist ja ganz gut, Schatz; eine hüb­sche Idee und ganz ge­scheit, denn nun kann kein Irr­tum statt­fin­den. Sie wird sich dar­über freu­en, glaub ich, fiel Meg eif­rig ein, mit ei­nem zärt­li­chen Lä­cheln für Bet­ty und ei­nem miss­bil­li­gen­den Blick auf Jo.

Die Mut­ter kommt! Schnell, ver­steck den Korb!, rief Jo, als man die Haus­tür zu­schla­gen hör­te und Schrit­te im Flur er­klan­gen.

Amy trat ei­lig ein und sah et­was ver­le­gen aus, als sie die Schwes­tern alle ih­rer war­tend fand.

Wo warst du denn, und was hältst du so ver­bor­gen?, frag­te Meg, die ganz er­staunt war, die so trä­ge klei­ne Amy am frü­hen Mor­gen schon in Hut und Man­tel von ei­nem Aus­gang heim­kom­men zu se­hen.

Lach mich nicht aus, Jo, ich hoff­te, dass es nie­mand vor der Zeit er­fah­ren soll­te. Ich habe nur die klei­ne Fla­sche ge­gen eine große ver­tauscht, ich gab all mein Geld da­für hin und will mir nun die größ­te Mühe ge­ben, nicht mehr ei­gen­nüt­zig zu sein.

In­dem sie sprach, zog Amy die grö­ße­re Fla­sche her­vor, die die bil­li­ge­re er­set­zen soll­te, und sah so ernst und so de­mü­tig bei ih­rem klei­nen Ver­such, sich selbst zu ver­ges­sen, aus, dass Meg sie auf der Stel­le um­arm­te, Jo sie ein Blitz­mä­del nann­te und Bet­ty ans Fens­ter lief, um ihre schöns­te Rose zum Schmuck der statt­li­chen Fla­sche zu pflücken.

Ich schäm­te mich mei­nes Ge­schenks, nach­dem wir heu­te früh so viel über Gut­sein ge­le­sen und ge­spro­chen hat­ten, und so lief ich, so­bald ich auf­ge­stan­den war, um die Ecke und ver­tausch­te das Fläsch­chen; ich bin froh, denn mein Ge­schenk ist nun das schöns­te.

Wie­der schlug die Haus­tür zu, und der Korb ver­schwand un­ter dem Sofa, wäh­rend die Mäd­chen sich um den Früh­stücks­tisch reih­ten.

Fröh­li­che Weih­nach­ten, Mar­mee! Noch viel, viel fröh­li­che Weih­nach­ten! Dan­ke für die Bü­cher! Wir la­sen schon dar­in und den­ken es nun je­den Mor­gen zu tun!, rie­fen die Mäd­chen im Chor.

Fröh­li­che Weih­nach­ten, mei­ne Töch­ter­chen! Es freut mich, dass ihr gleich an­ge­fan­gen habt, und ich hof­fe, ihr wer­det fort­fah­ren. Doch will ich ein Wort mit euch re­den, ehe wir uns zum Früh­stück set­zen. Nicht weit von hier liegt eine arme Frau mit ei­nem klei­nen neu­ge­bo­re­nen Kind; sechs große Kin­der sind in ei­nem Bett zu­sam­men­ge­packt, um sich vorm Er­frie­ren zu schüt­zen, denn sie ha­ben kein Feu­er. Sie ha­ben nichts zu es­sen, und der äl­tes­te Kna­be kam her­über, um mir zu sa­gen, dass sie hun­gern und frie­ren. Mei­ne lie­ben Mäd­chen, wollt ihr ih­nen euer Früh­stück als Weih­nachts­ge­schenk ge­ben?

Sie wa­ren alle un­ge­wöhn­lich hung­rig, da sie fast eine Stun­de be­reits ge­war­tet hat­ten, und mi­nu­ten­lang blieb al­les still, doch nur mi­nu­ten­lang, dann rief Jo eif­rig:

Ich bin froh, dass du kamst, ehe wir an­fin­gen!

Darf ich die Sa­chen zu den ar­men Kin­dern tra­gen?, frag­te Bet­ty dienst­fer­tig.

Ich wer­de die Sah­ne und die Pfann­ku­chen tra­gen, setz­te Amy hin­zu, hel­den­mü­tig die­je­ni­gen Ge­gen­stän­de preis­ge­bend, die sie am meis­ten lieb­te.

Meg deck­te die Buch­wei­zen­bröt­chen zu und schich­te­te das Brot in ei­nem großen Tel­ler.

Ich dach­te mir wohl, dass ihr mir bei­stim­men wür­det, sag­te Mrs March mit zu­frie­de­nem Lä­cheln. Ihr sollt alle mit mir ge­hen, und wenn wir zu­rück­kom­men, früh­stücken wir Brot und Milch und hal­ten uns zu Mit­tag schad­los.

Sie wa­ren bald be­reit, und der Zug setz­te sich in Be­we­gung. Glück­li­cher­wei­se war es noch früh am Tag; sie gin­gen durch Hin­ter­gas­sen, wo sie von we­nig Leu­ten ge­se­hen wur­den, und nie­mand lach­te über die drol­li­ge Pro­zes­si­on.

Sie tra­ten in ein ar­mes, kah­les, elen­des Stüb­chen mit zer­bro­che­nen Fens­tern, un­ge­heizt; hier fan­den sie eine kran­ke Mut­ter mit ei­nem wim­mern­den Neu­ge­bo­re­nen, eine Schar hun­gern­der blas­ser Kin­der, auf zer­ris­se­nen La­ken un­ter ein al­tes Bett ge­hockt, um sich zu er­wär­men. Wie sie mit großen Au­gen staun­ten und wie die blau ge­fro­re­nen Lip­pen lä­chel­ten, als die Mäd­chen ein­tra­ten!

Ach, mein Gott, un­se­re gu­ten En­gel kom­men zu uns!, rief die arme Frau und wein­te vor Freu­de.

Drol­li­ge En­gel in Ka­pu­zen und Faust­hand­schu­hen!, rief Jo und mach­te sie la­chen.

Und in we­ni­gen Mi­nu­ten schi­en es wirk­lich, als ob gute Geis­ter hier ihr We­sen ge­trie­ben hät­ten. Han­nah hat­te Holz ge­bracht, ein Feu­er an­ge­zün­det, die zer­bro­che­nen Schei­ben mit al­ten Sa­chen und ih­rem ei­ge­nen Schal ver­stopft. Mrs March gab der Mut­ter Tee und Brü­he, trös­te­te sie durch Hilfs­ver­hei­ßun­gen, wäh­rend sie das Kind­chen so zärt­lich an­klei­de­te, als ob es ihr ei­ge­nes ge­we­sen wäre, und die Mäd­chen den Tisch deck­ten, die Kin­der um das Feu­er setz­ten und sie wie ver­hun­ger­te Vö­gel­chen füt­ter­ten; la­chend, plau­dernd und sich be­mü­hend, das ge­bro­che­ne Eng­lisch der deut­schen Kin­der zu ver­ste­hen.

Das ist gut! Die En­gels­kin­der!, rie­fen die ar­men Din­ger, wäh­rend sie aßen und ihre rot ge­fro­re­nen Hän­de an dem be­hag­li­chen Feu­er wärm­ten. Die Mäd­chen, die noch nie­mand zu­vor En­gels­kin­der ge­nannt hat­te, fan­den dies sehr hübsch, be­son­ders Jo, die, seit sie den­ken konn­te, im­mer nur als »ein San­cho« be­trach­tet wor­den war. Es war ein glück­li­ches Früh­stück, ob­gleich sie nichts da­von be­ka­men, und als sie weg­gin­gen, Trost und Freu­de hin­ter sich zu­rück­las­send, gab es ge­wiss in der gan­zen großen Stadt nicht vier glück­li­che­re Men­schen als die vier hung­ri­gen Mäd­chen, die ihr Früh­stück weg­ge­ge­ben hat­ten und sich am Weih­nachts­mor­gen mit Brot und Milch be­gnüg­ten.

Das heißt sei­nen Nächs­ten mehr als sich selbst lie­ben, und das ge­fällt mir, sag­te Meg, in­dem sie ihre Ge­schen­ke auf­stell­ten, wäh­rend die Mut­ter oben alte Sa­chen für die ar­men Hum­mels zu­sam­men­such­te.

Kei­ne präch­ti­ge Be­sche­rung, aber eine Men­ge Lie­be war in den klei­nen Pa­ke­ten ein­ge­schlos­sen. Und die große Vase, mit ro­ten Ro­sen, wei­ßen Chrysan­the­men und ran­ken­dem Wein­laub ge­füllt, die in der Mit­te stand, gab dem Tisch ein fest­li­ches An­se­hen.

Sie kommt, fang an, Bet­ty, öff­ne die Tür, Amy. Drei Hur­ra für Mar­mee!, rief Jo, um­her­hüp­fend, wäh­rend Meg die Mut­ter auf den Ehren­platz führ­te.

Bet­ty spiel­te ih­ren hei­ters­ten Marsch, Amy öff­ne­te die Tür, und Meg führ­te die Es­kor­te mit großer Wür­de aus. Mrs March war eben­so er­staunt wie ge­rührt und lä­chel­te mit trä­nen­nas­sen Au­gen, wäh­rend sie ihre Ge­schen­ke be­trach­te­te und die klei­nen Zet­tel las, die da­bei­la­gen.

Die Schu­he wur­den so­gleich an­ge­zo­gen, ei­nes der neu­en Ta­schen­tü­cher, mit Amys Eau de Co­lo­gne be­feuch­tet, ward in die Ta­sche ge­steckt, die Rose am Bu­sen be­fes­tigt und die net­ten Hand­schu­he als »vor­treff­lich pas­send« be­zeich­net.

Nun wur­de viel ge­lacht, ge­küsst, er­klärt, in je­ner ein­fa­chen, zärt­li­chen Wei­se, die die­se häus­li­chen Fes­te so freund­lich und die Erin­ne­rung dar­an so süß macht noch auf lan­ge Zei­ten hin­aus. Und dann be­gan­nen alle zu ar­bei­ten.

Die barm­her­zi­ge Tat und die Fest­lich­keit, die ihr ge­folgt, hat­ten so viel Zeit in An­spruch ge­nom­men, dass die gan­ze üb­ri­ge Ta­ges­zeit zu Vor­be­rei­tun­gen für die Abend­auf­füh­rung in An­spruch ge­nom­men wer­den muss­te.

Da die Mäd­chen noch zu jung wa­ren, um öf­ter ins Thea­ter zu ge­hen, und nicht reich ge­nug, um große Aus­ga­ben für Pri­vat­vor­stel­lun­gen zu ma­chen, so streng­ten sie ih­ren Witz an, und die Not­wen­dig­keit, die Mut­ter der Weis­heit, tat ihr Mög­li­ches dazu. Ei­ni­ge ih­rer Thea­ter­re­qui­si­ten wa­ren Kunst­wer­ke: Gi­tar­ren aus Pap­pe, an­ti­ke Lam­pen, aus alt­mo­di­schen, mit Gold­pa­pier ver­kleb­ten But­ter­büch­sen her­ge­stellt, präch­ti­ge Ge­wän­der aus al­tem Kat­tun, glän­zend mit Span­gen ge­schmückt, die man aus den Blech­de­ckeln al­ter Ein­mach­büch­sen zu­recht­ge­schnit­ten, und Waf­fen, die dem­sel­ben dia­mant­glän­zen­den Ma­te­ri­al ihr Da­sein ver­dank­ten. Das Meuble­ment ward von un­ten nach oben ge­kehrt, und die große Wohn­stu­be wur­de der Schau­platz man­ches un­schul­di­gen Ju­bels.

Da kein Mann teil­neh­men durf­te, konn­te Jo nach Her­zens­lust Männ­er­rol­len spie­len und ge­fiel sich un­sag­bar in ei­nem Paar fuchs­ro­ter Stie­fel, dem Ge­schenk ei­ner Freun­din, die eine an­de­re Freun­din hat­te, die einen Schau­spie­ler kann­te. Die­se Stie­fel, ein al­tes Ra­pier und ein ge­schlitz­tes Wams, das von ei­nem Ma­ler einst für ein Bild be­nutzt wor­den war, mach­ten Jos vor­nehms­te Schät­ze aus und er­schie­nen bei je­der Ge­le­gen­heit auf der Büh­ne. Die Klein­heit des Per­so­nals mach­te es nö­tig, dass die bei­den Haupt­dar­stel­ler ver­schie­de­ner­lei Rol­len über­nah­men, und si­cher­lich war die Mühe an­er­ken­nens­wert, die ih­nen das Ler­nen meh­re­rer Rol­len, das An- und Aus­zie­hen der man­cher­lei Ko­stü­me und die Dar­stel­lung auf den Bret­tern ver­ur­sach­te. Die­se Auf­füh­run­gen wa­ren eine vor­treff­li­che Übung für ihr Ge­dächt­nis, ein harm­lo­ses Ver­gnü­gen und hal­fen ih­nen man­che Stun­de an­ge­nehm ver­brin­gen, die sonst mü­ßig, ein­sam oder we­ni­ger nutz­brin­gend ver­flos­sen sein wür­de.

Am Weih­nachts­abend hat­te sich ein Dut­zend jun­ger Mäd­chen auf ei­nem zu ei­ner Thea­ter­lo­ge her­ge­rich­te­ten Feld­bett in ei­nem schmei­chel­haf­ten Zu­stand von Er­war­tung vor den blau und gelb ge­mus­ter­ten Zitz­vor­hän­gen der Büh­ne auf­ge­pflanzt. Hin­ter den­sel­ben mach­te sich ziem­lich viel Ra­scheln und Flüs­tern, et­was Lam­pen­rauch und ein ge­le­gent­li­ches Ki­chern Amys, die in der Auf­re­gung des Au­gen­blicks hys­te­risch zu wer­den pfleg­te, be­merk­bar. Plötz­lich schrill­te der Ton der Klin­gel, der Vor­hang flog auf, und die tra­gi­sche Oper nahm ih­ren An­fang.

»Ein düs­te­rer Wald«, wie ihn der Thea­ter­zet­tel nann­te, wur­de durch ei­ni­ge Strauch­ge­wäch­se in Blu­men­töp­fen, einen grü­nen, den Bo­den be­de­cken­den Tep­pich und eine Höh­le im Hin­ter­grund ver­sinn­bild­licht.

Die Höh­le war aus ei­nem Klei­der­hal­ter als Dach und ei­ni­gen Schrän­ken als Wän­de her­ge­stellt wor­den, und in­mit­ten der­sel­ben brann­te ein klei­ner Ofen mit ei­nem dar­auf­ste­hen­den Topf, über den eine alte Hexe ge­beugt stand. Die Büh­ne war fins­ter, und das im Hin­ter­grund bren­nen­de Feu­er mach­te den ge­wünsch­ten Ef­fekt, be­son­ders als dem Topf, von dem die Hexe den De­ckel lüf­te­te, wirk­li­cher Dampf ent­stieg.

Man ge­stat­te­te nach der ers­ten Über­ra­schung eine klei­ne Pau­se, dar­auf stapf­te Hugo, der Bö­se­wicht, mit klir­ren­dem Schwert, ei­nem Schlapp­hut, schwar­zem Bart, ei­nem ge­heim­nis­vol­len Man­tel und den be­wuss­ten Stie­feln her­ein. Nach­dem er meh­re­re Male in äu­ßers­ter Auf­re­gung auf und ab ge­gan­gen war, schlug er sich vor die Stirn und brach in einen wil­den Ge­sang aus, in dem er sei­nen Hass auf Ro­de­ri­go, sei­ne Lie­be zu Zara und sei­nen löb­li­chen Ent­schluss, Ers­te­ren zu tö­ten und Letz­te­re zu ge­win­nen, an den Tag leg­te.

Die tie­fen Töne des Sän­gers, mit ge­le­gent­li­chem Auf­schrei bei be­son­de­rer Ge­fühls­stei­ge­rung, mach­ten großen Ein­druck, und ein leb­haf­tes Klat­schen er­folg­te, als er schwieg, um Atem zu schöp­fen. Nach­dem er sich mit der Ge­bär­de ei­nes an der­glei­chen ge­wöhn­ten Mi­men ver­neigt hat­te, schlich er zur Höh­le und be­fahl Ha­gar mit dem Ruf »Hol­la, Schatz, ich brau­che dich!«, her­vor­zu­kom­men.

Und Meg, ihr Ge­sicht von grau­em Pfer­de­haar um­han­gen, in rot und schwar­zem Ge­wand, einen Stab in der Hand und kab­ba­lis­ti­sche Zei­chen auf dem Man­tel, kam zum Vor­schein.

Hugo ver­lang­te einen Zau­ber­trank von ihr, um Za­ras Lie­be zu ge­win­nen, und einen an­de­ren, um Ro­de­ri­go zu tö­ten. Ha­gar ver­sprach bei­des in ei­nem schö­nen, dra­ma­ti­schen Ge­sang und be­schwor den Geist, der den Lie­bes­trank brin­gen soll­te:


Luft’­ger Geist, aus dei­nem Reich
Hier­her, hier­her kom­me gleich!
Ro­sen­kind, ge­nährt von Tau,
Dei­nen Zau­ber­trank mir brau!
Bring den duft’­gen Saft mir her,
El­fen­schnell, auf mein Be­gehr;
Lass ihn süß und kräf­tig sein;
Geist, ich rufe dich! Er­schein!

Eine sanf­te Mu­sik ließ sich ver­neh­men, und im Hin­ter­grund der Höh­le er­schi­en eine klei­ne, in wol­ki­ges Weiß ge­klei­de­te Ge­stalt, mit glän­zen­den Flü­geln, gol­de­nem Haar und ei­nem Ro­sen­kranz auf dem Kopf. Ei­nen Zau­ber­stab schwin­gend, sang sie:


Ich kom­me zu dir
Aus dem luft’­gen Re­vier,
Aus des Mon­des sil­ber­ner Hel­le,
Nimm den Zau­ber da­hin;
Mit be­däch­ti­gem Sinn
Be­nutz ihn, sonst schwin­det er schnel­le –

Und eine klei­ne, ver­gol­de­te Fla­sche zu den Fü­ßen der Hexe wer­fend, ver­schwand die Er­schei­nung. Ein neu­er Ge­sang Ha­gars rief einen zwei­ten Geist her­bei, nicht einen lieb­li­chen, son­dern un­ter lau­tem Ge­tö­se er­schi­en ein häss­li­cher Zwerg, der, nach­dem er eine Ant­wort ge­krächzt hat­te, Hugo eine Fla­sche zu­warf und un­ter Hohn­ge­läch­ter ver­schwand. Da­rauf ging Hugo ab, nach­dem er sei­nen Dank ge­sun­gen und die Fla­schen in sei­ne Stie­fel ge­steckt hat­te, und Ha­gar be­nach­rich­tig­te die Ver­samm­lung, da er in frü­he­ren Zei­ten ei­ni­ge ih­rer Freun­de ge­tö­tet und sie ihn ver­flucht habe, wer­de sie sei­ne Plä­ne durch­kreu­zen und ihn ver­der­ben. Dann fiel der Vor­hang, und die Zu­hö­rer ver­schnauf­ten, wäh­rend sie Kan­dis­zu­cker aßen und über die Vor­stel­lung ihre Ur­tei­le aus­tausch­ten.

Ehe der Vor­hang sich aber­mals hob, ließ sich viel Geräusch von Ham­mer­schlä­gen ver­neh­men, doch als end­lich das ent­stan­de­ne Meis­ter­stück ei­ner kunst­vol­len Büh­nen­de­ko­ra­ti­on sicht­bar wur­de, murr­te nie­mand über den Ver­zug. Was man er­blick­te, war su­perb. Ein Turm er­hob sich bis an die De­cke, auf des­sen hal­ber Höhe ein er­leuch­te­tes Fens­ter sicht­bar war, hin­ter dem man, halb von ei­ner Gar­di­ne ver­hüllt, in Weiß und Blau ge­klei­det die hol­de Zara be­merk­te, die ih­res Rit­ters harr­te. Ro­de­ri­go trat auf, in präch­ti­gem An­zug mit Fe­der­ba­rett, ro­tem Man­tel, brau­nen Schmacht­lo­cken, eine Gi­tar­re im Arm und, selbst­ver­ständ­lich, in den be­kann­ten Stie­feln.

Am Fuße des Turms kni­end, sang er in schmel­zen­den Tö­nen eine Se­re­na­de. Zara er­wi­der­te die­sen Gruß, und nach ei­nem mu­si­ka­li­schen Zwie­ge­spräch fass­ten sie den Ent­schluss, zu flie­hen. Jetzt kam der Haupt­ef­fekt des Stücks. Ro­de­ri­go brach­te eine Strick­lei­ter mit fünf Stu­fen zum Vor­schein, warf ein Ende der­sel­ben in die Höhe und lud Zara ein, her­ab­zu­stei­gen. Schüch­tern schlüpf­te sie aus ih­rem Fens­ter, leg­te ihre Hand auf Ro­de­ri­gos Schul­ter und war eben im Be­griff, gra­zi­ös her­ab­zuglei­ten, als sie – wehe, wehe, Zara! – ihre Schlep­pe ver­gaß. Die­se blieb im Fens­ter hän­gen, der Turm schwank­te, beug­te sich nach vorn, fiel pol­ternd zu Bo­den und be­grub das un­se­li­ge Lie­bes­paar un­ter sei­nen Trüm­mern.

Ein all­ge­mei­nes Ge­schrei er­hob sich, als die fuchs­ro­ten Stie­fel wild un­ter den Rui­nen zap­pel­ten und ein gold­haa­ri­ges Köpf­chen her­vortauch­te und jam­mernd schrie: Ich hab’s ja ge­sagt, ich hab’s ja ge­sagt!

Doch mit be­wun­derns­wer­ter Geis­tes­ge­gen­wart stürz­te Don Pe­dro, der grau­sa­me Sire, her­bei, zog sei­ne Toch­ter aus den Trüm­mern her­vor und flüs­ter­te ihr mit ei­nem has­ti­gen »Bei­sei­te« zu: Lach nicht, spiel fort, als ob es so sein müss­te!

Und in­dem er sich an Ro­de­ri­go wand­te, ver­bann­te er ihn voll Zorn und Wut aus sei­nem Reich. Ro­de­ri­go, ob­gleich durch den Ein­sturz des Turms et­was aus der Fas­sung ge­bracht, trotz­te die­sem Ge­bot stand­haft und wei­ger­te sich, zu ge­hen. Die­ses küh­ne Bei­spiel feu­er­te auch Za­ras Mut an, auch sie wi­der­stand dem grau­sa­men Va­ter, und die­ser be­fahl, bei­de in den tie­fen Ker­ker des Schlos­ses zu wer­fen. Ein klei­ner, di­cker Die­ner er­schi­en, der sehr er­schro­cken aus­sah und je­den­falls, da er stumm blieb, sei­ne Rol­le ver­ges­sen hat­te, die Lie­ben­den in Ket­ten schloss und dann hin­weg­führ­te.

Im drit­ten Akt sah man den Saal der Burg. Ha­gar er­schi­en, in der Ab­sicht, die Lie­ben­den zu be­frei­en und Hugo ab­zu­tun. Sie hört ihn kom­men und ver­birgt sich, be­ob­ach­tet ihn, wie er die bei­den Tränk­chen in zwei Be­cher mit Wein schüt­tet und dem klei­nen Auf­wär­ter be­fiehlt: Trag die­se in die Ker­ker zu den bei­den Ge­fan­ge­nen und sag ih­nen, dass ich gleich selbst kom­men wer­de.

Wäh­rend der klei­ne Die­ner Hugo bei­sei­te­nimmt, um ihm ir­gen­det­was zu sa­gen, ver­tauscht Ha­gar schleu­nig die bei­den Be­cher mit zwei un­schäd­li­chen. Fer­n­an­do, der Nied­li­che, trägt sie fort, und Ha­gar setzt un­be­merkt den für Ro­de­ri­go be­stimm­ten Gift­be­cher wie­der auf den Tisch. Hugo wird nach ei­nem lan­gen Ge­zwit­scher durs­tig, trinkt den Be­cher leer, ver­liert die Be­sin­nung und fällt nach vie­lem Ge­zap­pel und Ge­trap­pel flach auf den Bo­den und stirbt, wäh­rend Ha­gar ihm in ei­nem aus­führ­li­chen, vor­treff­li­chen Ge­sang über das, was sie ge­tan, Be­richt er­stat­tet.

Dies war eine wahr­haft er­schüt­tern­de Sze­ne, ob­gleich man wohl hät­te an­neh­men kön­nen, dass das Her­ab­fal­len ei­nes großen Haar­schop­fes vom Kopf des Bö­se­wichts ei­ni­ger­ma­ßen den Ef­fekt der To­des­sze­ne be­ein­träch­tigt ha­ben müss­te. Er ward her­aus­ge­ru­fen und er­schi­en vor dem Vor­hang, Ha­gar, de­ren Ge­sang als die Quint­es­senz des gan­zen Stücks an­ge­se­hen ward, zier­lich an der Hand füh­rend.

Der vier­te Akt zeigt den ver­zwei­fel­ten Ro­de­ri­go, der im Be­griff stand, sich we­gen Za­ras ver­meint­li­cher Un­treue zu er­dol­chen. Eben als der Dolch sich sei­nem Her­zen nä­hert, be­lehrt ihn ein rei­zen­der Ge­sang un­ter sei­nem Fens­ter, dass Zara ihm treu ge­blie­ben, sich aber in ei­ner Ge­fahr be­fin­det, aus der er sie ret­ten kann, wenn er will. Ein Schlüs­sel wird in sein Ge­fäng­nis ge­wor­fen, er öff­net die Tür, reißt in ei­nem An­fall von Ver­zückung sei­ne Ket­ten ab und stürzt da­von, um sei­ne Dame zu su­chen und zu ret­ten.

Akt fünf end­lich wird mit ei­ner hef­ti­gen Sze­ne zwi­schen Zara und ih­rem Va­ter er­öff­net. Die­ser ver­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­