RUND UM DEN ERDENKNÖDEL – Vincent Klink
VORWORT – Iris Lemanczyk
ITALIEN Salvatore Mangone
PITTA SALENTINA – Kartoffel-Pitta aus Salento
ELFENBEINKÜSTE Sania Emmanuella Bedié
FUFU – Maniok-Bananen-Brei, Fisch & Lamm
SYRIEN Ibrahim Alhaj
MEHSHI – Gefüllte Zucchini & Auberginen
KAMBODSCHA Chandarith Phon-Schöggl
CHA SAIK MOAN KDAU – Hühnchen mit Kräutern
RUMÄNIEN Marcel Achim (Ungarndeutscher)
BOGRÁCS GULYÁS – Feuriges Kesselgulasch
JAPAN Shoko Plotzki
SUSHI MAKIZUSHI – Gerollte Sushi
IRAN Nahid Hosseini
TAHCHIN MORGH – Hähnchen-Reis-Torte
BRASILIEN Zé Do Rock
MOQUECA – Fisch-Shrimps-Eintopf
SPANIEN Paz Huete Iglesias
SALPICÓN DE MARISCO – Meeresfrüchtesalat
INDIEN Mandeep Mitter
MURGH MAKHANI – Butter Chicken
PORTUGAL Hugo & Diana Toscano
BACALHAU – Stockfisch mit Kartoffeln
ÄGYPTEN Noha ElGemayel
KOSHARI – Ägyptischer Eintopf
TÜRKEI Dilaver Gök
MERCIMEK CORBASI – Rote Linsensuppe
RUSSLAND Alla Deringer
PELMENI – Gefüllte Teigtaschen
SÜDAFRIKA Thabilé
UMNGQUSHO – Samp und Bohnen mit Curryhuhn
MEXIKO Mario Daniel Ortega Vázquez
COCHINITA PIBIL – Schmorfleisch & Tortillas
POLEN Jagoda Bruni
BARSZCZ & PIEROGI – Rote-Bete-Suppe mit Piroggen
ISRAEL Yaron Goldstein
BAZAL MEMULA – Gefüllte Zwiebeln
VENEZUELA Schareska Antequera de Friebertshäuser
AREPAS & PERICO – Maisfladen & Rührei
GHANA Vera Kissiedu Löhle
RED RED – Roter Bohneneintopf und Kochbananen
ENGLAND James Reynolds
SHEPHERD’S PIE – Pastete mit Kartoffelkruste
ERITREA Adulis Yishak
ZIGNI MIT INJERA – Gulasch & eritreische Fladen
GRIECHENLAND Maria Tramountani
SARMADAKIA – Gefüllte Weinblätter
AFGHANISTAN Rahmatullah Isakhel
SUJI HALWA – Süßes Grießmus
DÄNEMARK Anna Lind-Neider
FISKEFRIKADELLER – Fischfrikadellen & Remoulade
MONGOLEI Bat-Erdene Tserendondog
KHUUSHUUR – Frittierte Teigtaschen
SERBIEN Danijela Ajdinovic
DJUVEČ – Serbisches Schmorgericht
USA Joseph Michaels
STRAWBERRY SHORTCAKE – Erdbeertörtchen
AUSTRALIEN Michelle Moore
ASIAN SALAD – Asiatischer Salat mit Garnelen
TIBET Pema Choedon & Karma Tenphel
MOMO & SHABHALEY – Tibetische »Maultaschen«
VITAE – Die Autorin & Der Fotograf
ADRESSEN
IMPRESSUM
Wie lernt man Land und Leute kennen? Durch Reisen ja, aber das genügt nicht. Sollte man die Museen besuchen, jeden Stein umdrehen, Land und Leute fotografieren?
All das ist nicht abträglich: »Aber ich sage Euch, am Essen sollt Ihr sie erkennen!« Nicht den Festessen, sondern an dem, was die Mütter kochen. Sicherlich wird der Esser immer wieder das Wort Hingabe vor sich hinmurmeln, und damit ist es unerheblich, ob man mit Stäbchen, Besteck oder mit den Händen isst. Mir selbst ist das Essen mit den Händen die sinnlichste Form. Und wenn man dann noch auf dem Boden sitzt, also fest verankert seinem Gegenüber in die Augen schaut, dann erlebt man ein kleines Stück Frieden und ein großes Stück der Lebenskultur.
Man sagt, die Musik wäre die allgemeinverständlichste Sprache überhaupt. Das stimmt schon, aber über das gemeinsame Kochen und Essen könnte man das in stärkerem Maße sagen.
Musik wird oft auch für kriegerische Zwecke missbraucht. Essen bedeutet jedoch immer Frieden, Wärme, und sei es nur der kurze Moment, der den Wahnsinn dieser Welt innehalten lässt. Wenn Globalisierung wirklich möglich sein sollte, dann zuallererst über Essen, Trinken und die Runde bei Tisch.
Stuttgart und Kochen war anfangs das einzig Konkrete. Fotos und Text. Andreas und ich spannen die Idee weiter, bis wir wussten, dass wir Stuttgarterinnen und Stuttgarter porträtieren wollen, die aus anderen Ländern kommen. Kochend sollten die Porträts entstehen. Bunt und von möglichst allen Erdteilen sollten sie sein. Schließlich leben in Stuttgart Menschen aus mehr als 150 Nationen.
Zuerst forsteten wir unsere Freundeskreise nach möglichen Köchinnen und Köchen durch, die unsere drei Bedingungen erfüllen: Sie müssen in Stuttgart leben, für uns bei sich zu Hause kochen und sich dabei fotografieren lassen. Freunde, Bekannte, Verwandte, alle überlegten. Bei jeder Feier, bei jeder Veranstaltung, sogar im Zug quatschten wir Leute auf unser Projekt an, das schnell einen Namen hatte: »Weltreise am Küchentisch«.
Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Koch. Als wir klingelten, öffnete niemand. Bei Dunkelheit warteten wir im Garten und ich überlegte, ob ihn vielleicht der Mut verlassen hatte. Schließlich gehört Mut dazu, Fremde in die eigenen vier Wände zu bitten. Mut, die eigene Geschichte auszubreiten. Mut, für die Fremden zu kochen. Und Mut, sich bei all dem fotografieren zu lassen. Doch es war nicht der fehlende Mut, sondern ein Stau, der für Verspätung sorgte.
Jeder Besuch war so interessant, so spannend und so lecker, dass wir auch dann weitermachten, wenn wir erst wochenlang vertröstet wurden und dann doch eine Absage kassierten. Trotz langer Durststrecken, in denen niemand zusagte, machten wir weiter. Denn manchmal gab es auch Zeiten, in denen zweimal in der Woche »Weltreise-Termine« anstanden. Und manchmal kamen die Köchinnen und Köche sogar auf uns zu, weil sie von der »Weltreise am Küchentisch« gehört hatten und die Idee mochten. Weil Gastfreundschaft in so vielen Ländern selbstverständlich, wichtig und sehr herzlich ist. Weil Kochen sowohl Identität als auch Verbindung ist.
Zweieinhalb Jahre führte uns die »Weltreise am Küchentisch« um den Globus, in 30 verschiedene Länder. Zu 30 Stuttgarterinnen und Stuttgartern, die weit mehr als nur ihre Türen für uns öffneten.
Salvatore steht an der großen Italienkarte, die im Esszimmer hängt. Er zeigt auf Salento, den Absatz Italiens, dann auf Lecce. Aus einem Dorf nördlich von Lecce stammt er. Aus Aradeo – dem Altar Gottes. Ein großer Name für ein kleines Dorf. Im Mittelalter siedelten sich in der Gegend Griechen an: Gallipoli, Narde und Otranto – alles griechische Ortsnamen. Bis heute reicht der griechische Einfluss in die Küche Salentos. Darum hat Salvatore kein Pizza- oder Pastarezept gewählt, sondern Pitta Salentina.
1972 war es, als der Billiardsaal in Aradeo für die Familie Mangone nicht mehr genug abwarf. Salvatores Vater machte sich auf den Weg nach Deutschland, in Stuttgart fand er Arbeit. Ein Jahr später zog die Familie nach. Der 15-jährige Salvatore wollte nicht weg aus Aradeo, war er doch zum ersten Mal so richtig verknallt. Voll von Liebeskummer fand er sich dann in einer 9. Klasse in Stuttgart wieder. Mit der Sprache hatte Salvatore kaum Probleme, die Mangones hatten schon ein paar Jahre in Bern gelebt. Nach der Schule empfahl ihm der Berufsberater beim Arbeitsamt eine Ausbildung zum Automechaniker. Obwohl sich Salvatore viel mehr für Sprachen und fürs Schreiben interessierte, wurde er Automechaniker. »Ich dachte, so ein Berufsberater müsse wissen, was zu mir passt.« Seine Freude an der Sprache gibt Salvatore heute ehrenamtlich weiter – beim Deutschunterricht, den er für Italiener gibt, die nach Stuttgart kommen. »Doch die italienische Gemeinde in Stuttgart schrumpft«, sagt er. »Früher lebten hier an die 15.000 Italiener, heute ist es sicherlich nur noch ein Drittel. Viele Italiener zieht es zurück in die Heimat.«
Nicht so Salvatore. Er liebt zwar Italien, aber sein Leben ist in Stuttgart. Hier hat er auch kochen gelernt. Schon als 16- oder 17-Jähriger. Von seiner Mama. »Durch Schauen, Riechen und Schmecken. – Kochen konnte ich dann in meiner ersten WG gut gebrauchen.« Mama zeigte ihm auch, wie man Pitta Salentina zubereitet.
FÜR 4 PORTIONEN
1 kg festkochende Kartoffeln
2 große Zwiebeln
3 Tomaten
150 g grüne Oliven, entsteint
2 EL Olivenöl
50 g Kapern
1 TL Oregano, getrocknet
½ Bund Basilikum, fein gehackt
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
20 ml Milch
2 Eier
Semmelbrösel
ZUBEREITUNG
Den Backofen auf 220 °C Ober-/Unterhitze vorheizen.
Die Kartoffeln mit Schale 25–30 Minuten weich kochen. Die Zwiebeln abziehen und in dünne Streifen schneiden. Die Tomaten waschen, Strünke entfernen, halbieren, entkernen und in kleine Stücke schneiden. Die Oliven vierteln.
Das Olivenöl bei niedriger Temperatur in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebeln darin 10 Minuten anschwitzen. Die Tomaten dazugeben und weitere 10 Minuten köcheln lassen. Die Oliven, die Kapern, den Oregano und das Basilikum hinzufügen und mit Salz und Pfeffer würzen. Den Herd ausschalten.
Die Kartoffeln pellen, in kleine Stücke schneiden und mit einer Passiermühle oder einer Kartoffelpresse zu Püree verarbeiten. Die Milch und die Eier zu der Kartoffelmasse geben, salzen und zu einem Teig verkneten.
Den Boden einer Auflaufform mit Semmelbröseln bedecken. Die Hälfte des Kartoffelteiges daraufgeben und mit einem nassen Esslöffel glatt streichen. Den Zwiebel-Tomaten-Sugo darüber schichten, mit dem restlichen Kartoffelteig abdecken und wieder glatt streichen.
Die Auflaufform mit einem Deckel oder Alufolie abdecken und für 20 Minuten in den Ofen geben. Dann die Temperatur auf 150 °C reduzieren und weitere 10 Minuten backen.
TIPP: Pitta salentina mit einem Salat oder zu einem Fleischgericht servieren.
Obwohl sie das Rezept schon viele Male gekocht hat, hat Sania Emmanuella Bedié, die alle »Emma« nennen, ihre Tante angerufen. Um auf Nummer sicher zu gehen. Emma ist zwar eine begeisterte Köchin, aber normalerweise kocht sie nicht nach Rezept, sondern nach Gefühl. Doch für uns schreibt sie Mengen und Zutaten von einem ihrer Lieblingsgerichte auf. »Kochbananen und Fufu sind typisch für unser Land, wahrscheinlich für ganz Westafrika.« Etwas verlegen fügt sie hinzu: »Wenn meine Oma wüsste, dass ich Fufu aus der Packung verwende, würde sie sagen, das sei nicht essbar.« In der Elfenbeinküste wird die Maniokwurzel nämlich so lange mit einem großen Mörser bearbeitet, bis man sie weiterverarbeiten kann. Aber Oma und Elfenbeinküste sind weit weg.
Emma kam mit acht Jahren nach Deutschland, warum, das weiß die kleine Emma nicht. Vielleicht wegen des ständigen Krieges, vielleicht wegen der permanenten Gefahr, vielleicht hängt es aber auch mit dem Tod des Vaters zusammen. Jedenfalls kommt sie mit ihrer Schwester und der Mutter nach Paderborn, wo schon einige ihrer Onkel und Tanten lebten.
An einen Kulturschock kann sich Emma nicht erinnern. »In Afrika wohnten wir in Abidjan, das ist eine große Stadt, größer wahrscheinlich als Paderborn. Verwundert hat mich höchstens, dass es hier so viele weiße Menschen gibt. Und dass die alle ganz normal laufen und springen wie wir auch.«
Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kommen Emma und ihre Schwester in die Schule. »Wir waren die einzigen schwarzen Kinder dort.« Es geht schnell, dass sie Deutsch lernen, Freunde finden und sich in Paderborn einleben. Darum fällt Emma auch der Umzug nach Freiburg schwer.
Die Erinnerungen an Freiburg sind überschattet durch den frühen Tod ihrer Mutter. Emma hält es in Freiburg nicht mehr aus, sie muss weg. Wohin, das ist ihr egal. Sie stellt sich vor eine Deutschlandkarte, nimmt einen Dartpfeil und schießt. Der Pfeil steckt in »Ludwigsburg«.
»Ich wollte aufs EG, aufs ernährungswissenschaftliche Gymnasium. Das gibt es in Stuttgart, also landete ich nicht in Ludwigsburg, sondern in Stuttgart.« Mittlerweile hat Emma ihr Abitur bestanden, hat eine Ausbildung zur Chemisch-Technischen Assistentin abgeschlossen und studiert jetzt Chemie.
Stuttgart ist mittlerweile auch Heimat. »Mein Deutsch ist so viel besser als mein Französisch, das ja meine Muttersprache ist.«
Bei ihrer Großfamilie an der Elfenbeinküste war sie schon lange nicht mehr. »Es ist so teuer.« Damit meint Emma nicht den Flug, sondern die vielen Geschenke, die jedes Mitglied der Familie von der »reichen« Emma aus Deutschland erwartet. Das übersteigt ein studentisches Budget.
Manchmal sehnt sie sich zurück zur Elfenbeinküste. Zum blauen Meer, dem weißen Strand und der roten Erde. Zur Oma, die nicht weiß, wie alt sie ist. Zu Omas Feldern. »Wir sind Selbstversorger«, sagt sie. Gleichzeitig schüttelt Emma den Kopf, wenn sie an die Verschwendung denkt: »Wenn die Ernte zu gut ist, dann kümmert sich niemand um Abnehmer, dann verfaulen die Früchte einfach. Das ist schwer auszuhalten.«
Ein bisschen Selbstversorger steckt auch in Emma. Im Sommer wuchern auf dem Balkon massenweise Tomaten und Kräuter. Sie kocht ein und legt Vorrat an – so gar nicht afrikanisch, aber sehr deutsch.
FÜR 4 PORTIONEN
2 Tomaten
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
1 Stück Ingwer, daumengroß
12 kleine runde, grüne Auberginen (alternativ 1 große schwarze Aubergine, gewürfelt)
250 g Okraschoten
200 g Lammfleisch
200 g Tilapia oder Rotbarsch, im Ganzen, ausgenommen
1 EL Palmöl
1 EL Tomatenmark
4 rote Chilischoten, entkernt und fein gewürfelt
1 TL Salz
½ TL schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 Kochbanane
Fufu (Mehl aus Maniokwurzel und Kochbananen)
ZUBEREITUNG
Die Tomaten waschen, die Zwiebel und den Knoblauch abziehen, den Ingwer schälen und alles fein würfeln. Die Auberginen und die Okraschoten waschen und die Strünke entfernen. Die Hälfte der Auberginen pürieren.
Das Lammfleisch würfeln. Den Fisch waschen, trockentupfen und in 4 Stücke schneiden.
Das Palmöl bei mittlerer Temperatur in einem großen Topf erhitzen und das Fleisch, die Tomaten, die Zwiebel, den Knoblauch und den Ingwer 5 Minuten darin anbraten. 500 ml Wasser dazugießen und 15 Minuten köcheln lassen. Das Tomatenmark, die Chili, das Salz, den Pfeffer, die Auberginen, die Okraschoten und den Fisch dazugeben und weitere 20 Minuten köcheln lassen.
Die Kochbanane schälen und in Stücke schneiden. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, salzen und die Banane 15 Minuten darin kochen. Das Wasser abgießen und die Banane pürieren.
Das Fufu-Mehl nach Packungsanleitung mit Wasser anrühren. Die Masse in eine beschichtete Pfanne geben und unter ständigem Rühren bei mittlerer Temperatur etwa 15 Minuten köcheln lassen, bis sie fest und cremig wird – ähnlich wie eine Polenta. Dann das Bananenpüree hinzufügen und alles gut vermengen.
Das Fufu mit dem Fisch, dem Fleisch, dem Gemüse und der Sauce auf tiefen Tellern servieren.