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Horror eBook Band 2

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Erster Teil

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Literatur Guerillas

Horror eBook

Band 2

 

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Impressum

Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © dieser Ausgabe 2019 by KOVD Verlag, Herne

Cover, Umschlaggestaltung und Buchschmuck: VecS-GFX

Vignette und Kalle + Emrah Logos: J. Höreth

Lektorat & Korrektorat: A. Jost

 

 

Nachdruck und weitere Verwendung

nur mit schriftlicher Genehmigung.

 

ERSTER TEIL

 

 

»Siehste, es gibt auch bei Zombies Volltrottel!«, sagte Emrah.

»Hm?«, entgegnete ich etwas unkonzentriert, schließlich hatte ich meine geistigen Reserven darauf gebündelt, Stacheldraht um roh behauene Pfähle zu wickeln, die unseren Aussichtspunkt umgaben.

»Na schau dir doch bloß mal den Kollegen da unten an …«

»Hm?«

»Mensch, jetzt hör mal auf, dir mit dem Stacheldraht in die Hände zu piksen. Ich mein den Kerl, dem der halbe Unterkiefer fehlt und der so ein adrettes Jäckchen anhat …«

Ich ließ den störrischen Stacheldraht Stacheldraht sein und blickte unseren Hügel hinunter.

Tatsächlich liefen zwei Untote in ihrem altbekannten Stolpergang im Kreis umher.

Jede zweite Runde schafften es die beiden, aufeinanderzutreffen und mit den zerfledderten Schädeln zusammenzurasseln.

Nach jedem Zusammenstoß glotzten sich die zwei mit ihren toten Augen etwas irritiert an, jedoch schienen sie aus den Kollisionen nicht allzu viel zu lernen, da sie danach mit frischem Elan ihre endlosen Runden fortsetzten.

»Ich hab mal einen gesehen, der den ganzen lieben langen Tag nur hoch in den Himmel geglotzt und die Wolken beobachtet hat …«, meinte ich, »der hat nicht einmal versucht, nach mir zu schnappen, den hat das gar nicht interessiert.«

Ein schneidend kalter Wind fegte die letzten Gedanken an den Sommer fort, und ich bereute, meine Jacke im Zelt gelassen zu haben.

Armageddon war gerade mal zwei Monate her, mir kam es aber schon wie eine halbe Ewigkeit vor. Die Toten hatten sich aus ihren Gräbern erhoben und demonstrierten einen ungesunden Hunger, der nicht enden wollte.

Wer nicht genügend Phantasie für das Unglaubliche aufbringen konnte, überlebte die ersten Stunden des Weltuntergangs nicht. Zu absurd und abwegig war der Gedanke an wandelnde Leichen, die mit einem schweren Bulimie-Problem hausieren gingen.

Viele erstarrten einfach vor so viel Irrwitz, waren unfähig, zu flüchten und ließen sich ohne viel Gegenwehr packen und zerfleischen.

Andere fingen an, draufloszuquatschen, in der rationalen Art und Weise, die ihnen jahrzehntelanges Leben in der Zivilisation eingetrichtert hatte. Sie quatschten so lange, bis ihnen die Wiedergänger die Litaneien aus der Kehle herausbissen.

Wieder andere wurden so von vollkommener Panik ergriffen, dass sie jeglichen klaren Gedanken verloren und wie Schafe dem Schlachter in die Arme liefen. Die Meisten überlebten, weil sie rechtzeitig durch Radio, Internet oder Fernsehen von dem Ungeheuerlichen informiert wurden und sich ganz einfach in ihren Buden verrammelten. Dort hatten sie Zeit, das Geschehene zu verarbeiten und sich darauf einzustellen, dass ihr bisheriges Leben in einer Zivilisation nun Makulatur war, dass sie ihren kompletten Lebensrhythmus neu gestalten und den hässlichen Arschgesichtern vor ihren Türen die Zähne zeigen mussten.

Sobald man seine Gedankenwelt neu arrangiert hatte und einem klar wurde, was in dieser hässlichen Neuen Welt zählte, hatte man gute Chancen, die nächsten Monate zu überleben (es sei denn, man saß beim Ausbruch des Zombiewahns in einem Hochhaus fest, das von mehreren tausend kannibalischen Untoten geflutet wurde - dann schrumpften diese Chancen ins Minimalistische).

Ein anderer Aspekt, der die Sterbequote hochschießen ließ, war die Tatsache, dass jegliche Infrastruktur innerhalb von 48 Stunden zusammenbrach. Krankenhäuser wurden praktisch zu den Kernzentren der Zombieepidemie, da sie vollgepropft waren mit kürzlich Verstorbenen und eingelagerten Leichen. Die Untoten wälzten sich von den Seziertischen, wühlten sich aus den Leichenschränken und machten sich in den engen Gängen der Spitäler unverzüglich auf die Jagd nach Menschenfleisch. Eben noch erlosch der letzte Lebensfunke des kürzlich Operierten und schon schlug er wieder die Augen auf und verbiss sich in der Kehle seines Chirurgen.

Nirgends war die schiere Masse an Zombies so konzentriert wie in den Krankenhäusern. Sicherlich waren auf den Friedhöfen mehr Leichen zu finden, aber hier mussten sich die Monster erst noch ihren mühsamen Weg nach oben graben. Hart getretene Erde und vereinzelte Steine hielten sie auf dem Weg nach oben auf, so dass die eben Erwachten Zeit brauchten, um mit ihren weich gewordenen Fingernägeln das verschimmelte Holz ihrer Särge zu zerpflücken und wie verkrüppelte Schwimmer ans Tageslicht zu kraulen.

Aber in den engen Räumen der Krankenhäuser gab es kein Entkommen. Das wenige Sicherheitspersonal landete in Rekordzeit in diversen Zombiemägen, und so waren auch die Ausgänge schnell mit geifernden Schnappmäulern verstopft.

Und diejenigen, die nicht vollkommen verspeist wurden, gesellten sich zu der ständig wachsenden Armee der Untoten. So quollen tausende von Zombies aus den Krankenhäusern heraus. Und sie trampelten hinaus in eine Welt, die vollkommen unvorbereitet auf sie war. Da die Krankenhäuser von den Darmfressern überrannt wurden, wurden auch die Rettungswagen lahmgelegt. So endete die Mehrzahl der Herzinfarkte, Schlaganfälle und sonstiger Notfälle, die ansonsten eine schnelle professionelle Behandlung erforderten, tödlich. Und damit reihten sich diese Todesfälle in die Armee der Wiedergänger ein. Die Kettenreaktion, die diese Toten initiierten, war enorm – gewaltig – irre.

Innerhalb von zwölf Stunden wälzte sich eine untote Lawine durch die Straßen, stürmte die Einkaufszentren und drang in alle ungesicherten öffentlichen Einrichtungen ein.

Die Ordnungskräfte in Form der Polizei (und später der Armee) sahen sich mit einem Feind konfrontiert, auf den sie in keiner Weise vorbereitet gewesen waren.

Bevor der Hinweis die Runde machen konnte, dass nur ein Kopfschuss Untote permanent ins Nirwana befördert, wurde fleißig und überflüssig in verschiedenste Körperteile der Darmfresser geballert. Und so wurden ganze Polizeieinheiten überrannt, bevor effektiver Widerstand geleistet werden konnte.

Ein anderer Aspekt, der die Sterbequote in die Höhe schießen ließ, war der Kollaps so ziemlich aller Verkehrswege.

Die wandelnden Toten verstopften die Straßen, taumelten in Personenwagen, LKWs und Busse und verursachten damit Massenkarambolagen – ineinander verkeilte Blechhaufen, die nicht beiseitegeschafft werden konnten, weil die geifernde Kannibalenflut dies einfach nicht zuließ.

Somit liefen alle Notrufe ins Leere, weil die Rettungsfahrzeuge ihren Job nicht mehr verrichten konnten. Die dadurch sterbenden Leute verstärkten noch das ständig wachsende Heer der Untoten.

Die Supermärkte und Shops konnten nicht mehr mit Nahrungsmitteln beliefert werden, was zur Folge hatte, dass Plünderungen einsetzten, als den Leuten klar wurde, dass der Nachschub ausbleiben würde.

Es wurde so lange geplündert, bis es zu gefährlich wurde, die Geschäfte aufzusuchen. Hunger grub sich in die Mägen derer, die nichts zu Hause gebunkert hatten, und derjenigen, die keine Waffen besaßen, um anderen Nahrung wegzunehmen.

 

 

Emrah und ich überlebten die ersten 24 Stunden des Zombiearmageddons nur mit sehr viel Glück.

Ich hatte an diesem Tag einen Umzug zu bewältigen. Meine Freundin hatte beschlossen, ihr Leben neu zu sortieren, und ich war ein unangenehmes Stolpersteinchen in dieser Neusortierung.

Emrah hatte ich dazu auserkoren, mir beim Umzug zu helfen. Er war mein ältester und bester Freund. Leider war er noch träger als ich. Dazu kam noch, dass er seine ‚Hilfe bei meinem Umzug’ so interpretierte, dass er für die Vertilgung sämtlicher Chips und Süßigkeiten aus meinem Vorrat verantwortlich war.

Wir waren in meinem altersschwachen Opel Kadett unterwegs, der hustete und spuckte, was das Zeug hielt, und dem ich täglich gut zureden musste, nicht den Löffel abzugeben. Emrah hielt sich an einer Tüte Fruchtgummis schadlos, die er aus meinem Süßigkeiten-Karton stibitzt hatte. Ich hatte die Rücksitze umgelegt und mit so viel Kartons vollgestopft, wie der spärliche Platz hergab.

Als Steffi, meine Ex, begutachtete, wie wir meinen Krimskrams in die Kartons packten, hatte sie so viel Verachtung in ihren Blick gelegt, dass ich Angst bekam, in Flammen aufzugehen (als würde uns Supermans Laserblick zerbrutzeln).

»Vergiss ja nicht deinen ganzen Bücher- und Comicscheiß!«, zischte sie mir hinterher, dass das sprichwörtliche Gift nur so sprühte. Ich verstand nicht, warum sie so sauer war, schließlich hatte SIE mir den Laufpass gegeben.

»Och, werd’ ich nicht, schließlich sind Bücher von Haus aus radioaktiv verseucht und könnten dir glatt die Augen ausbrennen …«

»Klugscheißer!«, donnerte sie in den Treppenflur.

Es war das letzte Mal, dass ich etwas von ihr zu hören bekam.

 

 

»Wie hast du es nur mit dieser Klapperschlange vier Jahre ausgehalten?«, sagte Emrah, während er seine langen Beine in den mickrigen Fußraum meines Autos quetschte.

Seine braunen Augen hielten ungeniert Ausschau nach Essbarem, und schließlich konnte er vom Rücksitz eine angebrochene Chipstüte ergattern.

»Hmpf, ich glaub’, ich liebe sie immer noch …«, grunzte ich verdrossen.

»Typischer Fall von Hirnfäule, mein Lieber. Diese Trulla hat bestimmt schon einen anderen Stecher unterm Laken. Würde mich nicht wundern, wenn er hinter der Badezimmertür gelauert hätte …«

»Meinst du wirklich?«, krächzte ich.

»Mmpf, dir ist echt nicht mehr zu helfen. Mann, vergiss die Tante einfach, sie ist’s nicht wert, dass du dir ihretwegen die Fingernägel abkaust!«

»Ächz, wenn das mal so einfach wäre … mir geht’s echt dreckig, und ich versteh’ das Ganze nicht … Es lief doch gar nicht so schlecht mit uns …« Mittlerweile schniefte ich richtiggehend.

»Verflixt, jetzt hör aber auf, rumzuschniefen. Reiß dich am Riemen, Mann, es gibt so viel attraktivere Frauen als sie auf dem Markt, und die meisten davon sind auch keine solchen Riesenarschlöcher …«

»Uh, soll mich das jetzt wirklich trösten? Ich …«

WUMMMMMMMMMMMMMMMSSSSSSS

Etwas war gegen die Windschutzscheibe des Kadetts geklatscht. Etwas, das die Scheibe in ein schönes Spinnennetz verwandelte und eine dunkelrote Blutspur draufgeschmiert hatte.

Ich stieg in die Eisen, und das Auto schlitterte um die eigene Achse, so dass es eine 180-Grad-Drehung vollführte. Mit einem rosterfüllten Krack kam der Kadett zum Stillstand.

»Ach du dicke Scheiße!«, stöhnte Emrah, während ich etwas wie ‚Wa… wa… wie …’ brabbelte.

Der Körper, der gegen unsere Windschutzscheibe geknallt, nach dem Aufprall unter den Wagen gerutscht war und von den Rädern eine 1-Tonnen-Massage abbekommen hatte, krabbelte wieder nach oben.

Zuerst bekamen wir eine bleiche Hand mit gelben, abgebrochenen Fingernägeln zu sehen, die sich schließlich an den Scheibenwischern festkrallte. Dann rückte der Kopf des Unfallopfers in unser Blickfeld. Das rechte Auge hatte der Aufprall aus dem Sockel gequetscht, so dass es an einem blutigen Faden unter der leeren Augenhöhle baumelte. Die Wangenknochen waren stark nach links gequetscht, so dass es den Anschein hatte, als ob eine fleischige Welle über das Gesicht strich. Ein Halsknochen war gebrochen und ragte seitlich wie eine Speerspitze aus dem Hals heraus. Dieses Ding durfte eigentlich nicht mehr leben und trotzdem krabbelte es unbeirrbar auf uns zu.

Dann bemerkten wir, dass diese zermatschte Kreatur nicht allein war. Überall um uns herum taumelten weitere Horrorgestalten auf uns zu: Wandelnde Leichen mit blutleeren, milchweißen Gesichtern, ordentlich bekleidet, frisch verstorben, ziemlich agil, geladen mit fiebriger Energie, erfüllt mit gieriger Bereitschaft, den neu erwachten Hunger zu stillen.

Nackte Untote, deren pappiges Fleisch teilweise von den Knochen abgefault war, übersät mit krustigen Geschwüren und klebriger Graberde. Teilweise vollkommen desorientiert und gebremst vom jahrzehntelangen Kauern in der Grabestiefe.

Ein Typ im feinen Anzug und Krawatte kratzte mit seiner Klaue über die Scheibe der rechten Außentür. Der Großteil seines Gesichts war weggerissen, so dass er ein halbes skelettiertes Grinsen zur Schau trug. Hinter ihm watschelte eine alte Frau, deren Nase und Kinn schwarz angefault waren.

Dunkler Sabber spritzte aus ihrem aufgerissenen Mund und den glibbrigen Nasenlöchern. Ihre toten Augen waren weit aufgerissen und hatten einen fiebrigen Glanz. Ihr fetter Körper klatschte mit einem Wumms gegen die Seitenscheibe und ließ den Wagen erzittern, so dass ich mich vor Schreck fast einpinkelte.

»Himmel, Arsch und Zwirn!«

»Gib Gas, Kalle!«, schrie Emrah. Er schien vor lauter Panik in seinen Autositz zu versinken, seine Hände krallten sich wie Schraubstöcke in die Sitzpolster.

Natürlich gab ich Gas. Ich trat so kräftig auf das Pedal, dass ich Angst hatte, den Boden durchzutreten.

Allerdings kam ich nicht weit. Wir waren mittlerweile von hunderten wandelnder Leichen umringt. Ich pflügte zwar noch ein paar mit meinem Kühler zur Seite, doch dann verkeilte sich ein halbes Dutzend Körper unter meinem Wagen. Die Räder blockierten, weil zerfetztes Fleisch und Knochen in die Radkästen geschleudert wurden.

Wir standen. Nichts ging mehr.

Ein Meer an fauchenden, zerstörten Gesichtern befand sich vor der Windschutzscheibe und den Seitenfenstern. Die Körper der vorderen Untoten wurden von ihren verfaulten Brüdern und Schwestern nach vorn gedrückt. Der Druck auf die Scheiben nahm zu.

Es knirschte. Ein Spinnennetz aus Rissen erschien auf der Windschutzscheibe. Wir saßen verkrampft und mit aufgerissenen Augen in den Sitzen. Kalter Schweiß brach mir aus. Jegliches Gefühl schien aus meinen Gliedern zu flüchten. Der Tod befand sich eine Armlänge von uns entfernt.

Die Windschutzscheibe bog sich nach innen, die Risse wurden größer, Glassplitter zischten in unsere Gesichter.

Doch dann geschah das Wunder: Eine Sirene jaulte auf. Ein Rettungswagen. Ein Notarzt. Oder die Feuerwehr. Was auch immer, scheißegal, dieses grandiose Heulen rettete uns das Leben. Die Zombies wurden davon angelockt. Wie Hunde, die eine Hundepfeife hören, ruckten ihre Köpfe nach oben, und dann setzten sie sich in Bewegung, strömten dem Geräusch hinterher. Ein Zombie blieb auf der Windschutzscheibe liegen. Die anderen hatten durch ihr Gewicht praktisch seine sämtlichen Knochen gebrochen, und jetzt konnte er nur noch mit dem Kopf wackeln und mit der rechten Hand wedeln.

»Wa-was machen wir jetzt?«, japste ich. Der Schweiß rann immer noch in Strömen an mir herunter.

»Raus hier. Schnell. Beweg’ deinen Arsch!«, zischte Emrah mir zu. Seine Stimme knirschte, als hätte er Sandkörner zwischen den Zähnen.

Als ich ausstieg, zitterten mir die Beine. Fast wäre ich auf den schmierigen Flüssigkeiten ausgerutscht, die die zerfetzten Leichen unter dem Auto absonderten.

Wir rannten in die entgegengesetzte Richtung, die die Zombiehorde eingeschlagen hatte, weil wir das allemal für eine gute Idee hielten.

Wir sahen beim Laufen, wie einige Leute, die sich vor die Haustür gewagt hatten, von den Zombies angefallen wurden. Es war wie im Film – die Leute wurden angefallen und dann von den Untoten gefressen – dies ließ eventuelle Zweifel, dass diese Zombies vegetarische Varianten sein könnten, verblassen.

Was mich erstaunte, war, dass manche Leute nicht etwa vor diesen Horrorgestalten flohen, sondern auf sie zukamen … Wahrscheinlich hielten sie die Zombies für Unfallopfer oder … Ach, was weiß ich, keinen blassen Dunst, jedenfalls schienen diese armen Tröpfe noch nie einen Zombie-Film gesehen zu haben (und was das anging, waren Emrah und ich nahezu Experten … es gab kaum einen Zombie-Trash, den wir uns auf DVD noch nicht reingezogen hatten – und was war die erste Regel bei Zombiekontakt? Richtig! WEGRENNEN).

Ein paar vereinzelte Horrorgestalten torkelten durch die Gegend. Sie konnten uns aber nicht gefährlich werden, wir umkurvten sie wie Slalomstangen, nur dass diese Stangen mit ihren fauligen Zähnen nach einem schnappten.

»Verdammt, es werden wieder mehr! Wir müssen einen Unterschlupf finden …«, keuchte ich – mit meiner Kondition stand es nicht zum Besten.

»Pff, pff … dann da rein …«

Wir befanden uns in einer Gegend mit vielen kleinen Einfamilienhäusern. Das Haus, auf das Emrah zusteuerte, war ein Bungalow mit einem vorgelagerten schmalen Rasenstreifen. Eine hüfthohe Mauer umkränzte das Grundstück. Das Türchen an der Mauer war abgesperrt, aber so niedrig, dass wir mühelos darüber hinwegspringen konnten.

Emrah drückte wie ein Verrückter auf die Klingel, und ich hämmerte mit der Faust auf das Holz der massiven Haustür.

Durch mein Geklopfe wurden einige untote Spaziergänger auf uns aufmerksam und trippelten auf das Haus zu.

»Verdammt noch mal, lassen Sie uns schon rein, verfluchte Scheiße noch eins!«, brüllte ich verzweifelt.

Meine schweißnassen Nackenhaare standen stramm und mir graute davor, den ersten Hosenschiss meines Lebens hinzulegen.

Endlich wurde die Tür geöffnet. Eine weißhaarige Omi wie aus dem Bilderbuch stand vor uns und hauchte: »Herrjemine, ach Gottchen …«

Für große Erklärungen war keine Zeit, und so griff sich Emrah das Omachen und wetzte mit ihr durch den Eingangsflur ins Hausinnere. Ich watschelte hinterher und verriegelte die Tür. Die Tür war wuchtig, aus massivem Eichenholz mit einer winzigen Sichtluke. An den Rändern war sie mit dunklem Stahl verstärkt – ein Panzer hätte seine liebe Mühe mit ihr gehabt, was mich sehr erfreute.

Emrah hatte den Flur durchquert, mit der Omi unter dem Arm, und gelangte durch eine Zwischentür in die Küche.

Dort saß ein alter Mann in einem Rollstuhl, der gerade einen Teller mit Haferschleim auslöffelte.

Der Alte starrte uns entgeistert aus seinen wasserblauen Augen an und keuchte: ‚Ach du liebes bisschen’, wobei ihm Haferschleim aus den Mundwinkeln rann.

 

 

Die süße Omi hieß Lilly und ihr Mann (der Haferschleimschlürfer) hörte auf den Namen Willy. Ohne Scheiß! Die beiden hießen tatsächlich Lilly und Willy und waren das entzückendste Rentnerpärchen, das ich je kennengelernt hatte.

Willys Beine hatten ihren Dienst aufgegeben und auch mit dem Gedächtnis hatte er seine liebe Mühe. Aber Lilly war noch prächtig in Schuss und hielt für sie beide den Laden in Schwung, kümmerte sich rührend um ihren Ehemann und war sich selbst für die anfallenden Klempnerjobs im Hause nicht zu schade.

Ich hatte die beiden schon nach wenigen Minuten in mein Herz geschlossen und auch der olle Emrah war von ihnen angetan (auch wenn er sich lieber an den Eiern gezogen hätte, als das zuzugeben).

Zuerst hielten uns die beiden für zwei durchgeknallte Einbrecher, was nur verständlich war. Die Geschichte mit den Zombies war natürlich auch nicht besonders glaubhaft, aber als wir die beiden dazu brachten, aus dem Fenster zu schauen, wo sich mittlerweile wieder eine halbe Hundertschaft Untoter auf den Straßen tummelte, gingen dem Pärchen erst mal die Augen über.

»Herrjemine, Donnerlüttchen!«, entfuhr es Lilly, dem Willi ein: »Ei der Daus noch mal!« nachschob.

»Ja, wir können’s auch kaum glauben. Können Sie vielleicht den Fernseher und das Radio anstellen? Es müssen doch Berichte über diese Katastrophe laufen …«, schlug ich vor.

»Was ist denn mit diesen Leuten los? Sind die tollwütig geworden?«, fragte Willi in die Runde.

»Keine Ahnung. Sie sehen jedenfalls wie Zombies aus, Sie wissen schon, wandelnde Leichen, die Menschfleisch fressen …«

Lilly und Willi schauten uns an, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank, aber schließlich brauchten sie nur noch einmal aus dem Fenster zu sehen …

 

 

Es dauerte gute zwei Stunden, bis die erste Meldung im Radio kam.

Kurze Zeit später flimmerte auch ein aktueller Kommentar im Nachrichtenfernsehen. Nichts Dramatisches, nein, nichts in der Art von: ‚Herrjeh, der Weltuntergang ist über uns hereingebrochen’.

Nein, die meisten Sendungen behandelten die Meldung von menschenfressenden Zombies wie den ‚Joke des Tages’ und nahmen das Thema nicht ernst, ja manche der gelackten Nachrichtenfuzzis hatten nur ein zynisches Schmunzeln dafür übrig. Das änderte sich dann im Laufe des Tages, als Live-Kameras das Geschehen in den Städten sendeten. Ausgerissene Eingeweide und aufgerissene Zombiefratzen, die sich letztlich in die Kehle des Kameramanns verbissen, ließen keinen weiteren Spielraum für ironische Kommentare.

Plötzlich fand man einen gehetzten Ausdruck in den Augen der Berichterstatter, und gegen Abend war auch dem abgebrühtesten Anchorman klar, dass es nicht mehr so einfach sein würde, die U-Bahn zum Feierabend zu erwischen …

In einer Bildeinstellung hatte man Bilder aus der Hubschrauberperspektive aufgenommen. Man sah einen Straßenzug, der von Zombies geflutet wurde. Tausende von zerfledderten Wiedergängern wälzten sich durch die Straßenschluchten.

Jeder, der nicht rechtzeitig Unterschlupf gefunden hatte, wurde von ihnen mitgespült. Es war nicht nur beängstigend, nein, diese Bilder ließen die blanke Todesangst in die Eingeweide fahren.

Wir saßen erstarrt vor dem Fernseher. Lilly entfuhr ab und zu ein: »Oh Gott, oh Gott« und uns anderen blieb zu viel Spucke weg, um überhaupt einen Mucks von uns zu geben.