SECRET CITYS DEUTSCHLAND – Einleitung
DER NORDEN
1FLENSBURG – Rum-Revier im Norden
2HUSUM – Graue Stadt am Meer
3CUXHAVEN – Das Tor zur Nordsee
4WORPSWEDE – Atelier unterm hohen Himmel
5STADE – Hanseatisches Juwel
6LÜNEBURG – Rote Rosen und weißes Gold
7MÖLLN – Eulenspiegels Heimat
8FEHMARN – Die Insel am Sund
9WISMAR – Perle an der Ostsee
10LUDWIGSLUST – Vom Gutshof zur Residenzstadt
11GÜSTROW – Prachtschloss und Künstlerheimat
12GREIFSWALD – Universitätsstadt am Ryck
13BRANDENBURG / HAVEL – Die Wiege der Mark
14TANGERMÜNDE – Kaiserliches Kleinod
15HILDESHEIM – Auferstanden aus Ruinen
16HAMELN – Die Rattenfängerstadt
17OSNABRÜCK – Keimzelle Europas
DER OSTEN
18GOSLAR – Vielseitige Welterbestätte
19HALBERSTADT – Schatzkammer am Harz
20QUEDLINBURG – Märchenhafte Kulisse
21HALLE/SAALE – Stadt mit besonderem Klang
22TORGAU – Renaissance trifft Reformation
23MEISSEN – Domstadt mit Flair
24BAUTZEN – Bezaubernde Altstadt
25GÖRLITZ – Tief im Osten
26ZITTAU – Wo sich drei Länder treffen
27FREIBERG – Berggeschrey im Erzgebirge
28ANNABERG – Silberstadt voller Überraschungen
29ALTENBURG – Kaiser, Karten und die Kunst
30NAUMBURG – Glanzvoller Mittelpunkt
31ARNSTADT – Tor zum Thüringer Wald
32SCHMALKALDEN – Thüringens Fachwerktraum
MITTE UND WESTEN
33FULDA – Hessische Barockherrlichkeit
34ALSFELD – Sagenhafte Modellstadt
35MARBURG – Schönheit am Hang
36BRAUNFELS – Schloss im Familienbesitz
37FRIEDBERG – Burg, Bad und Rock 'n' Roll
38LIMBURG – Domstadt an der Lahn
39KOBLENZ – Vereinigung am Deutschen Eck
40MONSCHAU – Im Einklang mit der Natur
41BREMM – Moselwein von der Steilwand
42SAARBURG – Glockenstadt an der Saar
43BACHARACH – An den Ufern der Poesie
44WORMS – Nibelungenstadt am Rhein
45SPEYER – Machtzentrum des Mittelalters
DER SÜDEN
46KRONACH – Nie bezwungen, nie besiegt
47COBURG – Kinderstube der Windsors
48IPHOFEN – Das wehrhafte Weindorf
49MOSBACH – Geheimtipp im Odenwald
50MARBACH – Literatur und Wein am Neckar
51LUDWIGSBURG – Barock vom Feinsten
52BLAUBEUREN – Am mystischen Blautopf
53NÖRDLINGEN – Von Mauern und Meteoriten
54DINKELSBÜHL – Kinderzeche und Breznfenster
55WEISSENBURG – Reiterkastell und freie Reichsstadt
56FREISING – Heiter in der zweiten Reihe
57IMMENSTADT – Kleinod am Alpsee
58RAVENSBURG – Ein reiches Pflaster
59ÜBERLINGEN – Dolce Vita am See
60STAUFEN – Historische Fauststadt
Register
Bildnachweis/ Autoren
Impressum
Richtig verborgen sind die Städte und Städtchen in diesem Buch natürlich nicht. Aber sie liegen oft nur an zweiter oder dritter Stelle des touristischen Interesses in ihrer jeweiligen Region. Das muss kein Nachteil sein – weder für die Bewohner noch für die Besucher. Dieses Buch spricht 60 charmante Einladungen aus, deutschlandweit die Koffer zu packen.
Sein eigenes Land meint man ja zu kennen – den weiten Norden, die waldige Mitte, den lieblichen Süden und dazwischen eine Handvoll großer Städte, die vermutlich jeder früher oder später einmal besucht. Doch wie sieht es mit den Orten dazwischen aus, von der dänischen Grenze bis zum Bodensee und von der Saar bis an die Oder? Weiß man Marburg von Marbach zu unterscheiden und Bacharach am Rhein von Biberach an der Riß? Mit jedem Kapitel dieses Buches beschleichen einen Zweifel, ob es mit der eigenen Landeskenntnis wirklich so weit her ist: Ach, so alt ist der Ort? Und so viele berühmte Bauwerke stehen dort? Wusste ich von jenem Park, von diesem historischen Markt? Und dass der große Künstler dort gelebt hat?
Doch mit jeder Seite wächst auch die Erleichterung: So viel kann ein Einzelner gar nicht wissen, aber er kann sich einlesen und hinfahren. Denn – und das ist in Zeiten von Klimakrise und Flugscham nicht die schlechteste Nachricht – zu jeder hier vorgestellten Stadt ist es nicht weit und jede lässt sich mit dem Zug erreichen.
Viele Kapitel in diesem Buch beginnen mit der Geschichte der jeweiligen Stadt. Der Grund ist sehr einfach: Die meisten der vorgestellten Orte blicken auf eine derart reiche Vergangenheit zurück, dass sich manche Metropole leicht dahinter verstecken kann. Städte wie etwa Goslar, Freiberg und Dinkelsbühl waren schon ungeheuer bedeutsam, als in heutigen Millionenstädten noch die Schweine gehütet wurden. Das sagt auch einiges über die Relativität von Bedeutsamkeit – und wer weiß schon, welche Stadt in 100 Jahren der place to be sein wird.
Vielleicht vermisst die eine Leserin oder der andere Leser seine oder ihre Lieblingsstadt – aber sicher lässt sich dafür eine andere, bisher unbekannte entdecken. Es gibt über 2000 Städte in Deutschland, wer findet da die interessanteste heraus? Deshalb hatten unsere vier Autorinnen und Autoren, die sich alle bestens in Deutschland auskennen, bei der Auswahl ihrer Ziele freie Hand. Das scheint subjektiv, führt aber zu einem liebevollen Blick aus vier verschiedenen Sichtwinkeln auf die deutschen Städte in der zweiten Reihe. Befragt nach der Motivation ihrer Auswahl und nach den für sie besonderen Orten hat Silke Martin, Autorin von 21 Kapiteln, geschrieben, dass ihr unter allen Zielen Blaubeuren mit dem geheimnisvollen Blautopf besonders ans Herz gewachsen ist. Thomas Bickelhaupt, der von 17 Städten berichtet, will keine hervorheben – dafür aber die Menschen, die ihm voller Begeisterung diese Orte nahegebracht haben. Dass in der Sammlung die ostdeutschen Städte nicht zu kurz kommen, war ein echtes Anliegen von Doris Mundus aus Leipzig. In 14 Kapiteln hat sie ihre Lieblinge zwischen Annaberg-Buchholz und Zittau porträtiert. Und für mich als Rheinländerin in Bayern waren die acht Kapitel zwischen Greifswald und Überlingen ein herrlicher Querschnitt durch die Republik, so wie sie sich heute vor allem in ihren kleinen Städten zeigt: bunt und erstaunlich tief, regional vollkommen verschieden und durch die Bank gepflegt. Deutschlands große Vielfalt kleiner Städte – lassen Sie sich inspirieren!
Britta Mentzel
Flensburg hat sich trotz seiner knapp 90 000 Einwohner viele idyllische Fleckchen bewahrt. Am westlichen Ende der Flensburger Förde gelegen, Dänemark in Sichtweite, die Ostsee vor der Haustür, schafft die Stadt den Spagat zwischen Historie und Moderne.
Die gesamtdeutsche Sicht auf Flensburg fällt vielleicht ein bisschen zwiespältig aus: Autofahrer denken nicht so gerne an die Heimat des Kraftfahrt-Bundesamtes, wenn sich hier schon gefährlich viele Punkte angesammelt haben. Dagegen hören Bierliebhaber im Geiste schon das »Plopp« der charakteristischen Bügelflasche der ortsansässigen Brauerei – und Segler nutzen die Stadt als idealen Ausgangspunkt für Törns durch die dänische Inselwelt oder in die baltischen Staaten. Flensburg ist eine weltoffene, facettenreiche und moderne Stadt, die die Zeugnisse ihrer langen Geschichte behutsam bewahrt hat.
Im Zweiten Weltkrieg weitgehend von schweren Bombenangriffen verschont, ist viel alte Bausubstanz erhalten geblieben. Stattliche Kaufmannshöfe und Speicher, zahlreiche Kirchen, enge Gassen, idyllische Höfe und Marktplätze künden von der Vergangenheit der Stadt, seit sie im 11. Jahrhundert als Handels- und Fischersiedlung ihren Anfang nahm. »Hyggelig« ist es hier, würden die Dänen sagen. Kurz hinter Flensburg liegt bereits die dänische Grenze; Besuche im Nachbarland gehören für Deutsche wie für Dänen zum Alltag.
Das Johannisviertel gilt als Keimzelle der Stadt. Hier erbauten sich um 1150 dänische Fischer ihre Häuser um die St. Johannis-Kirche als sakralen Mittelpunkt. Pittoresk ist der Oluf-Samson-Gang am Hafen, den in früheren Jahrhunderten die Seeleute rege nutzten – das einstige »Rotlichtviertel« ist heute ein beschauliches Wohngässchen mit ganz eigenem Flair. Die ehrbaren Kapitäne nahmen Quartier im Viertel Jürgensby, quasi das Blankenese Flensburgs mit hübschen Häusern samt Garten und Terrasse in Hanglage.
Der Museumsberg bietet mit dem Heinrich-Sauermann- und dem Hans-Christiansen-Haus zwei Museen, die die Kunst und Kultur der Region über sieben Jahrhunderte abbilden, hinzu kommen wechselnde Sonderausstellungen. Zum Gelände gehören auch der Alte Friedhof und der Christiansen-Park mit der Spiegelgrotte, ein unterirdischer achteckiger Kuppelsaal.
Die Handelsschifffahrt und der Schiffbau bestimmten über Jahrhunderte das Wohl und Wehe der Bürger. Der Hafen bildet nach wie vor das Zentrum von Flensburg. Im historischen Teil liegen klassische Jachten sowie historische Segel-, Motor- und sogar Dampfschiffe, wie der Salondampfer »Alexandra«, mit dem Besucher bis heute in See stechen können. Vertiefende Informationen über die maritime Vergangenheit geben das Schifffahrtsmuseum, die Museumswerft sowie der Museumshafen. Hier liegt beispielsweise die »Dagmar Aaen«. Der einstige Haikutter wurde vom Polarforscher Arved Fuchs für seine Expeditionen umgebaut. Als einziges Segelschiff weltweit durchquerte die »Dagmar Aaen« sowohl die Nordost- als auch die Nordwestpassage.
Zur großen Bühne wird der Hafen regelmäßig bei den besucherstarken maritimen Großveranstaltungen wie der Flensburger Regatta, die 1855 erstmals stattfand, beim »Catamaran Cup« oder bei der »Dampf-Rundum«, dem größten europäischen Get-together für Dampfschiffe und -lokomotiven. Bei der »Rumregatta« für historische Gaffelsegler gilt es, Zweiter zu werden. Als Belohnung winkt eine 3-Liter-Flasche Rum, während der Erste nur ein wertloses, möglichst hässliches Präsent erhält.
AUF DEN SPUREN DES RUMS
Im 18. Jahrhundert etablierte sich Flensburg als bedeutender Importeur für Rum. Mehr als 20 Rumhäuserverschnitten und veredelten das kostbare Getränk, darunter so berühmte Marken wie Hansen, Pott oder Asmussen. Mit der Industrialisierung setzten sich andere Handelsplätze durch, die ru(h)mreiche Zeit Flensburgs ging zu Ende. Heute gibt es nur noch zwei Rumhäuser, Johannsen und Braasch. Themenführungen wie die »Rum- & Zucker-Tour« oder »Höfe, Rum und alte Schiffe« machen hier Station und lassen die Vergangenheit Wiederaufleben. Alles Wissenswerte rund um den Rumhandel präsentiert das Rum-Museum im Zoll-Keller des Schifffahrtsmuseums.
WEITERE INFORMATIONEN
Touristinformation Flensburg,
www.flensburger-foerde.de
Hier finden sich auch ausführliche Informationen zu den Rum-Führungen, den Rum-Museen sowie allen anderen Themenführungen in Flensburg.
Die größte Stadt im Kreis Nordfriesland und Heimat des Dichters Theodor Storm ist das wirtschaftliche und touristische Zentrum der Region. Aufgrund ihrer Lage direkt an der Nordsee nennen ihre Einwohner sie liebevoll das »Metropölchen am Meer«.
Mit dem melancholischen Gedicht »Die Stadt« setzte Theodor Storm seinem Geburtsort ein literarisches Denkmal. Allerdings blieb seitdem auch der Beiname, »Graue Stadt am Meer«, an Husum hängen. Doch grau ist der Ort mit gut 22 000 Einwohnern ganz und gar nicht: Bunte Häuser reihen sich im Binnenhafen eng aneinander, mit farbenfrohen Wimpeln geschmückte Segeljachten schaukeln im Hafenbecken, und in den Gassen der Altstadt herrscht zwischen den stattlichen steinernen Kaufmannshäusern eigentlich immer reges Treiben. Husum liegt direkt an der Nordsee. Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer, seit 2011 UNESCO-Weltnaturerbe, beginnt gleich vor der Haustür. Die Luft schmeckt salzig, das Geschrei der Möwen ist allgegenwärtig, und hier gibt es sie noch, die fast ein wenig nostalgisch anmutenden Krabbenkutter, die ihren frischen Fang im Außenhafen feilbieten.
Die Fahrt mit dem Kutter hinaus aufs Meer und eine geführte Wattwanderung stehen ganz oben auf der To-do-Liste der Besucher. Im Sommer zieht es die Urlauber an den Strand, aber der ist hier grün! Die Strandkörbe stehen im frischen Gras statt im feinen Sand. Und zweimal am Tag schaut die Nordsee vorbei – der Wechsel zwischen Niedrig- und Hochwasser ist selbst im Binnenhafen deutlich zu erkennen.
Wer mehr über die Einzigartigkeit des Wattenmeers, über die Faszination von Ebbe und Flut und über die maritime Historie der Region erfahren möchte, findet im Nationalpark-Haus sowie im Schifffahrtsmuseum Nordfriesland interessante Exponate und viel Wissenswertes. Die jahrhundertealte Seefahrts- und Walfanggeschichte der Stadt wird hier verständlich und spannend aufbereitet. Zu den Highlights gehört das »Zuckerschiff« – das Wrack eines Frachtseglers aus der Zeit um 1600, das man 1994 im nahen Uelvesbüller Koog zufällig entdeckte und zunächst für zwei Jahre in einer Zuckerlösung konservierte, um es »haltbar« zu machen.
Wer in Husum vorbeischaut, kommt an ihm nicht vorbei, dem großen Sohn der Stadt: Theodor Storm (1817–1888) schuf mit seiner Novelle »Der Schimmelreiter« ein Stück Weltliteratur. In der Wasserreihe 31 unweit des Binnenhafens steht das Haus, in dem er mit seiner Frau Dorothea und den sieben Kindern von 1866 bis 1880 lebte und arbeitete. Die Wohnräume der Familie, u. a. das Arbeitszimmer mit dem Schreibtisch des Dichters, vermitteln einen sehr authentischen Eindruck vom Alltag der Storms.
Das stattliche Husumer Schloss, übrigens der einzige erhaltene Prachtbau an der Westküste Schleswig-Holsteins, war einst Sitz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf, im 18. und 19. Jahrhundert zeitweilig sogar eine Residenz des dänischen Königs. Es ist öffentlich zugänglich und birgt im Schlossmuseum die Wohn- und Repräsentationsräume seiner adligen Bewohner. Ebenso das Poppenspäler Museum (auch er eine Storm-Figur) mit handgefertigten Marionetten aus aller Welt ist hier zu finden. Schloss und Park sind zudem die Kulisse der »Pole Poppenspäler Tage« während des Internationalen Figurentheaterfestivals sowie weiterer renommierter Musikfestivals und Open-Air-Konzerte.
BLUMENTEPPICH IM PARK
Wenn alljährlich im Frühling etwa vier Millionen lilafarbene Krokusblüten wie ein pastellener Teppich den Schlosspark überziehen, ist das ein in Nordeuropa einzigartiges Naturschauspiel, das zahlreiche Touristen, aber auch Menschen aus der Region nach Husum lockt. Auf einer Fläche von rund 50 000 Quadratmetern entfaltet der Crocus napolitanus sein lila Wunder, und das bereits seit Jahrhunderten. Wer genau die Krokusse einst gepflanzt hat, ist nicht mehr zu belegen. Vermutlich wollte man Safran gewinnen. Die Krokusse vermehren sich längst ohne Eingreifen des Menschen und bescheren dem Betrachter in jedem März ein Augenkino der besonderen Art. Die Husumer feiern das Ereignis gebührend mit ihrem Krokusblütenfest samt Krönung der Krokusblütenmajestät.
WEITERE INFORMATIONEN
Tourismus und Stadtmarketing Husum,
www.husum-tourismus.de
Die Schifffahrt prägt den Puls der Stadt. Umrahmt von Elbe und Nordsee vereint Cuxhaven lässiges Strandleben mit dem spürbar schnellen Atem der globalen Wirtschaft. Hier müssen sie alle vorbei, die große Pötte, die von Hamburg aus in See stechen.
Kreuzfahrtschiffe wie die legendäre »Queen Mary II«, internationale Containerriesen, elegante Jachten, schnelle Fähren und geschäftige Fischkutter – sie alle passieren in hohem Takt den Schifffahrtsweg Elbe, eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt, auf ihrem Weg Richtung Hamburg und in die Nordsee. Und auch die Stadt lebt mit und vom Meer gleich vor der Haustür. Die Fischerei ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Zahlreiche Fisch verarbeitende Unternehmen haben sich im neuen Fischereihafen niedergelassen, große Hochseetrawler starten hier ihre Fahrt bis nach Grönland oder Island. In den Auktionshallen will jeder den besten Tagespreis für Edelfisch erzielen. Nebenan, im alten Fischereihafen, geht es indes etwas beschaulicher zu. Hier bereiten sich die Krabben- und Fischkutter auf die nächste Ausfahrt vor, die Hoffnung auf einen guten Fang stets mit an Bord.
Der Tourismus setzte zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein. Seit 1964 ist Cuxhaven dank seines erholsamen Klimas als Seeheilbad anerkannt. Rund eine halbe Million Urlauber im Jahr schätzen die Vielfalt, die Cuxhaven zu bieten hat. Die Landschaft wechselt zwischen Marsch und Geest, Moor und Heide, es gibt grüne Grasstrände und die langen, feinen Sandstrände von Duhnen, Döse und Sahlenburg. Mit dem Wernerwald erstreckt sich das einzige nennenswerte Waldgebiet an der gesamten deutschen Nordseeküste, das direkt am Wattenmeer endet.
In den karg anmutenden Küstenheidengebieten rund um Oxstedt und Berensch-Arensch grasen Wisente, Wildpferde und Heckrinder in einer harmonischen Lebensgemeinschaft. Auch Schafe und Ziegen tragen zur Pflege dieser einzigartigen Kulturlandschaft bei. Hier finden viele seltene Vertreter der heimischen Fauna und Flora, die meisten davon stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, noch einen geschützten Lebensraum. Watt und Salzwiesen sind ein wichtiger Brut- und Rastplatz für Küstenvögel wie Austernfischer, Kiebitz und Seeschwalbe.
Für zwei Wahrzeichen ist Cuxhaven auch im Rest der Republik bekannt. Das ist zum einen die Kugelbake, die man über einen steinernen Damm erreicht. Sie markiert den nördlichsten Punkt Niedersachsens und zugleich die Stelle, an der die Elbe in die Nordsee fließt. Ein idealer Standort also für ein Seezeichen – und das schon seit 1703. Heute hat der hölzerne denkmalgeschützte Turm, in dem früher des Nachts ein Feuer brannte, zwar keine Funktion mehr, ist aber ein beliebter Ausflugspunkt. Der zweite touristische Hotspot ist die Alte Liebe. Das zweigeschossige Holzbauwerk wurde 1733 als Schiffsanlegestelle und Wellenbrecher errichtet – es hat sich bis heute als beliebte, meerumtoste Aussichtsplattform erhalten. Besonders originell sind die Durchsagen des Schiffsansagedienstes Cuxhaven, der zwischen April und Oktober jedes vorbeifahrende Schiff begrüßt und Informationen zu Größe, Herkunftsland und Zielhafen durchgibt. Wer hier schon Fernweh verspürt, sollte den historischen Hapag-Hallen im Hafen einen Besuch abstatten. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble mit Kuppelsaal, Turm, eigenem Bahnhof und Zollhalle war ab Ende des 19. Jahrhunderts die letzte Station für mutige Auswanderer, die in Amerika ihr Glück suchten.
MIT DEM PFERDEWAGEN DURCHS WATT
Wenn auch wahrlich kein Geheimtipp mehr, ist es dennoch etwas Besonderes: Mit dem Wattwagen und zwei PS geht es von den Ortsteilen Duhnen, Döse, Sahlenburg oder Holte-Spangen hinüber zur Insel Neuwerk. Eineinhalb Stunden brauchen die gutmütigen Pferde, um ihre Fracht geruhsam zur Insel zu bringen. Nach einer Stunde Aufenthalt geht es dann wieder retour. Natürlich kann man die Strecke auch zu Fuß und/oder mit dem kleinen Motorschiff »Flipper« zurücklegen. Das nur drei Quadratkilometer große Eiland mit gerade mal rund 40 Einwohnern gehört übrigens zu Hamburg. Von Weitem sichtbar ist der trutzige quadratische Leuchtturm, 1300 bis 1310 erbaut und damit der älteste Leuchtturm Deutschlands, der auch als Wehr- und Wohnturm diente und heute die Möglichkeit zu Einkehr und Übernachtung bietet.
WEITERE INFORMATIONEN
Nordseeheilbad Cuxhaven,
www.nordseeheilbad-cuxhaven.de
Dort gibt es auch alle Informationen zu geführten Wattwanderungen, Wattwagenfahrten und zum Aufenthalt auf Neuwerk.
Der Kolonie Worpswede gelang in den ersten Jahren ihres Bestehens Erstaunliches: Einerseits stießen die Künstler die Moderne an, andererseits probten sie ein Zusammenleben mit und durch die Kunst. Ihr bevorzugtes Atelier war das Teufelsmoor.
Normalerweise ist der Fall klar: Erst die Landschaft, dann die Kunst. Bei Worpswede verläuft die Grenze fließend. Zwar gibt es das Teufelsmoor schon seit der letzten Eiszeit – im Urstromtal der Hamme bildete sich ein Schmelzwassertal, auf dem das Hochmoor im Schneckentempo wuchs doch eigentlich »gemacht« haben das Teufelsmoor die Maler der Künstlerkolonie Worpswede. Denn schon Ende des 19. Jahrhunderts, als sich die späteren Avantgardisten in der geheimnisvollen Landschaft nordöstlich von Bremen niederließen, existierte vom Moor nicht mehr viel.
Das einst über 500 Quadratkilometer große Gebiet liefert ein krasses Beispiel menschlichen Raubbaus über einen Zeitraum von kaum 200 Jahren: Erst um 1750 siedelten die ersten Knechte und Mägde in den sogenannten Moorkolonien und erlangten zwar Steuerfreiheit, büßten aber durch harte Arbeit und schlechte Unterbringung meist früh ihre Gesundheit ein. Das Torfschiffswerft-Museum in Worpswede gibt einen Eindruck vom entbehrungsreichen Leben der Moorsiedler, die schufteten, um den Energiehunger Bremens zu stillen. Die Ressourcen der empfindlichen Landschaft waren vor dem Ersten Weltkrieg fast erschöpft. Die erste Künstlergeneration von Worpswede hielt also einen aussterbenden Berufsstand fest, als sie die Moorbauern und ihre Torfkähne malten.
Als der Kunststudent Fritz Mackensen im September 1884 das erste Mal nach Worpswede reiste, muss ihn der Zauber der kargen Landschaft gleich überwältigt haben, die Weite, die Farben, das »Wolkentheater« am nordisch-hohen Himmel. Fünf Jahre später ließ er sich mit Hans am Ende und Otto Modersohn dauerhaft nieder. Heinrich Vogeler kam 1894 dazu, erwarb eine Bauernkate und gestaltete seinen Barkenhoff im Jugendstil um. Nichts blieb in diesem Haus dem Zufall überlassen: Vogeler entwarf die Inneneinrichtung, Möbel, Tapeten, den Garten, sogar die Kleider, die er und seine Frau Martha trugen. Immer wieder malte Vogeler die geschwungene Freitreppe mit den beiden Sockelvasen auf der Gartenseite – in der bekanntesten Version, »Sommerabend«, stellte er die Mitglieder der Gründergeneration und Kommune dar, zu der zeitweilig Rainer Maria Rilke und seine Frau Clara Westhoff gehörten und natürlich die früh verstorbene Paula Modersohn-Becker. Im Barkenhoff ist heute ein Vogeler-Museum untergebracht, die Ausstattung und mehrere Werke stellt das Haus im Schluh aus, ein »im Sumpf«, so die Bedeutung von Schluh, wiederaufgebautes niedersächsisches Fachwerkhaus, in dem Martha Vogeler nach der Trennung 1919 lebte und webte. Ihre Nachfahren betreiben bis heute das Haus im Schluh, eines von vier Häusern des Museumsverbunds.
Nach wie vor zieht Worpswede die (Lebens)künstler an, angeblich wohnen derzeit rund 150 im »deutschen Künstlerdorf«, so der selbstbewusste Orts-Slogan, doch jüngerer Nachwuchs scheint zu fehlen. Wer sich heute hier als Gast einmietet und wartet, bis die vielen Tagestouristen abgereist sind, kann unter den hohen Bäumen und zwischen den blühenden Gärten noch die besondere Stimmung und den ländlichen Frieden spüren – und am Abend das Wolken- und Sonnenuntergangstheater überm Teufelsmoor betrachten.
VOGELER IM RATHAUS
Die Gestaltungslust Heinrich Vogelers war unerschöpflich: Als sein Barkenhoff zum perfekten gesellschaftlichen und spirituellen Mittelpunkt der Künstlerkolonie ausgebildet war, blieb dem Allrounder Zeit für einen Auftrag im Bremer Rathaus. Dort, im prächtigen Zentrum bürgerlicher Macht, bestand seit Anfang des 17. Jahrhunderts die Güldenkammer, vom Weserrenaissance-Architekten Lüder von Bentheim geplant und mit kostbaren Materialen ausstaffiert. Einst für den Empfang hoher Gäste vorgesehen, verkam der Raum hinter dem Barockportal im Lauf der Jahrhunderte und stand 1904 leer. Freies Feld für Heinrich Vogeler, der ihn von den Türgriffen bis zur deckenhohen vergoldeten Ledertapete und von den Stühlen bis zum Radleuchter neu gestaltete – einer der wenigen erhaltenen Räume reinsten Jugendstils in Deutschland.
WEITERE INFORMATIONEN
Touristinformation Worpswede,
www.worpswede-touristik.de
Worpsweder Museumsverbund,
www.worpswede-museen.de
Rathaus Bremen,
www.rathaus.bremen.de
Die Altstadt von Stade ist ein wahres Schmuckstück – und sie bietet zu Lande und zu Wasser entzückende Ansichten. Über die Jahrhunderte ist es gelungen, die Zeugen für den früheren Reichtum der Handels- und Hansestadt an der Elbe zu bewahren.
Im Mittelalter war Stade, mit einem natürlichen Hafen an der Elbe strategisch günstig zwischen Hamburg und der Nordsee gelegen, ein bedeutender Handelsplatz. Bereits im 13. Jahrhundert erhielt der Ort das Stadt- und das Stapelrecht und trat der Hanse bei. Zahlreiche stattliche Kaufmannshäuser zeugen noch heute von dieser Blütezeit, die bis zum Dreißigjährigen Krieg andauerte. In der Folge wechselten die Herrschaftsverhältnisse häufig. Mal entschieden die Schweden, mal die Dänen oder Frankreich über Wohl und Wehe der Stadt, später übernahmen das Haus Hannover und schließlich die Preußen die Regierungsgeschäfte.
Flankiert wird die Altstadt von Hanse-, Stadt- und Holzhafen sowie dem Burggraben, der sich um das Zentrum windet und ihr einen Inselcharakter verleiht. Gespeist wird er aus der Schwinge, die nordöstlich in die Unterelbe mündet. In den historischen Altstadtgassen haben sich wunderbare Gebäudeensembles erhalten. Zu den ältesten Zeitzeugen gehören die Gewölbe unter dem Alten Rathaus, das 1667 nach einem verheerenden Stadtbrand neu entstand, der Ratskeller datiert bereits aus dem frühen 14. Jahrhundert. Sehenswert ist auch der barocke Schwedenspeicher am Hansehafen, in dem ein Museum hauptsächlich archäologische Exponate zur Geschichte Stades und der Region zeigt.
Das Kunsthaus präsentiert moderne Kunst im alten Gewand. Während die wechselnden Ausstellungen sich Exponaten der Klassischen Moderne und zeitgenössischen Künstlern widmen – etwa August Macke, Jörg Immendorff, Pablo Picasso, Oskar Kokoschka –, ist das Gebäude selbst ein typisches Kaufmanns- und Speicherhaus des 17. Jahrhunderts. Sogar die Speichertore und Kranbalken unter dem Giebel sind noch erhalten. Darunter, in der Beletage im ersten Obergeschoss, wohnte die Kaufmannsfamilie.
Weitere Vertreter dieser Zeit sind das Bürgermeister-Hintze-Haus mit detailreicher Renaissancefassade und Prunkgiebel, das Goebenhaus gleich daneben oder die 1655 gegründete Löwen-Apotheke samt ihrer historischen Einrichtung. Das »Freilichtmuseum auf der Insel« zeigt die ländliche Wohnkultur früherer Zeiten. Dort steht das Altländer Bauernhaus als ein Paradebeispiel für die klassische Hallenhausbauweise der Region mit Reetdach, reich verziertem Buntmauerwerk sowie vorkragenden Giebeln. Auch eine sogenannte Prunkpforte an der Hofeinfahrt, ein typisches Zeichen für den Wohlstand der Bewohner, und eine Bockwindmühle sind hier zu sehen.
Es bietet sich auf jeden Fall an, Stade und seine Umgebung vom Wasser aus zu erkunden. Zur Wahl steht eine ganze Palette an maritimen Möglichkeiten. Aus einer ganz neuen Perspektive zeigt sich die Altstadt bei einer Tour auf dem Burggraben mit dem Fleetkahn oder einer venezianischen Gondel. Der Tidenkieker, ein Flachboden-Schiff, kann unabhängig von Ebbe und Flut, die an der Unterelbe durchaus spürbar sind, die idyllischen Seitenarme der Elbe befahren. Auf etwas größere Fahrt begeben sich das Museumsschiff »MS Greundiek« oder der historische Küstensegler »Wilhelmine von Stade«, die auf Wunsch auch zu mehrtägigen Törns auslaufen.
AUSFLUG INS ALTE LAND
Wer in Stade Station einlegt, sollte unbedingt auch raus aufs Land, genauer gesagt ins Alte Land, das sich von Hamburg entlang der Elbe bis nach Stade zieht. Besonders schön ist es im Frühling, wenn Millionen von Baumblüten die Region mit einem rosa-weißen Blütenteppich überziehen. Doch auch zu anderen Jahreszeiten ist der Weg ins Alte Land eine gute Wahl. Am Straßenrand verkaufen die Altländer ihre Ernte, von Kirschen über Pflaumen und Birnen bis zu Äpfeln. Durch die Klimaerwärmung gedeihen hier inzwischen sogar Aprikosen und Pfirsiche. Hofcafés, Bauernläden, Ferienunterkünfte auf dem Bauernhof und geführte Touren über die Höfe bieten Einblicke in den Alltag dieser fruchtbaren Elbregion, dem größten zusammenhängenden Obstanbaugebiet Nordeuropas, in dem seit über 700 Jahren Früchte kultiviert werden.
WEITERE INFORMATIONEN
Stade Marketing und Tourismus,
www.stade-tourismus.de
Tourismusverein Altes Land,
www.tourismus-altesland.de
Die historische Hansestadt gehört zu den besterhaltenen Städten Norddeutschlands. Es war das Salz, das Lüneburgs Aufstieg zu einem der einflussreichsten Mitglieder der Hanse und zur bedeutenden Handelsmetropole des Mittelalters begründete.
Als rares und damit äußerst wertvolles Gut wurde das »weiße Gold« auf der Alten Salzstraße von Lüneburg nach Lübeck und von dort weiter in den gesamten Ostseeraum transportiert, wo es vor allem dazu diente, Heringe zu pökeln und lange haltbar zu machen. Einer Urkunde zufolge übereignete König Otto I. bereits im Jahr 956 die Einnahmen aus der Saline zu Lüneburg dem hiesigen St.-Michaelis-Kloster. In den kommenden Jahrhunderten entwickelte sich die Stadt zum größten Salzproduzenten Nordeuropas.
Der Ursprung der Salzgewinnung ist sagenumwoben. Der Legende nach erlegten Jäger an den Ufern der Ilmenau eine Wildsau und fanden in ihrem Fell Salzkristalle. Daraufhin suchten sie die Suhle des Tiers und stießen dabei auf die Solequelle, die fortan das kostbare Gut spendete. Der angebliche Schulterknochen des Wildschweins, mit dem alles begonnen hat, wird seit etwa 1700 in der Alten Kanzlei im Rathaus als »Reliquie« ausgestellt.