Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2020
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2019 by Annabeth Albert
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Arctic Sun«
Published by Arrangement with Annabeth Albert
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2020 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Anne Sommerfeld
ISBN-13: 978-3-95823-811-4
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Vanessa Tockner
Liebe Lesende,
vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die Autorin des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.
Vielen Dank!
Euer Cursed-Team
Klappentext:
Griffin lebt zurückgezogen in der Wildnis von Alaska und schätzt die Einsamkeit, die er dort findet. Menschen waren noch nie sein Ding und verleiten ihn schnell zu Dummheiten. Als er widerstrebend eine Touristentour für seinen Onkel übernehmen muss, lernt er den attraktiven River kennen, der eine ganz eigene Versuchung für Griffin darstellt. Und je länger die beiden Männer gemeinsam unterwegs sind, desto weniger können sie die gegenseitige Anziehung ignorieren. Doch River ist auf der Flucht vor sich selbst und kann es sich eigentlich nicht leisten, stehen zu bleiben und sich seinen Problemen zu stellen. Vielleicht ist Griffin aber auch die eine Chance, die ihn retten kann…
Danksagung
Ein großes Dankeschön an meine Agentin Deidre Knight, die von meinem ersten aufgeregten Geschwafel an an dieses Projekt geglaubt hat, und an Carina Press, weil sie ihm ein hervorragendes Zuhause gegeben hat. Ich liebe das ganze Team von Carina Press, vor allem meine Lektorin Deb Nemeth, die immer den richtigen Weg findet, um mich tiefer graben, stärker polieren und den Kern der Geschichte suchen zu lassen. Ich schätze sie so sehr. Und der Rest des Teams ist auch ziemlich großartig – danke an das Art Department für meine fabelhaften Cover und das hart arbeitende PR-Team sowie all diejenigen hinter den Kulissen und im Management.
Dieses Buch würde ohne meine großartigen Autorenfreunde nicht existieren. Ich bin so dankbar für die Bemühungen des Camp NaNoWriMo im Juli, als meine Hütte mich mit ihrer Liebe, ihrer Unterstützung und ihrer Begeisterung versorgt hat. Erin McLellan und Karen Kiely haben mich mit großartigem Alaska-Wissen und wertvollem Feedback versorgt. Edie Danford, Karen Stivali und ein sehr wertvoller, anonymer Leser waren auch wundervolle Betas. Wendy Qualls ist mein Plotting-Kumpel und Layla Reyne hält mich bei Verstand, indem sie Sprints und Freundschaften schreibt. An all meine Schreibfreunde, ich danke euch so sehr, dass ihr da wart. Ich kann euch nicht alle aufzählen, aber ihr bereichert mein Leben so sehr. Danke, dass ihr mir eure Zeit, Weisheit und Freundschaft geschenkt habt.
Außerdem habe ich die besten Leser der Welt. Meine Lesergruppe, Annabeth's Angels auf Facebook, bringt Freude in mein Leben, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Vielen Dank an all meine Leser auf der ganzen Welt. Jede Erwähnung, jedes Teilen, jeder Like, jeder Retweet, Wort des Monats, jeder Kauf, jede Anmerkung und andere Unterstützung bedeutet mir die Welt. Vielen Dank an dich, liebe*r Leser*in, dass du dieser neuen Reihe eine Chance gibst und mit mir auf ein Abenteuer gehst!
Und schließlich danke ich meinen Freunden und meiner Familie, die mich lieben und bedingungslos zu mir halten. Ich kann das alles nur euretwegen tun.
»Ich soll was für dich tun?« Griffin blinzelte langsam. Er war es nicht gewohnt, wie ein kaputtes Spornrad eines Flugzeugfahrwerks aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden, aber etwas in dem Tonfall seiner Mutter sorgte dafür, dass er sich gegen eine harte Landung wappnete. Ihr Erscheinen im Hangar war auf keinen Fall ein gutes Zeichen.
»Du bist unsere beste Hoffnung, Griff.« Seine Mutter lehnte sich an ein ausgemustertes de Havilland-Flugzeug, das schon bessere Jahrzehnte gesehen hatte. Sorgenfalten furchten ihr normalerweise glattes Gesicht und ließen sie älter, zerbrechlicher wirken.
»Das klingt wie aus einem schlechten Actionfilm«, tadelte er, wenn auch nur, um sie zum Lächeln zu bringen.
»Ich meine es ernst. Die Ärzte sagen, Onkel Roger darf diesen Ausflug auf keinen Fall unternehmen. Seine Knie-OP ist am Dienstag in Anchorage und sie wollen nicht, dass er die Verletzung durch die Verspätung noch schlimmer macht. Ich würde es ja selbst machen, aber das ist unsere stressigste Zeit im Jahr...«
»Und du wirst hier gebraucht. Ich verstehe.« Er konnte bereits sehen, worauf das hinauslief. Seine Mutter führte den Geschäftsteil des Tourismus- und Transportunternehmens der Familie und war zwar selbst eine fähige Pilotin und Fahrerin, fühlte sich mit ihrer Buchhaltungssoftware und der Kundenbetreuung aber weitaus wohler. »Aber was ist mit Toby? Er würde diese Gelegenheit lieben.«
Er legte weit mehr Enthusiasmus in seine Stimme als sonst. Ihr freiheitsliebender Pilot und Reiseführer war unglaublich beliebt bei jedem außer Griffin, der glücklichen Leuten einfach nicht traute. Allerdings hatte er nicht gelogen. Toby würde die Chance lieben, in den nächsten zehn Tagen Touristen zu den Nationalparks zu befördern, ihnen zu helfen, tolle Landschaften für Fotos zu finden, und dafür zu sorgen, dass sie auf ihre Kosten kamen.
»Toby ist schon gebucht.« Seine Mutter warf ihren langen, mit silbernen Strähnen durchzogenen Zopf zurück. »Glaub mir, ich hab mich zuerst an ihn gewandt. Und ich dachte, wir hätten Clancy als Ersatz, aber bei seiner Frau ist es in zwei Wochen so weit. Er hat heute beschlossen, dass er es nicht riskieren will, die Geburt zu verpassen. Ich wusste, dass du Nein sagen würdest.«
»Ich sage nicht Nein.« Er sagte auch nicht Ja, aber das fügte er nicht hinzu. Sie wussten beide, dass Griffin anders als Toby, der offenbar sehr gefragt war, in der nächsten Woche nur für einige lokale Transporte und Frachtsachen gebucht war. Er musste sich nur selten mit Touristen herumschlagen und hatte das auch lieber. Eigentlich hatte er vorgehabt, viel Zeit mit diesem Cessna-Motor zu verbringen, an dem er bastelte, konnte aber bereits sehen, wie diese Pläne davontrieben wie Steine auf dem Tustumena Lake. »Aber warum könnt ihr die Tour nicht verlegen? Schließlich kommen sie, um Onkel Roger zu sehen.«
Sein Onkel war ein gefeierter Tierfotograf, dessen persönliche Touren bei den Öko-Touristen, die Unsummen zahlten, um mit ihm durch das Hinterland zu wandern, außergewöhnlich beliebt waren. Toby wäre wenigstens charmant genug gewesen, um die Abwesenheit seines Onkels wiedergutzumachen. Und selbst Clancy, einer ihrer anderen Piloten, war sympathischer als Griffin, der null Verlangen hatte, andere zu unterhalten, egal, wie gut sie zahlten.
»Du verkaufst dich unter Wert.« Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Du bist ein großartiger Fotograf, ein exzellenter Reiseführer und diese Gruppe besteht vor allem aus Neulingen – sie werden sich über jede Unterstützung freuen. Wir konnten vier der Teilnehmer umbuchen, die lieber auf Onkel Roger warten wollen, aber fünf kommen trotzdem. Es ist heute. Wir können es uns nicht leisten, ihnen alles zu erstatten und ihren Groll auf uns zu ziehen, weil alles in letzter Minute abgesagt wurde.«
»Natürlich nicht.« Er wischte sich die Hände an einem Lappen ab. Der letzte Teil war ein Schlag unter die Gürtellinie. Griffin wusste genau, warum die Finanzen für seine Mutter und das Unternehmen knapp waren. Und sie weigerte sich zwar standhaft, sich das Geld von ihm zurückzahlen zu lassen, aber er würde es trotzdem auf keinen Fall noch schlimmer machen, indem er ihr eine neue Schuldenlast aufbürdete.
»Das sind über zehntausend pro Kopf. Und ich soll dir von Roger ausrichten, dass er dir seinen ganzen Anteil überlässt. Das sollte ein schönes Stück zur Hütte beitragen, oder?« Sie lächelte ermutigend. Denn diese verwirrende Frau würde natürlich nicht nur Griffins Geld ausschlagen, sondern ihn auch bei seinen Plänen unterstützen, sich selbst ein kleines Stück Land zu kaufen.
Seit er nach Alaska zurückgekehrt war, hatte er es sich zum Ziel gesetzt, ein eigenes Haus zu besitzen. Nicht, dass er besonders viel dagegen hatte, zu Hause in der kleinen Hütte zu wohnen, die seine Großeltern früher genutzt hatten, aber nach seiner Zeit beim Militär schätzte er Zeit für sich und Privatsphäre sehr. Und sie hatte nicht unrecht – Rogers Anteil würde eine Menge zu dem Gesparten beitragen, mit dem er letztendlich die Anzahlung leisten würde.
»Schätze, ich fange besser mit Packen an.« Er seufzte, denn er hatte schon von dem Moment an, als sie hereingekommen und die Bitte ausgesprochen hatte, gewusst, dass es so enden würde. Man sagte einfach nicht Nein zu Annie Barrett. »Ist es wenigstens eine dieser Freundesgruppen oder eine Familie?«
Die waren immer einfacher – eine Gruppe, die sich schon kannte und Griffin nicht brauchte, um das Eis zu brechen. Ja, er schaffte es selbst kaum, gesellig zu sein, geschweige denn, andere dazu zu animieren.
»Äh. Nein.« Seine Mutter kratzte sich an der Schläfe und Furcht breitete sich in seinem Magen aus. Was auch immer als Nächstes kam, es würde ihm nicht gefallen. »Zwei verheiratete Paare, keine Freunde. Eins kommt aus Europa. Aus den Niederlanden, glaube ich. Und dann ist da das Supermodel.« Den letzten Teil murmelte sie und Griffin musste sich anstrengen, um sie zu hören.
»Supermodel? Im Ernst?« Oh Gott, das Letzte, was er gebrauchen konnte, war irgendein albernes Prinzesschen in High Heels, das sich vor Bären fürchtete und das Nachtleben der Großstadt vermisste. »Ich dachte, diese Mädchen reisen normalerweise im Rudel. Warum reist sie alleine?«
»Er«, korrigierte seine Mutter. »Ein männliches Supermodel. Dieser Kerl, du weißt schon, der das Buch geschrieben hat? Professional Nomad? Sie machen einen Film daraus. Er ist eine Sensation.«
»Ich wette, das ist er.« Das wurde ja immer schlimmer. Ein männliches Supermodel trug vielleicht keine High Heels, aber er würde trotzdem nicht auf die Elemente oder rauere Gegenden vorbereitet sein, da war Griffin sicher. Und er hatte nur eine vage Erinnerung an das Buch – hatte vermutlich in einer der Talkshows davon gehört, die seine Schwestern gerne anschauten –, aber er wusste jetzt schon, dass er den Autor nicht mögen würde. Diese schwammigen, spirituellen Selbstfindungsmemoiren sprachen Griffin überhaupt nicht an. Er hatte sich schon gefunden. Genau hier hatte er immer hingehört. Er brauchte kein großes Abenteuer für reiche Leute, um ihm zu zeigen, was er immer gewusst hatte – dass sein Platz auf der Welt genau hier war.
»Sei nett.« Seine Mutter berührte seinen Arm, sanft, aber fest. »Er zahlt. Ich bin sicher, dass er wenigstens sehr... interessant ist.«
»Ich habe gesagt, dass ich es tue. Aber es muss mir nicht gefallen.« Griffin widerstand dem Drang, die Berührung abzuschütteln. Sie meinte es nur gut und er liebte sie, aber die Gesellschaft dieses Supermodels würde er auf keinen Fall genießen. »Wie lange noch, bis wir nach Anchorage fahren?«
»Drei Stunden. Onkel Roger kommt mit – so kann er die Gäste treffen, dich vorstellen und dann bis zur Operation in Anchorage bleiben. Ich habe für euch beide Zimmer gebucht.«
»Du warst so sicher, dass ich Ja sagen würde, hm?« Er sah sich um, um sicherzugehen, dass er kein allzu großes Chaos zurückließ. Dieser Motor würde vorerst warten müssen.
»Vielleicht.« Ein kleines Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln. Sie wirkte wieder jünger und außerdem ziemlich selbstzufrieden. »Möglicherweise hab ich auch eine Tasche für dich auf mein Sofa gelegt.«
»Mom.«
»Und vergiss deinen Gehstock nicht – das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass du dich dort draußen verletzt.«
»Ich nehme ihn mit.« Sinnlos, mit ihr zu diskutieren, wenn er sehr gut wusste, dass sein schlimmer Fuß den Stock irgendwann in den nächsten zehn Tagen brauchen würde. Zehn. Verdammte. Tage. Großer Gott, was hatte er sich da eingebrockt?
Das fragte er sich auch ein paar Stunden später noch, als er die Lobby des Hotels in der Innenstadt von Anchorage betrat, wo sie die Touristengruppen oft trafen. Der Hinflug von ihrer winzigen Stadt auf der Kenai-Halbinsel hatte ereignislose fünfundvierzig Minuten gedauert – er flog die Strecke so oft, dass er ziemlich sicher war, auch mit verbundenen Augen auf der Lake Hood Seaplane Base landen zu können. Er hatte den Flug damit verbracht, seinen Onkel über die Details der Reise auszufragen. Seine Mutter hatte mehr als genug Unterlagen für ihn ausgedruckt und das war nicht gerade Griffins erste Begegnung mit Touristen, aber es konnte nie schaden, gut vorbereitet zu sein. Sie hatten den Kleinbus abgeholt, den Griffin den Großteil der Reise über fahren würde, und es dann gerade rechtzeitig zum Hotel geschafft, um die Kunden zu begrüßen. Oh, seine Mom hatte sie Gäste genannt, aber eigentlich half es Griffin, sie in Gedanken als das zu benennen, was sie waren – dicke Dollarzeichen, die für ihn und den Rest seiner Familie einen Unterschied machten.
Das Unternehmen nutzte dieses moderne Hotel in einem Hochhaus gerne als Ausgangspunkt für Reisen, da Kunden immer überrascht zu sein schienen, in Alaska solchen Luxus vorzufinden, und es bot einen netten Kontrast zu den spartanischeren Unterkünften, die später folgen würden. Das riesige, mehrstöckige Atrium war geschmackvoll in Grün- und Brauntönen gehalten und etwa so weit von Griffins Vision einer perfekten kleinen Hütte mitten im Nirgendwo entfernt, wie es nur ging. All die hohen Decken und Metalldekorationen ließen sein Auge zucken.
Ein Concierge, der Onkel Roger nach all der Zusammenarbeit vom Sehen kannte, half ihnen, einen Willkommenstisch mit einem Schild ihres Firmenlogos aufzustellen. Fast sofort kamen zwei Frauen mittleren Alters zu ihnen herüber, um einzuchecken, und machten mit ihrem niederländischen Akzent viel Aufhebens um Onkel Rogers Krücken und seine Verletzung. Griffin sah sofort, dass sie ein Paar waren – die identischen roten Pullover waren sein erster Hinweis, ebenso wie die doppelten, mit Bindestrich verbundenen Nachnamen. Aber seine Aufmerksamkeit wurde schnell von einem... Wesen abgelenkt, das sich von einem der übergroßen Ledersessel mitten in der Lobby erhob.
Es dauerte einen Moment, bis er das Geschlecht als höchstwahrscheinlich männlich eingeordnet hatte, so abgelenkt war er von den längsten Beinen, die er je gesehen hatte und die in einer dunkelvioletten, hautengen Jeans steckten. Leuchtend blaue Haare umrahmten ein überraschend engelsgleiches und jugendliches Gesicht mit einem ebenso unerwarteten kantigen Kiefer, den nur ein Hauch Stoppeln zierte. Eine Lederjacke, die vermutlich mehr gekostet hatte als der Motor, an dem Griffin zuvor gearbeitet hatte, lag über einem T-Shirt, das irgendeine Band bewarb, von der er nie gehört hatte. Bitte mach, dass das nicht...
Griffin konnte das Gebet nicht beenden, bevor die elegante Person zu ihrem Tisch schlenderte.
»River Vale«, verkündete eine melodische Stimme. Ein Hauch von New York, gerade genug von diesem Beiklang, der immer etwas mit Griffins Innerem anstellte. Er war nicht sicher, warum er so von musikalischen Stimmen angezogen war, und das war die denkbar schlechteste Zeit für seine mit Absicht tiefgefrorene Libido, um ihn daran zu erinnern, was ihm gefiel. Seine Vorlieben waren hier nicht relevant – er musste sich darauf konzentrieren, wie wenig River zu ihrem zehntätigen Marsch passte.
Designerkleidung. Schmale Figur. Feine Lederschuhe, die besser zu einer Nacht in Clubs passten als zu Aktivitäten im Freien. Pflegeintensive Haare. Üppiges Aftershave mit Blumenduft. Eine Hose, die so eng war, dass Griffin sich während langer Autofahrten ernsthafte Sorgen um den Blutfluss machen würde. Alles an River schrie nach Ärger – die Art Ärger, die Griffin absolut nicht gebrauchen konnte.
***
Der Bergmann starrte River finster an. Der ältere Kerl neben ihm war derjenige, der überall auf der Website abgebildet war – der bekannte Fotograf Roger Barrett –, mit einem zerfurchten Gesicht, das auf ein langes Leben in der Sonne hindeutete. Er lächelte River an, schüttelte seine Hand und erzählte ihm, dass seine Schwägerin und Nichten große Fans seines Buchs waren. Aber es war gar nicht der alte Kerl, der Rivers Aufmerksamkeit anzog. Nein, die war reserviert für Mr. Groß, Dunkel und Mürrisch, der Rogers positive Meinung von River offensichtlich nicht teilte, aber großer Gott, der Mann ließ all die Gerüchte darüber, dass Berge und frische Luft überdurchschnittlich große Menschen hervorbrachten, wahr erscheinen.
Er sah auch wie ein Bergmann aus – zottelige, braune Haare, die Haut auf eine Art gebräunt, für die Rivers Freunde gutes Geld bezahlen würden, haselnussbraune Augen, die ihn an den grünbraunen Stein einer Moschee erinnerten, die er in Istanbul besucht hatte. Und Muskeln ohne Ende. Große, breite Schultern, die den Stoff seines Jeanshemds spannten, Oberschenkel wie Baumstämme und dieser finstere Blick. Das war ein Kerl, der mühelos einen Sheriff in einem alten Westernfilm spielen könnte. Oder vielleicht einen Revolverhelden...
»Ja?«
River brauchte eine Sekunde, um zu merken, dass Roger ihm eine Frage gestellt hatte, während er noch damit beschäftigt gewesen war, mit Sheriff Mürrisch in den Sonnenuntergang zu reiten. Wahrscheinlich hatte er mehr als einmal gefragt, den tiefer werdenden Linien um seine Augen nach zu schließen.
»Äh. Entschuldigen Sie. Der Jetlag.« River wedelte mit der Hand, aber keiner der Männer lächelte.
»Ich hatte gefragt, ob Sie schon gegessen haben. Normalerweise isst die Gruppe hier im Hotelrestaurant zu Abend. Es ist eine Gelegenheit, um sich vor der Abfahrt morgen früh kennenzulernen.«
»Essen klingt gut«, log River. Der Alarm seines Handys hatte ihn vorhin erinnert, dass es Essenszeit war, also würde er essen und das soziale Umfeld würde nett sein. Er genoss es immer, neue Leute kennenzulernen.
»Wunderbar. Mein Neffe Griffin Barrett hier hat ein paar Verzichtserklärungen, die Sie unterzeichnen müssen, bevor wir beginnen.«
Griffin. Der Name passte perfekt zu dem Mann, der ganz maskulin und überlebensgroß und ein wenig schroff war... Und wieder rutschte River in seine Fantasien ab. Er war gerade eben in Mailand gewesen und hatte das mit dem Jetlag ernst gemeint – inzwischen war er schon seit vierundzwanzig Stunden unterwegs und hatte in den Flugzeugen nur ein paar Nickerchen gemacht. Er wusste, dass auf der Reisewebsite empfohlen wurde, einige Tage früher anzureisen, um sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen, aber River hatte sich zur Präsentation der Modekollektion einer Freundin in Mailand zeigen müssen und die Zeit nicht erübrigen können.
Griffins finsterer Blick ließ ihn allerdings wünschen, dass er der Empfehlung gefolgt wäre – sowohl, um die geistige Kapazität für den Papierkram zu haben, als auch, weil Griffin ein Kerl war, den man nicht gerne enttäuschte. Er kümmerte sich schnell um den Papierkram – er hatte genug Gruppenreisen mitgemacht, um den Wortlaut erraten zu können. Tödliche Risiken, nicht verantwortlich, bla bla bla. Rivers Vater, der Firmenanwalt, würde darüber schaudern, wie schnell River den Haftungsausschluss unterzeichnete, aber sein Vater war nicht hier, um ihn anzufunkeln.
Nein, dieses Privileg gehörte ganz Griffin, der es schaffte, River das Gefühl zu geben, als wäre er ein lästiges Insekt. Was seltsam war, denn normalerweise liebten die Leute ihn. Er verstand sich mit jedem. Das war ein großer Teil dessen, was seine Reisen so erfolgreich machte – er konnte fast überall Freunde finden.
»Sagen Sie mir, dass Sie bessere Schuhe mitgebracht haben.« Selbst Griffins Stimme war supermaskulin, ganz schwer und tief, mit der Langsamkeit und den bewussten Pausen, die River mit den westlichen Bundesstaaten assoziierte.
»Ich habe angemessene Kleidung mitgebracht.« River gelang es gerade so, nicht über den Kerl die Augen zu verdrehen. Das war vielleicht sein erstes Mal in Alaska, aber er hatte Reisen überall auf der Welt überlebt. Ein wenig Tundra würde ihn nicht kleinkriegen. »Ich sehe nur gerne schick aus, wenn ich fliege. Dann ist der Service besser, wissen Sie?«
Griffins hochgezogene Augenbraue sagte, dass er es bestimmt nicht wusste, und River musste seufzen. Der Bergmann hatte vermutlich noch nie ein Upgrade auf die erste Klasse erhalten. Obwohl River ihn nach einem Blick auf diese Schenkel sofort an die Spitze der Schlange gesetzt hätte.
Ein weiteres Paar gesellte sich zu den Frauen aus den Niederlanden, die am Tisch gestanden hatten, als River herangekommen war. Der Mann und die Frau waren beide Ärzte aus Kansas City, die ihren Ruhestand feierten. Sie gehörten zu der Sorte ernster, übereifriger Amerikaner, die River überall auf der Welt getroffen hatte, die Sorte, die man schon aus einer Meile Entfernung als Touristen erkannte, aber deren Freundlichkeit die peinlichen Ausrutscher wiedergutmachte. Sie mussten natürlich ein Foto mit Roger machen und alles über die bevorstehende Operation hören, während sich die Gruppe langsam vom Willkommenstisch zum Hotelrestaurant bewegte.
River hatte die E-Mails über Rogers Sturz und die darauffolgenden Bemühungen der Firma, einen Ersatzführer zu finden, bekommen. Sie hatten angeboten, ihn auf eine andere Reise umzubuchen, aber River stand unter einem gewissen Zeitdruck. Er musste seine Abenteuer in der nordamerikanischen Wildnis abhaken, damit er diese Kapitel schreiben konnte, bevor im Herbst der Wirbelsturm an Aktivitäten zur Filmpremiere losging. Da ein so großer Teil seines ersten Buches auf Reisen im Mittleren Osten und Asien konzentriert gewesen war, wollte sein Verleger, dass sich die Fortsetzung eher um diese Hemisphäre drehte und darum, dass er sich näher zu Hause fand.
Was etwas lustig war, denn River hatte kein Zuhause, wollte kein Zuhause und würde auch kein Zuhause bekommen. Er hatte eine kleine Lagereinheit mit Kleidung für die jeweils andere Jahreszeit, Wertsachen bei seinem Dad und eine endlose Auswahl an Freunden, bei denen er unterkommen konnte, wenn er einsam wurde. Aber er vertraute seinem Redakteur, was sich verkaufen würde – und die Filmrechte für sein Buch waren bereits an den Meistbietenden versteigert worden, daher musste er das Ding verdammt noch mal zu Ende bringen. Außerdem erwarteten alle seine Social Media-Follower Fotos von Bären und so. Die würde er nicht enttäuschen. Und wenn dieser Griffin der Ersatzführer war, dann war er alles andere als enttäuscht, da er wenigstens eine hervorragende Aussicht bekam, auch wenn es an jedem Tag der Reise regnete.
Natürlich wäre es leichter, wenn Griffin nicht so fest entschlossen schien, River nicht zu mögen.
»Ist das alles, was Sie essen?« Griffin sah Rivers Tomatensuppe mit der Art Missbilligung an, die River normalerweise für einen Fleck auf seinem T-Shirt reservierte. Er war auf dem Platz neben River gelandet und der unzufriedene Blick, als er sich gesetzt hatte, war ihm nicht entgangen.
»Jepp.« Er hatte vor langer Zeit gelernt, sich nicht dafür zu entschuldigen, was er aß. Außerdem war Suppe nach einem Flug wunderbar – heiß, versorgte den Körper mit Flüssigkeit und sättigte. Es spielte keine Rolle, dass Griffin und der restliche Tisch Steak und Burger und auf verschiedene Arten gekochte Kartoffeln verputzte. Vor einigen Jahren hätte ihm die Nähe all dieser Kohlenhydrate jeglichen Appetit verdorben, den er für die Suppe aufgebracht hätte. Aber jetzt waren sie nur ein kleines Ärgernis, eins, das er ebenso wie Griffins Wut leicht ignorieren konnte.
»Sind Sie Veganer? In den Papieren meiner Mom stand nichts von Ernährungsbeschränkungen.« Griffin sah River weiterhin stirnrunzelnd an.
»Ich habe keine Ernährungsbeschränkungen.« Genau genommen war das keine Lüge. In dem Film war seine Figur ein echter Feinschmecker, was River auf die schlimmste Art und Weise ironisch fand. Niemand reiste so viel wie er, ohne die lokale Küche zu testen, aber es war mit Sicherheit nichts, das ihm leichtfiel. Essen bedeutete Kalorien und gelegentlich nettes Instagram-Futter, aber es zu feiern, war wohl kaum Rivers Auffassung von Spaß.
»Gut.« Griffin nickte, dann senkte er die Stimme. »Hören Sie mal, meine Mom hat Ihnen eine Umbuchung angeboten, richtig?«
»Jepp. Kein Interesse. Ich brauche diese Reise.« River konnte ebenso entschieden sein wie der Bergmann, wenn er es wollte.
»Sie müssen sich auf sehr rustikale Unterkünfte...«
»Ich war höchstpersönlich in Sibirien. Und Tibet. Und an ein paar Orten, von denen Sie vermutlich noch nie gehört haben.« Normalerweise war River nicht so bissig, aber der Jetlag hatte seinen Kopf fest im Griff. »Ich habe im Freien gecampt. Ich habe geschwitzt. Ich bin gewandert. Ich. Bin. Bereit.«
»Wenn Sie sicher sind.« Griffin verzog nicht einmal das Gesicht über Rivers schlechte Stimmung. »Ich will nur nicht, dass Sie sich verletzen. Oder enttäuscht sind.«
Der letzte Teil wäre fast lieb gewesen, wenn Griffin nicht ausgesehen hätte, als wären zehn Tage mit River schlimmer, als unter einem Elefanten zerquetscht zu werden.
»Das wird nicht passieren.« Und da er wirklich nicht die ganze Reise lang feindselig sein wollte, fügte er ein Lächeln hinzu. Ein Lächeln von der Art, das die Leute normalerweise auf seine Seite zog, nachdem sie miteinander scherzten und sich anfreundeten. Aber jetzt bewirkte es nur, dass Griffin schnell wegsah.
Teufel aber auch. Das würden lange zehn Tage werden. Sogar mit Griffin als Augenschmaus und der Aussicht auf Wunder der Natur zählte River bereits die Stunden bis zu seinem nächsten Abenteuer.