Die italienische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel «Nel Contagio» bei Einaudi, Turin.
Der Autor wird einen Teil der Einnahmen an medizinische Forschungseinrichtungen spenden und an jene Menschen, die sich um die Kranken kümmern.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2020
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«Nel Contagio» Copyright © 2020 by Giulio Einaudi editore, in Zusammenarbeit mit MalaTesta Literary Agency, Mailand
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Covergestaltung Anzinger und Rasp, München
Coverabbildung m_pavlov / Getty Images
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ISBN 978-3-644-00916-5
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-644-00916-5
Die Coronavirus-Epidemie zeichnet sich als die bedeutendste medizinische Notfallsituation unserer Zeit ab. Nicht die erste, nicht die letzte und vielleicht nicht einmal die grauenerregendste. Wahrscheinlich wird sie am Ende nicht mehr Opfer gefordert haben als viele andere Epidemien, aber in den drei Monaten seit ihrem Auftreten hat sie sich schon einen Primat gesichert: Sars-Cov-2 ist das erste neuartige Virus, das so rasant globale Verbreitung findet. Ähnliche Viren wie sein Vorläufer Sars-Cov konnten sehr schnell ausgeschaltet werden. Andere wiederum, wie das HI-Virus, wirkten jahrelang im Verborgenen. Sars-Cov-2 war da verwegener. Sein dreistes Auftreten enthüllt uns etwas, was wir wohl wussten, aber nur schwer ermessen konnten: die vielfältige Weise, in der wir miteinander verbunden sind, überall, sowie die Komplexität der Welt, in der wir leben, ihre sozialen, politischen und ökonomischen, aber auch interpersonellen und psychischen Gesetzmäßigkeiten.
Ich schreibe an einem der seltenen 29. Februare, einem Samstag in diesem Schaltjahr. Die Zahl der Ansteckungen hat weltweit 85000 überschritten, 80000 allein in China, die Zahl der Toten nähert sich 3000. Seit mindestens einem Monat begleitet diese merkwürdige Buchführung im Hintergrund meine Tage. Auch jetzt habe ich die interaktive Karte der Johns Hopkins University offen vor mir. Die Verbreitungsgebiete sind durch rote Kreise gekennzeichnet, die sich vor einem grauen Hintergrund abheben: Signalfarben, die mit mehr Bedacht hätten ausgewählt werden können. Aber man weiß, Viren sind rot, Notfallsituationen sind rot. China und Südostasien verschwinden unter einem einzigen roten Kreis, aber die ganze Welt ist pockennarbig, und der Ausschlag kann nur schlimmer werden.
Zur Überraschung vieler findet sich Italien in diesem beängstigenden Wettbewerb auf dem Siegerpodest. Doch das ist Zufall. Binnen weniger Tage, sogar von einem Moment auf den anderen könnten andere Länder schlimmer dastehen als wir. In dieser Krise verblasst der Ausdruck «in Italien», es gibt keine Grenzen mehr, keine Regionen und keine Viertel. Was wir durchleben, geht über Identität und kulturelle Bestimmungen hinaus. Die Ausbreitung des Virus ist ein Indikator dafür, wie global unsere Welt geworden ist, wie unentwirrbar vernetzt.
All das ist mir bewusst, und doch, wenn ich auf den roten Kreis über Italien schaue, kann ich nicht anders, ich bin beeindruckt, wie alle. Als Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie sind meine Termine für die nächsten Tage abgesagt worden, einige habe ich selbst verschoben. Ich habe mich in einem unerwarteten leeren Raum wiedergefunden. Diese Realität ist vielen gemeinsam: Wir durchleben eine Zeit der Suspendierung des Alltags, eine Unterbrechung des Rhythmus, wie manchmal in Songs, wenn das Schlagzeug verstummt und es wirkt, als würde die Musik angehalten. Schulen und Universitäten geschlossen, wenige Flugzeuge am Himmel, einsam hallende Schritte in den Museen, überall mehr Stille als normal.
Ich habe beschlossen, diese Leere mit Schreiben auszufüllen. Um die Vorahnungen in Schach zu halten und um einen Weg zu finden, über all dies genauer nachzudenken. Bisweilen kann Schreiben