Die Heldenschmiede
Am Nachmittag war die Anzeige geschrieben und die zwei Heldenanwärter verteilten sie in der ganzen Stadt.
„Mitbewohner/in für Helden WG gesucht.
Bieten Zimmer, Küche und Axt.
Keine Haustiere über zwei Meter
Melden Sie sich bei Frau Eamhhair Reißnagel, Heldenstr. 214“.
„Fertig, Caoilte. Ich hoffe doch, dass sich jemand meldet. Und so schlecht ist die Lage auch nicht. Früher habe ich miserabler gewohnt.“ Eamhhair Reißnagel, eine Frau mit Prinzipien und Muskeln, befestigte das letzte Blatt an der Tür zur Schmiede.
„Beste Lage ist das Haus aber auch nicht. Egal, ein Jahr noch, dann ziehe ich in die Welt hinaus. Bis dahin werde ich schon durchhalten“, antwortete Caoilte sarkastisch.
„Sag bloß, du findest unsere WG schlecht? Lebt es sich nicht gut mit mir?“, fragte die angehende Heldin.
Caoilte musterte sie von oben bis unten und grinste. „Nein, aber eine richtige Frau wäre mir lieber. Und nicht so eine Amazone wie du.“
„Willst du damit sagen, ich bin keine richtige Frau? Schau her, du dumpfer Schnösel, Brüste habe ich auch und weibliche Rundungen. Dass ich dich nicht so reizvoll finde, um mit dir in die Kiste zu hüpfen, liegt daran, dass wir in der gleichen Klasse sind. Und außerdem gehört mein Herz jemand anderem.“Eamhhair drehte und wendete sich vor den Augen des Kriegers.
„Jemand, der dich nie erhören wird. Achaius steht mehr auf das zarte Weibchen, groß, blond und schlank. Typisch Hausweibchen, eben.“ Caoilte liebte es, Eamhhair zu ärgern. Bekam er sie nicht ins Bett, sollte dies auch kein anderer bewerkstelligen.
„Was weißt du von dem großen Krieger? Der hängt mit den anderen Kämpfern rum und nicht mit so einem wie dir. Ich hoffe doch, in unserer WG Verstärkung zu bekommen“, rief Eamhhair empört.
„Beleidigst du mich? Kannst ja ausziehen, wenn du willst. Dann suche ich eben zwei Mitbewohner. Bei Achaius soll noch ein Zimmer frei sein, habe ich gehört. Na los, zieh schon aus!“Kühl musterte er die Amazone.
„Reg dich ab, Caoilte. Noch bleibe ich. Nächstes Jahr gehen wir dann getrennte Wege. Zum Glück, großer Krieger. Dann kannst du deinen Saustall selber aufräumen. In der ganzen Wohnung stinkt es nach nassem Leder und Rost. Wenn wir zurück sind, wirst du deine Plündergüter mal in dein Zimmer schaffen. Irgendwer stolpert noch darüber.“
„Du kennst mich, Eamhhair. Schließlich teilen wir uns die Wohnung schon zwei Jahre. Aber wenn du darauf bestehst, pack ich den Krempel weg. Versprochen, “ meinte Caoilte großmütig.
Es sollte noch einige Tage dauern, bis sie das Zimmer, das bis vor kurzem noch Dughall Krummbein gehört hatte, vermieten konnten.
„Es ist schon schade, dass sich Dughall hat aufspießen lassen“, meinte Eamhhair am Abend zu Caoilte. „Er war der perfekte Mitbewohner. Ruhig, sauber und immer bereit, zu helfen.“
„Und sich von ihm was leihen, konnte man auch. Er war nicht beleidigt, wenn es dauerte, bis er es wiederbekam, “stimmte ihr Caoilte zu.
Am anderen Tag klopfte es an die Tür, als Caoilte vom Kampftraining zurück war. Vor der Tür stand ein schlaksiger Junge, mit blondierten Haaren, die von seinem Kopf wie Igelstacheln abstanden.
„Hey, ich bin Griogair Fuchsschwanz. Ich wollte für die WG vorsprechen.“ Schüchtern reichte er dem Riesen die Hand.
„Caoilte Zwergenbart. Komm rein, ich zeige dir das Zimmer. Bier?“ Der Krieger trat ein Stück zur Seite und lud den jüngeren mit einer Handbewegung ein, näher zu treten.
„Nein danke. Irre Wohnung. Diese Schwerter, sehr dekorativ. Wow, sind das Drachenzähne?“Griogair sah sich in der Diele gründlich um.
„Nicht anfassen, bitte! - So, das ist der Raum. Nichts besonders, aber trocken und einigermaßen warm im Winter“, sagte Caoilte und öffnete die Tür zum, freien Zimmer.
„Nett. Gehört das Bett dazu?“, fragte Griogair und deutete auf die Schlafstätte.
„Ja, der vorherige Mieter hat es da gelassen.“ Caoilte zuckte die Achseln.
„Wo ist er denn?“, erkundigte sich Griogair.
„Wer?“, fragte Caoilte.
„Der hier gewohnt hat?“, meinte Griogair.
„Der sieht sich den Rasen von unten an. Glatt aufgespießt beim Angriff gegen die Drachen vor einigen Wochen. Aber ich sage dir, ein richtiger Held wäre der nie geworden. Eher Zauberer oder so. Warum er sich für die Helden Schmiede angemeldet hat, weiß nur der heilige Odin. Und? Gefällt das Zimmer?“, erkundigte sich Caoilte gespannt.
„Ja, ja, im Prinzip schon. Riecht es hier immer so nach Rost?“Griogair schnupperte angeekelt.
Caoilte zuckte die Schultern. „Das sind die Waffen. Kann man nix machen, sie rosten halt bei Regen. Aber in der Schmiede lernst du, wie du sie wieder blank kriegst.“
„Ok. Ich denke, ich habe genug gesehen. Wann kann ich einziehen?“, fragte Griogair.
„Sofort, wenn du willst?“, antwortete Caoilte.
„Klasse. Dann hole ich mal meine Sachen. Wann wird hier gezahlt?“, erkundigte sich Griogair.
„Wöchentlich. Und bei nahendem Ende auch täglich, “ grinste Caoilte.
„Ok. Ich bin gleich wieder da, “ rief Griogair und stürmte aus der Wohnung, als Eamhhair um die Ecke bog.
„Was ist mit dem“, fragte sie irritiert.
„Der hat sich das Zimmer angesehen. Will es wohl auch mieten. Er sagt, er kommt gleich wieder“, meinte Caoilte lakonisch.
„Hast du ihm gesagt, was es kostet?“, fragte Eamhhair streng.
„Er hat nicht gefragt, Eamhhair!“, erwiderte Caoilte.
„Blödmann. Das ist doch das Wichtigste. Wie willst du wissen, ob er zahlen kann?“ Die Amazone schüttelte den Kopf. „Noch was, großer Mann. Ich ziehe aus.“
„Echt? Wann denn?“ Das erstaunte Caoilte doch sehr, hatte sie vorher was anderes gesagt.
„In zwei Tagen. Bei Fionnait Wildwasser und Liobhan Mistelblatt ist ein Zimmer frei geworden. Der alte Batair Hundezahn hat mir ja eh geraten, lieber mit Frauen zusammenzuwohnen, als mit einem Typen wie dir. Das bedeutet, noch mal Plakate kleben oder die anderen erweitern. Ich geh meine Sachen packen, Caoilte.“ Eamhhair verschwand in ihrem Zimmer.
Caoilte seufzte. Das hatte er nicht erwartet, aber egal. Eine Männer WG konnte auch lustig sein, wozu Eamhhair nachtrauern. Er würde sie sowieso im Unterricht treffen. Er wollte gerade sein Schwert schärfen gehen, als es erneut klopfte.
Griogair stand vor der Tür mit einen riesigen Sack Habseligkeiten. „Ist nicht viel. Aber mein Vater meinte, hier brauche ich eh nicht so viele Sachen.“ Mit letzter Kraft wuchtete er ihn ins Zimmer. „Ist es dir recht, wenn ich die Tür schließe? Ich hätte gerne meine Privatsphäre.“
„Wenn du sie zu bekommst. Sie klemmt manchmal“, erklärte der große Krieger.
Griogair zog und zerrte, erst ein Schubs von Caoilte schloss das marode Ding. „Ich hoffe, du kommst wieder raus!“ , rief ihm der Hüne zu.
„Notfalls klettere ich durchs Fenster“, kam die gedämpfte Antwort von drinnen.
Der große Krieger schnappte sich sein Schwert und ging in den Hof, um es zu schärfen.
Am anderen Morgen hämmerte jemand gegen Caoiltes Tür. „Aufwachen. Kann ich rein kommen?“
„Wer ist denn da? Und wie spät ist es?“, grummelte Caoilte, noch nicht ganz wach.
„Ich bin es, Griogair, dein neuer Nachbar. Sage mir, wann beginnt der Unterricht in der Heldenschmiede?“, fragte der Neuzugang.
„Es ist noch Zeit. Ich stehe nie vor zehn Uhr auf. Warum willst du so früh da hin?“, erkundigte sich Caoilte und rieb sich die Augen.
„Ich dachte nur so? Man sagte mir, der frühe Vogel fängt den Wurm“, antwortete Griogair lässig.
„Dann gehe mit Eamhhair. Die ist immer die erste“, meinte Caoilte gähnend.
„OK. Ich sehe mal nach, ob sie wach ist“, sagte Griogair und entfernte sich von der Tür. Caoilte konnte seine Schritte hören.
„Das würde ich besser lassen,“ rief Caoilte, aber es war zu spät. Ein Krachen, und der große Mann hörte etwas gegen seine Tür donnern. „Aua! Was war denn das?“, kam Griogairs schmerzerfüllte Stimme von draußen.
„Siehst du! Frauen stört man nicht bei der Morgentoilette. Aber du wolltest nicht hören.“ Caoilte grinste und wuchtete sich aus dem Bett, um zur Tür zu gehen. „Kann ich dir helfen,“ fragte er seinen neuen Mitbewohner, der noch immer verdreht auf dem Boden vor seiner Tür lag.
„Was hat sie gegen mich?“, fragte Griogair und entknotete sich.
„Nichts. Aber sie hasst es, morgens gestört zu werden. Entspann dich, sie zieht um. In eine Frauen WG. Morgen, soweit ich weiß“, erklärte Caoilte großmütig.
„Schade. Es hätte lustig werden können. Wer zieht denn dann hier ein?“, erkundigte sich Griogair und setzte sich auf.
„Keine Ahnung. Es wird sich schon wer melden.“ Caoilte reichte dem Kleineren die Hand und zog ihn auf die Füße. „Frühstück?“
„Oh ja. Was gibt es denn?“, fragte Griogair gespannt.
„Das, was da ist. Gehen wir in die Küche und sehen nach, was wir noch haben.“ Caoilte lief in die nahe Küche, mit ihrem Kohleherd und der Kühlkammer in einer Ecke.
Während des Essens, Brot und Käse, löcherte Griogair den größeren Mann, um etwas zu dem Unterrichtsablauf herauszubekommen. Caoilte erfuhr, dass der jüngere Mann der Sohn eines Fürsten war, der seinen Sohn zu einem echten Recken erzogen haben wollte. „Zu Hause war ich mehr mit Frauen zusammen. Ich habe noch sechs Schwestern und mein Vater ist oft in Sachen Krieg unterwegs. Mit meinem älteren Bruder. Der ist ein echter, wahrer Held. Er hat schon einen Drachen erlegt und ein ganzes Dorf vor dessen Flammen gerettet. Ich dagegen bin eine herbe Enttäuschung für ihn. Denn ich bekomme nichts hin.“ Betrübt ließ Griogair den Kopf hängen.
„Das wird schon noch“, kam es von der Tür her und Eamhhair schob sich in die kleine Küche.
„Bist du noch sauer, wegen vorhin?“, fragte der junge Mann.
„Nein, ich bin nicht nachtragend. Aber so früh am Morgen will ich meine Ruhe. Hast du noch was von dem Brot, Caoilte?“Auffordernd sah sie den Hünen an.
„Sicher. Hier. Ich weiß doch, ohne was in dem Magen bist du unausstehlich.“ Er reichte ihr den Brotkorb und die Butterdose.
„Ihr solltet mal wieder einkaufen gehen“, bemerkte Eamhhair mit einem Blick in die Vorratskammer.
„Machen wir nach dem Training“, erwiderte Caoilte kauend.
„Geht es gleich los“, fragte Griogair aufgeregt.
„Ja, zuerst steht Schwertkampf auf dem Stundenplan. Danach Bogenschießen, Drachenkunde, wie rette ich eine Prinzessin, Reiten und zum Schluss Materialkunde. Ist wichtig, denn wenn du nicht weiß, was Gold ist, plünderst du das falsche. Ebenso beim Kauf von einem Schwert musst du darauf achten. Sonst bekommst du billigen Dreck“, erläutertet Caoilte den Tagesablauf.
„Straffer Zeitplan. Hast du keinen Muskelkater danach?“ Griogair musterte den straffen Körper des Recken.
„Nö. Caoilte ist abgehärtet. Er ist Schwertkämpfer seit der Wiege. Schau dir nur seine Muskeln an.“ Eamhhair warf dem Hünen einen amüsierten Blick zu.
„Ich sehe nix anderes“, murmelte Griogair. „Ich wünschte, ich würde so aussehen.“
„Kommt mit der Übung. Pass mal auf, in drei Monaten.“ Caoilte stemmte sich in die Höhe und verließ die Küche. „Es wird Zeit. Dieser Griesgram Batair Hundezahn wartet nicht gerne. Neue nimmt er richtig ran.“
„Lass dich von Caoilte nicht Bange machen. So schlimm ist es in der Schmiede nicht. Wirst sehen, es wird dir gefallen.“ Eamhhair lächelte Griogair freundlich an.
Die Helden Schmiede war ein altes Kasernen Gebäude am Rande der Stadt. Früher hatte der Landesfürst seine Soldaten hier untergebracht, heute lernten Männer und Frauen in den Räumen alles, was sie als Held so wissen mussten.
Als die drei sich dem Komplex näherten, hörten sie schon Kampfgeräusche. Metall krachte auf Metall. Raue Flüche wurden ausgestoßen und auf dem großen Reitplatz übten Ritter in Rüstungen das Lanzenstechen. Ein Pfeil sirrte dicht an Griogairs Ohr vorbei und der Schütze rief ihm eine Entschuldigung zu.
„Es ist gefährlich“, murmelte der neue Schüler und sah sich um.
„Nicht sehr. Hier lernen sie, auf andere aufzupassen, “ lachte Eamhhair. „Komm, ich bringe dich zum Schulleiter, Friseal Flex.“
„Doch nicht der Friseal Flex?“, rief Griogair. „Mein Vater redet von keinem anderen außer ihm. Er sagt immer, er war der beste Kämpfer seiner Zeit. Ich bin so aufgeregt, endlich lerne ich ihn kennen. Das werde ich meinem Vater schreiben. Der wird staunen.“
„Schön für dich. Ich finde, er ist ein Ekel, “ mischte sich Caoilte ein. „Aber sieh selbst. Ich bin auf dem Kampfplatz, Eamhhair.“
„Ich komme gleich nach. Ich bringe unseren Neuling zum Leiter. Sonst findet er den Weg nicht.“ Die Amazone legte ein rasches Tempo vor, so das Griogair fast nicht mitkam. Rein ins Gebäude, eine Treppe hoch und dann einen langen Gang entlang. Am Ende wartete eine metallbeschlagene Tür auf sie.
„Hier triffst du Flex. Warte, bis er dich ins Zimmer holt. Er mag es nicht, wenn man einfach so hineinspaziert.“ Eamhhair verabschiedete sich und folgte Caoilte auf den Kampfplatz.
Wenig später erschien Griogair mit hängendem Kopf auf dem Kampfplatz.
„Was ist,“ fragte Caoilte, der ihn zuerst entdeckte.
„So habe ich mir den großen Flex nicht vorgestellt. Bei meinem Vater hörten sich seine Taten immer so heldenhaft an, dabei ist er klein und schmächtig, “ antwortete Griogair traurig.
„Er hat Köpfchen, Neuling. Deshalb lebt er noch. Aber du wirst bei ihm noch Unterricht haben und lernen, dein Gehirn einzusetzen, wenn du kämpfst. Ansonsten bist du bald mausetot. Hier, Kleiner. Dein Schwert. Greif mich an.“ Caoilte hatte sich schon in Stellung gebracht und wehrte die halbherzigen Schläge Griogairs gekonnt ab.
„Miserabel, würde Antoni Hufschlag sagen. Er ist unser Lehrer für Schwertkampf. Aber heute ist er nicht da, so müssen wir alleine üben. Komm schon, Griogair, greif mich an. Denke, ich will dich töten. Dann klappt es schon.“
Erneut versuchte es der schmächtige Junge, aber Caoilte hatte zu viel Erfahrung und schlug Griogair beim zweiten Angriff das Schwert aus der Hand. „Im Kampf wärst du jetzt tot, Kamerad. Versuch es noch mal.“
„Meine Hand tut weh. Du hast mich getroffen, “ jammerte Griogair und bückte sich nur zaghaft nach seinem Schwert.
„Nicht so zimperlich“, mischte sich nun Eamhhair ein, die den beiden von weitem zugesehen hatte.
„Er hat mich erwischt“, rief Griogair und funkelte Caoilte wütend an.
„Du wirst noch oft blaue Flecken haben. Selbst ich habe welche, nach zwei Jahren Unterricht. Also, weiter machen. Ich erklär dir mal die Taktik und dann versuchst du es erneut.“ Geduldig erläuterte Eamhhair die Techniken und Möglichkeiten im Schwertkampf. Caoilte diente ihr als Sparringpartner und zeigte Griogair, worauf es ankam. Am Ende der Stunde schaffte er es zumindest, sein Schwert zu behalten und sich zu schützen.
Nach dem Schwertkampf kam Bogenschießen an die Reihe, was Griogair besser konnte. Auch wenn er Frau Iona Topfdeckel, der Lehrerin, fast einen Pfeil in das Bein schoss. „Das werden Sie noch üben müssen. Allein, heute Nachmittag, “ meinte sie streng.
„Was kommt jetzt?“, fragte Griogair seine Klassenkameraden.
„Drachenkunde. Es gibt Verschiedene. Große, kleine, weiße und schwarze. Mit Stachel und ohne. Manche spuken Feuer, andere nur Schwefeldämpfe. Aber das erläutert dir schon unser Lehrer, “ erklärte Caoilte und zeigte dem Neuling den Klassenraum. Schwarze Flecken auf Wänden und Decken legten Zeugnis von der Anwesenheit verschiedener Drachen ab, wie Eamhhair anmerkte.
Am Ende des Tages war Griogair ziemlich durcheinander. „Mir schwirrt der Kopf vor so viel Neuem“, sagte er zu Eamhhair und half ihr, ihre Sachen zu packen und in die Nachbar WG zu tragen.
„Du gewöhnst dich daran, Griogair. Mir ging es am Anfang auch nicht anders. Das legt sich aber schnell“, meinte sie beruhigend und lud ihre Sachen auf dem Bett ab, bevor sie wieder in ihr altes Zimmer liefen, um den Rest zu holen.
„Wer zieht nun hier ein? Bisher hat sich noch keiner gemeldet.“, fragte Griogair neugierig.
„Wird schon noch. Die Anzeige hängt ja überall aus. Lass dich nicht von Caoilte ärgern. Der hat ein loses Mundwerk und redet schneller, als er denkt“, meinte die Amazone.
„Ok. Und du? Sehen wir uns?“, erkundigte sich Griogair.
„Sicher, ich ja nebenan. Und im Unterricht. So, der letzte Beutel. Sauber ist es auch. Gut. Ich gehe dann mal. Bis morgen, Griogair.“Sie winkte ihm und verschwand.
Als sie weg war, fühlte sich Griogair irgendwie alleine. Caoilte war noch nicht von seiner Rauftour zurück, und Eamhhairs Zimmer war leer. Nachdenklich zog sich der junge Mann in sein Zimmer zurück. Dort, in den tiefen seines Kleiderschranks, bewahrte er seine zweite Identität auf, von der nicht mal seine Familie was wusste. Samt, Seide und ein wenig Schminke, wie sie die Gaukler benutzten und aus Griogair wurde Esmeralda, wie er sich dann nannte. Vor dem Spiegel drehte sich Esmeralda und fand sich reizvoll und sexy. Warum, zum Deibel, war er nur in diesen Körper geboren, wo er doch fühlte, und dachte wie eine Frau? Nie würde er so leben dürfen, wie er wollte. Krieg und Waffen waren das, was für einen Mann wichtig sein sollte. Esmeralda aber würde viel lieber kochen, putzen und waschen, als gegen Drachen zu kämpfen.
Als er die Tür gehen hörte, zerrte er die Frauenkleider von seinem Körper und versteckte sie wieder in dem Schrank. Caoilte würde es nicht verstehen und ihn verspotten, wenn er es wusste.
„Jemand zu Hause,“ hörte Griogair die tiefe Stimme des Hünen.
„Ja, ich. Eamhhair ist schon nebenan eingezogen, “ Griogair steckte den Kopf durch den Türspalt.
„Ist sie also weg? Nun gut, vielleicht besser so. Kann ich meinen Krempel im Flur liegen lassen, ohne dass wer schimpft.“ER wirkte sehr zufrieden mit sich.
„So lange niemand stolpert. Hast du schon jemand Neuen gefunden für unsere WG?“
„Nein. Im „Alten Fass“ sprach mich niemand an. Aber bis zum Ende der Woche stellt sich sicher wer vor. Die Heldenschmiede hat immer regen Zulauf. Bier?, fragte Caoilte und strebte der Küche zu.
„Nein, danke. Was machen wir jetzt?“
„Ich werde meine Rüstung bearbeiten. Sie hat Rostflecke. Was du machst, weiß ich nicht.“
„Mal sehen. Drachenkunde nacharbeiten? Da war mir einiges unklar.“
„Tue das. Ich bin gleich wieder zurück.“
Kaum war Caoilte verschwunden, klopfte es, und Griogair dachte, dass es Eamhhair sei, die was vergessen hätte. Vor der Tür aber stand ein großer, rundlicher Junge, der nach dem WG Zimmer fragte.
„Komm doch rein. Ich zeige dir den Raum“, sagte Giogair und öffnete die Tür weiter, damit er eintreten konnte.
Neugierig blickte sich der Typ um und stellte einige Fragen.
„Alles weiß ich nicht. Ich bin auch erst vor einigen Tagen eingezogen. Und, auch ein Anwärter für die Heldenschmiede?“
„Nein, eher für die Taschenspieler und Gaukler. Aber ich brauche einen Platz zum Schlafen. Das scheint mir hier nicht so geeignet zu sein.“ Damit verabschiedete er sich und hinterließ bei Griogair einen merkwürdigen Nachgeschmack. Irgendwas war faul an dem Typen. Wenn Caoilte zurück war, würde er ihm davon erzählen.
Aber Griogair vergaß den Vorfall, als sein WG Mitbewohner spät abends in sein Zimmer zurückkehrte. Mitten in der Nacht hörte er dann merkwürdige Geräusche im Flur und schlich sich aus dem Bett. In der Diele stand der Kerl, der sich einige Stunden zuvor das Zimmer angesehen hatte und wühlte in Caoiltes Plünderbeute. Mit dem Kurzschwert in der Hand versuchte Griogair den Typen zu überraschen und riss die Tür auf. Die prompt klemmte, so dass er sich durch den Spalt quetschen musste. „Hey, was wollen Sie hier. Das Zeug da hat einen Besitzer,“ rief Griogair und stürzte auf den Mann zu.
„Verschwinde, oder ich steche dich ab,“ antwortete dieser hitzig und zog ein Messer aus dem Stiefel. „Von Weibern lasse ich mir nichts sagen.“ Dabei tänzelte er um seinen Gegner herum und wehrte Griogairs Schwert ab. Immer wieder schlugen sie aufeinander ein, wobei der Einbrecher im Nachteil war und diesen nur, durch eine geschickte Führung seines Messers, ausgleichen konnte. Durch den Krach war auch Caoilte wach geworden und sprang seinem Mitbewohner zur Seite. Als der Dieb flüchten wollte, erwischte ihn der große Mann am Rockzipfel und schlug ihn nieder. „Du klaust nie wieder bei irgendwem, Kerl. Morgen übergeben wir dich der Wache.“ Damit fesselte er ihn und warf den Einbrecher in das leere Zimmer.
„Wie siehst du denn aus“, meinte Caoilte bei einem Seitenblick auf Griogair.
„Das ist meine übliche Schlafkleidung“, verteidigte dieser sein langes Nachthemd.
„Egal. Du warst tapfer heute. Lege dich wieder schlafen. Morgen bringen wir den Kerl zu den Wachen.“
„Ich glaube, er war hier, weil ich ihn heute Nachmittag rein gelassen habe,“ gestand Griogair zerknirscht.
„Du hast ihn in die WG gelassen?“ Caoilte war verblüfft.
„Ja, ich dachte, er wollte ein Zimmer.“
„Wollte ich auch“, brüllte es aus dem, nun nicht mehr leeren, WG Zimmer.
„Du gibst Ruhe, Dieb. Hier wohnen nur ehrliche Leute. Na ja, fast ehrliche Leute. Und, warum hast du nichts gesagt?“
„Ich habe es vergessen. Tut mir leid.“
„Schon gut. Geh schlafen, Griogair. Wir reden morgen darüber.“
Am anderen Tag brachte Caoilte den Einbrecher zur Stadtwache, bevor er in die Heldenschmiede ging.
Dort fand sich dann auch ein neuer Mitbewohner für die WG.
„Sag mal, Caoilte, ihr habt doch noch ein Zimmer frei? Ich würde gerne umziehen. Mit Flori Wurzelzahn und Bran Flohpuder streite ich mich nur noch, “ erklärte Achaius Caoilte und Griogair in der Pause.
„Warum nicht“, sagte der Hüne und blickte seinen kleineren Mitbewohner an. „Eamhhair wohnt nun nebenan und ihr Zimmer ist leer. Komm doch vorbei und sieh es dir an.“
Am Nachmittag klopfte es und Achaius stand mit Tasche und Beuteln vor der Tür.
„Ich will sofort einziehen. Egal, wie das Zimmer aussieht. Wenn es euch recht ist?“, fragte er.
„Komm rein, Achaius. Griogair, zeige ihm den Raum. Ich muss noch mal auf den Kampfplatz.“ Caoilte verzog sich und überließ seinem Mitbewohner das Feld.
Von da an bildeten sie eine Männer WG und Griogair erfuhr, dass Achaius nicht der Frauenheld war, wie alle dachten. Er mochte lieber Männer und Griogair verliebte sich in ihn. Was sie aber geheim halten mussten, um nicht an den Pranger gestellt zu werden. Caoilte spöttelte zwar über die beiden, nahm es sonst mit Humor. Wie auch Eamhhair, die sich neu verliebte, in einen Helden aus der Schmiede.
Ein erster Blick
Es war schon spät, als Faolan den Platz verließ, auf dem sich die Gaukler niedergelassen hatten. Ziellos wanderte er in dieser fremden Stadt umher, auf der Suche nach einem guten Bier und Gesellschaft. Seit der Abendvorstellung, auf der er alle mit seinen Zaubertricks verblüfft hatte, war einige Zeit vergangen und er fühlte sich leer und unzufrieden. Das konnte auch daran liegen, dass er schon lange keinen Partner mehr hatte, seit dem der junge Uallas Drachenkopf ihn nach einem Streit verlassen hatte. In diesem Land war es schwer, eine Männerliebe zu leben, dachte der dunkelhaarige Magier und bog in die nächste Gasse ein. Dort hörte er schon von weitem Gesang und an einem Haus brannte eine Laterne.
Auf dem Schild darüber stand „ Heldenkrug“, genau das Richtige für eine durstige Seele wie ihn.
Der Gasthof war gut besucht, als Faolan die Tür aufstieß. Rauch von unzähligen Pfeifen und der Feuerstelle hüllten ihn ein.
„Was darf es denn sein?“, fragte der stämmige Wirt hinter dem Tresen.
„Bier“, antwortete Faolan und suchte sich ein freies Plätzchen.
„Kommt sofort. Könnt Ihr auch zahlen?“ Skeptisch sah der Wirt ihn an.
„Sicher, sehe ich aus, als ob ich es nicht könnte?“ Faolan war leicht verärgert. In jedem Krug die gleiche Frage.
„Ihr gehört doch zu den Gauklern auf dem großen Festplatz? Meine Tochter erzählte von einem dunklen Magier, der alle in Erstaunen versetze. Verzeiht meine Frage, mit fahrenden Leuten hatten wir schon Ärger.“
„Ich kann zahlen, sonst wäre ich nicht hier.“
„Das Bier. Darf ich Euch was von dem Spanferkel anbieten. Ganz frisch.“
„Danke, ich habe schon gegessen. Das Bier reicht mir.“
Einige Tische weiter entdeckte Faolan einen Mann, der von einer Gruppe Frauen umringt war. An ihren Kleidern entdeckte der Magier gelbe Bänder, die sie als Liebesdamen auswiesen. Sie redeten auf den gutaussehenden Kämpfer ein und buhlten um seine Gunst. Aber der Recke, Faolan bemerkte ein Schwert an seinem Gürtel, schien so gar kein Interesse an der Gunst der Damen zu haben, auch wenn er Witze machte und mit den Frauen lachte.
„Das ist Batair Hundezahn“, klärte ihn der Wirt auf, der seinem Blick gefolgt war. „Der mutigste Krieger des ganzen Landes. Er hat gegen eine riesige Drachenherde gekämpft, als sie die Grenzstadt Uschdar angriffen. Und gewonnen.“ Faolan bemerkte den Respekt in der Stimme des Wirtes.
„Er scheint sehr beliebt zu sein“, meinte der Magier lächelnd.
„Ja, die Damenwelt reißt sich um ihn. Aber, soweit ich gehört habe, hat er noch keine Wahl getroffen. Er soll nicht verheiratet sein.“
„Als Held ist man sicher viel unterwegs“, sagte der Magier lachend und trank sein Bier aus. „Das Gleiche nochmal.“
Kurz darauf verteilten sich die Frauen in dem Schankraum und suchten leichtere Opfer, als sie merkten, dass der Krieger nicht mit ihnen auf ein Zimmer gehen würde.
Batair schien das nicht zu stören, er wirkte fast zufrieden. Faolan nahm sein Bier und setzte sich zu dem Krieger.
„Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, nachdem Euch die Frauen verlassen haben“, fragte er.
„Ich ziehe zurzeit die Gesellschaft von Männern vor. Sie reden nicht so viel und versuchen auch nicht, mir das Geld aus der Tasche zu ziehen, “ brummte Betair.
„Ihr habt schlechte Erfahrungen gemacht?“
„Ja. Und Ihr? Was treibt Euch in dieser dunklen Stunde in diese Schenke?“
„Ein gutes Bier. Auch wenn ich schon Bessere getrunken habe. Und Gesellschaft. Ich bin Faolan Rittergut, seines Zeichens Magier und Taschenspieler.“
„Batair Hundezahn, Krieger. Aber das sieht man wohl.“
„Ein wenig. Kämpft ihr in einer Armee?“
Der große, blonde Mann zuckte die Schultern. „Ich nehme, was ich kriegen kann. Heute hier, morgen dort. So wie Ihr, Gaukler.“
„Da habt Ihr Recht. Schon übermorgen geht es weiter.“
„Und Ihr könnt davon leben?“
„Könnt Ihr von eurem Beruf leben?“, stellte Faolan die Gegenfrage.
Batair nickte. „Es geht so. Reich bin ich nicht, auch wenn jene Damen das meinen.“ Er deutete auf die Gruppe Frauen, die sich zu einigen Männern an den Tisch gesetzt hatten.
„Ihr mögt Frauen nicht sonderlich? Auch wenn ihre Anwesenheit Euch hin und wieder erfreut.“ Faolan lachte.
„Was lacht Ihr? Ich kann mit ihnen nichts anfangen. Mein Leben lang war ich anders, “ brummte Betair leise, so dass nur Faolan ihn hörte.
„So wie ich, Freund Krieger. Was ist schon schlimm daran, anders zu sein?“
„Nichts. Es ist halt schwer in dieser Gesellschaft. Mein Leben lang musste ich ein Held sein. Den Drachenkrieger haben sie mich genannt. Und was hat es mir gebracht? Ein verpfuschtes Leben!“ Betairs Stimme klag bitter.
„Euer Leben ist noch nicht zu Ende, Herr Hundezahn. Sucht Euch einen Ort, wo Ihr sein könnt, wie ihr wollt.“
„Könnt Ihr das, Magier?“ Betair warf ihm einen kurzen Blick zu.
„Als Gaukler stehe ich sowieso außerhalb der Gesellschaft. Da ist es egal, wie ich bin und wen ich liebe.“ Faolan bestellte noch ein Bier.
„Du hast es gut“, nuschelte Betair. „Mein Leben ist kompliziert.“
Gemeinsam tranken sie und unterhielten sich die restliche Nacht, bis der Wirt die Schenke schloss und die beiden auf die Straße setzte.
„Was nun?“, murmelte Faolan. Zurück zum Festplatz wollte er nicht, er war sich in seinem betrunkenen Zustand auch nicht sicher, ob er ihn finden würde.
„Komm mit zu mir“, lallte Betair. „Ich wohne gegenüber, in der Pension. Ein Zimmer hat die Wirtin sicher noch frei!“
Das war Faolan nur Recht, hatte er sich doch in den großen Krieger auf den ersten Blick verliebt, auch wenn er nicht genau wusste, was Batair davon hielt. Das würde er dann morgen sehen, wenn er erwachte. So schwankten sie singend über die Straße. In ihrem Zustand war es ihnen völlig egal, was die Leute über sie dachten.
Wie ein echter Held
Über ein Jahr war vergangen, seit Griogair Fuchsschwanz, der zweite Sohn eines Grafen aus dem Norden, in der Heldenschmiede, einer Ausbildungsstätte für angehende Helden und Drachentöter, aufgenommen worden war. In dieser Zeit hatte er eine Menge gelernt, war mutiger und auch selbstbewusster geworden. Seit Achaius Löwenkopf mit in ihre Bleibe eingezogen war, hatte Griogair die Liebe seines Lebens gefunden, auch wenn der dunkelhaarige Achaius bisher eher als Frauenheld galt.
„Das ist nur Tarnung“, hatte er Griogair beim Einzug erklärt. „In diesem Land ist es nicht ratsam, zu sagen, dass man Männer liebt. Die anderen Männer würden es falsch verstehen und mich verfolgen, wenn ich es öffentlich machen würde.“
Nun war die Schmiede, ein altes Millitärlager in der Stadt Tharr, in den Sommermonaten geschlossen worden und Griogair überlegte, zu seinen Eltern in den Norden zu reiten.
„Ich weiß nicht, Achaius? Soll ich sie besuchen oder lieber nicht. Einerseits fehlen sie mir, andererseits habe ich auch Angst. Was werden sie dazu sagen, dass ich mit einem Mann lebe? Vater wird sagen, das ist nur eine Phase und gibt sich wieder. Ein Mann hat eine Frau zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzten.“
„Du hast sie lange nicht gesehen, mein Freund. Mach dir keine Gedanken und besuch sie einfach. Ich begleite dich, wenn du willst. Meine Familie wartet nicht auf mich, so habe ich Zeit.“ Achaius hatte es sich auf Griogairs Bett gemütlich gemacht und beobachtete die Bemühungen seines Geliebten, dessen Kleidung in eine Satteltasche zu stopfen.
„Das wäre toll. Ich denke, es ist an der Zeit, meinem Vater die Wahrheit zu sagen. Mehr als mich enterben kann er nicht.“ Griogair wirkte nachdenklich, fast ein wenig traurig.
„Dann gehe ich packen, Gri.“ Achaius schwang die Beine aus dem Bett und schob sich an Griogair vorbei, wobei er ihm einen sanften Klaps auf den Hintern gab.
„Schläfst du heute Nacht hier“, rief ihm Griogair hinterher.
„Sicher“, antwortete Achaius, schon in seinem Zimmer.
„Wer schläft wo?“ Caoilte Zwergenbart, ihr Mitbewohner, streckte seinen Kopf durch die Tür.
„Das geht dich nichts an, Caoilte“, fauchte ihn Griogair an und versuchte die Tür zu schließen. Sie klemmte.
„Ich weiß, was ihr so treibt, mein kleiner Freund. Es ist mir egal, Hitzkopf.“ Caoilte war beleidigt.
„Bald bist du uns für eine Weile los, großer Krieger. Freut dich das nicht?“
„Egal, ich werde meine Familie besuchen gehen. Vielleicht kommt Eamhhair mit.“
„Du kannst die Amazone nicht vergessen, oder? Sie liebt aber jemand anderen, Caoilte.“ Griogair schüttelte den Kopf. „Ich muss packen.“
„Das ist das Elend. Wir sehen uns, “ seufzte Caoilte und verschwand in seinem Zimmer.
Früh am nächsten Morgen verließen Griogair und Achaius ihre Bleibe und die Stadt. Über schlammige Landstraßen ritten sie immer weiter nach Norden und übernachteten dabei in kleinen Rasthäusern, die sich Kost und Logis teuer bezahlen ließen.
„Wir könnten auch im Freien schlafen, Griogair“, bemerkte Achaius. „Warm ist es ja.“
„Aber was ist mit Räubern oder entlaufenen Söldnern? Ich möchte heil ankommen, “ antwortete Griogair und bezahlte zähneknirschend den höheren Preis, den der Wirt forderte.
„Außerdem habe ich von Aufständen hinter der Grenze gehört. Ich mache mir Sorgen um meine Familie, Achaius. Was ist, wenn dort Krieg herrscht?“ Und ich habe Angst, Angst kämpfen zu müssen. Ich bin noch nicht soweit.
Der dunkelhaarige Krieger schüttelte nur den Kopf und folgte Griogair ins Gastzimmer.
Am anderen Tag ritten sie durch einen dunklen Wald, als Griogairs Pferd vor einer Rotte Wildschweine scheute, die ihren Weg kreuzten. Erschrocken und auch ein wenig ängstlich versuchte Griogair, das Pferd zu beruhigen. Es tänzelte noch immer nervös unter seiner Hand, als auch das letzte Schwein zurück ins Unterholz lief.
„Du zuckst wie ein Weib beim ersten Mal“, neckte ihn Achaius.
„Ich dachte, es wären Söldner“, verteidigte sich Griogair. Ich hatte Angst, verdammt. Das darf mir nicht nochmal passieren. Ich bin ein Krieger!
Die Burg derer von Fuchsschwanz, die Fuchsburg genannt, lag auf einem Hügel an einem Fluss. Zu ihren Füßen jede Menge Bauernhöfe und an der Ostflanke des Hügels ein größeres Dorf. Eine befestigte Straße führte direkt bis zum Burgtor, welches zu dieser Stunde weit offen stand. Die Leibgarde des Grafen lümmelte im Schatten der hohen Mauern und nahm erst Haltung an, als einer der Soldaten Griogair erkannte.
„Ist mein Vater da?“, fragte Griogair den Soldaten zu seiner Rechten.
„Ja, Hoheit. Bei dieser Hitze zieht er die Kühle der Burg vor.“
„Dann komm, Achaius. Bringen wir es hinter uns.“ Griogair lenkte sein Pferd zu den Stallungen, wo ihm die Stallknechte das Tier abnahmen.
„Griogair! Griogair!“, hörte er von weiter oben, wo ein blonder Schopf erschien. „Er ist zurück!“
„Das ist einer meiner sechs Schwestern, Aine. Hallo, Schwesterchen, fall nicht aus dem Fenster!“ Griogair winkte ihr zu.