Cover

WILHELM WAIBLINGER

 

HÖLDERLINS LEBEN

DICHTUNG UND WAHNSINN

HÖLDERLINS LEBEN wurde zuerst veröffentlicht in Wilhelm Waiblingers Gesammelte Werke von Verlag Georg Heubel, Hamburg 1839.

 

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook

© apebook Verlag, Essen (Germany)

 

www.apebook.de

 

1. Auflage 2020

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

 

Der Text der vorliegenden Ausgabe folgt der Erstausgabe. Zeichensetzung und Rechtschreibung wurden weitestgehend beibehalten.

 

ISBN 978-3-96130-206-2

 

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

Alle verwendeten Bilder und Illustrationen sind – sofern nicht anders ausgewiesen – nach bestem Wissen und Gewissen frei von Rechten Dritter, bearbeitet von SKRIPTART.

 

Alle Rechte vorbehalten.

© apebook 2020

 

 

 

 

Books made in Germany with

 

 

 

Bleibe auf dem Laufenden über Angebote und Neuheiten aus dem Verlag mit dem lesenden Affen und

abonniere den kostenlosen apebook Newsletter!

Erhalte zwei eBook-Klassiker gratis als Willkommensgeschenk!

 

Du kannst auch unsere eBook Flatrate abonnieren.

Dann erhältst Du alle neuen eBooks aus unserem Verlag (Klassiker und Gegenwartsliteratur)

für einen sehr kleinen monatlichen Beitrag (Zahlung per Paypal oder Bankeinzug).

Hier erhältst Du mehr Informationen dazu.

 

 

 

Follow apebook!

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

HÖLDERLINS LEBEN

Impressum

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

Eine kleine Bitte

A p e B o o k C l a s s i c s

N e w s l e t t e r

F l a t r a t e

F o l l o w

A p e C l u b

L i n k s

Zu guter Letzt

 

I

 

Es ist schon lange Zeit her, daß ich mir vorgenommen, der Welt etwas von Hölderlin's Vergangenheit, seinem jetzigen Leben, oder vielmehr Halb- und Schattenleben, und besonders von dem furchtbaren Zusammenhange mit jener mitzutheilen, und ich wurde von mehr als einer Seite durch Freunde seiner Muse dazu aufgefordert. Denn ein langer fünfjähriger Umgang mit dem Unglücklichen hat mich mehr als jeden andern in Stand gesetzt, ihn zu beobachten, ihn kennen zu lernen, seinem so wunderlichen Ideengange und selbst den ersten Ursprüngen und Ursachen seines Wahnsinns nachzuspüren. Ich gab mir mehr als andere Mühe, seine Launen zu ertragen, und während die wenigen seiner vormaligen Freunde, die ihn in seiner nun mehr als zwanzigjährigen Einsamkeit besuchten, nur ein paar Augenblicke verweilen mochten; sey es, daß ihr Mitleid zu rege wurde, daß sie von der Erscheinung eines so beklagenswerthen geistigen Verfalls sich zu tief erschüttert fühlten, oder daß sie schnell damit fertig waren, indem sie vermeinten, man könne nun schon einmal kein vernünftiges Wort mehr mit ihm reden, und es verlohne sich der Mühe nicht, dem psychischen Zustand des Verwirrten einige Aufmerksamkeit zu schenken: so hielt ich keine Stunde für verloren, die ich ihm widmete, besuchte ihn ununterbrochen mehre Jahre lang, sah ihn oft bei mir, nahm ihn auf einsame Spaziergänge, in Gärten und Weinberge mit mir, gab ihm zuweilen Papier zum Schreiben, durchsuchte seine noch übrigen Schriften, brachte ihm Bücher, ließ mir vorlesen und bewegte ihn unzähligemal, Klavier zu spielen und zu singen. So wurde ich nach und nach an ihn gewöhnt und legte das Grauen ab, das wir in der Nähe solcher unfreien Geister fühlen, sowie er seinerseits sich an mich gewöhnte und die Scheu ablegte, die ihn von jedem ihm nicht ganz bekannten Menschen trennte. Ich hatte nun wohl im Sinne zu versuchen, ob es mir nicht gelänge, seinen jetzigen Geisteszustand zu zergliedern und die Entstehung dieser bedauernswürdigen Verwirrung seines Innern in einer strengern, wissenschaftlichern Form von den ersten Anlässen und Motiven herzuleiten und bis auf den Punkt hin zu verfolgen, wo das Gleichgewicht entschieden verloren ging; allein es wurde mit hundert andern flüchtigen Entwürfen im Drängen und Treiben eines allzu unruhigen Lebens vergessen. Nun, da mir der wunderbare schwermüthige Freund so fern gerückt ist, und das traurige Bild des Einsamen mir eben unter süßem, südlichem Lichthimmel untergegangen war, ist es eine seltsame Anregung, die ich vom Vaterlande aus erfahre, wie ich aufgemuntert werde, meinen alten Vorsatz doch endlich einmal auszuführen. Ich widerstehe denn nicht länger, wiewohl ich mir nicht vornehme, eine philosophische Zergliederung von Hölderlin's Innerm zu wagen, sondern mich blos anheischig mache, die Beobachtungen und Bemerkungen schlechtweg mitzutheilen, welche sich mir im Umgang mit ihm aufdrangen. Freilich werden uns diese zuweilen nöthigen, ein wenig zu speculiren; allein wir werden uns immer innerhalb der Grenzen einfacher Beobachtung halten, keine psychologische Untersuchung, sondern eine schlichte Charakterschilderung entwerfen; und somit hoffen wir, den vielen, die für Hölderlin interessirt sind, die seine Muse schätzen und gern genaueres über ihn selbst hörten, einen nicht unangenehmen Dienst zu thun, wenn wir etwas von ihm erzählen und zeigen, wie sich dieser Geist verirrte, und wie er sich nun in und zu sich selbst sowie zu seiner Vergangenheit und zur Außenwelt verhält. Dabei müssen wir natürlich auch einige Worte über seine Poesie sagen, deren schönste und reifste Blüthen und Früchte endlich die so ehrenwerthen Dichterfreunde, Ludwig Uhland und Gustav Schwab, gesammelt, gereinigt und an's Licht der Welt gestellt haben. Da wir in der That nicht wissen, ob er nur noch am Leben ist, indem wir schon seit Jahresfrist durch weite Strecken von ihm getrennt sind, und da er bei einer nun wenigstens vierundzwanzigjährigen Abgeschlossenheit von aller und jeder Berührung mit Welt und Menschen fast nicht mehr wie ein Lebendiger zu betrachten ist, so wird es kein Verstoß gegen Gefühl und Schicklichkeit sein, wenn wir seinen Zustand öffentlich schildern. Denn wie seine Dichtung gehört auch sein Leben unserer Zeit, unserm Vaterland, unserer Kenntniß an; genug, daß wir uns hüten, dem Unglücklichen zu nahe zu treten, und daß uns die scheue, düstere Ehrfurcht vor der unbekannten Macht, mit der er sein lebelang gerungen, deren despotische grauenerweckende Kraft uns in seinen hinterlassenen Werken so oft als Gegenstand seiner Klagen und seines Kampfes entgegentritt, abhalte, mit ungebührlicher, ja frevelhafter Uebereilung ein allgemeines Urtheil über eine geistige Erscheinung zu wagen, die für uns am Ende doch ein Räthsel ist, wir mögen uns mit unserer Weisheit geberden, wie wir wollen, um sie in ihrem Wesen, in ihren Ursachen und Folgen zu zergliedern und zu beschreiben.

 

Wir theilen zuerst einiges über sein früheres äußeres Leben mit und hängen dem sogleich unsere Bemerkungen an, sobald wir etwas finden, was auf sein späteres Schicksal bezogen werden muß. Denn die Keime, die ersten Gründe und Ursachen desselben sind in den frühesten Entwickelungsjahren seines Lebens, ja gewissermaßen einzig und allein in der unselig feinen geistigen Organisation zu suchen, die bei allzu vielen Täuschungen, harten Ereignissen und traurigen Combinationen äußerer Umstände sie endlich in sich selbst zerstörte.

 

II