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ANGELA WEISS


Angela Weiss (*1969) ist Heilpraktikerin, Gesprächs- und Hypnosetherapeutin.

Sie praktiziert in einem ganzheitlich orientierten Ärztezentrum in Zürich mit angeschlossener Tagesklinik, wo sich Schul- und Erfahrungsmedizin die Hand reichen.

In der Homöopathie arbeitet sie im speziellen mit homöopathischen Arzneien, sogenannten Muttermitteln, die aus menschlichem Körpergewebe stammen und einen Bezug zu Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit haben.

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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

 

Projektleitung: Dr. Sarah Rafajlovic

Lektorat: Anna Cavelius

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Christina Bodner

 

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ISBN 978-3-8338-7482-6

1. Auflage 2020

 

Syndication: www.seasons.agency

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DER WICHTIGSTE MENSCH ICH IN IHREM LEBEN?


Der sind natürlich Sie. Aber ob es Ihnen gefällt oder nicht, Ihre Mutter bleibt für immer die erste Frau in Ihrem Leben. Mit diesem Buch begeben Sie sich auf eine spannende Reise durch Ihre Seelenlandschaft.

Die Gesprächstherapeutin Angela Weiss führt Sie auf unterhaltsame, berührende und inspirierende Weise zurück in Ihre ersten Lebensjahre, betrachtet mit Ihnen Liebeserfahrungen, vergangene Abenteuer, Kämpfe, Erfolge und Frustrationen. Entdecken Sie mit Hilfe von schonungslosen Selbstbefragungen, wie Sie Ihre Mutter als Mensch geprägt hat. Und entscheiden Sie wieder selbst, was Ihnen davon guttut und was Sie nicht mehr in Ihrem Leben behalten möchten. Nicht alle Themen oder Konflikte rühren wirklich aus Ihnen selbst.

MUTTER SEI DANK

»Eine Mutter macht grundsätzlich mehr richtig, als sie jemals falsch machen könnte. Andernfalls gäbe es uns gar nicht.«

ANGELA WEISS

Begeisterung und Neugierde über den für Sie wichtigsten Menschen weckt dieses Buch. Genau, der sind Sie!

Sie lesen weder in einem Erziehungsratgeber, noch handelt es sich um eine Abrechnung mit Ihrer Mutter. Es ist auch nicht speziell für Mütter geschrieben, sondern für Menschen, die von einer Mutter geboren wurden. Dieser Umstand ist bei jedem einzelnen Menschen prägend und ein gemeinsamer Nenner. Einer, der uns alle verbindet. Jeder von uns hat während der Schwangerschaft monatelang Tag und Nacht mit und in seiner Mutter zugebracht. Es wird Ihnen wohl niemals jemand wieder so nahestehen wie damals Ihre Mutter.

Keineswegs möchte ich die wichtige Rolle von Vätern in Abrede stellen. Aber unsere Entwicklung betrachte ich hier nun einmal unter dem mütterlichen Einfluss.

Viele Aspekte mussten unberücksichtigt bleiben, dazu gehört auch die absolut spannende Interaktion von »Vater-Mutter-Kind«. Andere konnten nur angedacht werden. Das liegt daran, dass Erkenntnisse aus Medizin, Pädiatrie (Kinderheilkunde) und Psychologie ständig erweitert und zum Teil auch revidiert werden. Dieses Buch ist also auch kein wissenschaftliches Lehrbuch, sondern will eher als eine Reflexionsgrundlage dienen. Ein Ratgeber, der das Nachdenken über sich selbst anregt.

Jeder von uns hat vielfältige und unterschiedlichste Kenntnisse in allen möglichen Wissensgebieten. Wie gut kennen Sie sich beispielsweise aus in der Gegend, in der Sie leben, oder auch mit Aktienkursen, dem Steuerrecht, dem Streckennetz? Sind Sie ein Frauen-, Männer- oder Weinkenner, ein Restaurant-Scout? Haben Sie Fachwissen in Ihrem Beruf, Ihrem Hobby? Sind Sie ein It-Girl, ein Playboy, eine Reiseleiterin, ein Tierfreund, eine Naturschützerin?

EXPERTE IN EIGENER SACHE

Wie steht es aber mit dem wirklich Naheliegenden? Ihrer Menschwerdung, der Entwicklung von der befruchteten Eizelle zum Baby bis hin zu der Person, die Sie heute sind? Was wissen Sie darüber? Sind Sie »Experte in eigener Sache«? Und zwar nicht erst dann, wenn etwas zwickt oder wehtut, sondern einfach so, weil Sie neugierig sind, weil Sie dranbleiben möchten an der Liebesbeziehung mit sich selbst.

Wenn nicht wir selbst Experten in eigener Sache sind, wer ist es dann? Möchten Sie, dass Ihre Mutter auch in Ihrem Erwachsenenleben die Expertin bleibt, die sie in Ihrer Kindheit für Sie war? Oder sollte das jetzt lieber ein Arzt übernehmen, ein Seelsorger, der Partner? Frustriert es Sie vielleicht, dass keiner von denen das richtig zu machen scheint? Was nicht weiter erstaunlich ist, denn jeder dieser Experten betrachtet Sie von einem anderen Blickwinkel aus. Zugang zum ganzen Spektrum haben nur Sie.

Sie wollen jetzt genau wissen, wer Sie sind und wie Sie ticken? Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich über sich selbst. Die besten Quellen hierfür sind Ihre Erinnerungen, Ihre Familie, Bezugspersonen aus Ihrer Kindheit, Ihre Mutter – und auch dieses Buch.

In diesem Buch werden Sie über einige spannende Möglichkeiten lesen, wie Sie sonst noch an Wissen über sich selbst herankommen. Es freut mich, wenn Ihnen der eine oder andere Impuls heilsame und wohltuende Erkenntnisse schenkt.

Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich bei alledem nicht speziell um eine geschlechtsneutrale Anrede geschert habe. Sofern aus dem Zusammenhang nicht anders erkennbar, können sich Frauen genauso wie Männer angesprochen fühlen.

Setzen Sie Ihr Gehirn ein und alles, was Sie darin über sich abgelegt haben. Rufen Sie Erinnerungen und Gefühle ab. Wussten Sie, dass Informationen nicht nur im Gehirn abgespeichert sind?

FRAGEN, DIE GUTTUN

Die Mutter des griechischen Philosophen Sokrates, die ehrwürdige Phainarete, war eine Maia. So bezeichneten die alten Griechen ihre Hebammen. Offenbar hatte ihr Sohn Sokrates von ihr gelernt, was eine gute Hebamme ausmacht. In Platons Dialog Theätet sagt er über sich selbst: »Ich vermute, und du selbst glaubst es ja auch, dass du in dir mit etwas schwanger gehst und Wehen hast. Vertraue dich also mir an. Denn schließlich bin ich der Sohn einer Hebamme und verstehe auch selbst etwas von dieser Kunst.«

Die hier beschriebene Gesprächstechnik wird Maieutik genannt. Der Fragesteller ist dabei wie eine Maia, eine Geburtshelferin. Die Fragen sollen einen dazu veranlassen, ein Problem zu vertiefen, es zu betrachten und selbst zu klären. Die Maieutik besteht darin, da zu sein, zu begleiten, das Vertrauen zu stärken und das »Gebären« der Antworten und Erkenntnisse nicht zu stören oder gar selbst zu übernehmen.

FRAGEN AN SIE SELBST

  • Reduziert Sie Beruf oder Familie auf eine bestimmte Tätigkeit, obwohl Sie auch andere Talente haben?

  • Sind Sie so damit beschäftigt, Erwartungen anderer zu entsprechen, dass Sie gar nicht mehr so genau wissen, was SIE wollen?

  • Lassen Sie das mit sich machen? Warum?

  • Haben Sie eine Idee, was sonst noch für Möglichkeiten in Ihnen schlummern?

  • Wenn Sie morgen mit einer zusätzlichen Fähigkeit oder Begabung aufwachen dürften, welche würden Sie wählen?

  • Fällt Ihnen spontan überhaupt eine ein?

  • Wenn Sie in fünf Jahren abdanken müssten, würden Sie etwas an Ihrem Leben, Ihrem Alltag ändern? Gibt es Blockaden, die Sie von Ihrer eigentlichen Berufung abhalten?

Auf den nächsten Seiten begegnen Ihnen viele Fragen. Fragen von der Art, die Sie veranlassen werden, sich selbst zu erkunden, die ans Licht bringen, was längst bei Ihnen vorhanden ist. Das Schöne ist, beim Antworten wird Sie niemand unterbrechen und dazwischenreden. Sie können sich Zeit lassen, werden nicht bewertet und beurteilt für das, was Sie denken.

Routinemäßig ablaufende Verhaltens- und Denkmuster, Glaubenssätze, Dogmen, Vertrautes und Gewohntes infrage zu stellen, fühlt sich für viele Menschen ungewohnt an, mitunter sogar falsch. Ein fixes Selbstbild lässt uns glauben, wir wüssten schon, wer wir sind – und es käme nur noch darauf an, uns zu optimieren, besser zu werden, mehr und Höheres zu erreichen. Dabei gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Neues und Unbekanntes entfesselt das, was in der Tiefe unserer Seele darauf wartet, gelebt zu werden. Schauen Sie doch mal an, was bei Ihnen herauskommt, und lassen Sie dieses Buch Ihre Maia sein.

Wer sich auf Fragen über sich selbst einlässt, riskiert etwas. Sich infrage stellen heißt, das Selbstbild zu hinterfragen, das man erschaffen hat, mit dem man sich identifiziert, mit dem man bisher gelebt hat.

DANKE AN MEINE MAIAS

Danke an meine Patienten. Durch sie und mit ihnen darf ich all das lernen, was mir kein Lehrbuch oder Dozent beibringen konnte. Zunehmend komme ich dahinter, dass ich bei einer gelungenen Konsultation in meiner Sprechstunde nicht mehr als eine Projektionsfläche bin, also ein Resonanzkörper. Die Stichworte für einen Lösungsweg, das innere Wissen darüber, was bei ihnen angeschaut werden darf und soll, liefern immer meine Patienten selbst. Diese innere Weisheit betrachte ich als Geschenk, darauf darf ich immer weiter aufbauen, das gebe ich gerne weiter.

Eine ganze Weile habe ich in den Gesprächen den wiederkehrenden Bezügen zur Mutter keine weitere Beachtung geschenkt. Unabhängig von Alter oder Geschlecht taucht die Mutter jedoch in Bemerkungen und Schilderungen immer wieder auf. So begann ich mich intensiver für diesen Aspekt menschlicher Erfahrungen zu interessieren. Welchen Anteil hat die Mutter am Wesen eines Menschen, an seinen Konflikten, Ängsten und Sehnsüchten?

Fragen nach der Mutter und der Beziehung zu ihr machen Türen zu verborgenen inneren Welten auf. Selten bin ich einem Menschen begegnet, dem seine Mutter, in welchem Verhältnis er auch immer zu ihr stand, völlig gleichgültig war. Und wenn, dann macht auch so eine Behauptung hellhörig.

Es liegt mir fern, tiefere Ursachen für Probleme und Konflikte ständig und immer auf die Mutter reduzieren zu wollen. Solch ein simplifiziertes Vorgehen würde dem unendlich komplexen Zusammenspiel von Reizen und Erfahrungen, dem wir im Laufe unseres Lebens ausgesetzt sind, in keiner Weise gerecht. Dennoch meine ich, dass die Rolle der Mutter in unserem Leben unterschätzt wird. Lesen Sie, wie weitreichend ihr Einfluss auf uns ist.

Gezeugt und befruchtet wurde die Idee, den Einfluss der Mutter genauer zu betrachten, also während der Gespräche mit meinen Patienten wie auch durch Selbstbeobachtung.

Schwanger gegangen bin ich dann mit verschiedenen Aspekten der Prägung und Beeinflussung, denen ich verschiedene Abschnitte in diesem Buch gewidmet habe.

Sie werden zu den unterschiedlichen Themen auch Hilfen zur Selbsthilfe finden, um mit Schrammen und Verletzungen umzugehen. Gleichzeitig möchte ich Sie bitten, dass Sie es sich im Zweifelsfall nicht schwerer als nötig machen. Spannen Sie eine Fachfrau oder einen Fachmann ein, wenn Sie alleine nicht weiterkommen sollten.

Beim Gebären standen mir dann gleich eine ganze Reihe außergewöhnlicher Hebammen zur Seite. Ihnen und meinen mir ans Herz gewachsenen Patienten möchte ich danken.

Besonders danken möchte ich meinem strengsten, aber auch ehrlichsten Kritiker sowie liebsten Menschen, meinem Lebenspartner Konstantin.

Zu guter Letzt möchte ich meine Mutter erwähnen und ihr einen besonderen Dank aussprechen:

HERZENSDANK MEINER LIEBEN MUTTER,

mir wird immer stärker bewusst, dass ich in Dir, mit Dir und durch Dich so viel lernen durfte. Vielleicht sogar weitermachen darf, wo Du aufhören wolltest oder musstest. Du hast mich genährt, gefördert, inspiriert und gemaßregelt. Du bist ein Kriegskind. Der Krieg begrub viele Träume Deiner Eltern. Du hast im Bauch Deiner Mutter nicht die Ruhe gefunden, die ich bei Dir hatte. Vertreibung, Entwurzelung, Angst und Flucht dominierten das Leben Deiner Mutter während der neun Monate, in denen Du geworden bist. Zutrauen zu Dir und zu Deinen Fähigkeiten, Gelassenheit, Mut – das vermisse ich manchmal bei Dir. Papa hat Dich vor vielem abgeschirmt, Dir vieles abgenommen und so manches sogar entrissen. Damit wollte er Dir auf seine Art seine Liebe zeigen, wenngleich er Dir damit nicht wirklich immer einen Gefallen erwiesen hat. Es blieb Dir in manchen Bereichen verwehrt, Deine vielen Anlagen und Fähigkeiten zu entfalten. Aus Rücksicht und Furcht, auch aus Bequemlichkeit und Überzeugung hast Du vielleicht auch aufgegeben, das für Dich einzufordern. Entfaltung bedeutet, dass Du, bevor Du an irgendetwas anderes oder jemanden glaubst, an Dich glaubst.

Was wünsche ich mir für Dich? Ruhe und Gelassenheit ohne Schuldgefühle. Anpassung an Unabänderliches, ein Auge für die Chancen, die Änderungen mit sich bringen. Spiritualität durch Liebe und nicht Festhalten an Dogmen. Es ist so schön, frei und beweglich zu sein. Wer sich bewegt, schüttelt seine Fesseln ab. Vielleicht hast du so weniger Schutz, aber Blessuren heilen besser, wenn sie Licht und Wärme ausgesetzt werden.

Ich denke an Dich, umhülle Dich mit strahlendem Licht, halte im Geist Deine Hand. Du hast mich als Kind in Deinen Armen gewiegt, als ich nicht schlafen konnte. Dabei hast Du »Cheerio Baby« gesungen. Das war wundervoll. Danke!

Dein Kind

AN SEINER MUTTER KOMMT KEINER VORBEI

»Die erste Liebe, die ins Herz einzieht, ist die letzte, die aus dem Gedächtnis schwindet.«

JOHN PETIT-SENN (FRANZÖSISCH-SCHWEIZERISCHER LYRIKER)

Der erste Gott in Ihrem Leben war Ihre Mutter.

Ihre Existenz begann im »mütterlichen Universum«. Ihre Mutter war die Herrscherin über Raum, Zeit, Materie und Energie. Sie stellte Ihnen alles zur Verfügung, was Sie brauchten. Richtete Ihnen in Ihrem Leib ein Paradies ein. Ihre Mutter war Ihre Göttin, Ihre Welt und zugleich die Person, die über diese Welt bestimmte.

Zeit unseres Lebens pendeln wir seitdem zwischen Nähe und Distanz. Ziel dieser Übung ist psychische Stabilität und Autonomie. Zunächst kämpft ein Kind um die Nähe zu seiner Mutter, in der Trotzphase ringt es um Distanz und in der Pubertät sucht es die Ablösung. Stellvertretend für die Mutter versucht sich der Mensch später an Bezugspersonen und Liebespartnern. Sie haben in der Zwischenzeit sicher Schnuller, Kuscheltiere und Schmusedecken abgelegt.

Überlegen Sie mal, auf wen oder was Sie heute zurückgreifen, wenn Ihnen Sicherheit, Trost, Nähe oder Geborgenheit fehlen? Auf einen lieben Menschen? Vielleicht auch auf Gegenstände wie ein Auto, Kleidung, Schmuck, es kommen auch Gewohnheiten, Süchte oder Anschauungen infrage. Möchten Sie sich dann betäuben, ablenken oder lieber in sich gehen, wirklich geliebt werden?

Wie verbunden sind Sie noch mit Ihrem »ersten Gott« – mit Gott überhaupt?

Sind Sie religiös, gläubig, strenggläubig oder gutgläubig? Sind Sie spirituell, Agnostiker (unsicher, ob es Gott gibt) oder Atheist (jemand, der nicht an Gott glaubt)? Fühlen Sie sich verbunden mit dem Sein und der Welt?

Wie sieht es denn so aus mit dem Glück in der Liebe, Ihrem Selbstvertrauen, Ihren heimlichen Ängsten und der Beziehung zu Ihrer Mutter? Was denn bitte schön die Mutter mit alldem zu tun hat? Das werden Sie schon noch sehen!

Wir alle werden als abhängige und hilfsbedürftige Wesen von einer Frau geboren.

An Ihrer Mutter kommen Sie also nicht vorbei. Sie macht unser Leben erst möglich, wir gehen aus ihr hervor, sie hat uns geprägt, nicht nur in unserer Kindheit, sondern darüber hinaus auch unsere Haltung und Handlungen als Erwachsene.

Ihre leibliche Mutter ist wohl die wichtigste Frau in Ihrem Leben.

Die im Bauch der Mutter verbrachte Zeit bildet tiefwirkende Muster für den Rest unseres Lebens. Selbstwahrnehmung findet zum ersten Mal im Mutterleib statt. Unsere Geburt ist ein riesiges gemeinsames Abenteuer mit der Mutter. Mit ihr haben Sie weitaus mehr Zeit verbracht als mit dem Vater. Abgesehen von den gut neun Monaten im Bauch verbringen Kinder in ihren ersten zehn Jahren in einer Durchschnittsfamilie zehnmal mehr Zeit mit der Mutter als mit dem Vater.

Die Verbindung mit der Vergangenheit, die so eng mit unserer Mutter verwoben ist, stärkt unseren Gegenwartsbezug, enthüllt eine Menge über unsere Motivationen, Ängste und Stärken. Ohne das Gefühl dafür, wer wir sind, bleiben wir losgelöst und unfähig, Anschluss zu bekommen. Die Mutter überträgt während der Embryonalphase unbewusst ihre emotionalen Themen in das Mentalfeld ihres Kindes und das Kind trägt diese Inhalte in sich. Viele Menschen schleppen bestimmte Themen dann ein Leben lang mit sich herum und geben sie an die nächste Generation weiter. Das geht so lange, bis jemand erkennt, dass der Rucksack jemand anderem gehört, und diesen ablegt (siehe auch Die Crux mit dem Verzeihen, > ff.).

Jeder Mensch ist ein geistig-spirituelles Lebewesen. Wer einen Menschen und sich selbst ausschließlich logisch betrachtet, dem entgehen eine ganze Reihe spannender Erkenntnisse und Selbsterkenntnisse.

Als Kind waren wir psychisch und physisch komplett abhängig, normalerweise von der Mutter. Wir waren ihr deshalb in den ersten Jahren ausgeliefert, weil sie uns ernährte, uns sauber und warm hielt, uns half und unterstützte. Wir waren aber auch ihren Wünschen und Vorstellungen darüber ausgeliefert, was sie für gut für uns hielt, genauso wie ihren Launen, ihrer Willkür, ihren Macken, ihren Verletzungen, ihren Leiden, ihren Sorgen und Sehnsüchten. Natürlich hatten wir auch intensiv Anteil an ihrem Glück und ihren Freuden.

Sie merken, allein durch diese Prägungen bleiben unsere Mütter auch als Erwachsene für uns bedeutsam.

DIE ERSTE GROSSE LIEBE

Die gegenseitige Liebesbeziehung zwischen Mutter und Kind ist fester Bestandteil im Programm des Lebens. Ob diese Liebesbeziehung tragisch oder glücklich verläuft, beeinflusst später das ganze Leben. In jeder Liebesbeziehung gibt es einen, der mehr und den anderen, der weniger liebt. Unsere Mutter hatte uns mehr Lebenszeit und damit mehr Erfahrungen in der Liebe voraus. Ob diese Erfahrungen positiv oder negativ waren, bleibt dahingestellt. Wir kamen auf jeden Fall als absolute Liebesamateure ins Dasein.

Das mütterliche Gehirn wird durch Hormone jedoch so weit manipuliert, dass auch eine Frau, die überhaupt nicht Mutter werden möchte, ja sogar eine lieblose oder liebesunfähige Frau Mutter werden kann. Unsere Mutter war deshalb immer diejenige, die uns anfangs mehr geliebt hat.

Durch Schwangerschaft, Geburt, Stillen, Körperkontakt mit dem Kind sowie durch seinen Geruch werden Hormone gebildet, die bestimmte Gehirnschaltkreise für mütterliches Verhalten stärken. Zusätzlich produzieren bereits der Fötus und seine Plazenta Botenstoffe, die das mütterliche Gehirn ständig umspülen. Damit wird ein machtvolles Programm ausgelöst, das das Gehirn der werdenden Mama umstrukturiert.

Fakt ist, dass wir die Mutter zum Überleben brauchten, die Mutter uns aber nicht.

Sie haben es schon richtig verstanden: Diese Botenstoffe sind das Waschpulver für die Gehirnwäsche, die auf eine Mutter einwirkt. Ohne diese Gehirnwäsche würde eine Frau niemals zur Mutter werden! Denn eine Mutter ist in der Lage, alles Erdenkliche und manchmal fast Unmögliches für ihr Kind zu unternehmen. Sie steht in einer geradezu suchtartigen emotionalen Abhängigkeit zum Baby, bringt unglaubliche Opfer, ist zu Beginn nahezu 24 Stunden permanent auf Trab, denkt an nur einen einzigen Menschen und ist für diesen ständig parat. Das ist ein extremer Belastungszustand, der nur durch eine biologisch ausgelöste Willensmanipulation zustande kommen kann. Dieses hohe Niveau an bedingungsloser Liebesintensität fährt dann auf ein naturgewolltes Normalmaß zurück, sobald das Kind selbstständiger wird. Andernfalls würde sich die Mutter zugrunde richten und es gäbe keinen Raum für weiteren Nachwuchs beziehungsweise andere Liebesbeziehungen. Die Natur hat dafür gesorgt, dass jeder Mensch grundsätzlich zumindest seine Erstausstattung Liebe erhält.

Wenn nach und nach die Hormone der Mutter auf ein Normalniveau sinken, bildet sich die bedingungslose Mutterliebe zurück. Parallel dazu jedoch wächst und entwickelt sich die Liebe des Kindes. Eine Ahnung der bedingungslosen Mutterliebe hat sich tief verankert als eine Art Vorbild oder Idealmodell. Das Kind fängt an für sie zu glühen, während die Mutter abkühlt. Stellen Sie sich das wie ein Diagramm vor: Eine Achse definiert die Lebensjahre von der Empfängnis bis zum Tod und die andere Achse das Liebesausmaß. Auf Ihrem Liebesdiagramm bewegten sich die Liebeslinien von Ihnen und Ihrer Mutter zunächst aufeinander zu. Versuchen Sie womöglich seit jeher, die Liebe Ihrer Mutter einzufangen? Hinter solchen abstrakten grafischen Vorstellungen verbergen sich mitunter tragische Lebens- und Liebesgeschichten.

Erreichen sich Kinderliebe und Mutterliebe nicht oder nur sehr kurz und gehen einander wieder verloren, dann wird das Kind mit einer lebenslangen ungestillten Sehnsucht leben.

Wenn die Liebe eines Kindes nicht bei der Mutter ankommen kann und auch umgekehrt, fehlt ihm von Anfang an ein Grundvertrauen.

Ein Kind lernt zu lieben, um zu überleben. Wenn es das Kind nicht schafft, die Mutter mit seiner zunehmenden Liebenswürdigkeit zu erreichen und sie davon zu überzeugen, während deren Liebeshormone abnehmen, fürchtet es, verlassen zu werden und zu sterben. Es strengt sich daher mächtig an. Läuft seine Liebe öfter ins Leere, dann zweifelt es nicht an der Mutter, sondern an sich und seinen Fähigkeiten. Um zu überleben, experimentiert es mit Ersatzhandlungen, indem es nach Beweisen sucht, nicht übersehen zu werden, wie etwa sozial anerkannte und erfreuliche Mittel wie Charme und Herzlichkeit, aber auch mit gegen sich selbst oder andere gerichtete Aggressionen. Kleine Kinder setzen sich aus Liebe zu ihren Eltern mit Leib und Seele ein, ja, sie können sich sogar für sie opfern. Das tun einige auch dann noch, wenn sie längst erwachsen sind. Wenn diese Menschen selbst Eltern geworden sind, übersehen sie dabei womöglich sogar ihre Kinder aus Liebe zu ihren Eltern. So werden Muster von einer an die nächste Generation weitergegeben.

Ein schwieriges Verhältnis zur Mutter ist ein tiefer emotionaler Schmerz und ein anhaltendes Leid, eine energetische Blockade. Sie sind damit abgeschnitten vom Quell Ihrer ersten Liebeserfahrung. Mit Ablenkung, räumlichem Abstand oder Kontaktabbruch ist diesem Zustand nicht beizukommen. Das Heilmittel für verlorene Liebe ist Liebe. Mutterliebe lässt sich zu Beginn der Mutter-Kind-Liebesbeziehung durch Hormone erzwingen – oder vielleicht gefällt Ihnen der Begriff »herbeizaubern« besser. Dieser biologische Kunstgriff ist einmalig. Doch was machen wir denn später?

Die nachfolgenden kapitel_kgspf_kgspf ermutigen und begleiten Sie, sich der Urahnung der ersten Liebeserfahrung Ihres Lebens zu nähern, ihr nachzuspüren, sich zu erinnern, dort anzukommen.

WENN SIE AN IHRE MUTTER DENKEN …

Trauen Sie sich, schonungslos inneren Wahrheiten zu begegnen. Lassen Sie diese Gefühle zu und begeben Sie sich auf eine spannende Abenteuerreise.

Beschreiben Sie doch mal Ihre ehrlichen Gefühle, wenn Sie an Ihre Mutter denken. Was empfinden Sie? Es geht dabei nicht um Glorifizierung oder Schuldzuweisungen – es geht nicht um eine Abrechnung mit Ihrer Mutter. Es geht gar nicht um Ihre Mutter! Es geht um SIE und Ihr ureigenes Innenleben.

Hinter all den verschiedenen Symptomen, die uns manchmal das Leben schwermachen, stecken Gefühle. Wenn die uns zu schaffen machen, dann haben sie eine Botschaft. Wer diese nur bekämpft und nicht ganz genau hinhört, sorgt lediglich dafür, dass diese Gefühle an Umfang und Deutlichkeit zunehmen.

Widmen Sie sich einmal in Ruhe den folgenden Fragen:

  • Was fühlen Sie, wenn es um Ihre Mutter geht? Wärme, Geborgenheit, Frieden, Annahme, Liebe, Freude? Spüren Sie Traurigkeit oder Sehnsucht?

  • Gibt es offene Rechnungen, Vorwürfe, Ängste, Schuldgefühle, Trauer, Enttäuschungen, Verletzungen, Abwehr, Groll, Defizite, Überforderungen?

  • Welche Erinnerungen steigen in Ihnen auf?

  • Ist es Ihnen gelungen, im Laufe der Jahre Ihre Gefühle unter einer Decke von Ignoranz oder Idealisierung stummzuschalten?

Stummschalten bedeutet nicht hinhören, und das wäre so unendlich schade. Wissen Sie, warum? Energie folgt immer der Aufmerksamkeit. Lesen Sie sich dazu mal die Fragen auf der nächsten Seite durch.

Ihr gegenwärtiges Verhalten ist die Antwort auf das Destillat aus vorangegangenen Erfahrungen. Gibt es uralte Verletzungen, Ängste und Groll? Diese Gefühle können über viele Jahre bis in die Gegenwart fortleben und beeinflussen nachhaltig Verhalten, Glück und Gesundheit.

Anstatt in eine Opferrolle zu flüchten und andere – allen voran Ihre Mutter – mit Schuldzuweisungen zu überziehen, hilft die Mutterreise, Neugierde und Interesse an uns selbst zu entdecken, Verständnis und Einsicht zu erlangen, Schädliches und Schädigendes zu transformieren, gehen zu lassen und Verantwortung für alle Aspekte des Erwachsenenlebens zu übernehmen. Am Ende einer langen Reise führt dies zu einer liebevollen Verbundenheit mit dem Ich, Ihrer Mutter und Ihrer Vergangenheit. Beginnen Sie damit, sich ganz sacht auf Ihre Mutter auszurichten, begegnen Sie ihr neu. Begegnen Sie auch dem Teil Ihrer Mutter, der in Ihnen ist und für immer dort bleiben wird, Ihrer inneren Mutter. Das ist der Nährboden für eine nicht endende Liebesbeziehung mit sich selbst in der Gegenwart und Zukunft.

Was, wenn es keine Symptome gibt und alles bestens erscheint? Auch dann ist Ihr Inneres ein mit Ihrer Mutter verquicktes Mysterium, das einen näheren Blick allemal lohnt.

DIE MUTTERREISE

  • Worauf richten Sie Ihre Aufmerksamkeit, wenn Sie an Ihre Mutter denken?

  • Sehen Sie sie äußerlich vor sich?

  • Was für ein Bild zeichnen Sie von ihr?

  • Ist das ein Bild der Gegenwart oder der Vergangenheit? Die Mutter der Kindheit, der Jugend, des Erwachsenendaseins, des Alters?

  • Wie erleben Sie den Wandel?

  • Welche Grundstimmung nehmen Sie in sich wahr?

  • Existiert eine Verbundenheit?

  • Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, ein klares Bild von ihr?

  • Wie ist die Körperhaltung Ihrer Mutter? Hat die etwas mit ihrer Lebenshaltung zu tun?

  • Gibt es einen Geruch der Mutter oder eine bestimmte Geschmacksnote, die Sie mit ihr in Verbindung bringen? Ist Ihnen wohl oder übel dabei?

  • Ist die Stimme Ihrer Mutter in Ihrem Gedächtnis? Wie hört sich diese an? Was macht das mit Ihnen?

  • Denken Sie an die Haut Ihrer Mutter. Welcher Teil Ihres Körpers fällt Ihnen dazu ein? Wollen Sie sie gerne berühren oder lieber nicht? Was spüren Sie? Wie fühlt sich das an?

  • Gelingt es Ihnen, an die Mutter zu denken, sie sich vorzustellen? Sträubt sich etwas in Ihnen dagegen?

  • Möchten Sie ein Foto oder einen persönlichen Gegenstand oder eine handschriftliche Notiz hinzunehmen, um sich leichter darauf einzulassen, es noch mal zu versuchen?

  • Sagen Sie doch einmal laut »Mama«! Probieren Sie es doch einfach.

  • Wie steht es mit Ihrer Energie nach dieser Aufmerksamkeitsübung? Hat sie zugenommen, abgenommen oder ist sie gleich geblieben?

  • War es anstrengend, aufwühlend oder wohltuend, an Ihre Mutter zu denken?

  • Haben Sie überhaupt etwas gefühlt?

WAS MACHT SIE ZU DEM, DER SIE SIND?

»Gene sind nur Bleistift und Papier, die Geschichte schreibt jeder selbst.«

MARKUS HENGSTSCHLÄGER (ÖSTERREICHISCHER GENETIKER)

Nur so nebenbei bemerkt: Gene, die beeinflussen, wie clever wir sind, liegen auf dem X-Chromosom. Und davon haben Frauen nun mal zwei und Männer nur eines.

Sie glauben, jeweils exakt die Hälfte Ihrer genetischen Ausstattung von Vater und Mutter erhalten zu haben? Damit liegen Sie leider falsch! Bei der Zeugung kommen zwar 23 Chromosomen als Träger der Erbinformationen jeweils von Vater und Mutter. Aber: Die Mutter besitzt als Angehörige des weiblichen Geschlechts zwei identische X-Chromosomen. Der Vater verfügt als Mann lediglich über eines davon und zusätzlich über ein Y-Chromosom. Das Y-Chromosom des Mannes ist wesentlich kleiner als das X-Chromosom und trägt mit ein paar Dutzend Genen auch deutlich weniger Erbinformationen als das X-Chromosom, das mehr als 1000 Gene beizusteuern hat. Daher setzen sich oftmals im Kind die Anlagen der Mutter stärker durch.

Heute erscheint es uns recht unsinnig, was der griechische Philosoph und Naturforscher Aristoteles über die Zeugung und Menschwerdung zu wissen glaubte. Er meinte, allein der männliche Samen sei für die Schaffung der Seele zuständig, während die Frau mit ihrem Menstruationsblut den schwächer zu bewertenden Stoff dafür liefern würde. Das wissen wir heute besser.

Wenn wir schon dem großen Einfluss der Mutter auf unser Leben nachgehen, dann fragen Sie sich mit Recht, was denn sonst noch alles zu Ihrem Ich beigetragen hat.

  • Wie mächtig ist jeweils der Beitrag des genetischen Codes, von Emotionen, individuellen Erfahrungen und erlernten Verhaltensweisen (Konditionierungen)?

  • Läuft Ihr Leben in einem Korsett festgelegter Verhaltensmuster ab oder ist es eine Planungsskizze, die Sie nach eigenem Willen ausgestalten?

DER BAUPLAN DES LEBENS

Ihr Erbmaterial (DNA) lässt sich in zirka 21 000 verschieden lange Abschnitte unterteilen. Diese Abschnitte werden als Gene bezeichnet. Gene sind eine Art Informationsspeicher, in denen die Bauanleitung für die Eiweißstrukturen gespeichert ist, aus denen Ihr Körper aufgebaut ist. In jeder Ihrer Körperzellen befindet sich im Zellkern das gleiche Erbmaterial, also der gleiche Bausatz von 46 Chromosomen, die gleichen 21 000 Gene. Trotzdem sehen nicht alle Zellen gleich aus und erfüllen ganz unterschiedliche Funktionen. Der Grund dafür liegt darin, dass in den verschiedenen Zellen unterschiedliche Gene aktiv sind.

Kaum ein Forschungsgebiet legt ein so schwindelerregendes Tempo vor wie die Genetik. Beinahe täglich wird Neues entdeckt.

Jahrtausendelang tappten die Menschen, was das Wissen über Gene und Vererbung anbelangte, im Dunkeln. Etwa 500 Jahre vor Christus erklärte der Philosoph Anaxagoras, dass der Embryo im männlichen Ejakulat bereits vorgeformt (präformiert) sei. Diese Theorie galt bis in das 19. Jahrhundert hinein.

Nach der Entdeckung des Spermiums (1677) entstanden anatomische Zeichnungen, die den gesamten Embryo als Homunculus in einem Spermienkopf darstellen. Der Homunculus ist die Verkleinerungsform des lateinischen Worts »homo« (zu Deutsch: Mensch) und bedeutet Menschlein. Ein sehr nettes Wort, finden Sie nicht? Was allerdings nicht so nett war, aber der männlich dominierten Denkweise entsprach, war der gering geschätzte Anteil der Mutter an der Menschwerdung.

Erst 1865 entdeckte der Augustinermönch Gregor Johann Mendel grundlegende Mechanismen der Vererbung durch seine Kreuzungen von Erbsenpflanzen.

Gegen Anfang des 20. Jahrhunderts wurde schließlich klar, dass Vererbung auf die Verschmelzung von weiblichen und männlichen Keimzellen zurückzuführen ist: 1905 wurden die Geschlechtschromosomen X und Y entdeckt, 1953 wurde die DNA erstmals umfänglich beschrieben (englisch abgekürzt: desoxyribonucleid acid), der Träger der Erbinformation und Bauplan des Lebens.

Die »Erbgesundheitslehre« (Eugenik) hatte bereits im 20. Jahrhundert in Deutschland unter Biologen und Medizinern ihre Anhänger. Dabei ging es um die Ausmerzung von Erbkrankheiten, was seinen schaurigen Höhepunkt unter den Nationalsozialisten erreichte. Fast könnte man meinen, dass nach dem 2. Weltkrieg die Vererbungslehre zunächst wie ein heißes Eisen gemieden wurde. Stattdessen galt die Devise: Nur die Umwelt und die Erziehung zählen. Das Kind ist ein weißes Blatt Papier, das durch Eltern, Lehrer etc. beschrieben wird.

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EPIGENETIK – WIR STEUERN UNSERE GENE

Neben Erbgut und Erziehung gilt aktuell die Epigenetik als dritte Komponente bei der Prägung des Menschen. Das biologische Fachgebiet umschreibt die Metaebene von Regulationen durch die Gene und räumt dabei gründlich mit der Vorstellung auf, Gene seien nicht beeinflussbar oder schicksalsbestimmend. Tatsächlich scheint unser Geist stärker zu sein. Gene steuern uns – aber wir steuern auch sie durch unser Denken, unsere Gefühle und Einstellungen.

Einzelne Gene lassen sich auf Zellebene ein Leben lang an- und ausknipsen und Veränderungen können von einem Menschen sogar bis in die dritte Generation seiner Nachkommen vererbt werden. Wirksam sind hier: Ernährung, frühkindliche Erfahrungen, Stress, positive Emotionen, Meditieren und zwischenmenschliche Beziehungen.

Wie finden Sie das? Nicht nur, was in Ihren Genen steht, ist entscheidend, sondern auch, was diese mit Ihnen erleben. Sie reagieren sensibel auf Ihre Erfahrungen und Emotionen.

Gesundheit, Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften und Gehirnleistung lassen sich nachträglich verändern.

Machen Sie es doch wie Ihre Gene: Seien Sie wandelbar, kreativ und dynamisch.