Dieses Büchlein ist meiner Frau Ursula und unseren Söhnen Volker und Harald gewidmet, die mich leider nicht auf meinen Jakobswegen begleiten konnten.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2019 Wilhelm Krauspe
Lektorat BOD-Verlag
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7494-7207-9
Liebe Leserin, lieber Leser,
als ich vor Kurzem in der Sauna saß und vom Camino de Santiago erzählte, sagte ein junger Mann von etwa 30 Jahren spaßhaft: „Ja, ich werde den Jakobsweg gehen, wenn ich groß bin."
Leider ist es so bei vielen Menschen: Sie verschieben ihre Vorhaben auf später und trauen sich nicht, ihre Wünsche zu verwirklichen.
Sorgen und Ängste bremsen uns häufig aus. Besonders ältere Menschen zweifeln oft an ihrer Leistungsfähigkeit. Natürlich lässt die körperliche und geistige Fitness mit den Jahren etwas nach, was durch aufkommende Bequemlichkeit noch verstärkt wird. Auch leichtfertige Kommentare von Freunden und Bekannten können verunsichern. Schon vor Jahren hörte ich oft: „Das kannst du in deinem Alter nicht mehr."
In solchen Situationen ist es wichtig, sich die eigenen Fähigkeiten wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Viele Fragen, Sorgen und Zweifel, die vor allem Erstpilger plagen, erweisen sich im Nachhinein als unbegründet.
Beginnen wir bei der Kostenfrage: Wenn Sie sparsam sein möchten, können Sie mit etwa 1.000 Euro vier Wochen lang gut über die Runden kommen, ohne dass Sie knausern müssen. Das Flugticket ist unter Umständen sogar der größte Kostenfaktor. Ich bin zwar schon für 20 Euro nach Spanien geflogen, in den letzten Jahren lag der Flugpreis für eine Richtung aber bei etwa 100 Euro.
Häufig sorgen fehlende Sprachkenntnisse für Unsicherheit. Wenn Sie nur wenig oder kein Spanisch sprechen, können Sie sich mit Hilfe einiger selbst gefertigter Sprachkärtchen gut auf kritische Situationen vorbereiten. Diese Kärtchen sollten so klein sein, dass man sie in die Brusttasche stecken kann. Sie enthalten Fragen auf Deutsch und ihre Übersetzung ins Spanische. Die Übersetzung sollte möglichst in größerer Schrift geschrieben sein, damit Sie sie Ihrem Gegenüber zum Lesen zeigen können. Dies ist sinnvoll, falls die Aussprache nicht verstanden wird – Spanisch ist für uns keine leichte Sprache. Auf den Kärtchen kann zum Beispiel stehen: „Wo ist ein Supermarkt?" = ¿Dónde hay un supermercado? – Oder: „Wo gibt es Briefmarken?" = ¿Dónde están los sellos?
Viele denken, dass es einfacher ist, wenn sie sich einer Gruppe anschließen oder mit einem Freund bzw. einer Freundin den Weg gehen. Das gemeinsame Pilgern hat jedoch einige Tücken. Häufig wurde ich schon gefragt: „Wann wanderst du wieder auf dem Jakobsweg? Ich würde gerne mitkommen." Meist habe ich dann geantwortet: „Ja, du kannst mit mir gehen – aber zunächst nur für acht Tage, danach treffen wir die Entscheidung, ob wir die nächsten acht Tage gemeinsam weitergehen oder ob jeder für sich allein den Weg fortsetzt."
Dahinter steckt die Erkenntnis, dass gemeinsames Pilgern sehr anstrengend sein kann. Es erfordert eine nahezu vollständige Synchronisation über den ganzen Tag hinweg in fast allen Belangen. Ich habe bereits erlebt, dass Freundschaften auf dem Camino zerbrochen sind. Dies ist sehr schade, aber es ist der Preis, der gelegentlich gezahlt werden muss, wenn man sich entschließt, den Jakobsweg gemeinsam zu gehen.
Wie sollten Sie sich vorbereiten, wenn Sie das Vorhaben einer Camino-Wanderung realisieren möchten?
Besonders wichtig ist es, dass Sie sich zunächst Klarheit über Ihre eigene Gesundheit und Fitness verschaffen. Zu diesem Zweck können Sie z. B. Testwanderungen durchführen. Ich empfehle, mehrmals in Abständen von einem oder mehreren Tagen eine Strecke über 7 bis 20 km zu wandern. Wenn dies weitgehend gut geht, können Sie den Camino ins Auge fassen. Treten bei der ersten Wanderung Probleme auf, sollten Sie nicht gleich aufgeben, sondern mindestens noch zwei weitere Versuche unternehmen. Manches Problem, das sich anfangs meldet, bleibt bei den Folgewanderungen aus.
Eine Frage, die oft weibliche Pilger plagt, lautet: Ist es für Frauen nicht gefährlich, den Weg allein zu gehen?
Bis vor ca. 15 Jahren waren nur wenige Pilgerinnen auf dem Camino unterwegs, und diese wurden von männlichen Pilgern häufig stark umworben. Wenn man an einer Landstraße entlanggehen musste, kam es nicht selten vor, dass LKW-Fahrer Pilgerinnen durch ein Hupkonzert gegrüßt haben. Das war aber auch alles. Ich musste feststellen, dass allein der Versuch, eine Pilgerin mit ein paar Worten anzusprechen, nicht selten mit eisigem Schweigen erwidert wurde.
Generell habe ich den Eindruck, dass in unserer Zeit mehr Pilgerinnen als Pilger auf dem Camino unterwegs sind. Dies deutet wohl darauf hin, dass man sich keine Sorgen machen muss.
In Einzelfällen musste ich schon beobachten, dass Frauen ihren Rucksack mit typischen weiblichen Utensilien belasteten, was natürlich bei einer mehrwöchigen Wanderung auf dem Camino ungünstig ist.
Wenn Sie sich entschlossen haben, den Jakobsweg zu gehen, empfehle ich Ihnen, vorab eine genaue Route festzulegen. Hierbei haben Sie mehrere Möglichkeiten.
Der am stärksten frequentierte Weg ist der Camino Francés, der von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela führt. Hier treffen Sie auf viele Pilger, die Ihnen bei Ihrem Start gelegentlich weiterhelfen können. Diese Route ist interessant, aber auch etwas beschwerlich. Auf diesem Weg liegen die Städte Burgos und León, wo weltbekannte Kathedralen stehen, sowie weitere historische Orte.
Wo Sie starten, ist eine Frage der verfügbaren Zeit und des persönlichen Geschmacks. Den Camino Francés könnten Sie beispielsweise in Le Puy-en-Velay oder in Saint-Jean-de-Pied-de-Port beginnen.
Aber auch der Küstenweg (Camino del Norte) ist abwechslungsreich. Besonders interessant ist er für Wanderer, die häufig im Gebirge oder Mittelgebirge unterwegs sind. Es hat seinen besonderen Reiz, am Meer entlangzugehen und die salzhaltige Meeresluft einzuatmen und das Getöse des Meeres zu vernehmen. Auf diesem Weg haben Sie die Möglichkeit, gelegentlich die Schuhe auszuziehen und barfuß am Sandstrand oder durchs Wasser zu waten – eine erfrischende Art des Wanderns.
Für den Küstenweg bietet sich ein Startpunkt an der französisch-spanischen Grenze an, beispielsweise in Irun oder Bilbao (wohin es gute Flug- und Busverbindungen gibt).
Empfehlen kann ich auch den Camino in Frankreich. Ich persönlich verbinde mit diesem Weg viele sehr schöne Erlebnisse. Auf einige werde ich in diesem Reisebericht eingehen. Hier käme als Ausgangspunkt beispielsweise Arles infrage. Von dort aus könnten Sie über Saint-Gilles, Saint-Guilhem-le-Désert, Lodève und Toulouse zum Somport-Pass in den Pyrenäen wandern.
Bevor Sie zu Ihrer Wanderung aufbrechen, sollten Sie die Etappen möglichst genau planen. An den ersten drei Tagen empfiehlt es sich, nicht zu lange Strecken zu wählen. Falls nötig, können Sie am dritten Tag eine Ruhepause in einer Pension einlegen, die aber nicht teuer sein muss. Ganztätige Aufenthalte in Refugios sind nur bei Krankheit möglich.
Mit einem Reiseführer vom Conrad Stein Verlag aus der Serie „Outdoor-Handbücher" sind Sie gut gerüstet. Aber achten Sie darauf, dass Sie eine aktuelle Ausgabe erhalten, weil es immer wieder Änderungen bei der Streckenführung gibt. Die Pilgerführer werden in ziemlich kurzen Abständen überarbeitet.
Wenn Sie Ihre Route geplant haben, empfehle ich, ein Flugticket zu buchen, und zwar für den Hin- und möglichst auch für den Rückflug.
Mit der Buchung haben Sie sich zunächst einmal festgelegt. Dies wirkt als Ansporn – Sie haben nun kaum die Chance, eine gute Ausrede zu finden, Ihre Reise nicht anzutreten.