Mit einem Vorwort von Stephen Hawking
Aus dem Englischen von Michael Müller
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Copyright © New Scientist 2016
Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel The Origin of Almost Everything bei John Murray (Publishers), einem Imprint der Hachette UK Company.
1. Auflage
Copyright der deutschen Erstausgabe © 2020 Terra Mater Books bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
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Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Illustrationen im Innenteil: © Shutterstock
ISBN 978-3-99055-025-0
eISBN 978-3-99055-516-3
Einführung von Professor Stephen Hawking
Vorwort
Teil 1 Das Universum
Teil 2 Unser Planet
Teil 3 Leben
Teil 4 Zivilisation
Teil 5 Wissen
Teil 6 Erfindungen
Weiterführende Literatur
Dank
Woher kommen wir? Warum sind wir hier? Den Boshongo in Zentralafrika zufolge gab es vor uns nur Finsternis, Wasser und den großen Gott Bumba. Eines Tages spie Bumba, der an Bauchschmerzen litt, die Sonne aus. Die Sonne ließ etwas von dem Wasser verdampfen, sodass Land zurückblieb. Da ihm immer noch übel war, erbrach Bumba den Mond, die Sterne und danach den Leoparden, das Krokodil, die Schildkröte sowie, ganz zum Schluss, die Menschen.
Gleich vielen anderen bemüht sich dieser Schöpfungsmythos Fragen der Art zu klären, wie sie uns heute noch beschäftigen. Wie sich zeigen wird, besitzen wir heute ein Instrument, das uns die Antworten liefert: die Wissenschaft.
Zur Klärung der Mysterien der Existenz wurden die ersten relevanten wissenschaftlichen Zeugnisse in den 1920er-Jahren vorgelegt, als Edward Hubble begann, vom Mount Wilson in Kalifornien aus Beobachtungen vorzunehmen. Zu seiner Überraschung entdeckte Hubble, dass alle Galaxien sich von uns entfernen. Und mehr noch: In je größerer Entfernung sich die Galaxien von der Erde befanden, desto schneller bewegten sie sich noch weiter von uns fort. Die Ausdehnung des Universums war eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen aller Zeiten; sie wirkte sich einschneidend auf die Debatte darüber aus, ob das Universum einen Anfang hat. Wenn Galaxien gegenwärtig auseinanderstrebten, dann mussten sie sich in der Vergangenheit enger zusammen befunden haben. Wenn ihre Geschwindigkeit konstant gewesen war, dann mussten sie alle vor Milliarden von Jahren übereinander gelegen haben. Hatte das Universum auf diese Art und Weise begonnen?
Zu jener Zeit erfüllte die Vorstellung, dass das Universum einen Anfang hatte, viele Wissenschaftler mit Unbehagen, denn sie schien zu implizieren, dass die Gesetze der Physik nicht galten. Man würde eine äußere Kraft ins Feld führen müssen, um zu erklären, wie das Universum anfing. Diese Wissenschaftler stellten daher Theorien auf, denen zufolge das Universum sich gegenwärtig ausdehnte, aber keinen Anfang besaß.
Die wohl bekannteste wurde 1948 aufgestellt. Die sogenannte steady-state theory besagte, dass das Universum schon immer existiert hatte und zu jedem Zeitpunkt von der gleichen Beschaffenheit gewesen war. Diese Annahme hatte den großen Vorteil, dass sie – unerlässlich für ein wissenschaftliches Vorgehen – überprüft werden konnte. Und es stellte sich heraus, dass sie nicht zutraf.
Auf Beobachtung basierende Beweise, die die Annahme bestätigten, dass das Universum sich aus einem sehr dichten Anfangszustand heraus entwickelte, erhielt man im Oktober 1965, als man eine das gesamte Weltall erfüllende schwache Mikrowellenhintergrundstrahlung entdeckte. Die einzig plausible Erklärung für die Existenz dieses »kosmischen Mikrowellenhintergrunds« ist die, dass es sich um eine Strahlung handelt, die von einem frühen heißen und dichten Zustand zurückgeblieben ist. Als das Universum sich ausdehnte, sanken die Temperatur und die Dichte dieser Strahlung, bis von ihr nur jener Überrest erhalten blieb, den wir heute wahrnehmen können.
Diese Vorstellung wurde bald theoretisch untermauert. Zusammen mit Roger Penrose von der Universität Oxford wies ich nach, dass es, wenn Einsteins allgemeine Relativitätstheorie zutrifft, eine Singularität geben muss, einen Punkt von unendlicher Dichte und Raum-Zeit-Krümmung, an dem die Zeit ihren Anfang nahm.
Das Universum entstand mit dem Urknall und dehnte sich rasch aus. Dieser Prozess wird »Inflation« genannt und ging sehr schnell vor sich: Die Größe des Universums nahm im winzigen Bruchteil einer Sekunde viele Male um das Doppelte zu.
Inflation ließ das Universum sehr groß, sehr eben und sehr flach werden. Es war jedoch nicht vollkommen homogen: An einigen Stellen gab es kleine Abweichungen. Diese ließen irgendwann Galaxien, Sterne und Sonnensysteme entstehen.
Diesen Abweichungen verdanken wir unsere Existenz. Wäre das frühe Universum völlig gleichförmig gewesen, gäbe es keine Sterne und demzufolge hätte sich kein Leben entwickeln können. Wir sind das Produkt primordialer Quantenfluktuationen.
Wie deutlich werden wird, bleiben viele große Geheimnisse bestehen. Doch nähern wir uns stetig der Beantwortung der uralten Fragen an. Wo sind wir hergekommen? Und sind wir die einzigen Wesen im Universum, die diese Fragen stellen können?
Der Ursprung vieler Dinge hat mich immer fasziniert. Als Kind hielt ich mich oft mit meiner Mutter, meinem Vater und meiner Schwester an der Küste von Yorkshire auf. Wir gruben dort Ammoniten, Belemniten und Gryphaeidae aus den Steilufern und ich fragte mich: Wo sind sie hergekommen? Wie war die Erde beschaffen, als diese Tiere lebten?
Es war aber nicht nur die Welt der Natur, die mich derartige Fragen stellen ließ. Ich erinnere mich, vor dem Fernseher – damals vermutlich ein Schwarz-Weiß-Gerät, aber dennoch ein technisches Wunderwerk – gesessen und gedacht zu haben: Wer hat das erfunden? Ich konnte mir nicht vorstellen, wie jemand eine Kiste mit einem Schirm erschaffen haben konnte, auf den sich aus großer Entfernung Bilder projizieren ließen. Auf mich selbst gestellt, so dachte ich, hätte ich so etwas nie fertiggebracht.
Als ich dann vor 20 Jahren Wissenschaftsjournalist wurde, wurde mir bewusst, was für eine starke Wirkung von »Ursprungsgeschichten« auf unsere Fantasie ausgeht. »Wo sind wir hergekommen?« ist eine der tief greifendsten und grundlegendsten Fragen, die wir uns stellen. (Zwei andere sind: »Wie sollten wir leben« und »Wohin gehen wir«, doch damit wollen wir uns ein andermal beschäftigen.) Ich bin überzeugt, dass es untrennbar zur menschlichen Natur gehört, etwas zu betrachten oder über eine existenzielle Frage nachzusinnen und dabei zu denken: Wie ist das entstanden?
Jede uns bekannte Gesellschaft kennt Geschichten über den Ursprung des Kosmos und seiner Bewohner. Der älteste uns überlieferte Schöpfungsmythos ist der Enuma elisch; der Text ist in Keilschrift auf 2700 Jahre alten Tontafeln enthalten und datiert aus dem Babylon der Bronzezeit. Doch gab es mit Sicherheit schon lange davor solche Entstehungsgeschichten; sie dürften aus der Zeit stammen, als unsere Ahnen, was Denken und Verhalten betrifft, moderne Menschen wurden, also mindestens 40 000 Jahre alt sein. Soweit wir wissen, war der Intellekt dieser Menschen mit dem unseren vergleichbar, was bedeutet, dass sie die Fähigkeit zu mentalen Zeitreisen besaßen, also sich in die Vergangenheit und die Zukunft hineinzuprojizieren vermochten. Das erlaubte es ihnen, das Hier und Jetzt zu transzendieren und sogar über die Enden, das vordere und das hintere, ihrer eigenen Lebensspanne hinauszugehen, um Betrachtungen über die tiefe Vergangenheit und die ferne Zukunft anzustellen. Sie müssen sich, genau wie wir, gefragt haben, wo eigentlich alles herkam.
Vielleicht geht alles sogar noch weiter zurück. Möglicherweise kannten sogar unsere allerersten Ahnen einen Schöpfungsmythos, eine Million Jahre alte Geschichte, die um ein Lagerfeuer des Homo erectus herum erzählt wurde. Ja, sogar Geschichten von der Erschaffung der Erde verlangen nach einer Geschichte von ihrer Erschaffung.
Die Menschen, die diese uralten Geschichten ersannen, besaßen natürlich nicht viel, auf das sie sich bei deren Erfindung stützen konnten: bloß ihre eigenen unmittelbaren Erfahrungen und ihre Fantasie. Meistens verfielen sie auf übernatürliche Erklärungen. Der Schöpfungsmythos unserer eigenen Kultur, das Buch Genesis, ist eine solche Geschichte. Es enthält sogar zwei Versionen von der Entstehung der Welt: einmal den vertrauten Mythos von ihrer Erschaffung im Lauf von sechs Tagen und dann noch eine etwas andere und der ersten leicht widersprechenden Erzählung. Vielleicht verbirgt sich darin ein stillschweigendes Eingeständnis, dass wir nie Gewissheit erlangen können, aber dazu getrieben werden, es zu versuchen.
Mit wissenschaftlichen Methoden kombiniert wird die geistige Zeitreise jedoch zu einem Präzisionsinstrument. Wir können Teleskope verwenden, um in das frühe Universum hineinzuspähen, und die Mathematik heranziehen, um seine Eigenschaften zu bestimmen. Dieses Zurückdrehen der Uhr hat uns wirklich weit gebracht – beinahe bis zum Anfang des Universums selbst, wie Stephen Hawking in seiner Einführung darlegt.
Inzwischen gestatten die historischen Wissenschaften – Geologie, Evolutionsbiologie und Kosmologie – es uns, Ereignisse zu rekonstruieren, die sich lange vor der Existenz des Menschen, in der sogenannten deep time, zutrugen: die Geburt unseres Sonnensystems, den Ursprung des Lebens, die Evolution unserer eigenen Spezies und viele andere. Archäologie und Geschichtswissenschaft helfen uns, Einblick in unsere eigene Vergangenheit zu erlangen und uns über Neuerungen zu informieren, für die wir selbst verantwortlich sind, von frühen Innovationen wie dem Garen von Nahrung bis hin zu modernen Technologien wie dem World Wide Web.
Der Ursprung von (fast) allem ist eine Sammlung moderner Ursprungsgeschichten, die die Wissenschaft uns geliefert hat; sie vereint Wichtiges mit Interessantem und Unerwartetem. Auf die Liste der aufzunehmenden Geschichten kamen natürlich zunächst einmal solche, auf die man einfach nicht verzichten kann, wie die vom Big Bang, dem Ursprung des Lebens und der Evolution des Menschen. Auch die Beschäftigung mit der Entwicklung der menschlichen Zivilisation wirft reichlich Material ab. Vor 15 000 Jahren führten unsere Vorfahren noch das Leben von Jägern und Sammlern; wir Heutigen wohnen in Häusern, kaufen in Supermärkten ein und bewegen uns in Maschinen in der Gegend herum. Wie ist es zu alldem gekommen?
Die Aufnahme anderer Geschichten lag weniger auf der Hand, und ich bin meinen brillanten Kollegen vom New Scientist und John Murray dankbar dafür, dass sie mir einige der ausgefalleneren vorgeschlagen haben: die von der Null, über den Erdboden und über Körperhygiene gehören zu meinen eigenen Favoriten. Am Ende hatten wir viel zu viel Material zusammen, um es in ein einziges Buch packen zu können. Die Liste der Themen, die dem Rotstift zum Opfer fielen, ist lang: Sie schließt die Geschichte vom Ursprung des Cricketspiels ein wie auch die über die Erfindung von Viennetta-Eiscreme, um nur zwei zu nennen. Vielleicht werde ich eines Tages ein zweites Buch schreiben, das dann Der Ursprung von (fast) allem sonst heißen wird.
Doch Schluss mit dieser geistigen Zeitreise. Ich bin sehr stolz auf dieses Buch. Mich hat es auf eine Entdeckungsreise geführt, was es hoffentlich auch mit Ihnen tun wird. Viele der in ihm enthaltenen Geschichten haben sich verändert oder weiterentwickelt, da Neues ans Licht kam, als wir an ihm arbeiteten. In ihrem rastlosen Voranstreben liegt die Schönheit der Wissenschaft.
Ich bedauere nur, dass der provisorische Untertitel es nicht auf den Umschlag des fertigen Buches geschafft hat. (Für den Fall, dass Sie es wissen möchten, er lautete: Vom Urknall bis zum Bauchnabelfussel – was Ihnen wohl eine Ahnung von der Bandbreite der behandelten Themen vermitteln dürfte.) Formell verdankt es seine Existenz einem Brainstorming von Mitarbeitern des New Scientist und John Murray, doch mir gefällt die Idee, dass es seinen Ursprung eigentlich auf einem Strand an der Meeresküste von Yorkshire fand, im Kopf eines kleinen Jungen, den die Wunder der Natur faszinierten.
Aber da lege ich schon wieder los und reise in der Zeit zurück, um herauszufinden, wo etwas begann. Anscheinend kommen wir Menschen einfach nicht gegen diesen Drang an.
London, Mai 2016
Wie fing es alles an?
Warum scheinen die Sterne?
Woraus besteht Materie?
Woher kommen Meteoriten?
Woraus besteht das Universum wirklich?
Woher kommen schwarze Löcher?
Wie fing es alles an?
Das Universum ist groß. Sehr groß. Wenn aber unsere Theorie bezüglich seines Anfangs zutrifft, dann war es einmal klein. Sehr, sehr klein. Ja, irgendwann hat es dann überhaupt nicht existiert. Vor rund 13,8 Milliarden Jahren entsprangen Materie, Energie, Zeit und Raum spontan dem Nichts bei dem Ereignis, das wir als Big Bang kennen.
Wie kam es dazu? Oder, um es anders zu formulieren: Welches ist der Ursprung von allem?
Das ist das quintessenzielle Mysterium. Für die meisten Menschen konnte im Lauf unserer Geschichte die einzig plausible Antwort nur lauten: Gott hat es geschaffen. Für lange Zeit ist sogar die Wissenschaft der Beschäftigung mit dem Thema ausgewichen. Im frühen 20. Jahrhundert waren Physiker generell der Überzeugung, das Universum sei unendlich und ewig. Den ersten Hinweis, dass dem nicht so war, erhielt man 1929 durch Edwin Hubbles Entdeckung, dass Galaxien auseinanderfliegen wie Granatsplitter nach einer Explosion.
Die logische Schlussfolgerung daraus war, dass das Universum sich ausdehnte und in der Vergangenheit also kleiner gewesen sein musste. Indem sie den Prozess der Ausdehnung in ihrer Vorstellung umgekehrt ablaufen ließen, so als spielten sie einen Film von seinem Ende zum Anfang hin ab, gelangten Astronomen zu einem anderem logischen aber recht merkwürdigen Schluss: Das Universum musste einen Anfang gehabt haben.
Der Uranfang
Viele Wissenschaftler empfanden anfangs Unbehagen bei der Vorstellung von einem Uranfang des Universums und brachten daher alternative Erklärungen vor, die ohne eine solche auskamen. Die vielleicht bestbekannte ist die Steady-State-Theorie, die 1948 aufgestellt wurde. Ihrer grundlegenden Hypothese zufolge hat das Universum immer existiert und zu jeder Zeit gleich ausgesehen. Astronomen ersannen bald Methoden, um diese Behauptung zu überprüfen, und stellten fest, dass sie nicht zutraf. Einige himmlische Objekte, wie zum Beispiel Quasare, finden sich ausschließlich in sehr großen Entfernungen von uns, was nahelegt, dass das Universum nicht immer das gleiche Aussehen hatte. Dennoch hinterließen die Verfechter der Steady-State-Theorie ein bleibendes Erbe: Sie vermachten uns den Ausdruck »Big Bang«, der ursprünglich von ihnen geprägt wurde, um die Urknalltheorie sarkastisch abzutun.
Den ultimativen tödlichen Schlag erhielt die Steady-State-Theorie 1965 durch die zufällige Entdeckung einer schwachen Strahlung, die den ganzen Weltraum erfüllt. Diese kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung deutete man als eine Art »Nachglühen« eines Universums, das früher wesentlich heißer und dichter war, als es heute ist.
Diese Beobachtungen wurden bald theoretisch untermauert. Stephen Hawking und Roger Penrose wiesen nach, dass es – wenn die allgemeine Relativitätstheorie richtig war – einmal einen Punkt gegeben haben musste, an dem das Universum unendlich klein und dicht gewesen war: einen Moment, in dem die Zeit selbst begann.
Die Urknalltheorie ist heute wissenschaftlich fest etabliert. Kosmologen glauben, die Entwicklung des Universums vom Bruchteil einer Sekunde nach seiner Entstehung bis zum heutigen Tag nachverfolgen zu können. In diesem Zeitraum eingeschlossen ist eine kurze Periode rasend schneller Ausdehnung, die Inflation genannt wird, sowie eine andere, in der die ersten Sterne geboren wurden. Wann genau es aber zu der tatsächlichen Entstehung kam, ist immer noch Gegenstand heftiger Spekulationen. An diesem Punkt fangen unsere Theorien zu versagen an. Um in dieser Frage weiterzukommen, müssen wir eine Möglichkeit erarbeiten, die allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie zu vereinbaren. Doch trotz jahrzehntelanger angestrengter intellektueller Bemühungen ist das den Physikern noch nicht gelungen. Wir besitzen jedoch eine gewisse Idee, wie man die quälende Kernfrage in Verbindung mit dem Urknall beantworten kann.
Wie kann aus dem Nichts etwas hervorgehen?
Das ist eine sehr vernünftige Frage, da einige grundlegende physikalische Gesetze suggerieren, dass die Nichtexistenz des Universums wesentlich wahrscheinlicher ist als seine Existenz. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass der Zustand der Unordnung oder Entropie stets dazu neigt, im Lauf der Zeit zuzunehmen. Entropie misst die Menge der Möglichkeiten, in der man die Komponenten eines Systems neu anordnen kann, ohne dessen Gesamterscheinung zu verändern. Die Moleküle eines heißen Gases zum Beispiel können auf vielfältige unterschiedliche Weise angeordnet werden, ohne dass dessen Temperatur und Druck sich verändern. Das Gas ist also ein Hoch-Entropie-System. Im Gegensatz dazu kann man die Moleküle eines lebenden Organismus nicht stark verändern, ohne dass er zu einem toten Ding wird. Das macht uns zu einem Niedrig-Entropie-System.
Dieser Logik zufolge ist Nichts der Zustand mit der höchsten Entropie. Man kann es nach Belieben neu »durchmischen«, und es sieht immer noch wie Nichts aus.
In Anbetracht dieses Gesetzes ist nur schwer einsehbar, wie Nichts jemals in Etwas verwandelt werden könnte – schon gar nicht in ein Universum. Doch Entropie ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere ist eine Eigenschaft, die Physiker Symmetrie nennen, was nicht genau das ist, was wir im alltäglichen Leben unter Symmetrie verstehen. Wir beziehen uns mit dem Begriff auf die äußere Gestalt von Dingen. Für Physiker ist etwas symmetrisch, wenn man etwas mit ihm machen kann und es danach genauso aussieht wie vorher. Ein Nichts ist per definitionem vollkommen symmetrisch: Man kann mit ihm machen, was man will, und es ist immer noch nichts.
Wie Physiker herausgefunden haben, sind Symmetrien dazu da, gebrochen zu werden, und wenn das geschieht, dann üben sie einen tiefen Einfluss auf das Universum aus.
Die Quantentheorie besagt, dass es so etwas wie Leere nicht gibt. Deren perfekte Symmetrie ist zu perfekt, um von Dauer zu sein. Sie wird von einem Strudel von Teilchen gebrochen, die ins Dasein platzen und wieder verschwinden.
Das führt zu der nicht eingängigen, das heißt der klassischen Denkweise widersprechenden Schlussfolgerung, dass, der Entropie zum Trotz, die Existenz von Etwas ein natürlicherer Zustand ist als der von Nichts. In diesem Sinn ist alles in unserem Universum Existierende einfach nur Exzitation des Quantenvakuums.
Könnte etwas Ähnliches für die Entstehung des Universums selbst verantwortlich sein? Das ist eine durchaus plausible Annahme. Vielleicht kam der Big Bang dadurch zustande, dass das Nichts etwas tat, was in seiner Natur lag: Vielleicht war es nichts anderes als eine Quantenfluktuation, die explosionsartig ein ganzes Universum entstehen ließ.
Außerhalb des Raumes und der Zeit
Das wirft natürlich die Frage danach auf, was vor dem Big Bang war und wie lange dieser Stand der Dinge anhielt. Leider verlieren aber an diesem Punkt alltägliche Vorstellungen wie »davor« jeden Sinn.
Und es wird eine noch schwerer zu beantwortende Frage wach: Eine solche Auffassung vom »Schöpfungsakt« beruht auf der Validität der Gesetze der Physik. Das impliziert aber, dass diese Gesetze irgendwie schon existiert haben müssen, bevor das Universum es tat.
Wie können physikalische Gesetze außerhalb von Raum und Zeit existieren und ohne dass Anlass für sie selbst besteht? Oder, um es anders zu formulieren, warum ist eher etwas da als nichts?
Kein Big Bang
Der Urknall stellt heute die gängige Erklärung für die Entstehung des Universums dar. Es ist aber nicht die einzige. Eine andere ist die, dass es statt zu einem Big Bang zu einem Big Bounce kam, einem »Ur-Sprung«. Diesem Szenarium zufolge werden wir, wenn wir die Geschichte unseres Universums in umgekehrter Richtung ablaufen lassen, durch seinen unvorstellbar heißen und dichten Anfang hindurchgeführt und gelangen auf der anderen Seite in das unvorstellbar heiße und dichte Ende eines früheren Universums hinein. Eine wieder andere Erklärung ist die, dass der Bang nur einer von vielen war. Der Multiversum-Theorie zufolge ist unser Universum bloß eine Blase in einem brodelnden Schaum aus vielen Universen. Beide Vermutungen suggerieren aber, dass unser Universum keinen Anfang hatte. Das ist noch schwerer nachzuvollziehen als die Annahme, dass es einfach aus dem Nichts heraus entsprang.
Warum scheinen die Sterne?
Schauen Sie in den Nachthimmel und Sie blicken in die Vergangenheit zurück. Das Licht von Sirius A, dem hellsten Stern, benötigt an die achteinhalb Jahre, um durch den interstellaren Raum bis zur Erde zu dringen. Die Lichtlaufzeit von Deneb, dem erdfernsten Stern, der noch mit bloßem Auge sichtbar ist, bis zur Erde beträgt ungefähr 2600 Jahre. Von beiden Sternen wissen wir nicht, ob sie überhaupt noch existieren.
Schauen Sie in noch entferntere Regionen des Himmels und Sie blicken noch tiefer in die Vergangenheit zurück. 2012 wurde ein als eXtreme Deep Field bezeichnetes Bild veröffentlicht, das durch die Zusammenfügung von Einzelaufnahmen des schwachen Lichtscheins von einer kleinen Himmelsregion entstand, die mit dem Hubble-Weltraumteleskop über einen langen Zeitraum gemacht wurden, wobei die Gesamtbelichtungszeit 23 Tage betrug. Das Bild war mit fernen Galaxien übersät, von denen einige so weit von uns entfernt waren, dass sie ihr Licht aussandten, als das Universum erst eine halbe Milliarde Jahre alt war.
Das Bild bestätigte, was Astronomen schon lange vermutet hatten: Das Universum bietet in allen Richtungen grundsätzlich den gleichen Anblick, es wird von Sternen und Galaxien dominiert, die unseren eigenen nicht unähnlich sind. Doch wenn Hubble noch tiefer in die Vergangenheit hineinspähen könnte, würde er ein ganz anderes Universum sehen. Heute ist das Urknall-Modell generell akzeptiert demzufolge das Universum als ein unvorstellbar kleiner, dichter und heißer aus Materie und Energie bestehender Feuerball geboren wurde. Dieses Universum enthielt keine Sterne und keine Galaxien und würde dies auch weitere 500 Millionen Jahre lang nicht tun.
Die älteste uns bekannte Galaxie ist EGSY8p7, die ungefähr 600 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurde. Eine halbe Milliarde Jahre später war das Universum mit Galaxien angefüllt, von denen jede Hunderte Milliarden Sterne enthielt. Wie entwickelte es sich von dem einen Extrem zum anderen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir sehr weit zurückgehen, zu einem Zeitpunkt gerade mal 3 × 1044 Sekunden nach dem Big Bang. Damals begann die Inflation, diese den Bruchteil einer Millisekunde lange Phase, in der das Universum sich exponentiell ausdehnte.
Wie ein Ballon aufgeblasen
Die Inflation ließ das Universum von einem Ball brodelnder, wallender Materie zu etwas viel Glatterem und Homogenerem werden: Es war so, als würde ein verschrumpelter Ballon aufgeblasen. Das Ergebnis war aber keine vollkommene Uniformität: Stellenweise gab es winzige Abweichungen, in die Länge gedehnte Relikte der Quantenfluktuationen, die den Big Bang verursacht hatten. Nachdem die Inflation zu Ende gekommen war, dehnte sich das Universum weiter aus, aber weitaus langsamer. Dadurch wurden die Variationen weiter in die Länge gezogen. Das waren die Samen, aus denen Sterne und Galaxien wuchsen.
Wir wissen über sie aufgrund von Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung Bescheid, jenem schwachen Mikrowellenflimmern, das den ganzen Weltraum durchdringt und oft als »Nachglühen« des Big Bang bezeichnet wird. Zuerst schien es, als sei der kosmische Mikrowellenhintergrund überall von derselben Temperatur: eisigen 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. 1992 kartierte der NASA-Satellit Cosmic Background Explorer (COBE) ihn jedoch im Einzelnen und fand heraus, dass es Regionen gab, in denen die Temperatur leicht unter und andere in denen sie leicht über dem durchschnittlichen Wert lag.
Die Unterschiede sind winzig – sie bewegen sich im Hunderttausendstelbereich –, doch das reicht.
Die kälteren Stellen entsprechen Regionen des frühen Universums, die mehr Materie enthielten – hauptsächlich Wasserstoff und Helium – und daher eine leicht überdurchschnittliche Dichte aufwiesen. Massenanziehung bewirkte den Rest: Diese Materie ballte sich nach und nach zu größeren und dichteren Klumpen zusammen, die schließlich eine solche Größe und Dichte erreichten, dass es in ihren Zentren zu Kernfusion kam: Die Sterne waren geboren.
Massenanziehung ist auch für die Bildung jener Sternhaufen verantwortlich, die wir Galaxien nennen, sowie für die Bildung der Galaxiehaufen, die wir, nun ja, … Galaxiehaufen nennen. Die Entfernung von einem bis zum anderen Ende eines solchen Haufens kann bis zu mehr als 100 Millionen Lichtjahre betragen.
Unsere Galaxie bildete sich auf diese Weise, und der Prozess hält an. Die Milchstraße beispielsweise nimmt Materie von zwei nahe gelegenen Satellitengalaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, auf und sammelt es an; sie saugt auch Gase aus dem Weltraum in sich auf. Die Milchstraße ist bereits eine Riesengalaxie und weit größer und heller als die meisten anderen. Sie wird irgendwann noch gewaltiger werden, indem sie mit einer weiteren Galaxie in ihrer Nähe, der Andromedagalaxie, kollidiert und verschmilzt.
Auch die Entstehung von Sternen geht weiter, und zwar in Regionen dichten interstellaren Staubes, die als Sternenkinderstuben bekannt sind. Das Hubble Space Telescope hat dramatische Bilder von gewaltigen Säulen aus Gas und Staub an Orten eingefangen, an denen neugeborene Sterne aus den Wolken auftauchen, einschließlich protoplanetarer Scheiben, die irgendwann Solarsysteme entstehen lassen werden. Die Milchstraße bringt pro Jahr ungefähr zehn Sterne hervor.
Obwohl alle auf die gleiche Weise geboren werden, sind Sterne sehr verschieden. Einige sind hell, andere leuchten nur schwach; einige sind blau, andere weiß, wieder andere gelb, orange oder rot; einige sind riesig, andere winzig.
Lebe flott, stirb jung.
Die Unterschiede ergeben sich aus zufallsbedingten Variationen der Masse. Ungefähr 90 Prozent der Sterne sind Hauptreihensterne, und sie machen alle dasselbe: Sie lassen in ihren Zentren Wasserstoffkerne aufeinanderprallen, um Heliumkerne zu bilden, ein Prozess, den man Kernschmelze nennt. Je größer die Masse eines Sternes ist, desto heißer ist sein Zentrum und desto schneller werden die Wasserstoffatome verschmelzen. Desto heller ist auch der Stern. Und je heller er leuchtet, desto blauer ist er.
Die Masse eines Sternes gibt auch vor, wie lange er leben wird. Obwohl massereiche Sterne einen größeren nuklearen Energievorrat besitzen, verbrennen sie diesen schneller und sterben schneller. Die Sterne mit der größten Masse verbrauchen das Hydrogen schon in ein paar Millionen Jahren. Die Sonne hingegen brennt bereits seit 4,6 Milliarden Jahren, und sie wird das weitere Milliarden Jahre lang tun.
Jeder Hauptreihenstern wird eines Tages den Wasserstoff in seinem Zentrum aufgebracht haben und dann anfangen, solchen außerhalb seines Zentrums zu verwenden und sich dabei auszudehnen und abzukühlen. Er ist dann ein Riesenstern oder Überriesenstern.
Diese gewaltigen Sterne haben ein kurzes, aber dramatisches Leben. Sie beginnen damit, Helium, Kohlenstoff, Neon, Oxygen, Silizium und Schwefel zu verschmelzen. Die letzten beiden Elemente verschmelzen zu Eisen, Eisen aber verschmilzt nicht zu schwereren Elementen, und daher ist der Stern, wenn er dieses Stadium erreicht, dazu verurteilt, als Supernova zu explodieren. Danach fallen die Überreste zu einer kleinen, aber dichten Kugel zusammen. Diese kann ein schwarzes Loch oder ein Neutronenstern sein.
Kleinere Riesensterne explodieren nicht, sondern schrumpfen nur langsam zu heißen, kompakten Gespensterwesen, die man Weiße Zwerge nennt. Wenn genügend Zeit vergangen sein wird, werden Weiße Zwerge völlig vergehen und zu Schwarzen Zwergen werden. Noch ist es aber nicht so weit, weil das Universum noch nicht alt genug ist.
Von einem schwarzen Loch geschaffen
Man glaubt generell, dass Galaxien unter dem Einfluss von Gravitationskraft allmählich zusammenwachsen, es gibt jedoch eine andere und weitaus dramatischere Möglichkeit. Sie könnten schlagartig erzeugt werden dadurch, dass Quasare, äußerst lichtstarke schwarze Löcher ringförmig umgebende Objekte, extrem energiereiche Strahlen von Materie in Gaswolken schleudern. Die Quasare erhalten heutiger Annahme zufolge ihre Energie von extrem massereichen schwarzen Löchern. Wenn das stimmt, dann sind die supermassereichen schwarzen Löcher, die man im Zentrum der meisten Galaxien findet, eher die Baumeister ihrer Umgebung als deren Produkte.
Woraus besteht Materie?
Stellen Sie sich einmal vor, sie hätten an Ihrem ersten Geburtstag ein recht merkwürdiges Geschenk bekommen: eine Ampulle voll Wasserstoffgas. Im Jahr darauf hätten Sie dann ein bisschen Helium bekommen und an Ihrem dritten Geburtstag ein Stückchen Lithium. An Ihrem 21. Geburtstag wären Sie dann der stolze Besitzer von einer kleinen Menge Scandium geworden und an Ihrem 40. von ein wenig kristallinem Zirkonium. Wenn Sie bis zu Ihrem 92. durchhalten, würden Sie Uran bekommen. Doch um Ihre Sammlung zu vervollständigen, würden Sie noch viel länger leben müssen.
Noch 118 Jahre, um genau zu sein. Das ist die Summe der chemischen Elemente, die wir kennen: ein Büfett aus festen Stoffen und Flüssigkeiten, aus Gasen, Metallen und Nichtmetallen, einige davon selten, andere häufig, einige nützlich, andere nicht. Sie sind die Bausteine der Chemie und des Lebens. Wo kommen sie alle her? Wie sind sie entstanden?
Die einfache Antwort wäre: durch den Big Bang. Das ist aber keine zufriedenstellende Antwort, da der Urknall selbst lediglich die drei leichtesten Elemente erzeugte: Wasserstoff, Helium und eine Spur Lithium. Was ist mit dem Rest?
Die umfassende, erschöpfende Antwort erfordert Kenntnis der Bausteine von Atomen und ein bisschen grundlegendes Arithmetikwissen. Das einfachste Atom ist Hydrogen; es besteht aus einem Proton und einem Elektron. Die zweiteinfachsten sind Deuterium und Tritium, wobei es sich um Wasserstoffatome plus ein oder zwei Neutronen handelt. Danach kommt Helium, das jeweils zwei Elektronen, Protonen und Neutronen besitzt. Dann ist Lithium an der Reihe, mit jeweils drei. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass man durch die Verschmelzung kleinerer Elemente größere erschaffen kann. Und genauso werden Letztere tatsächlich gebildet.
Das große Zusammenquetschen
Ganz so einfach ist es aber nicht. Solche Reaktionen lassen sich nur schwer herbeiführen, weil die beiden Kerne zu ihrer Verschmelzung eine große Menge Energie benötigen. Dazu bedarf es astronomisch hoher Temperaturen: mindestens 10 Millionen Grad Celsius. Solche Temperaturen gab/gibt es im Universum nur kurz nach dem Big Bang und im Inneren von Sternen.
Zu der ersten Phase der Entstehung von Elementen kam es sehr bald nach dem Big Bang bei einem Ereignis, das man Nukleosynthese nennt. Innerhalb einer Hundertstelsekunde verdichteten sich Teilchen aus dem Feuerball heraus zu Protonen, Neutronen und Elektronen. Ein paar Sekunden später begannen Protonen und Neutronen sich zusammenzuschließen; sie wurden durch die immense Energie des Feuerballs zusammengedrängt und durch die Kernkraft zusammengeschweißt. Durch diese Fusionsreaktionen wurden anfangs Deuteriumnuklei gebildet, die mit weiteren Protonen reagierten und den stabilen Heliumkern hervorbrachten.
Das war es dann. Als Helium entstand, war die Temperatur zu weit gesunken, als dass es in einem relevanten Maß zu weiterer Fusion kommen konnte. Wahrscheinlich entstand ein wenig Lithium, aber nichts Schwereres. Kaum dass sie begonnen hatte, war die Nukleosynthese schon wieder beendet.
An die 377 000 Jahre später begann dieser Prozess wieder neu. Die Temperatur fiel auf ungefähr 3000 Grad – es war damit kalt genug für die Existenz von Atomen. Wasserstoff- und Heliumkerne schlabberten freie Elektronen auf, um die ersten vollständigen Atome zu bilden: die Elemente 1 und 2. Während diese immer noch mehr als 99 Prozent des sichtbaren Universums ausmachen, sind sie nicht seine einzigen Komponenten. Zur Bildung der schwereren, interessanteren Elemente, waren Sterne erforderlich.
Ein Stern entsteht, wenn eine große Masse von Gas sich unter seiner eigenen Gravitationskraft zusammenzieht. Das lässt die Temperatur im Inneren bis zu dem Punkt ansteigen, an dem Kerne zu verschmelzen beginnen können. Die erste Reaktion, die bei ungefähr 10 Millionen Grad Celsius stattfindet, ist die Verschmelzung von Wasserstoffkernen zur Bildung von Helium, bis der Wasserstoff erschöpft ist.
Die Fusionen gehen weiter
Was dann als Nächstes geschieht, hängt von der Masse des Sternes ab. Wenn er ziemlich klein ist, hört der Prozess der Fusionen auf, und das Innere des Sternes wird einfach zu einem Weißen Zwerg. Wenn er aber eine Masse besitzt, die die von acht Sonnen übersteigt, dann gehen die Fusionen weiter. Heliumkerne verbinden sich, um Beryllium zu bilden (Element 4), das mit weiterem Helium reagiert, um Kohlenstoff und Sauerstoff hervorzubringen. In den massereichsten Sternen wird das Zentrum so heiß, dass Kohlenstoff und Sauerstoff weiter verschmelzen und Elemente bilden, die so schwer sind wie Eisen (Element 26). Dann hören die Reaktionen auf, weil Eisen den stabilsten Nukleus aller Elemente besitzt und unter diesen Bedingungen nicht mit anderen verschmilzt. Doch in den äußeren Schichten des Sternes bringen andere Kernreaktionen, bei denen Neutronenanlagerung (oder -einfang) ins Spiel kommt, nach und nach sogar noch größere Nuklei hervor, bis hin zu Bismut (Element 83).
Wenn sich in seinem Zentrum Eisen aufbaut, ist die Uhr eines Sternes quasi abgelaufen. Er kann nicht länger durch Fusion Energie hervorbringen, doch die Gravitationskraft ist erbarmungslos. Sie fährt fort, das Zentrum zusammenzupressen und lässt die Temperatur auf Zigmilliarden Grad ansteigen. Das Zentrum des Sternes kollabiert plötzlich, die äußeren Schichten sacken ein, schnellen dann wieder zurück und speien den Inhalt des Sternes in einer Supernova in den Weltenraum. Die Explosion bringt eine Flut von Neutronen hervor, die noch schwerere Elemente erschafft, bis hin zu Uran (Element 92), das schwerste natürlich vorkommende Element auf der Erde, und darüber hinaus. Die Supernova stößt Trümmer in den Weltraum aus, die irgendwann in spätere Generationen von Sternen und Planeten inkorporiert werden, auch in unseren eigenen.
Kein Ergebnis stellarer Kernfusion ist das Trio Lithium, Beryllium und Bor. Ihre Kerne sind instabil und werden sofort von Nuklearreaktionen in Sternen verbraucht. Sie sind selten, aber man glaubt, dass das wenige, was es von ihnen gibt (mit Ausnahme des vom Big Bang erzeugten Lithiums), durch kosmische Strahlung hervorgebracht wurde – durch ziemlich große Nuklei, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Weltraum bewegen. Ihre Energie ist so groß, dass diese Nuklei, wenn sie mit anderen Atomen kollidieren, in kleinere Fragmente zerbrechen können.
Wenn man künstliche Elemente außer Acht lässt, sind alle auf der Erde vorkommenden Atome entweder Überbleibsel des Big Bang, Fragmente von lange toten Sternen oder von kosmischer Strahlung zurückgeblieben. Und irgendwann, wenn unser eigener Stern stirbt, könnten sie in den Weltraum zurückgeschleudert werden und sich in einem neuen Sonnensystem wieder verdichten. Wäre das nicht ein spektakuläres Comeback?
Sehr schwere Metalle
Bis in die frühen 1940er-Jahre hinein waren Elemente mit einem höheren Gewicht als Uran auf der Erde unbekannt. Dann schufen Chemiker Plutonium und Neptunium, indem sie Uran mit Neutronen bombardierten. Seitdem sind 24 weitere Transurane in Laboratorien synthetisch hergestellt worden. Das bis dato größte ist Oganesson mit der Ordnungszahl 118.
Transurane gelten häufig als rein künstlich erzeugte Elemente, was aber nicht richtig ist. Sie entstehen bei Supernovaexplosionen, genau wie gewöhnliche schwere Elemente. Sie sind jedoch instabil und tendieren dazu, schnell zu zerfallen. Natürlich Vorkommende sind seit der Bildung des Sonnensystems vollständig vergangen, was der Grund dafür ist, dass sie auf der Erde außerhalb von Laboratorien nicht vorkommen.
Woher kommen Meteoriten?
Am 15. Februar 2013 explodierte etwas hoch am Himmel über Tscheljabinsk, einem Ort am östlichen Rand des Ural in Südrussland. Der größte Teil des Objekts verglühte in der Atmosphäre, einige Stücke schafften es aber bis hinunter auf die Erde. Eines brach durch die Eisfläche auf dem Tschebarkulsee und hinterließ ein Loch mit einem Durchmesser von 7 Metern. Dieses Stück wurde im Oktober des Jahres von Tauchern geborgen. Es wog 570 Kilogramm. Andere, viel kleinere Fragmente wurden in der gesamten Region eingesammelt.
Astronomen kamen zu dem Schluss, dass ein Asteroid mit 12 Kilotonnen Masse und einem Durchmesser von 17 bis 20 Metern eingeschlagen war. Die bei der Explosion in einer Höhe von ungefähr 30 Kilometern freigewordene Energie soll ein TNT-Äquivalent von 500 Kilotonnen besessen haben – das heißt der Sprengkraft von circa 30 Hiroshima-Atombomben entsprochen haben. Es war der stärkste Einschlag eines extraterrestrischen Objekts seit Menschengedenken.
Der Tscheljabinsk-Meteorit zählt jetzt zu den mehr als 30 000, die auf der Erdoberfläche entdeckt wurden, manchmal direkt nach dem Einschlag, meistens aber, nachdem sie schon lange nach dem Ereignis auf dem Erdboden lagen. Jeder von ihnen hat eine interessante Geschichte zu erzählen.
Felsige Überbleibsel
Bei den meisten Meteoriten handelt es sich um Fragmente von Asteroiden, die von der Bildung des Sonnensystems übrig geblieben sind. Asteroiden befinden sich für gewöhnlich, ohne viel zu tun, in einem Gürtel aus Geröll zwischen den inneren Planeten und den äußeren Gas- und Eisriesen: Jupiter, Saturn // Neptun, Uranus. Aus dem einen oder anderen Grund werden sie aber manchmal aus ihrer Bahn herausgesogen oder sie werden zertrümmert und geraten dann auf Kollisionskurs mit der Erde. Diese durch den Raum rasenden Felsbrocken nennt man Meteoriten.
Sobald sie auf der Erde aufprallen oder irgendwo entdeckt werden, werden sie zu wertvollen Studienobjekten für Planetologen, die darauf brennen, ihre Geheimnisse aufzudecken und dadurch neue Informationen über die Geschichte des Sonnensystems zu erhalten.
Die erste Aufgabe dieser Wissenschaftler besteht darin, zu ermitteln, um was für eine Art von Meteorit es sich handelt, weil das Aufschluss darüber geben kann, woher er wahrscheinlich kam. Die taxonomische Einordnung, die Klassifikation von Meteoriten ist kompliziert, doch gibt es grob gesagt drei Typen, Steinmeteoriten, Eisenmeteoriten und solche aus Stein und Eisen.
Der Tscheljabinsk-Meteorit erwies sich als einer aus Stein. Das heißt er gehörte einer Feld-, Wald- und Wiesenart an, die man Chondrit nennt. Der Name rührt daher, dass diese Meteoriten Chondren enthalten, kleine runde Silikatpartikel.
Über den Ursprung von Chondren ist nichts bekannt, vermutlich nahmen sie aber ihren Anfang als Klümpchen geschmolzenen Felsgesteins in dem Staub- und Gasnebel, aus dem sich das Sonnensystem gebildet hat. Ungefähr 8 Prozent aller Meteoriten sind Chondrite. Sie bestehen zum größten Teil aus Fels und stammen aus dem Asteroidengürtel, was bedeutet, dass sie recht ursprüngliche Überbleibsel jenes Materials sind, welches das Sonnensystem bildete.
Planetenmaterie
Eine weniger häufige Untergruppe der Steinmeteorite bilden die kohligen Chondrite, die so heißen, weil sie einen ungewöhnlich hohen Anteil an organischen Chemikalien wie Aminosäuren aufweisen. Man nimmt an, dass auch diese Meteoriten unveränderte Überbleibsel jenes Ur-Materials sind, das das Sonnensystem entstehen ließ.
Eine dritte Klasse von Steinmeteoriten bilden die Achondrite, die so heißen, weil ihnen Chondren fehlen. Ungefähr 8 Prozent aller Meteorite gehören dieser Klasse an. Eher als Klümpchen von primordialer Materie scheinen sie Produkte der frühen Phase der Planetenentstehung zu sein, als Materie sich unter dem Einfluss von Schwerkraft zusammenballte, um Protoplaneten zu erschaffen. Als diese Protoplaneten größer und heißer wurden, fingen sie an zu schmelzen. Dadurch wurden die Chondren zerstört und schwerere Elemente wie Eisen und Nickel sanken zum Mittelpunkt ab, sodass eine felsige Hülle zurückblieb. Diese äußere Kruste scheint die Quelle für die meisten Achondrite zu sein. Sie sind die Überbleibsel von Planeten, die gescheitert, das heißt nie richtig groß geworden sind.
Eine kleine Handvoll von Achondriten sind erlesener Herkunft: Sie waren einst Teile des Mondes oder des Mars.
Ungefähr einer von 20 Meteoriten gehört in die Gruppe derer aus Eisen. Sie bestehen größtenteils aus Eisen und Nickel und sind ebenfalls von der Entstehung der Planeten zurückgeblieben – es handelt sich um die stark metallhaltigen Kerne von Protoplaneten, die durch Kollisionen in Splitter barsten. Diese Bruchstücke von Weltraummetall helfen uns zu verstehen, wie unser Planet sich in Erdkern, Erdmantel und Erdkruste schied.
Stein-Eisen-Meteoriten, die die letzte Großgruppe bilden, bestehen aus einer Mischung von beiden Materialien. Diese seltenen Meteoriten – nicht mehr als 1 Prozent sind dieser Kategorie zuzurechnen – scheinen ebenfalls aus dem Inneren gescheiterter Planeten zu stammen, und zwar aus der Grenzzone zwischen dem eisernen Kern und dem felsigen äußeren Mantel.
Einen Meteoriten zu finden, ist nicht einfach. Am leichtesten kann man sie in öden Regionen entdecken. Eine Suche in der Antarktis ist besonders ergiebig, da die Landschaft weiß ist und die Meteoriten beim Wandern der Gletscher an Geländekanten zusammen mit tieferen Eisschichten nach oben geschoben werden, sodass sie sich an solchen »Schwellen« ansammeln.
Passen Sie auf Ihren Kopf auf.
Wenn Sie einen Meteoriten finden, ist es wahrscheinlich, dass er von einem großen Asteroiden stammt, der vor ungefähr 470 Millionen Jahren zerbrach, wodurch ein Chondriten-Hagel entstand, der während der Periode des Ordoviziums auf die Erde niederfiel. Die meisten dieser Bruchstücke sind noch irgendwo da draußen, und sogar heute noch machen sie den größten Teil der Meteoriten aus, die auf die Erde niedergehen.