Lothar Seiwert / Silvia Sperling
Die Intervall-Woche
Arbeitest du noch oder lebst du schon?
Knaur e-books
Prof. Dr. Lothar Seiwert ist Europas führender und bekanntester Experte für das neue Zeit- und Lebensmanagement. Der prominente Keynote-Speaker und international erfolgreiche Bestsellerautor hat viele Preise und Ehrungen für seine Leistungen erhalten. In den USA wurde Prof. Seiwert mit den höchsten und härtesten Qualitätssiegel für Vortragsredner, dem Certified Speaking Professional (CSP), und 2018 vom Speaker-Weltverband Global Speakers Federation in Neuseeland mit dem Global Speaking Fellow (GSF) ausgezeichnet. Prof. Seiwert leitet heute als erfolgreicher Unternehmer seine eigene Trainings- und Beratungsfirma in Neustadt an der Weinstraße, die sich auf Time-Management, Life-Leadership® und Work-Life-Balance spezialisiert hat. Zuletzt ist von Lothar Seiwert bei Droemer Knaur die erfolgreiche Bullet-Journal-Reihe erschienen. www.Lothar-Seiwert.de
Silvia Sperling, MBA, ist Autorin, Wirtschaftswissenschaftlerin und Acquisitions Editor für Themen rundum Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbalance und Gesundheit. Sie hat ihren Magister in Germanistik an der LMU München und Master in Unternehmensführung, -gründung und -nachfolge an der TH Deggendorf in Bayern und an der Santa Clara University in USA abgeschlossen. Im Anschluss war sie Mitentwicklerin und Mitgründerin des Verlagsimprints Knaur Balance. Nach Arbeitsaufenthalten in Österreich, Italien, Deutschland und der Studienzeit in Silicon Valley lebt die geborene Slowakin heute in München. Sie ist die Co-Autorin der erfolgreichen Bullet-Journal-Reihe, die sie zusammen mit Lothar Seiwert bei Droemer Knaur publiziert hat. www.intervall-woche.de
Originalausgabe Oktober 2020
© 2020 Knaur Verlag
© 2020 der eBook-Ausgabe Knaur eBook
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktionelle Mitarbeit: Dennis Sand
Lektorat: Ralf Lay
Covergestaltung: Carola Bambach, nach einer Idee von ki36
Coverabbildung: shutterstock.com/StudioLondon
Abbildungen im Innenteil: Bären (wiederholt) StudioLondon/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »3. Die Vier-Tage-Woche-Debatte« von le-tex publishing services, Leipzig (im Folgenden »le-tex«) nach Umfrage Citrix/OnePoll, 2019;
Abbildung in Kapitel »7. Die Vorreiter: Tempus’ blaue Rosen« von Aletheia Shade/Shutterstock.com;
Tiervignetten in der Auswertung des Kapitels »Der Chronotypen-Test« von Rimma Z/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »Die Mechanik der inneren Uhr« von Zanna Art/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »BRAC in der Praxis – ein Selbstversuch« von le-tex nach Kleitman;
Erste Abbildungen in Kapitel »15. Die BOSS-Methode« von le-tex unter Verwendung von AF studio/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »Führen Sie ein eigenes Intervall-Journal« von le-tex publishing service;
Abbildung in Kapitel »Sieben New-Work-Skills,um Ihren Arbeitsalltag zu verbessern« von le-tex publishing service;
Abbildungen in Kapitel »18. S wie Sinn geben«: erste Abbildung von simonsinek.com, zweite Abbildung von le-tex unter Verwendung von Susann Schroeter/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »Das Koala-Paradoxon« von le-tex unter Verwendung von redchocolate/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »Die Dominosteine fallen« von le-tex nach MeinungsMonitor mS263, managerSeminare, Mai 2020;
Abbildung in Kapitel »20. Der sechste Kondratieff-Zyklus« von le-tex nach Erik Händeler;
Abbildung in Kapitel »22. Kooperation statt Konfrontation« von le-tex nach Seiwert/Sperling;
Abbildung in Kapitel »Man lerne von den Bienen« von Macrovector/Shutterstock.com;
Abbildung in Kapitel »Best Practice: Microsoft – Vertrauenszeit und -ort« von le-tex nach Work-Life-Flow-Grafiken von Microsoft;
Abbildungen in Kapitel »24. Die S-Kurve«: erste Abbildung von le-tex nach www.daswirtschaftslexikon.com, zweite Abbildung von le-tex nach Seiwert/Sperling;
Alle Abbildungen in Kapitel »25. Der große New-Work-Check: Die Arbeitswelt von morgen« von le-tex unter Verwendung unterschiedlicher Icons von Shutterstock.com;
Autorenbilder: privat;
Alle weiteren Abbildungnen im Verlag
ISBN 978-3-426-45988-1
Mit freundlicher Genehmigung leicht modifiziert aus: Michael Breus, Gutes Timing ist alles. Der richtige Zeitpunkt für Schlaf, Essen, Sex und fast alles andere. Mit Test: Welcher Chronotyp sind Sie? © 2017 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH. Übersetzung: Imke Brodersen
Wenn Sie mehr über D, I, S und G erfahren möchten, dann können Sie gerne ein ausführliches Persönlichkeitsprofil machen. Unser Buchtipp dazu: Das persolog® Persönlichkeits-Profil von Friedbert Gay und Debora Karsch, Offenbach: Gabal Verlag.
Pressebox: »Umfrage: Wunsch nach mehr Home-Office auch nach Corona«, 7.5.2020, https://www.pressebox.de/pressemitteilung/acer-computer-gmbh/Umfrage-Wunsch-nach-mehr-Home-Office-auch-nach-Corona/boxid/1005060, Zugriff: 8.6.2020.
Franz Knieps und Holger Pfaff (Hrsg.): BKK Gesundheitsreport 2019. Psychische Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2019.
DGB-Index Gute Arbeit: »Report 2019 – Arbeiten am Limit«, Themenschwerpunkt Arbeitsintensität, 5.12.2019, https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++07123474-1042-11ea-bc98-52540088cada, Zugriff: 8.6.2020.
Vgl. Andrea Lohmann-Haislah: Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund/Berlin/Dresden: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2012.
Vgl. Wendy M. Troxel et al. (RAND-Institut): »Why Sleep Matters: The Macroeconomic Costs of Insufficient Sleep«, April 2017, https://www.researchgate.net/profile/Wendy_Troxel2/publication/316574094_0803_WHY_SLEEP_MATTERS_THE_MACROECONOMIC_COSTS_OF_INSUFFICIENT_SLEEP/links/5a847193aca272c99ac37e5f/ 0803WHY-SLEEP-MATTERS-THE-MACROECONOMIC-COSTS-OF-INSUFFICIENT-SLEEP.pdf, Zugriff: 7.6.2020.
Citrix: »The Future of the Working Week« (Studie), 30.10.2019, https://www.citrix.com/de-de/news/announcements/oct-2019/citrix-umfrage-vier-tage-woche-in-deutschland-beliebt-aber-unwahrscheinlich-de.html#:~:text=Das%20sind%20die%20Ergebnisse%20einer,einer%20Woche%20mit%20vier%20Arbeitstagen.&text=42%20Prozent%20sagen%2C%20dass%20eine,auf%20den%20Weltm%C3%A4rkten%20verschaffen%20w%C3%BCrde, Zugriff: 7.6.2020.
Hilmar Schneider: »New Work. Funktioniert die 4-Tage-Woche?«, 21.10.2016, https://enorm-magazin.de/wirtschaft/beruf-arbeit/new- work/funktioniert-die-4-tage-woche, Zugriff: 11.6.2020.
Vgl. Andreas Böhnisch und Mario Demuth: »Vier-Tage-Woche: Verzicht auf Arbeitszeit für gleichen Lohn und mehr Freizeit?«, SWR aktuell, 4.3.2020, https://www.swr.de/swraktuell/weniger-ist-mehr-vier-tage-woche-100.html, Zugriff: 8.6.2020.
»Citrix-Umfrage …«, a. a. O.
Benedikt Hackl, Marc Wagner, Lars Attmer und Dominik Baumann: New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt. Management-Impulse, Praxisbeispiele, Studien. Wiesbaden: Springer Gabler, 2017, E-Book, Kapitel 1.1.
Isabelle Kürschner: New Work. Wie wir morgen tun, was wir heute wollen. Wien: Goldegg Business, 2015, S. 215.
Dr. Marin Braun (Fraunhofer IAO): »Chronobiologische Arbeitsgestaltung«, zuletzt bearbeitet am 3.8.2018, https://wiki.iao.fraunhofer.de/index.php/Chronobiologische_arbeitsgestaltung, Zugriff: 31.5.2020.
Jörg Knoblauch und Jürgen Kurz: Die besten Mitarbeiter finden und halten. Die ABC-Strategie nutzen. 3. Aufl. Frankfurt und New York: Campus, 2019, S. 178.
Kenneth Blanchard, Patricia Zigarmi und Drea Zigarmi: Der Minuten-Manager: Führungsstile. Situatives Führen. Vollst. überarb. Neuausgabe. Reinbek: Rowohlt, 2015.
Ann-Kathrin Eckardt: »Der sanfte Rebell«, 2.8.2019, https://www.sueddeutsche.de/leben/reportage-der-sanfte-rebell-1.4547871, Zugriff: 11.6.2020.
Hans-Günther Weeß: Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens. München: Droemer, 2018, S. 39.
»Nachts Asthma, morgens Infarkt«, aktualisiert am 10.10.2017, https://www.faz.net/aktuell/wissen/nobelpreise/ist-chronobiologie-medizinisch-relevant-15235639.html, Zugriff: 7.6.2020.
Corinna Mühlhausen: Health Report 2020. Frankfurt: Zukunftsinstitut-Verlag, 2019.
Vgl. ebenda.
Nathaniel Kleitman: Sleep and Wakefulness. University of Chicago Press: Chicago, IL, u. a. 1987 (1963); ders.: »Basic Rest-Activity Cycle – 22 Years Later«, Sleep 5 (4), 1982, S. 311–317.
Francesco Cirillo: The Pomodoro Technique. 3. Aufl. FC Garage: Berlin, 2013.
Braun (Fraunhofer IAO), a. a. O.
Vgl. Albert Bandura: Self Efficacy. The Exercise of Control. New York: Freeman, 1997.
Gerhard Blasche, Sanja Pasalic, Verena-Maria Bauböck, Daniela Haluza und Rudolf Schoberberger: Effects of Rest-Break Intention on Rest-Break Frequency and Work-Related Fatigue. Medizinische Universität Wien: Wien, 2016.
Vgl. Geier Learning International, http://www.geierlearning.com/author.html, und https://de.wikipedia.org/wiki/DISG, beide Zugriff: 12.6.2020.
Wenn Sie mehr über D, I, S und G erfahren möchten, dann können Sie gern ein ausführliches Persönlichkeitsprofil machen. Unser Buchtipp dazu: Friedbert Gay und Debora Karsch: Das persolog® Persönlichkeits-Profil. Persönliche Stärke ist kein Zufall. Mit Fragebogen zur Selbstauswertung. 42. Aufl. Offenbach: Gabal, 2019.
Vgl. Robert Rosenthal und Lenore Jacobson: Pygmalion im Unterricht. Lehrererwartungen und Intelligenzentwicklung der Schüler. Weinheim: Beltz, 1971.
Vgl. Simon Sinek: Frag immer erst: warum. Wie Topfirmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren. München: Redline, 2014.
Aus seiner berühmte Rede bei TED Talks von 2009: »The Golden Circle«, 14.8.2012, https://www.youtube.com/watch?v=fMOlfsR7SMQ, Zugriff: 12.6.2020.
Ebenda.
Antoine de Saint-Exupéry: Die Stadt in der Wüste. Düsseldorf: Karl Rauch Verlag, 2009 (1956), zitiert nach https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_antoine_de_saint-exupery_thema_motivation_ zitat_33700.html, Zugriff: 4.6.2020.
Vgl. W. Chan Kim und Renée Mauborgne: Der Blaue Ozean als Strategie. Wie man neue Märkte schafft, wo es keine Konkurrenz gibt. 2. Aufl. München: Hanser, 2016.
Vgl. zum Beispiel Arthur Koestler: Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. Bern/München/Wien: Scherz, 1966.
Jeff Jarvis: Was würde Google tun? Wie man von den Erfolgsstrategien des Internet-Giganten profitiert. München. Heyne, 2009.
Quelle: managerSeminare 266 (Mai 2020), S. 53; siehe auch https://www.managerseminare.de/ms_Heft/managerSeminare-Heft- 266,277288, Zugriff: 12.6.2020.
Vgl. auch Erik Händeler: Die Geschichte der Zukunft. Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen. Kondratieffs Globalsicht. 11. Aufl. Moers: Brendow, 2018.
Michael Hübler: Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien. Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern (Kindle-E-Book). Regensburg: Metropolitan, 2020.
Simon Sinek: Das unendliche Spiel. Strategien für den dauerhaften Erfolg. München: Redline, 2019, E-Book, Kapitel 1.
Frederic Laloux: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen, 2015, S. 3.
Vgl. Michael Page: »6 Möglichkeiten, wie Sie Ihren Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen können«, o. J., https://www.michaelpage.de/advice/management-tipps/mitarbeiterbindung/ 6-m%C3%B6glichkeiten-wie-sie-ihren-mitarbeitern-wertsch%C3%A4tzung, Zugriff: 12.6.2020.
Vgl. Marisa Peer: I Am Enough. Mark Your Mirror And Change Your Life. O. O., Marisa Peer, 2018.
Hübler, a. a. O., E-Book, Kap. 2.1.1.
»Live: Hightech Summit Bayern«, Live-Übertragung am 3.2.2020, https://www.youtube.com/watch?v=qAy4bxmxgCA&t=50s, Zugriff: 12.6.2020.
Richard N. Foster: Innovation. Die technologische Offensive. Heidelberg, Redline Wirtschaft, 2006.
Erweitert und in Anlehnung an Kununu, Bewertungsplattform für Unternehmen – 19 Mitarbeitervorteile werden bewertet, die ein Unternehmen bietet; kununu.com. Stand: 2020.
Es gibt eine Philosophie bei SAP. Oder eher: eine goldene Regel. Bei allem, was wir bei uns im Unternehmen debattieren, planen und umsetzen, steht immer der Mitarbeiter im Mittelpunkt. Das ist unumstößlich. Wir tun dies aus einer tiefen Überzeugung. Aus der Überzeugung, dass damit sowohl dem Menschen als auch dem Unternehmen geholfen ist. Wir sind sicher, dass nur ein ausgeglichener Mitarbeiter, der genügend Raum und Zeit für Kreativität und Selbstentfaltung bekommt, langfristig für sein Unternehmen produktiver ist. Happy People, Happy Customers!
Damit liegen wir auf einer Wellenlänge mit der Intervall-Woche. Dieses Buch ist nicht bloß ein scharfes Plädoyer für eine neue Unternehmenskultur, die vom Menschen her denkt. Es ist auch ein klug begründetes Manifest für einen Wandel, der uns zu mehr Produktivität, Wachstum und Erfüllung führt. Dieses Buch zeigt, dass alles miteinander zusammenhängt. Die Natur mit dem Menschen, der Mensch mit den Organisationen und die Organisationen mit dem Wirtschaftssystem. Dieses Buch ist aber auch eine Anleitung: für Angestellte wie für Unternehmenslenker. Für Fachfremde wie für Wirtschaftsinteressierte.
Die Arbeit von morgen geht uns alle etwas an. Dieses Werk ist ein spannender Beitrag für die Debatte, die uns noch lange begleiten wird und die wir durch unsere Arbeit schon vor einigen Jahren praktisch anzustoßen versucht haben.
Wir sind glücklich, dass dieses neue Buch dabei hilft, eine wichtige Botschaft zu verbreiten, die wir bei SAP seit vielen Jahren leben.
Cawa Younosi
Head of Human Resources Germany / Mitglied der Geschäftsführung der SAP Deutschland SE & Co. KG
Unsere Arbeitswelt steckt in einer tiefen Depression.
Dieses Buch ist ein Buch der Krise. Nicht nur, weil wir es zu großen Teilen während einer globalen Pandemie geschrieben haben. Zu einer Zeit, in der ein neuartiges Corona-Virus die Welt im Griff hielt. In der Covid-19 das öffentliche Leben global zum Stillstand brachte und die Menschen zu einer »Entschleunigung« zwang. Sondern auch, weil das Thema, das wir hier behandeln wollen, ein Krisenthema ist. Wir sind fest davon überzeugt: Unsere Arbeitswelt steckt in einer tiefen Depression. Die Art zu arbeiten, wie wir sie kennen, hat ihren Höhepunkt schon hinter sich. Die Art zu arbeiten, wie wir sie kennen, macht uns krank. Wir haben das Gefühl, in einer gigantischen Maschinerie gefangen zu sein, die uns längst schon aufgefressen hat. Wir haben das Gefühl, bloß noch Teil eines großen Ganzen zu sein, das wir nicht mehr durchschauen können. Wir sind kaputt. Wir sind müde. Wir fühlen uns fremdbestimmt. Wir unterwerfen uns einer äußeren Taktung, die uns nicht natürlich erscheint. Wir spüren, wie die Zeit von Tag zu Tag verrinnt. Von Woche zu Woche. Von Monat zu Monat. Zu viele Menschen leben nur noch für das nächste Wochenende. Für den nächsten Sommerurlaub. Vielleicht sogar schon für die Rente. Wir fühlen uns gelähmt. Wir hören eine innere Stimme, die sagt: »Jetzt reicht’s!« Wir können und wollen so nicht mehr weitermachen.
Dieses Buch ist aber nicht bloß ein Buch über unsere Arbeitswelt. Es ist ein Buch über den Menschen. Ein Buch über die Gesellschaft, in der der Mensch lebt. Und ein Buch über den Umbruch, der der Gesellschaft bevorsteht. Die erste Idee zu diesem Projekt hatten wir im November 2019. Im November 2019 war das Gefühl, dass man die Arbeitswelt in ihrer bisherigen Form nicht mehr hinnehmen wollte, beinah greifbar. Man diskutierte nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt über verkürzte Arbeitszeiten. Besonders das Konzept der Vier-Tage-Woche fand sich regelmäßig in den Schlagzeilen. Die Software-Firma Citrix führte zu dem Thema eine umfangreiche Studie durch, Microsoft hat in Japan testweise für einen Monat die Vier-Tage-Woche eingeführt und seine Mitarbeiter mit vollem Gehalt vergütet. Ausgerechnet in Japan, dem Land, das den Begriff Karoshi in seinem Vokabular trägt: Tod durch Überarbeiten. Aber auch andere Variationen von Arbeitszeitverkürzungen standen hoch im Kurs: Die finnische Premierministerin kandidierte mit der 24-Stunden-Woche in ihrem Wahlprogramm. Cawa Younosi, Mitglied der SAP SE-Geschäftsleitung und »Human-Resources-Punk«, wurde in zahlreichen Leitmedien porträtiert und für seine innovativen Arbeitsmethoden wie die Co-Leadership oder eine 75-Prozent-Führungsstelle in Teilzeit als Visionär gefeiert. Es lag etwas in der Luft: Die Menschen sehnten sich nach neuen Modellen, wie sie in Zukunft arbeiten und leben wollen. In dieser Zeit gab es aber auch noch ein anderes Thema, das groß in den Medien behandelt wurde. Es wurde mehr und mehr von Intervallen gesprochen: »Intervall-Sport«, »Intervall-Fasten« und »Intervall-Schlaf« – schon seit einiger Zeit haben die Menschen entdeckt, dass sie mithilfe ihrer ureigenen Intervalle ihr Leben verbessern können.
Die Perspektive: die Arbeit und das Leben nach Intervallen ausrichten.
Wir, die Autoren dieses Buches, kennen uns bereits seit mehreren Jahren. Unsere Zusammenarbeit und Freundschaft begann mit der Reihe Start Your Bullet Journal, als wir über die neue spielerische Organisationsmethode drei Bücher veröffentlicht haben. Die Erkenntnisse über die Intervalle verbanden sich an einem dieser Novemberabende in einer Münchner Hotellobby in unseren Köpfen mit der anhaltenden Debatte um die Arbeitszeiten, und wir fragten uns, warum man diese beiden Elemente nicht einfach verbinden sollte? Wie wäre es, wenn man nicht nur seine Ernährung, sondern auch die Arbeit und das Leben insgesamt nach Intervallen ausrichtete? Kennen Sie das Gefühl, wenn die Erde bebt und der Himmel sich auftut? Die Intervall-Woche war geboren.
Dass vier Monate danach eine weltweite Pandemie ausbrechen würde, die eine Weltwirtschaftskrise zur Folge haben sollte, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Die globale wirtschaftliche Veränderung, unsere verordnete Homeoffice-Arbeit und nicht zuletzt die Verlagerung der Kommunikation in die digitalen Wege zwingen uns nun, schneller darüber nachzudenken, was noch aus der alten Welt für die Zukunft taugt und was sich in der neuen Welt, in der Post-Corona-Welt, ändern und weiterentwickeln muss. Die Intervall-Woche ist eine Antwort auf diese Fragen.
Der Mensch im Mittelpunkt
In diesem Buch zeigen wir, dass die Art, wie wir heute arbeiten, eine Hinterlassenschaft der »alten« Industrialisierung ist. Diese Art zu arbeiten hat noch funktioniert, als wir mit dem Fließband Produkte hergestellt haben. Doch wir leben in einer neuen Zeit. Mit neuen Technologien. Mit neuen Anforderungen. Mit neuen Möglichkeiten. Weltweit wird nach Lösungen und Wegen gefahndet, die Produktivität zu steigern, die Leistungsfähigkeit der Menschen und das Wirtschaftswachstum zu erhöhen. Der Mensch als Ganzes rückt in den Vordergrund, weil die Zukunft nur mit gesunden und glücklichen Menschen möglich ist und weil nur Menschen die Komplexität unserer Welt bewältigen, Probleme lösen und planen und gestalten können. Der Mensch stellt das wichtigste Potenzial der Wirtschaft dar. Mit der Intervall-Woche wollen wir es schaffen, ihn wieder in den Fokus zu rücken.
Dieses Buch ist keine Gebrauchsanleitung. Aber es gibt Anleitungen, die man gebrauchen kann. Anleitungen, die Ihnen zeigen, wie Sie wieder Spaß an Ihrer Arbeit finden und über sich hinauswachsen können. Wie auch Sie zu den Gewinnern der Zukunft gehören. Dieses Buch ist auch ein Buch der Hoffnung, des ungebrochenen Optimismus, dass sich der gegenwärtige Zustand ändern und verbessern lässt. Und außerdem ist dieses Buch eine Reise: Sie haben es selbst in der Hand zu entscheiden, ob Sie zusteigen und welchen Waggon Sie nehmen wollen. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auf dieser Reise begleiten!
Lothar Seiwert und Silvia Sperling,
aus unseren Homeoffices in Corona-Deutschland,
im Sommer 2020
www.intervall-woche.de
An einem Montagnachmittag schließt Annalena Thelen die Haustür auf, wirft ihre Tasche auf den Boden und lässt sich tief in die Couch fallen. Was war das nur für ein Tag! Acht Stunden war sie jetzt im Büro, und sie fühlt sich, als hätte sie eine Doppelschicht hinter sich. Während sie sich langsam aus ihrer Jacke quält, schaut sie sich in der Wohnung um. Ein einziges, großes Chaos. Überall liegen verstreute Papiere und Aktenordner herum. Heute Morgen hatte sie nach einem bestimmten Dokument gesucht. Es war alles ziemlich knapp, und sie hatte sämtliche Unterlagen aus den Schubladen gerissen, um dieses blöde Paper zu finden. Annalena massiert sich die Schläfen. Dann hört sie, wie ihr Handy vibriert.
»Hallo?«
»Hey, hier ist Caro. Du, ich wollte nur fragen, ob du noch Lust hast, heute Abend in diese neue Bar zu gehen, die Christian und ich mal …«
»Sorry, meine Liebe. Nächstes Mal gern, aber heute schaffe ich es nicht mehr. Es war ein höllischer Tag.«
»Viel los?«
»Jede Menge …«, sagt Annalena und stockt kurz. Ja, war denn wirklich so viel los? Sie versucht, sich an den Tag zurückzuerinnern. Eigentlich war es doch ein Arbeitstag wie jeder andere auch. Aber warum war sie dann nur so müde und geschlaucht? Dabei war es doch gerade erst Montag!
Kennen Sie das auch? Dieses Gefühl, dass Ihre Arbeit wie ein großer Schatten über Ihrem Leben liegt? Dass Ihre Arbeit Sie krank und müde macht? Dass Sie überhaupt keine Energie mehr für andere Dinge haben? Dieses Gefühl, dass die Arbeit Ihnen zu viel geworden ist, dass ständig etwas passiert und Ihr Kopf einfach nicht mehr hinterherkommt? Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Wie Ihnen geht es den meisten Menschen. Aber woran liegt das eigentlich? Wir arbeiten zu viel!, hört man schon die ersten Stimmen. Aber eigentlich ist das nicht richtig. Statistisch gesehen gehören Deutschland, Österreich und die Schweiz im globalen Vergleich eher zu den Ländern mit den geringsten Arbeitszeiten. Aber was ist es dann? Vielleicht arbeiten wir einfach nur falsch? Nicht wenige Arbeitnehmer haben sich in den letzten Monaten genau darüber Gedanken gemacht.
Das Homeoffice ist auch nach der Krise attraktiv.
Während der globalen Corona-Pandemie und dem daraus resultierenden Lockdown zeigte sich plötzlich, dass eine andere Art von Arbeit möglich war. Homeoffice, Zoom-Konferenzen, digitale Projektrealisierungen. Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag von Acer zufolge würden 75 Prozent der befragten Deutschen auch nach der Pandemie gern weiterhin von zu Hause aus arbeiten.[1] Dabei hieß es doch lange, dass die Arbeit, wie wir sie machen, alternativlos sei?
Warum nicht auch die Arbeit den eigenen Intervallen anpassen?
Nehmen wir es vorweg: Das ist sie nicht. Und immer mehr Menschen spüren das. Es gibt eine neue Art zu arbeiten. Eine bessere Art zu arbeiten. Und davon handelt dieses Buch. Kommen wir auf die Frage zurück, warum wir uns oft so müde und erschöpft fühlen: Die Antwort ist ganz einfach. Und natürlich. Sie liegt tief in unserer Biologie begründet. Wir arbeiten gegen uns selbst an. Der Wissenschaftszweig der Chronobiologie hat entdeckt, dass der Mensch eine innere Uhr besitzt. Diese innere Uhr gibt ihm einen bestimmten Rhythmus vor. Wer es schafft, im Einklang mit diesem Rhythmus zu leben, der setzt ungeheure Energien frei. Wer aber entgegen seinem natürlichen Rhythmus lebt, der macht sich kaputt. Und wir? Wir haben unsere inneren Uhren völlig aus dem Takt gebracht. Kommt Ihnen das vielleicht bekannt vor? Gut möglich, denn wenn wir nicht von Rhythmen, sondern stattdessen von Intervallen sprechen, dann liegen wir voll im Zeitgeist. Intervalle sind ein Modethema. Wie gesagt schwören Millionen von Menschen mittlerweile auf das Erfolgsgeheimnis von neuen Methoden wie dem Intervall-Training, dem Intervall-Fasten oder dem Intervall-Schlaf. Warum also nicht auch die Arbeit den eigenen Intervallen anpassen?
Klingt illusorisch? Ist es aber nicht. Im Gegenteil! Es ist ganz einfach. Man muss nur das Grundprinzip verstehen. Und seine eigenen Intervalle kennen. In diesem Buch zeigen wir Ihnen die vier geläufigsten Intervalltypen: den Intensiven, den Traditionellen, den Flexiblen und den Engagierten. Wir zeigen Ihnen, wo die jeweiligen Stärken und Schwächen dieser Intervalltypen liegen, was sie so besonders macht und wie man es in vier Schritten schaffen kann, seine äußeren Intervalle wieder mit den Intervallen seiner inneren Uhr in Einklang zu bringen. Auch im Arbeitsleben. Wir nennen diese Methode die BOSS-Methode. Die BOSS-Methode orientiert sich an der natürlichen Biologie, an natürlichen Lebensprozessen und wird Ihnen auf diese Weise helfen, wieder der Boss über Ihr eigenes Leben zu werden. Jeder kann sie umsetzen. Egal, ob einfacher Arbeitnehmer, ob Teamleiter oder Konzernlenker: Sie ist universell einsetzbar.
Wer die BOSS-Methode anwendet und seinen Arbeitsalltag mit seinen bestehenden Intervallen synchronisiert, der wird ein besseres Leben führen. Der wird in der Lage sein, bei sehr viel weniger Arbeit sehr viel mehr zu leisten. Der wird sich selbstbestimmter fühlen. Gesünder. Fitter. Wacher. Und er wird einen Anfang machen. Einen ersten Schritt zu einer großen Änderung. Einen ersten Schritt Richtung Arbeitswelt der Zukunft. Er schafft sich eine Basis für die »Neue Arbeit«. New Work ist das Versprechen, dass wir uns nicht mehr zum Werkzeug der Arbeit machen, sondern die Arbeit als ein Werkzeug nutzen, um uns selbst zu verwirklichen. New Work ist die Entkoppelung von Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsdauer.
New Work ist die Entkopplung von Arbeitsort, -zeit und -dauer.
New Work bedeutet eine individuelle Verwirklichung in einem gemeinschaftlich orientierten Arbeitsumfeld, das auf eine neue Form des kommunikativen Miteinanders setzt. New Work ist keine Theorie. New Work ist eine Box voll mit Ideen. Wir sprechen hier nicht nur von Anpassungen in der Arbeitswelt. Wir sprechen von einer Revolution. Und diese Revolution hat bereits begonnen. Wir werden Ihnen in diesem Buch zeigen, wie es Unternehmen bereits erfolgreich schaffen, nach dieser neuen Philosophie zu leben. Und wie das unsere gesamte Arbeitswelt auf den Kopf stellen wird.
Es gibt bereits Bücher über New Work, es gibt bereits Bücher über die Chronobiologie und die Entdeckung der Intervalle. Aber dieses Buch fügt die unterschiedlichsten Ansätze zusammen und erklärt erstmalig, wie unsere Biologie mit unserem Arbeitsleben und unserer Lebensarbeit zusammenhängt, und bietet Ansätze, es verbessern zu können. Interdisziplinäres Denken ist für uns dabei zentral. Mit diesem Buch wollen wir Sie mit auf eine Reise nehmen. Auf eine Reise weg von den stürmischen Gewässern unserer gegenwärtigen Arbeitsweise, hin zu den Ufern der neuen Arbeit, der New Work.
Teil 1
Unsere Arbeit macht uns krank.
Beginnen wir dieses Buch mit einer Bestandsaufnahme. Und mit einer Feststellung: Unsere Arbeit macht uns krank. Das sind nicht nur Worte. Das sind wissenschaftlich belegte Fakten. Nie zuvor haben sich so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland krankgemeldet wie in den vergangenen Jahren. 18½ Tage, also beinah einen Monat lang, blieben Arbeitnehmer im Jahr 2018 durchschnittlich zu Hause, weil sie sich nicht gesund fühlten. Damit hat der Krankenstand einen neuen Höchstwert erreicht, wie aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen[2] und einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)[3] hervorgeht.
Die Entwicklung ist nicht neu. Seit Jahren steigen die Ausfälle in Deutschland. Besonders ein Faktor fällt auf: Immer häufiger leiden Arbeitnehmer an seelischen Problemen. Seit 2008 hat sich die Anzahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen mehr als verdoppelt. Das Bundesministerium für Gesundheit schätzt die pro Jahr durch depressive Erkrankungen anfallenden Fehltage auf etwa elf Millionen. Man muss sich diese Zahl auf der Zunge zergehen lassen: elf Millionen Fehltage. Was steckt dahinter? Forscher bekräftigten, dass die Arbeitsbedingungen, denen wir täglich ausgesetzt sind, einen großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten haben. Allen voran die zunehmende Arbeitsverdichtung. Das bestätigt auch die DGB-Studie, in der es heißt, dass der Druck auf Angestellte weiter steigt. Jeder dritte Beschäftigte gab demnach an, dass er in den vergangenen zwölf Monaten »deutlich mehr Arbeit« bewältigen musste als noch im Vorjahr.
Dabei sind vor allem Menschen betroffen, die in sozialen Berufen arbeiten: Erzieher, Pflegekräfte oder Lehrer. Auch Beschäftigte im Sicherheitsbereich fallen oft aufgrund psychischer Probleme aus. Mit 5,8 Krankheitstagen hatten Altenpfleger 2018 mit Abstand die meisten Fehltage wegen psychischer Störungen. Vor allem monotone Beschäftigungen oder Jobs ohne Entscheidungsfreiheit sind betroffen. Die DGB-Studie zeigt, dass die Stresshäufigkeit mit der Komplexität des Jobs weiter zunimmt. Doch die Fehltage sind nur die Spitze des sinnbildlichen Eisbergs. Tatsächlich gibt es viele Arbeitnehmer, die sich aus falschem Pflichtbewusstsein krank zur Arbeit schleppen. Durch ein solches Verhalten – und die Inkaufnahme der Ansteckung weiterer Kollegen – entstehen sogar höhere Kosten, als wenn sie sich einfach krankschreiben lassen würden. Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und des Bundesinstituts für Berufsbildung ist jeder zweite Erwerbstätige schon einmal krank zur Arbeit gegangen.[4]
Sleep matters!
Aber es sind nicht nur kranke, sondern auch müde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die deutsche Wirtschaft jedes Jahr knapp 57 Milliarden Euro kosten. Die Studie »Why Sleep Matters« der Forschungsorganisation RAND Europe zeigt: Wer ständig zu wenig schläft, leistet sich mehr Fehltage und arbeitet weniger produktiv als ausgeschlafene Kollegen.[5]
Der Studie zufolge verlieren Unternehmen in Deutschland jedes Jahr 200000 Arbeitstage wegen des Schlafmangels ihrer Mitarbeiter. Für Menschen, die regelmäßig weniger als sechs Stunden schlafen, erhöht sich sogar das Sterblichkeitsrisiko um 13 Prozent. Am längsten schlafen im internationalen Vergleich übrigens die Kanadier. Doch selbst dort gehen jährlich 80000 Arbeitstage durch Schlafmangel verloren. Besonders unausgeruht sind Kanadas Nachbarn: In den USA verlieren Unternehmen jährlich etwa 411 Milliarden Dollar durch Schlafmangel.
Stress ist in der gesamten Arbeitswelt eine Herausforderung. Doch was bedeutet eigentlich Stress? Doch nur, dass wir das Gefühl haben, mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen das vor uns liegende Pensum nicht bewältigen zu können. Ist also unser Arbeitspensum zu hoch? Im internationalen Vergleich arbeiten die Deutschen tatsächlich recht wenig. Um genau zu sein: durchschnittlich 34,34 Stunden in der Woche. In der Schweiz (34,39 Stunden) und in Österreich (35,57 Stunden) arbeiten die Menschen nur minimal länger. Das liegt alles noch unter dem europäischen Durchschnitt (36,32 Stunden). Spitzenreiter bei der Wochenarbeitszeit ist hingegen Kolumbien. Ganze 47,73 Stunden arbeiten dort die Menschen durchschnittlich. Gefolgt von der Türkei (46,98 Stunden) und Mexiko (45,13 Stunden). Die kürzeste Wochenarbeitszeit gibt es in den Niederlanden (29,30 Stunden) und in Dänemark (32,25 Stunden). Und dennoch sind unsere Ressourcen ausgeschöpft und verbraucht.
Die Produktivität mit weniger Arbeit deutlich steigern
Die hohe Arbeitsbelastung beschäftigt die Menschen schon lange, und eine mögliche Lösung sehen Forscher darin, die bestehenden Arbeitszeitregelungen aufzubrechen. Ein Modell, das seit geraumer Zeit wieder und wieder debattiert wird, ist die Vier-Tage-Woche. In einigen Unternehmen ist das bereits Realität. Wer etwa an einem Freitag in der Berliner Software-Firma Planio (www.planio.de) anruft, erwischt nur den Anrufbeantworter: »Freitags arbeiten wir nicht, da das ganze Team bei Planio nur eine Vier-Tage-Woche hat.« Wer dann auf die Taste 4 drückt, kann Näheres zu dem Modell erfahren. Vertreter der Vier-Tage-Woche glauben, dass man mit weniger Arbeit die Produktivität deutlich steigern kann. Das bestätigen zahlreiche Studien. Denn durch die verringerte Arbeitszeit stellt sich gleichermaßen ein konzentrierterer Fokus ein, der Kreativität und Motivation steigert.
Das Konzept der Vier-Tage-Woche ist beliebt. Das Softwareunternehmen Citrix führte eine Umfrage in Deutschland durch.[6] Demnach würden 66 Prozent der Deutschen die Vier-Tage-Woche bei gleichbleibender Bezahlung gern in Anspruch nehmen. 15 Prozent sogar dann, wenn es weniger Geld gäbe. Allerdings halten 87 Prozent der Befragten die baldige Einführung der verkürzten Wochenarbeitszeit für unwahrscheinlich. Das liegt an den vielen kritischen Stimmen, die die Debatte prägen. »Dass man in vier Tagen genauso viel erledigen kann wie in fünf, halte ich für einen Mythos. Die Menschen verplempern ihre Zeit bei der Arbeit ja nicht einfach. Im Gegenteil: Wir haben schon jetzt in den meisten Betrieben eine sehr enge Taktung, die einzelnen Arbeitsschritte sind optimal abgestimmt«, schreibt etwa Hilmar Schneider, Ökonom und Leiter des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit IZA in Bonn. »Unternehmen suchen ständig nach Möglichkeiten, um effizienter zu werden. Wer weniger arbeitet, wird also weniger Umsatz machen, weniger Kunden erreichen, langsamer wachsen. Oder: Wenn in einer Firma alle nur vier Tage arbeiten, braucht man mehr Mitarbeiter, um auf die gleiche Leistung zu kommen.«[7]
Der Arbeitspsychologe Tim Hagemann hat sich ebenfalls intensiv mit dem Konzept der Vier-Tage-Woche befasst. Neben einigen Vorteilen sieht auch er kritische Punkte. Zum Beispiel die Arbeitsverdichtung. Der Mitarbeiter müsse demnach dieselbe Arbeit in vier Tagen schaffen, die er in fünf Tagen geleistet hat. Hagemann berichtete von einem Versuch im Bankensektor. Dort habe man vor Jahren die Stempeluhren abgeschafft. Mitarbeiter hätten also auch früher nach Hause gehen können, wenn sie ihre Aufgaben erfüllt hätten. Aber das funktionierte nicht. Wer früher fertig war, habe von seinem Chef nämlich einfach neue Aufgaben bekommen – musste am Ende also mehr arbeiten.[8]
Die Ergebnisse der Citrix-Umfrage zur Vier-Tage-Woche unter 3750 internationalen Arbeitnehmern, darunter 500 aus Deutschland (in Zusammenarbeit mit OnePoll, September 2019)[9]
Vielleicht liegt das Problem aber auch ganz woanders. Vielleicht liegt das Problem ja darin, dass wir einfach nicht mehr in der Lage sind, unsere leeren Akkus wieder ordentlich aufzuladen? Sie kennen die Diskussion um die berühmt-berüchtigte Work-Life-Balance.New Work. Er hat recht. Denn seien wir mal ehrlich: Können wir unser Arbeits-Ich denn wirklich so einfach von unserem Privat-Ich trennen? Sind wir wirklich von dem Moment an, in dem wir das Büro betreten, Arbeitsmensch und von dem Moment an, in dem wir das Büro verlassen, wieder Privatperson?