Cover

Buch

Familientherapeutin Stella hat die überstürzte Flucht von ihrer geliebten Heimatinsel Evergreen vor fünfundzwanzig Jahren nie verwunden. Als sie nun zufällig erfährt, dass im Garten ihres ehemaligen Elternhauses eine Leiche ausgegraben wurde, ist sie beunruhigt und beschließt, nach Evergreen zu reisen und Nachforschungen anzustellen. Dort angekommen, sind nicht alle von ihrem Besuch begeistert, vor allem, als die Identität der Toten bekannt wird und Stellas seit Jahren verschollener autistischer Bruder überraschend gesteht, sie umgebracht zu haben. Von dem Wunsch getrieben, ihren Bruder zu entlasten und die Wahrheit herauszufinden, erkennt sie viel zu spät, in welch großer Gefahr sie schwebt …

Autorin

Heidi Perks arbeitete als Marketingchefin eines Finanzunternehmens, bevor sie sich entschloss, Vollzeit-Mutter und -Autorin zu werden. Sie ist ein unersättlicher Fan von Kriminalromanen und Thrillern und will immer herausfinden, wie die Menschen ticken. Heidi Perks lebt mit ihrer Familie in Bournemouth an der Südküste Englands.

Von Heidi Perks bereits erschienen

Die Freundin

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HEIDI PERKS

DIE
TOTE

PSYCHOTHRILLER

Deutsch von
Sabine Schilasky

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Come Back For Me« bei Century, London.

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Copyright der Originalausgabe © 2019 by Heidi Perks Books Ltd.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2021 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Nikel

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Umschlagmotiv: © Yolande de Kort/Trevillion Images; Shutterstock.com (solarseven; daniilphotos; Quality Stock Arts)

LA · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-22992-4
V001

www.blanvalet.de

Für meinen Mann John,
weil er an mich glaubt.

Und für Bethany und Joseph,
an die ich glaube.

EVERGREEN ISLAND

9. September 1993

Wir brachen in einem Unwetter auf. Auf dem Meer bauten sich bedrohliche Wellenberge auf, und der Regen prasselte einem Kugelhagel gleich auf meine Füße. Dad müsste eigentlich wissen, dass wir in diesem Wetter nicht zum Festland übersetzen sollten, dennoch stand er in seiner kleinen Fähre und fuchtelte wild mit einer Hand, damit eine von uns sie ergriff und sich hineinhelfen ließ. Der Wind hatte ihm die Kapuze seiner roten Regenjacke vom Kopf geblasen, und das Wasser klatschte ihm das Haar an den Schädel. Er brüllte uns zu, dass wir einsteigen sollten, doch wir standen am Ende des Landestegs und rührten uns nicht.

Das Boot schaukelte wild und zerrte an dem Tau, das es an der Anlegestelle hielt, und ich bemerkte, dass Dad das Geländer des Anlegers umklammerte. »Steig ein, Stella!«, rief er.

Donner krachte über uns, und unheimliche, furiose Lichtlinien zerrissen den Himmel. Hinter mir erhellte ein Blitz unser Haus, ließ es gespenstisch zwischen den Silhouetten der hohen Kiefern leuchten, es wirkte fast wie aus einem Horrorfilm. Ich vergrub die Hände tiefer in meinem Regenmantel und drückte Grey Bear fest an meine Brust. Ich wollte nicht das einzige Zuhause verlassen, das ich kannte, aber so entschlossen hatte ich meinen Dad noch nie erlebt. Und dass er verärgert mit zusammengebissenen Zähnen schimpfte, das passte gar nicht zu ihm, sodass ich angesichts seiner Hartnäckigkeit und Unnachgiebigkeit regelrecht zurückschrak.

»Ich fahre nirgends hin«, schrie Bonnie neben mir. »Wir sterben da draußen.« Obwohl meine Schwester ihre Kapuze festhielt, konnte ich im fahlen Mondlicht sehen, wie blass sie war. Seit Jahren sehnte sie sich danach, von der Insel zu kommen, nur ganz sicher nicht so.

»Wir sterben nicht, und wir müssen weg«, schrie Dad sie an, bevor er sich wieder zu mir wandte und einen sanfteren Ton anschlug. »Ich verspreche dir, dass alles gut wird. Uns passiert nichts.«

Meinem Vater gehörte die kleine Fähre, auf die wir steigen sollten, und die letzten sechzehn Jahre hatte er mit ihr täglich problemlos die halbstündige Überfahrt zwischen Evergreen und Poole Harbour gemacht. Wenn jemand uns sicher aufs Festland bringen konnte, dann er. Allerdings hatten wir nie zuvor gewagt, bei solchem Wetter überzusetzen. Mum würde uns nicht mal aus dem Haus lassen, wenn es so schlimm war.

»Können wir nicht bis morgen früh warten?«, bettelte Bonnie.

Ich blickte zum Meer, das wie die unheimlichen Wasserspeier weiße Gischt spie. »Herrgott, steigt ihr jetzt beide endlich ein?« Dad streckte erneut seine Hand aus, während er über meine Schulter zu Mum sah, die soeben den Anleger betrat. Den Kopf gesenkt, die Arme in einem Plastikponcho, zog sie einen Koffer hinter sich her.

»Wo ist Danny?«, rief Dad, als ein weiterer greller Blitz, der Bonnie und mich zusammenzucken ließ, über den Himmel fuhr. Keine Minute später donnerte es direkt über uns los, das Gewitter hatte uns eindeutig erreicht.

Jetzt entdeckten wir meinen Bruder. Er verkroch sich hinter meiner Mutter und war in einen schwarzen Mantel gehüllt, der bis zum Boden reichte und viel zu groß war.

Erneut fing Bonnie an zu rufen und deutete zum Meer, wo die Wogen sich immer höher auftürmten und immer tiefer fielen, als ich es je gesehen hatte. Ein wildes Toben erfüllte die Luft, und ich schrie laut auf vor Schreck, als der Sturm den riesigen Ast einer unserer Kiefern direkt neben mir auf den Anleger schleuderte. Entsetzt sprang ich zur Seite.

Für einen kurzen Moment verstummte Dad und starrte den Ast an, während sich meine Tränen mit dem Regen, der mir ins Gesicht peitschte, vermischten und mein Herz sich wieder verkrampfte, weil ich meine geliebte Insel verlassen sollte. Ich wünschte mir sehnlich, dass Dad es erkannte: Was immer wir taten, es war es nicht wert.

»Ich finde, wir sollten warten, David.« Mums Stimme klang schrill, und sie schaute angstvoll hinaus aufs Wasser. »Es wäre schließlich nicht schlimm, noch eine Nacht zu bleiben und gleich morgen früh los …«

Wir alle hielten den Atem an, als Dad seinen Blick voller Empörung auf sie richtete, als wäre sie an allem schuld. »Nein, Maria, Schluss damit. Wir verschwinden auf der Stelle.«

»Ich verstehe das nicht«, jammerte ich. Eigentlich war Dad der Nachgiebigere von beiden. Er war es beispielsweise, der uns erlaubte, noch eine halbe Stunde länger zu spielen oder einen Schokokeks zu essen, nachdem wir schon die Zähne geputzt hatten.

»Mum«, wandte ich mich bittend an meine Mutter. Warum tat sie nicht mehr, um ihn aufzuhalten? Sie wusste besser als jeder andere, wie sehr diese Insel ein Teil von mir war und dass ich ohne sie nicht leben könnte. Und sie liebte Evergreen genauso sehr wie ich.

Als sie mich ansah, war die Furcht, die ich eben noch in ihrem Gesicht gesehen hatte, vollkommener Ausdruckslosigkeit gewichen. »Mum …« Meine Stimme zitterte, während ich auf ihre Anordnung wartete, wir sollten alle zum Haus zurückkehren. Stattdessen legte sie eine Hand auf meinen Rücken und schob mich auf das Boot zu. Ich zögerte, aber sie schob mich fester, bis mir keine andere Wahl blieb, als auf die Fähre zu steigen. Ich ignorierte Dads ausgestreckte Hand und huschte eigenständig zu einer der wenigen überdachten Bänke.

Danny folgte stumm, setzte sich hinter mich und drehte sich zur Seite, um aus dem Fenster zu starren. Er sah keinen von uns an.

»Ich will nicht weg«, schluchzte ich und sah alle nacheinander an. Einzig Bonnie erwiderte meinen Blick und setzte sich neben mich. Ihr Bein zitterte an meinem, und ich konnte mich nicht erinnern, wann wir uns je so nahe gewesen waren.

Langsam zog ich meine Kapuze ab und blickte durch das zerkratzte Glas, gegen das der Regen sprühte, zurück zur Insel. Durch mein Herz lief ein ähnlicher Riss wie über die zersprungene Fensterscheibe. Tränen rannen mir über die Wangen, als der Wind das Boot bedenklich auf eine Seite drückte und Bonnie aufschrie. Ich streckte beide Arme aus, um mich abzufangen, und ließ Grey Bear los. Vielleicht hatte Bonnie recht, und wir würden es nicht zum Festland schaffen, was Dad fest zu glauben schien. Anders als meine Schwester wurde ich ganz apathisch. Mit einem Mal schien es mir nicht mehr so wichtig, ob das Meer mich verschlang oder nicht.

Mit elf Jahren war ich nämlich nicht bereit zu akzeptieren, warum meine Eltern die Insel übereilt verließen. Ich konnte nicht glauben, dass es zu unserem Besten sein sollte, und erst recht verstand ich nicht, warum sie uns mitten in einem Unwetter wegzerrten.

»Kommen wir bald wieder zurück?«, flüsterte ich meiner Schwester zu.

Bonnies zitternde Hand griff nach meiner. »Nein«, antwortete sie. »Ich glaube nicht, dass wir je wieder herkommen.«

HEUTE

Kapitel eins

Meine Klienten sitzen mir auf dem Sofa gegenüber. Ihre Arme sind vor ihrer Brust verschränkt; der Mann neigt sich vor, die Hände zwischen den breit gespreizten Beinen gefaltet. In den Spalt zwischen diesem Paar würde ich locker passen, und mit jeder unserer Sitzungen bewegen sie sich weiter auseinander.

Ihre Gesichtszüge sind so angespannt, dass ich beinahe den Puls am Hals der Frau sehe, wenn sie mich anstarrt. Mich wundert, dass sie heute noch nicht geweint hat – das hat sie bisher immer getan. Ihr Mann sieht oft zu ihr hin, sie indes nie zu ihm. Jedes Mal, wenn er sie anschaut, zucken seine Augenbrauen, als würde er sich fragen, warum alles so schiefging und was er tun könnte.

»Ich weiß wirklich nicht, was ich noch sagen soll«, murmelt er, und sie lacht geringschätzig, bevor sie irgendwas so leise von sich gibt, dass ich sie nicht verstehe. »Es tut mir leid«, fügt er hinzu.

»O Gott!«, ruft sie aus und sieht zur Decke. Es ist offensichtlich, dass sie ihre Tränen um jeden Preis zurückhalten will.

Ich hasse diesen Moment der Sitzungen, und es ist bereits nach sechs. Tanya wird warten, dass ich gehe, damit sie zuschließen kann. Zuständig für den Empfang, ist sie regelmäßig die Letzte, die aus der Tür geht.

»Ich fürchte …«, beginne ich, aber meine Klientin unterbricht mich, indem sie von der Couch aufsteht und nach der Strickjacke greift, die schlaff über ihrem Arm hängt.

»Ich weiß, unsere Zeit ist um«, sagt sie.

»Tut mir leid.« Ich würde beide ja mit in den Pub nehmen und weiterreden lassen, wäre das nicht total unprofessionell. Deshalb schiebe ich noch eine Frage nach: »Bevor Sie gehen, wollten Sie noch irgendwas anderes erwähnen?«

»Ich denke, er hat heute genug gesagt, meinen Sie nicht?«

Ihr Mann nagt an seinem Mundwinkel und sieht nicht auf, als er sich erhebt und nach seinem Jackett greift.

»Wünschen Sie sich jemals, gar nicht erst danach gefragt zu haben?«, sagt seine Frau leise, als sie mir nach draußen folgt.

»Tun Sie es?«, erwidere ich.

Sie bewegt den Kopf kaum, sodass ich nicht erkenne, ob es ein Nicken ist. »Das kann ich wohl kaum mehr sagen, oder?«

Ich schüttle den Kopf. Nein, sie muss mit der Tatsache leben, dass ihr Mann mit einer anderen geschlafen hat. Gerne hätte ich ihr gesagt, dass sie mal allein zu mir kommen soll, aber sie unterhält sich gerade mit Tanya und macht einen Termin für die nächste Woche aus.

Sobald sie weg sind, schließe ich mein Zimmer ab und gehe hinüber zum Empfang, wo Tanya ihre Brille mit den dicken Gläsern höher auf ihren Nasenrücken schiebt und wild auf ihre Tastatur einhackt. Sie sieht nicht mal auf, bis ich mich fast über sie beuge. »Ich gehe dann mal«, sage ich. »Tut mir leid, dass es wieder ein bisschen länger gedauert hat.«

Das Telefon klingelt, und sie sieht erst nach der Anruferkennung, bevor sie abnimmt. »Praxis von Stella Harvey.«

Nach wie vor beschert es mir ein wohliges Kribbeln, das zu hören. Während sie erklärt, was meine Sitzungen in der Familienberatung kosten, überlege ich nicht zum ersten Mal, wie viel ich sparen könnte, müsste ich nicht einen Anteil von Tanyas Gehalt bezahlen. Mir blieb wenig anderes übrig, als ich den Praxisraum hier im Gebäude mietete. Neben mir gibt es eine Physiotherapeutin und weiter hinten im Flur eine Fußpflegerin und eine Reiki-Heilerin. Keiner von uns arbeitet Vollzeit, und ich glaube nicht, dass wir wirklich eine Empfangssekretärin brauchen.

Tanya legt auf und wendet sich wieder ihrer Tastatur zu, um ihren Computer herunterzufahren. »Es haben neue Klienten angefragt«, sagt sie. »Ein junges Paar, das Probleme mit der Tochter hat. Sie rufen nächste Woche wieder an.«

»Danke. Und hast du am Wochenende etwas Nettes vor?«

»Mike und ich besuchen seine Eltern. Und du?«

»Ich bin morgen Mittag bei meiner Schwester eingeladen.«

»Wie geht es Bonnie?« Tanya zieht die Augenbrauen hoch.

Ich lache. »Gut. Ihr Mann ist über das Wochenende weg.« Ich weiß nicht, warum ich das erwähne, denn ich bin nicht mal sicher, ob es bedeutet, dass Bonnie glücklicher oder genervter ist.

Meine Sekretärin nickt mit geschürzten Lippen, und ich glaube, sie denkt an das einzige Mal, dass sie meiner Schwester begegnet ist. Sie war nicht besonders angetan, aber ich habe längst aufgehört, Bonnie zu verteidigen. Irgendwann interessierte mich nicht mehr, was andere dachten, und ich fand es unnötig zu erklären, dass ich einfach an dem bisschen Familie festhalte, das ich noch habe.

Überhaupt hat bislang nie jemand unsere Beziehung verstanden, und nicht einmal ich kann das komplexe Geflecht erklären, dass uns miteinander verbindet. In den meisten Punkten sind wir vollkommen gegensätzlich. Ich habe lediglich vor achtzehn Jahren ein Versprechen abgegeben, kurz nachdem Danny uns verließ, dass ich immer für meine Schwester da sein werde. Damals begann ich mich zu fragen, ob nicht allein Bonnie die Schuld trägt, dass sie so geworden ist, wie sie ist.

Manchmal hat mir meine Mum nachts etwas zugeflüstert. Wenn sie dachte, dass ich schlief, kam sie in mein Zimmer geschlichen und richtete meine abgestrampelte Bettdecke. Ich mochte es, wenn sie neben meinem Bett kniete, ich ihren warmen Atem auf meinem Gesicht spürte und ihr Chanel-Duft noch eine ganze Weile blieb, nachdem sie das Zimmer verlassen hatte.

»Stella, mein Ein und Alles«, flüsterte sie, während sie sanft über mein Haar strich. »Du bist alles, was ich jemals an Babys gebraucht habe.«

Vielleicht blieb deshalb wenig Raum für Bonnie.

Tanya und ich verlassen gemeinsam das Büro. Sie biegt nach links ein, und ich überquere die Straße in Richtung Park, was auf meinem zwanzigminütigen Heimweg eine Abkürzung ist, vorbei an der Kathedrale und zu meiner Wohnung am Rand von Winchester.

Ich gehe gern zu Fuß, selbst im Januar, wenn das einzige Licht von den Straßenlaternen kommt und die kalte Luft auf meiner Haut prickelt und zwickt. Dann habe ich die Gelegenheit, über meine Klientenliste für die nächste Woche nachzudenken und mir, wie jeden Freitag, zu schwören, mehr Zeit in den Ausbau meiner Praxis zu investieren.

Die Entscheidung, mich als Familienberaterin selbstständig zu machen, habe ich nicht aus einer Laune heraus getroffen. Ich war nie eines dieser Kinder, die schon sehr früh wussten, was sie später werden wollten. Nicht einmal nach dem Schulabschluss hatte ich eine Ahnung, und es brauchte zwölf unglückliche Jahre in einer Personalagentur und eine hübsche Abfindung, bis ich so weit war.

Vor vier Jahren begann ich mit der Ausbildung und der obligatorischen Therapie, die ich selbst machen musste, bevor ich andere therapieren durfte. Meine Supervisorin hatte die Bedeutung von Letzterem frühzeitig hervorgehoben und mir erklärt, dass Wunden aus der Kindheit oder ungelöste Konflikte aus vorherigen Beziehungen mich voreingenommen machen könnten.

Ich hatte abzulehnen versucht, doch mir wurde klar, dass ich mich nicht drücken und zu sehr sträuben durfte, wenn die anderen nicht misstrauisch werden sollten, was die Dynamik in meiner eigenen Familie anging. Den Großteil meiner Vergangenheit habe ich ordentlich in kleine Kisten sortiert und sehr tief vergraben. Darin waren wir als Familie sehr gut. Ich hatte von den Besten gelernt, auch wenn es gegen alles ging, was ich von meinen Klienten erwartete.

Also, warum interessierst du dich für Familienberatung?, lautete die erste Frage, die mir in meiner ersten Probesitzung gestellt wurde.

Ich erzählte der Therapeutin, wie glücklich ich als Kind war. Dass ich sehr liebevolle Eltern hatte und mit ihnen eine idyllische Kindheit auf der Insel Evergreen verlebte. Ferner sagte ich, dass ich mich für familiäre Beziehungen interessiere und seit jeher recht gut zuhören und helfen könne. Bis zu einem gewissen Punkt war ich ehrlich zu ihr. Bis zu dem Moment, als wir die Insel verließen. Oder vielleicht bis unmittelbar davor.

Meine Therapeutin wollte mehr über Evergreen hören, wie die meisten Leute. »Und da leben nicht mehr als hundert Menschen?«, fragte sie mich verblüfft.

»Etwas über hundert«, nickte ich. »Ich kannte sie alle, und alle kannten mich.« Dann erzählte ich ihr, wie wunderbar es war, dort zu leben. »Ich habe es ehrlich geliebt, einige Leute fanden es erdrückend und langweilig, ich dagegen wollte nirgends sonst auf der Welt sein.«

»Und dir war das nicht zu abgeschieden?«, kam es meist als beliebte Gegenfrage. Zwar brauchte man mit der Fähre bloß dreißig Minuten zum Festland, aber man konnte Evergreen von der Küste Dorsets aus nicht einmal sehen.

»Nein, mir nicht«, antwortete ich. Anders meine Schwester: Sie hasste, dass die Fähre unseres Vaters in den Wintermonaten gerade ein einziges Mal am Tag verkehrte. Allerdings hasste sie alles an Evergreen – ausnahmslos alles, was es für mich so liebenswert machte.

»Du hast gesagt, dass du elf warst, als ihr die Insel verlassen habt«, fuhr die Therapeutin fort. »Wie alt waren deine Geschwister?«

»Ich war die Jüngste. Danny war fünfzehn und Bonnie siebzehn.«

Die Psychologin nickte, wobei ich nicht wusste, was sie mit dieser Information anfing. Also lächelte ich die ganze Zeit weiter und bemühte mich, keine Risse zum Vorschein kommen zu lassen. Zumal ich wusste, dass sie bald genauer nachfragen würde, was am Ende unseres letzten Sommers auf der Insel geschah und was die Jahre danach passierte. Sie würde wissen wollen, was den Zusammenbruch meiner Familie auslöste, und ich konnte es ihr nicht sagen. Jeder von uns hatte Geheimnisse, die wir zu gut hüteten, und weil wir nie über sie sprachen, rissen sie uns letztlich auseinander.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wollte ich anderen Familien helfen zu reden, denn im Nichtreden hatte unser Fehler bestanden, was ich der Therapeutin jedoch nicht erzählte. Stattdessen hakte ich die Zeit nach der Insel rasch ab und beschränkte mich auf reine Fakten.

Nach den vielen Jahren versuche ich, die Erinnerungen an die Sitzungen zu verdrängen. Regentropfen, die mir auf den Kopf platschen, holen mich in die Gegenwart zurück. Bald werde ich mich in den nächsten Laden flüchten müssen, wenn ich nicht durchnässt werden will. Meinen Schirm habe ich wohl in meiner Praxis vergessen. Ich steuere ein Geschäft mit Weinregalen an und entscheide mich, eine Flasche Sauvignon Blanc für sieben Pfund zu erstehen.

Zu Hause schenke ich mir ein Glas ein und setze mich ans Küchenfenster, um zuzusehen, wie der Regen rhythmisch auf die Scheiben trommelt. Da dieses Wochenende nichts anliegt und ich keine feste Fünftagewoche habe, lasse ich es gechillt angehen, so wie ich es öfters mache. Nach diesem Glas werde ich mir ein Curry zubereiten und anschließend nach oben zu Marco gehen, um ein weiteres Glas Wein zu trinken, wobei ich seine Bitten ignorieren muss, mit ihm durch die Clubs zu ziehen.

Erst kurz vor zehn bin ich wieder in meiner Wohnung, aber noch nicht bereit, ins Bett zu gehen. Lieber mache ich es mir mit einer Wolldecke auf dem Sofa gemütlich, schalte den Fernseher ein und blättere in einer Zeitschrift vom Couchtisch.

Die Nachrichten fangen gerade an. Eine Reporterin steht vor einem Haus, hält einen großen Regenschirm, und der Wind peitscht ihren Pferdeschwanz hin und her. Mein Blick wandert zu der Laufzeile unten und zurück zu ihr. Zuerst erkenne ich keine der Details und will wieder in die Zeitschrift schauen, als mir etwas auffällt.

Oben in der Bildecke ist ein rundes Fenster mit verdunkeltem Glas zu sehen. Ich rücke auf dem Sofa nach vorne, greife zur Fernbedienung und stelle den Ton lauter, damit ich die Reporterin trotz des heftigen Pochens in meinen Ohren verstehe.

Komisch, dass ich es nicht sofort erkannt habe, wo jedes Detail in meine Erinnerung eingraviert ist, die ich lediglich aufrufen muss, um ein Bild in tausend Pixeln zu malen. Allerdings sieht es nicht mehr ganz so aus wie früher.

Die Fenstersimse sind in einem dunklen Blaugrün gestrichen, die Dachsimse im Kolonialstil im typischen Weiß, und nach vorn ist ein Wintergarten angebaut. Es sieht nicht mehr wie mein Zuhause aus. Trotzdem ist es das. Der weiße Lattenzaun auf der linken Seite ist noch da. Dad hatte ihn gebaut, um unseren Garten von dem Weg daneben abzugrenzen. Rechts stehen noch die hohen Kiefern über die gesamte Länge unseres Grundstücks.

Ich fühle, wie mein Puls schneller wird, als ich der Reporterin weiter zuhöre. »Natürlich steht die ganze Insel unter Schock«, sagt sie gerade.

Angestrengt blicke ich zu der Laufzeile mit den neuesten Nachrichten. Die Worte Insel gefunden rollen nach links weg, und es folgt eine neue Schlagzeile über Syrien.

»Und die Polizei vermag nach wie vor nichts Genaueres zu sagen?« Diese Frage kommt von einer Frau im Studio, während Haus und Garten weiter im Bild bleiben. Die Kamera fährt zurück und fängt ein weißes Polizeizelt ein, vor dem Officer sich unterhalten. Es steht hinten rechts zwischen dem Haus und dem Wald.

»Bisher nicht, dabei hat die Spurensicherung den ganzen Tag hier gearbeitet«, sagt die Reporterin.

Ich sehe erneut auf den Text. Leiche auf Evergreen Island gefunden, steht da. Ich drücke meine Hände fest zusammen, damit sich das taube Gefühl in ihnen nicht bis in meine Arme ausbreitet.

Auf der Insel wurde eine Leiche gefunden. Noch hat es keiner direkt gesagt, dennoch ist klar, dass sie im Garten unseres alten Hauses vergraben war.

Kapitel zwei

Mit morbider Neugier verfolge ich, wie die Nachrichten in scharfkantigen Bruchstücken hervortreten: Die gegenwärtigen Besitzer unseres Hauses planten einen seitlichen Anbau, für den die Ausschachtung, die ziemlich tief und breit sein muss, schon begonnen hatte. Gestern Abend dann bemerkte einer der Bauarbeiter einen Knochen, der sich als Hand entpuppte und an dem Leichenteile hingen.

Die Reporterin berichtet, dass es für den Bauarbeiter ebenso wie für die Hausbesitzer ein schrecklicher Schock war. Hinter dem weißen Zelt zeigt sie auf die exakte Stelle, an der die Leiche entdeckt wurde. Mit großen Augen nehme ich jede Einzelheit in mich auf, meine Hände in den Stoff meines Pullis gekrallt. Für jeden, der die Insel nicht kennt, sieht es aus, als befände die Stelle sich noch in unserem Garten, aber bei genauem Hinsehen erkenne ich, dass sie sich genau dort befindet, wo der Garten endet und der Wald beginnt.

Auf Evergreen haben die wenigsten Grundstücke Zäune, die den Privatgrund abgrenzen. Bei uns wurde lediglich eine Strecke eingezäunt, die direkt am Weg liegt. Alle anderen Seiten, der Zugang zum Wasser ausgenommen, sind von Bäumen gesäumt, sodass der Übergang zum Wald verschwimmt. Was wiederum bedeutet, dass es durchaus ein Irrtum sein könnte zu glauben, die Leiche sei in unserem Garten ausgegraben worden, wie es leider dargestellt wird.

Ich kann meinen Blick nicht vom Fernseher lösen, denn dies, wird mir bewusst, ist das erste Mal, dass ich unser Haus seit jener Nacht sehe. Seit der Nacht, in der wir fortgingen.

Blind greife ich nach meinem Handy. Meine Finger zittern, als ich Bonnies Nummer eintippe und das Telefon an mein Ohr halte. Sie meldet sich, kurz bevor die Mailbox anspringt.

»Hast du die Nachrichten gesehen?«, überfalle ich sie.

»Nein. Ich will gerade ins Bett. Luke geht es nicht gut, und …«

»Schalte sie ein«, unterbreche ich sie. »BBC

»Okay, okay, Sekunde«, seufzt Bonnie, und ich stelle mir vor, wie sie in die Küche geht und den kleinen Flachbildfernseher an der Wand über dem Tresen einschaltet.

»O Gott«, sagt sie plötzlich. »Ist das etwa unser altes Haus?«

»Ist es«, bestätige ich. »Sie haben eine Leiche gefunden. Direkt an der Grenze zu unserem Garten.«

Einen Moment lang schweigt Bonnie. »Könnte auch noch innerhalb sein«, sagt sie schließlich.

»Nein, man sieht, dass es das nicht ist. Schau hin, es ist direkt am Waldrand.«

»Verdammt! Wer ist die Leiche?«

»Haben sie nicht gesagt. Es gibt bislang kaum Einzelheiten.«

Ich höre, wie Bonnie durch ihre Zahnlücke vorn Luft einsaugt.

»Sie haben nicht mal verraten, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Das müssten sie eigentlich erkennen. Heißt es nicht, dass die Forensiker alles untersuchen?«

»Tja, jemand auf der Insel will das womöglich verhindern, weil er weiß, wer es ist«, sagt Bonnie. »Ach du Schreck«, ergänzt sie mit einem kurzen Lachen. »Kannst du dir die Leute vorstellen? Sie werden wie die Geier sein.«

»Es muss furchtbar für die Betroffenen sein, Bonnie.«

»Weiß ich, doch mal im Ernst. Man kann da gar nichts machen, ohne dass es alle anderen wissen. Ich bekam meine Periode, und die Jungs hatten es innerhalb von vierundzwanzig Stunden raus.«

Notgedrungen gestehe ich ein, dass sie recht hat. Auf der Insel macht alles sofort die Runde. Ich konnte früher keinen Fuß über den Klippenrand strecken, ohne dass meine Mutter es erfuhr, bevor ich wieder zu Hause war. Danny konnte nicht von dem Baum fallen, in dem er sich versteckte, ohne dass binnen Stunden auf der ganzen Insel darüber getuschelt wurde, zumal sich sowieso immer alle für Danny interessierten.

»Einer von denen muss es gewesen sein«, meint Bonnie plötzlich, als wäre dies hier gar nicht real, sondern schlicht ein Drama, das wir uns ansehen.

»Woher sollen wir das wissen?«

»Ach, komm. Wer sonst würde eine Leiche auf der Insel vergraben?«

Vielleicht hat sie recht, wenngleich ich nicht daran denken mag. »Glaubst du, wir kennen den oder die?«, hake ich trotzdem nach. »Die Leiche, meine ich.«

»Wahrscheinlich nicht. Es ist so viele Jahre her, seit wir weggegangen sind.« Ich nicke stumm. »Oder«, fährt sie dramatisch fort, »sie war bereits da, als wir in dem Haus gewohnt haben. Dann wären wir über sie rübergelaufen, ohne was zu ahnen. Keiner hat mir geglaubt, dass da was nicht stimmte.«

»Weil es Unsinn war.«

»Wahrscheinlich buddeln sie gerade eine ganze Ladung Leichen aus.«

»Bonnie!«

»Ach, reg dich ab, Stella. Wir wohnen seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr auf der Insel.«

»Weiß ich …«, murmle ich, ohne den Satz zu beenden, und schweige, bis Bonnie wieder spricht.

»Ich finde es schön, was sie mit dem Haus gemacht haben.«

Prompt verkrampfe ich mich. »Was meinst du?«

»Sie haben es gestrichen. Sieht gut aus, finde ich.«

»Haben sie?«, erwidere ich. »Ist mir nicht aufgefallen.« Sie muss wissen, dass ich lüge. Wie könnte ich das Blaugrün übersehen, das es so modern macht, so anders als unser Haus?

Bonnie schnaubt verächtlich, bevor sie fragt: »Willst du Dad anrufen?«

»Muss ich wohl.« Allerdings behagt mir der Gedanke nicht, denn ich rede nicht mehr mit Dad über die Insel.

»Hast du in letzter Zeit mit ihm gesprochen?«, fragt sie.

»Nein.« Die üblichen Schuldgefühle regen sich. »Ich muss ihn mal wieder besuchen. Vielleicht mache ich das demnächst.«

»Wenn die Hexe nicht da ist.«

»Anscheinend arbeitet Olivia im Moment sehr viel. Es kann also gut sein, dass sie weg ist, wenn ich unter der Woche hinfahre. Würdest du mitkommen?«, frage ich, obwohl ich die Antwort kenne.

»Nein«, erklärt Bonnie knapp.

Ich seufze. »Nun gut, dann rufe ich ihn morgen an.«

Bei diesen Worten stellt sich gleich das vertraute Engegefühl ein, das mir das Atmen erschwert und selbst das Reden mit ihm. Er ist nicht mehr derselbe Dad, den ich auf Evergreen hatte. Immerhin gibt es Augenblicke, in denen ich meinen Vater von einst vorübergehend zurückbekomme, und ich kann mich nicht entscheiden, was ich schlimmer finde.

»Die Sache bringt einen ganz schön ins Grübeln, oder?«, holt Bonnie mich in die Gegenwart zurück.

»Inwiefern?«

»Ob wir den kennen, der die ganze Zeit dort vergraben war.«

Nachdem ich aufgelegt habe, sehe ich weiter die Nachrichten, wechsle zwischen den Kanälen hin und her, jage der Story nach, bis es keine neuen Meldungen mehr gibt und ich irgendwann auf dem Sofa einschlafe. Erneut träume ich von der Insel, wie so häufig in letzter Zeit. Ich jage meine Freunde durch den Wald. Wir alle lachen, dann verschwinden sie, und jemand jagt mich. Als ich aufwache, flattert mein Puls, und mein Nacken ist in einem unangenehmen Winkel zwischen den Kissen gefangen.

Einige Jahre nach unserem Fortgang von Evergreen habe ich aufgehört, von der Insel zu träumen, dafür fing es direkt nach den Sitzungen während meiner Ausbildung wieder an. Inzwischen weiß ich nicht, wie ich die Träume verscheuchen soll. Jedes Mal, wenn ich aus einem erwache, höre ich die Stimme meiner Therapeutin.

Siehst du, deshalb ist es wichtig, die Dämonen an die Oberfläche zu spülen.

Dabei gab es nie Dämonen auf Evergreen. Könnte ich alle meine glücklichen Erinnerungen an meine elf Jahre dort aufeinanderstapeln, sie würden bis zum Himmel reichen. In einer Sitzung hatte ich die Scheidung meiner Eltern gestreift und kategorisch behauptet, ihre Probleme hätten erst viel später angefangen, erst nachdem wir die Insel verlassen hatten und nach Winchester gezogen waren und als mein Dad seine Seele an ein klimatisiertes Büro mit getönten Fenstern in der Innenstadt verlor. Von da an waren wir nicht mehr glücklich. Ich erzählte es ihr mehrmals, war indes nicht sicher, ob ich es selbst glaubte. Aber diese Kiste mit Erinnerungen an meine Vergangenheit wollte ich nicht aufmachen.

Es ist nicht mal drei Uhr morgens, und ich sollte weiterschlafen, stattdessen schaue ich zu meinem iPad. In den letzten Jahren gab es nämlich Momente, in denen ich unser Haus online suchen wollte. Nach meinen ersten Therapiesitzungen, wenn wir detaillierter über Evergreen gesprochen hatten, als mir lieb war, kehrte ich in meine Wohnung zurück und ging zu Rightmove, wo ich die Adresse von unserem Quay House, einem kleinen Haus direkt am Wasser, wie sie in früheren Zeiten für den Hafenmeister gebaut wurden, ins Suchfenster eingab und wieder löschte. Ich war nicht bereit gewesen, es womöglich verändert zu sehen.

Zum Ersatz habe ich Nachforschungen nach einigen der Inselbewohner getrieben, darunter nach meiner einst besten Freundin Jill, die ich bisher leider nicht finden konnte. Ich probierte auch andere Namen aus wie Tess Carlton und Annie Webb, die Frau, die ich Tante nannte, jedoch keine Verwandte war. Mittlerweile musste Annie in den Achtzigern sein oder nicht mehr leben, jedenfalls habe ich sie auf Facebook nicht mehr gefunden.

Das führt dazu, dass ich, anstatt noch einmal im Internet zu suchen, nach meinem Sammelalbum aus Kindertagen greife, das in dem Zeitungsständer neben dem Sofa versteckt ist. Es ist ein wahrer Trost, eine Erinnerung an glückliche Zeiten, und sehr schnell spüre ich, wie mein Puls ruhiger wird.

Das Album öffnet sich an der Stelle, an der ich zuletzt hineingesehen habe. Dort haftet eine Feder mit einem braunen, ausgeblichenen Klebestreifen, der sich an den Enden nach oben kräuselt. Irgendwann muss ich die Seiten sorgfältig reparieren und die Sachen neu einkleben, ehe alles endgültig auseinanderfällt.

Ich kenne alle Seiten auswendig und weiß nicht mal mehr, ob sie tatsächlich Erinnerungen an die Insel wachrufen oder ich mir das einbilde, weil ich die Fotos und Andenken so oft angeschaut habe. Als ich umblättere, flattert ein Foto heraus.

Mum hat es von mir und meiner Freundin Jill in jenem letzten Sommer aufgenommen. Wir sitzen im Sand, die Köpfe so dicht zusammengesteckt, dass sich unsere Haare vermischen – meine von der Sonne goldblond geblichenen Strähnen und Jills hellbraune Locken wehen im Wind, ein bezaubernder Schnappschuss.

Ich streiche mit dem Finger über Jills Gesicht. Wenn ich meine Augen schließe, meine ich sie lachen zu hören, dabei hatte sie gerade etwas geflüstert, das meine Mutter nicht hören sollte. Ihr lag daran, dass wir endlich »Cheese« sagten und grinsten.

Unversehens fällt mir ein, um was das Geflüster bei dieser Aufnahme gegangen war. Ich hatte mein Versprechen, es keinem zu erzählen, den ganzen Sommer über gehalten, bis ich am Ende schwach wurde und es nicht mehr geheim hielt. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, und es war müßig, jetzt darüber nachzudenken.

Kapitel drei

Am nächsten Tag frage ich mich, wie das Mittagessen mit Bonnie ausfallen wird, denn unsere Gespräche über Evergreen sind grundsätzlich anstrengend, was ich auf den Umstand schiebe, dass wir unsere Kindheit vollkommen gegensätzlich wahrnehmen. Manchmal wundert es mich, wie man aus derselben Familie stammen und wichtige Jahre so unterschiedlich betrachten kann.

Bonnie öffnet die Tür und tritt zur Seite, um mich rasch hineinzulassen, da es seit gestern Abend nicht aufgehört hat zu regnen. »Luke ist immer noch krank, deshalb ist er nicht weggefahren«, sagt sie, als sie an mir vorbei in die Küche im hinteren Teil des Hauses geht.

»Was hat er denn?«

»Eine Erkältung.« Sie seufzt laut. »Er liegt im Bett und jammert. Weil ich ihm gesagt habe, er soll nicht aufstehen, solange er noch ansteckend ist.«

»Du hättest auch zu mir kommen können, statt deinen Mann ins Schlafzimmer zu verbannen.«

Sie wirkt entsetzt. »Ich habe schließlich schon das Mittagessen gemacht.«

Mal wieder staune ich über ihr mangelndes Mitgefühl, als ich meine Jacke ausziehe und an einen Haken an der Hintertür hänge.

»Was willst du trinken, Tee oder Kaffee?«

»Tee, bitte.«

»Ich hatte mich so darauf gefreut, Luke dieses Wochenende aus dem Weg zu haben. Er treibt mich nämlich in den Wahnsinn.«

»Das tut er anscheinend immer«, sage ich spitz und denke an meinen armen Schwager oben, der wohl trotz Erkältung bald nach unten kommen und Hallo sagen wird.

»Na ja, jetzt ist er noch unmöglicher als sonst. Er hat die Jungs zum Boxen angemeldet, glaubt man das? Wie kommt er darauf, dass ich die beiden boxen lassen will?« Sie bricht ab, als ihr Ältester, Ben, in die Küche kommt.

»Ich will boxen, Mum«, erklärt er kategorisch. »Und du hast gesagt, ich darf.«

»Ja, weiß ich.« Sie betrachtet ihren Zwölfjährigen einen Moment und wendet sich dann ab.

Ben zuckt mit den Schultern, und ich breite die Arme aus, um ihn zu drücken. »Deine Mutter sorgt sich nur um euch, weiter nichts«, murmle ich ihm zu. »Sie will nicht, dass ihr verletzt werdet.«

»Und es ist teuer«, wirft Bonnie nicht gerade diplomatisch ein, »das kommt hinzu.«

Ich verdrehe die Augen, und Ben grinst. »Ich möchte schwören, dass du wieder gewachsen bist, seit ich dich zuletzt gesehen habe. Du bist ja fast so groß wie ich.«

»Ja, ich finde bloß, du bist klein, Tante Stella.«

»Hey!« Ich lache. »Einsachtundfünfzig ist nicht gerade klein.« Er macht dauernd Witze über meine Größe, weshalb ich mir neben Bonnie, die fast fünfzehn Zentimeter größer ist, wirklich winzig vorkomme.

»Kannst du mich zu Charlie fahren, Mum?«, fragt Ben. »Es regnet.«

»Nein, denk nicht dran. Dafür hast du ein Fahrrad gekriegt. Er wohnt schließlich gleich um die Ecke, und außerdem ist deine Tante zu Besuch hier.«

»Mir macht es nichts …«, beginne ich.

»O nein. Er ist mobil und hat Beine.«

»Na gut. Bis später, Tante Stella.« Ben winkt mir zu und ist weg.

»Was für ein hübscher Junge er ist«, sage ich, als die Haustür hinter ihm ins Schloss fällt. »Sind sie beide.«

»Ich weiß.« Bonnie hält inne und blickt in den Flur, bevor sie sich wieder umdreht und Teebeutel und Becher aus den Schränken holt. »Mir graut vor dem Tag, an dem sie Freundinnen mit nach Hause bringen.«

Als meine Schwester den Tee aufgegossen hat, ziehe ich mir einen Stuhl unterm Tisch vor. »Es gibt noch keine Neuigkeiten zu der Leiche«, sage ich.

Für einen Moment reagiert sie nicht, und ich rechne damit, dass sie wie immer das Thema wechselt. »Hast du Dad angerufen?«, fragt sie prompt.

Ich schüttle den Kopf. »Noch nicht. Willst du ihn gar nicht mehr sehen, Bon? Fehlt er dir kein bisschen?«

Sie verzieht das Gesicht und sieht zur Seite. »Ich bin ihm nie so nahe gewesen wie du.«

»Das meine ich nicht, und ihr wart euch sehr wohl nahe.«

»Keiner von ihnen hatte viel Zeit für mich.« Sie wischt mit den flachen Händen über die Tischplatte.

»Das zu sagen, ist albern, und früher hast du selbst das Gegenteil behauptet«, erinnere ich sie an die wenigen Male, die sie sich geöffnet hat.

»Nur in den ersten Jahren, als sie mich immer zu ändern versucht haben«, erwidert sie. »Irgendwann haben sie es aufgegeben. Wahrscheinlich, als du kamst. War ein Witz!« Sie sieht mich über ihren Becherrand hinweg an. »Jedenfalls mochten sie dich am liebsten, was für jeden offensichtlich war.«

»Bonnie, das stimmt nicht.«

»Doch, tut es.« Abrupt schiebt sie ihren Stuhl zurück. »Und mir ist es längst egal. Ich mache mal das Mittagessen. Es gibt eine Suppe, mehr nicht.«

»Klingt super«, sage ich und frage mich, warum sie das Treffen nicht verlegen konnte, wenn sie ohnedies gar nichts Aufwendiges geplant hat. »Wo ist Harry?«

»Der ist wie Ben bei einem Freund. Echt, die verbringen mehr Zeit bei anderen Leuten als hier. Ich sehe sie kaum noch.« Bonnie senkt den Kopf. Es ist unschwer zu erkennen, dass sie ihre Söhne vermisst, auch wenn sie es nicht zugibt. »Ich schätze, so läuft es eben, wenn man auf eine normale Schule in einer normalen Stadt geht – das Gegenteil von dem, was wir hatten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, müssten sie so leben wie wir früher. So eingeengt.«

»Gab es für dich gar nichts Schönes an Evergreen?«

Sie wendet sich zu mir. »Nein, nichts. Ich hatte kein Leben, keine Freunde …«

»Hattest du«, unterbreche ich sie. »Da war Iona …«

»Eine, und die gerade mal einen Sommer lang.« Sie dreht sich zum Herd zurück. »Übrigens habe ich neulich an Danny gedacht.« Für sie ist dies eine unerwartete Veränderung, denn sie hat unseren Bruder bislang aus Kopf und Herz verdrängt. »Ich weiß nicht, wie ich auf ihn gekommen bin«, fährt sie fort, »es ist eine Woche her.«

Da ich nicht weiß, was ich sagen soll, warte ich, dass sie fortfährt.

»Nein, jetzt lüge ich«, sagt sie. »Ich weiß genau, wie ich auf ihn gekommen bin. Es war, als ich dieses schräge ältere Kind beim Rugbyspiel der Jungs gesehen habe. Es stand an der Seitenlinie und starrte die anderen an. Das hat mich an Danny erinnert.«

Ich zupfe eine kleine Ecke von meiner Papierserviette ab und rolle sie zwischen den Fingern.

»Unser Bruder hat jedem Angst gemacht, dafür habe ich ihn gehasst …« Ihre Stimme verliert sich, als würde sie allein mit sich selbst reden. Gedankenverloren schöpft sie Suppe in zwei Schälchen und bringt sie zum Tisch, holt noch einen Brotlaib und ein Messer.

»Du hast ihn nicht gehasst«, sage ich leise, als sie sich wieder hinsetzt.

Sie sieht mich mit großen Augen an. »Und ob! Von dem Moment an, in dem er geboren wurde. Ehrlich, da hat sich alles verändert. Da fing Mum an, mich zu diesen blöden Spielsitzungen aufs Festland zu schleppen, zu der Frau, die mich immer zum Reden bringen wollte.« Bevor ich nach den Sitzungen fragen kann, redet Bonnie bereits weiter. »Ich habe nie kapiert, warum du ihn nicht gehasst hast. Und ich habe nie gewusst, worüber ihr beide geredet habt, wenn ihr in dem Baumhaus hocktet. In dem Ding habt ihr Stunden verbracht.«

Haben wir, wobei wir eigentlich nie geredet haben. Jeder von uns machte sein Ding, wie es kleine Kinder tun, bevor sie richtig zu spielen lernen. Danny malte, während ich gelesen oder mit meinen Barbiepuppen gespielt habe.

»Erinnerst du dich, wie er von dem Baum gefallen ist und ich dachte, er sei tot?«, fragt Bonnie. »Er hat sich nicht gerührt, sondern lag einfach da.« Sie lässt einen Arm schlaff herunterhängen und streckt die Zunge seitlich aus ihrem Mund. Es sieht so komisch aus, dass ich Mühe habe, nicht zu grinsen. »Er hatte Iona und mich heimlich beobachtet, und da war der Ast unter seinem Gewicht abgebrochen, sodass er runterfiel und direkt vor unseren Füßen landete.«

»Daran erinnere ich mich höchstens vage.« War es das eine Mal, dass sie Mum seinetwegen in der Küche angeschrien hatte?

»Einen Moment lang habe ich mir gewünscht, dass er sich nie wieder rührt, und ich wollte ihn umbringen, als er es tat. Er hat uns immerzu beobachtet, und das war mir so sagenhaft peinlich. Keiner hat den Jungen verstanden.«

»Keiner hat es versucht.«

»Solange ich mich erinnere, hat er immer alleine gespielt, seine Spielzeugautos im Sand ständig im Kreis fahren lassen. Damals habe ich mich gefragt, warum sie so viel Mühe verschwendeten, mich zu verstehen, wenn jeder erkennen konnte, dass es Danny war, der Hilfe brauchte.«

»Wann haben diese Sitzungen eigentlich aufgehört? Die, zu denen Mum dich gebracht hat?«

»Die Spielsitzungen?« Bonnie zuckt mit den Schultern und nimmt einen Löffel Suppe. »Als ich ungefähr sieben war, glaube ich. Jedenfalls hat Mum mich eines Tages dort abgeholt und gesagt, mehr müsse sie nicht wissen.«

»Mehr worüber?«, frage ich, wenngleich ich ahne, dass Bonnie nicht mehr sagen wird. Sie würde mir nur kurz erklären, dass sie es nicht mehr weiß, dabei bin ich nicht sicher, ob es die Wahrheit ist oder ob sie sich ihr nicht stellen will.

»Er ist immer schlimmer geworden, je größer er wurde«, lenkt sie meine Aufmerksamkeit auf Danny zurück. »In dem letzten Sommer war er ein Albtraum. Du erinnerst dich sicher noch an die Übernachtung am Strand?«

»Ja, natürlich. Du meinst, als man Danny vorwarf, eines der Mädchen unsittlich angefasst zu haben.«

»Und denk dran, wie er mit Iona umging«, sagt Bonnie leise. »Das hat es für mich unangenehm gemacht. Ich war erstaunt, dass sie überhaupt noch so oft gekommen ist, wenn Danny da war.«

»Er hat sie gemocht, weil sie nett zu ihm war.«

Als meine Schwester den Kopf wendet, huscht ein leichter Schatten über ihr Gesicht. »Ich war neulich bei Mums Grab. Hast du die Blumen hingestellt?«

Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. Bonnies Themenwechsel sollten mich nicht wundern, erwischen mich allerdings jedes Mal aufs Neue eiskalt. Und ihre Frage ist ohnehin unsinnig, denn sie weiß genau, dass ich jede Woche hingehe und frische Blumen mitnehme.

»Mum hätte gehasst, was passiert ist, oder?«

Ich nicke. In gewisser Weise bin ich froh, dass sie es nicht mehr miterlebt.

»Möchtest du einen Kaffee?«, fragt Bonnie nach dem Mittagessen.

»Gerne«, antworte ich und helfe ihr beim Abräumen.

»Ach, in Momenten wie diesen könnte ich morden für ein Glas Wein«, sagt sie und sieht mich an, um meine Reaktion nicht zu verpassen.

»Ich weiß nicht, was du von mir erwartest, Bonnie.«

»Na hör mal, du bist Therapeutin. Wenn dir nichts einfällt, dann niemandem.«

»Ich berate Familien mit Beziehungsproblemen, keine trockenen Alkoholiker.«

»Hängt das nicht alles zusammen?«, fragt sie, wobei sie mich aufmerksam beobachtet, und fügt hinzu, als ich nicht antworte: »Es ist ja nicht so, als würde ich mich betrinken wollen. Ich finde einfach Kaffee und Tee auf die Dauer langweilig.« Angewidert blickt sie zu dem Wasserkessel. »Was macht überhaupt deine Arbeit?«

»Die läuft gut. Ich mag sie sehr.«

»Hast du interessante Klienten?«

Ich lache. »Du weißt, dass ich dir nichts erzähle.«

»Ach, komm schon. Bringt es mir absolut gar nichts, deine Schwester zu sein? Ein bisschen was, mehr nicht, du musst ja keine Namen nennen.«

»Nein, dabei bleibt es!«

»Du bist langweilig. Das könnte ich dir sofort bescheinigen.«

»Zweifellos«, sage ich lächelnd.

»Und sind bei denen irgendwelche Männer, die du ganz passabel findest?«

»Bonnie!«

»Im Ernst, wie willst du sonst jemanden kennenlernen? Einige von denen sind bestimmt in der idealen Lage, unglücklich in ihren Ehen zu sein. Du müsstest ihnen einfach einen Stups in die richtige Richtung geben.«

»Wenn du so fragst, es sind keine dabei, die ich mag.«

»Vielleicht bist du als Single besser dran.« Sie schenkt heißen Kaffee in zwei Becher, und wir schweigen, bis sie sagt: »Denkst du jemals daran, nach Danny zu suchen?«

»Natürlich, wenn ich wüsste, wo ich anfangen soll …«

»Glaubst du, Mum hat gewusst, wo er ist?«

»Kann ich mir nicht vorstellen«, antworte ich und nehme meinen Becher. Ich habe meiner Mutter stets vorgeworfen, dass sie ihn gehen ließ. Mit zweiundzwanzig war Danny noch nicht alt genug, um richtig für sich selbst zu sorgen, und ich habe nie verstanden, warum sie es ihm erlaubt hat.

Das ist achtzehn Jahre her, und damals wollte ich das ganze Land nach ihm absuchen. Ich sah Bilder vor mir, dass wir ihn frierend in irgendeiner dunklen Gasse fanden, ihn ins Auto luden und mit nach Hause nahmen, wo er hingehörte. Aber Mum schüttelte den Kopf: »Ich habe ihn schon vor langer Zeit verloren.«

Was stimmte. Jeder konnte verfolgen, wie Danny sich nach unserem Fortgang von der Insel in sich zurückgezogen und seine Stifte und seinen Zeichenblock nicht mehr aufgenommen hatte.

»Vielleicht hat Mum ja zu ihm Kontakt gehalten und es uns aus irgendeinem Grund nicht verraten«, sage ich.

»Warum sollte sie das tun?«

»Weiß ich nicht. Vielleicht hat er sie ja darum gebeten.«

»Aus welchem Grund?«

Genervt fahre ich sie an: »Hör auf, mir Fragen zu stellen, auf die ich keine Antwort weiß. Das Problem ist, dass wir es nie wissen werden.«

Bonnie nickt. »Denkst du, er ist noch am Leben?«

Sie bietet mir einen Keks an und nimmt sich selbst einen, während sie mich erwartungsvoll anschaut.

»O Gott, Bonnie, wie kannst du denken, dass er es nicht mehr ist?«

Sie zuckt mit den Schultern und beobachtet mich kauend weiter. »Wahrscheinlich hat unsere Mutter gewusst, wo er steckt«, sagt sie schließlich sehr leise. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nie nach ihm gesucht hat.«

Als am Abend in den Nachrichten immer noch magere Schlagzeilen gesendet werden, nehme ich mein iPad und gehe die zahlreichen Fotos der Websites auf der Suche nach vertrauten Gesichtern durch.

Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, was aus den Leuten geworden ist, mit denen ich aufgewachsen bin und die noch auf der Insel sein könnten. Jetzt zoome ich das Bild einer Menge nahe dem Polizeizelt und suche nach bekannten Zügen, leider wird alles körniger, je näher ich rangehe. Plötzlich entdecke ich in der Menge wider Erwarten doch noch eine Frau, die ich wiedererkenne.

Ich klicke das Bild an und öffne ein anderes. Eindeutig sehe ich Jills Mutter, Ruth Taylor. Sie steht allein neben dem Café auf einem Foto, das den Presseuntertitel Das örtliche Dorf trägt. Ich mustere ihr rundes Gesicht und ihren leicht geöffneten Mund, als sie auf etwas starrt, das nicht im Bild ist. Natürlich sieht sie erheblich älter aus, und ihr Haar ist mittlerweile vollständig grau geworden. Also hat die Familie nie die Insel verlassen, dabei habe ich aus vielerlei Gründen gehofft, Jill würde es tun.

Zur Vergewisserung rufe ich die erste Aufnahme erneut auf und lehne mich zurück. Jeder dieser Menschen wird in den nächsten Tagen Fragen beantworten müssen, und ich bin sicher, dass die Polizei inzwischen weiß, wessen Leiche es ist, oder es sehr bald wissen wird.

Keiner kann einen Fuß auf die Insel setzen oder von ihr weggehen, ohne dass es jeder weiß. Und niemand könnte dort vergraben worden sein, ohne dass nicht mindestens einer von der Insel eingeweiht worden war.