Cover

ZUM BUCH

Als Zwölfjährige erfährt Ella mit brutaler Härte, was es heißt, nach 1945 als Tochter einer Deutschen in der Tschechoslowakei aufzuwachsen. Revolutionsgarden erschlagen ihren Vater, die Mutter muss sich mit ihrem neugeborenen Sohn in einem tschechischen Dorf verstecken. Ella ist auf sich allein gestellt, erträgt immer neue Schicksalsschläge: Klosterschule, Kommunismus, Ehe mit einem Egozentriker, Psychiatrie – bis sie endlich in Prag der großen Liebe begegnet. Mit dem jüdischen Arzt Milan ist sie zum ersten Mal glücklich und fühlt sich geborgen. Beide haben nur noch einen Wunsch: zusammen mit Ellas kleiner Tochter in den Westen fliehen. Doch der Geheimdienst ist ihnen dicht auf den Fersen …

Von Hera Lind sind im Diana Verlag bisher erschienen:

Die Champagner-Diät – Schleuderprogramm – Herzgesteuert – Die Erfolgsmasche – Der Mann, der wirklich liebte – Himmel und Hölle – Der Überraschungsmann – Wenn nur dein Lächeln bleibt – Männer sind wie Schuhe – Gefangen in Afrika – Verwechseljahre – Drachenkinder – Verwandt in alle Ewigkeit – Tausendundein Tag – Eine Handvoll Heldinnen – Die Frau, die zu sehr liebte – Kuckucksnest – Die Sehnsuchtsfalle – Drei Männer und kein Halleluja – Mein Mann, seine Frauen und ich – Der Prinz aus dem Paradies – Hinter den Türen – Die Frau, die frei sein wollte – Über alle Grenzen – Vergib uns unsere Schuld – Die Hölle war der Preis – Die Frau zwischen den Welten

HERA

LIND

Die Frau zwischen

den Welten

Roman nach einer wahren Geschichte

Vorbemerkung

Dieses Buch erhebt keinen Faktizitätsanspruch. Es basiert zwar zum Teil auf wahren Begebenheiten und behandelt typisierte Personen, die es so oder so ähnlich gegeben haben könnte. Diese Urbilder wurden jedoch durch künstlerische Gestaltung des Stoffs und dessen Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus dieses Kunstwerks gegenüber den im Text beschriebenen Abbildern so stark verselbstständigt, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren objektiviert ist.

Für alle Leser erkennbar erschöpft sich der Text nicht in einer reportagehaften Schilderung von realen Personen und Ereignissen, sondern besitzt eine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene. Es findet ein Spiel der Autorin mit der Verschränkung von Wahrheit und Fiktion statt. Sie lässt bewusst Grenzen verschwimmen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2020 by Diana Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München

Umschlagmotive: © Shutterstock.com (lunamarina; Stokkete; vectorfusionart;

Creative Travel Projects); © Lee Avison/Trevillion Images

Fotos der Autorin: © Erwin Schneider, Schneider-Press

Herstellung: Helga Schörnig

Satz: Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-641-24545-0
V003

www.diana-verlag.de

Für Ellas Tochter Alina

Manchmal muss man an Orte der Vergangenheit zurückkehren, damit Frieden einkehren kann. Damit nimmt man den Erinnerungen die Schärfe.

Ich wuchs in zwei Sprachen auf, lebte zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei verfeindeten Nationen, die bis heute nach einer Aussöhnung suchen. Ich war fast mein ganzes Leben lang zwischen den Welten.

(Ella Berner, 87)

Anmerkung des Verlages:

Einige Kapitel spielen in Hillemühl, einem Dorf im Lausitzer Gebirge in Nordböhmen. Bis 1918 gehörte es zu Österreich-Ungarn (Amtssprache deutsch), ab 1918 war es Teil der neu gegründeten Tschechoslowakei (Amtssprache tschechisch), ab 1939 gehörte es zum Deutschen Reich und wurde Sudetengau genannt (Amtssprache deutsch), seit 1945 zählt es zur Tschechoslowakischen Republik (Amtssprache tschechisch).

1

Hillemühl im Lausitzer Gebirge, Nordböhmen,

Deutsches Reich, seit 1939 Sudetengau,

Ende März 1945, 6 Wochen vor Kriegsende

Nebenan wackelte der kleine Ziegenstall. Das Vieh schrie und meckerte, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Irgendwas lag in der Luft, das mein Idyll im Haus meiner Großmutter bedrohte, das spürte ich. Auch die bucklige Tante Berta, genannt Bertl, die wegen ihrer Behinderung genauso klein war wie ich, hockte blass und verstört auf ihrem dreibeinigen Hocker in der rustikalen Wohnküche und hörte Radio.

»Was soll nur aus uns werden, vor allem aus dem Kind!«, murmelte sie.

Das Kind war ich. Elf Jahre alt und hier auf dem Land bei Großmutter und Tante Bertl in Sicherheit gebracht.

Großmutter Auguste, die nach der Ziege geschaut hatte, stand kopfschüttelnd in der Tür.

»Wenn der Krieg aus ist, werden uns die Tschechen an den Kragen gehen«, knurrte sie und wischte sich die Hände am Küchenhandtuch ab. »Wir Deutschen werden hier um unser Leben fürchten müssen!«

Erst jetzt schien mich Großmutter richtig zu bemerken.

»Oje, Ella, da bist du ja …« Sie trank einen Schluck Wasser und straffte sich. »Ich werde wieder nach der Ziege schauen, lange kann es nicht mehr dauern.«

»Tante Bertl, wieso müssen wir Deutschen jetzt um unser Leben fürchten?«

»Ach, Kleines, die Welt ist schon lange aus den Fugen geraten!« Tante Bertl sah mich aus ihren tief liegenden Augen traurig an. »Aber du bist jung, du hast dein Leben doch noch vor dir.«

»Aber wir Deutschen leben doch mit den Tschechen friedlich zusammen? Papa ist Tscheche, Mama Deutsche!« Ich schaute Tante Bertl fragend an. »Die können doch nicht plötzlich Feinde sein?«

»Ach Liebes!« Tante Bertl tätschelte mir den Kopf. »Es tut mir nur so leid um deine arme Mama, die in diesen wirren Zeiten ein Baby bekommt! Gut, dass sie nicht hier ist – wer weiß, ob wir nicht bald aus unserem Haus vertrieben werden!«

Ich verstand das alles nicht. In Großmutters beschaulichem Hillemühl sollte sich plötzlich alles ändern? Wieso waren die Deutschen plötzlich unbeliebt? Sie sollten aus Böhmen und Mähren vertrieben werden? Wohin denn nur? Heim ins Reich? Sudetenland war doch unser Reich! Das hatte der Herr Hitler doch laut genug im Radio herumgeschrien!

»Unsere Vorfahren leben doch schon lange hier! Schon seit sie vor knapp zweihundert Jahren unter Kaiserin Maria Theresia hier angesiedelt wurden, das habe ich im Geschichtsunterricht gelernt!«

»Geh der Großmutter helfen, Liebes!« Tante Bertl wollte nicht mehr darüber reden.

Ich tat wie geheißen und wartete unschlüssig vor dem Stall. Mit der bissigen Ziege war nicht zu spaßen, außer Großmutter durfte sich dem bockigen Tier niemand nähern, aber jetzt war sie völlig außer Rand und Band. Das Tier zerrte an dem Strick, mit dem es am Pflock angebunden war, zielte mit den Hörnern auf jeden, der sich ihr näherte, und stieß Töne aus, die ich einer Ziege nie zugetraut hätte.

»Ella!« Großmutter steckte den Kopf aus dem Stall. »Es ist so weit. Die Ziege bekommt Nachwuchs! Magst du zuschauen?«

Mein Herz polterte. »Ich trau mich nicht …«

Oh Gott! Machte meine Mama etwa gerade dasselbe durch? Jeden Moment sollte doch mein Geschwisterchen auf die Welt kommen!

Mama, Papa und ich wohnten eigentlich in Prag in einer geräumigen Wohnung unweit des Denis-Bahnhofs, aber der stand möglicherweise unter Beschuss, und die tschechische Schule war vermutlich längst geschlossen.

Deshalb hatte Papa meine hochschwangere Mama in ein nahe gelegenes tschechisches Dorf namens Zahořany verfrachtet, wo er ihr ein winziges Zimmerchen an der Durchgangsstraße gemietet hatte. Dort sollte Mama »in Ruhe« ihr Baby bekommen.

Irritiert stand ich da, wusste nicht, was ich tun sollte.

»Komm ruhig rein! Die Ziege hat etwas anderes zu tun, als dich zu beißen!« Großmutter winkte mich näher. Unter ihrem roten Kopftuch sahen ihre roten Wangen aus wie kleine verschrumpelte Äpfelchen. »Das ist deine Chance, eine Ziegengeburt mitzuerleben!«

Wollte ich das wirklich? Hätte ich gewusst, was mir in meinem jungen Leben bald noch alles bevorstehen würde, wäre das hier ein Klacks für mich gewesen! Aber ich wusste es nicht. Zum Glück.

An der Hand meiner lieben Großmutter Auguste stapfte ich tapfer in den kleinen Stall. Mit energischen Griffen band Großmutter mir eine Schürze um.

»So. Hier hinter dem Gitter bleibst du stehen. Ich reiche dir die Zicklein dann, und du trägst sie nacheinander vorsichtig in die Küche, einverstanden?«

Oh Gott, was war ich aufgeregt. Fasziniert beobachtete ich meine gebückte Großmutter und die sich windende Ziege, die in meinen Augen beide hochprofessionell ans Werk gingen. Mit geübten Griffen befreite Großmutter das schreiende Tier von drei zuckenden Wesen, die nacheinander ins Stroh plumpsten. Sie machten einen hilflosen, verstörten Eindruck. So war das also, wenn man auf die Welt kam!

»Hier, kleine Hebamme. Das Erste. Vorsichtig, es ist ganz glitschig.«

Respektvoll nahm ich mit meinen Kinderhänden das winzige Ding entgegen, dessen Augen noch verklebt waren, das aber schon mit seinen stangenähnlichen Beinchen strampelte. Es war überraschend leicht und zart, und mich durchströmte ein nie gekanntes Glücksgefühl. Es lebte! Und ich durfte es tragen!

Ehrfürchtig trug ich es in die Küche.

Tante Bertl drehte mit ihren knotigen Fingern das Radio ab. Sie hatte inzwischen eine Kiste mit Stroh ausgelegt und neben den aufgeheizten Ofen gestellt.

»Na bitte, kleine Ella! Das hat doch hervorragend geklappt.«

Nach kurzer Zeit zappelten drei kleine langbeinige Wesen in der Kiste herum, und Großmutter wusch sich lachend die Hände über dem Waschtrog. Auch Tante Bertls Augen lagen nicht mehr so tief in ihren Höhlen, sondern hatten einen warmen Glanz.

»Schau mal, Ella, die denken, du bist ihre Mama! Sie lecken dir die Hände!«

»Aber ihre Mama ist doch im Stall!«

»Wir bringen sie ihr gleich, sie muss sich noch ein bisschen ausruhen.« Großmutter nahm ein Bündel Stroh und machte sich daran, die feuchten Wesen trocken zu reiben.

Fasziniert sah ich zu, wie die drei Zicklein immer wieder versuchten, zum Stehen zu kommen. Doch ihre Beinchen waren so dünn, dass sie jedes Mal einknickten.

»Sie haben noch wenig Kraft, aber warte nur – bald springen sie herum!« Großmutter schenkte sich einen Kaffee ein und wärmte die rissigen Hände an der blauen Blechtasse. »Ella-Kind, das hast du großartig gemacht.«

Die Zeit bei meiner deutschen Großmutter war für mich, das Stadtkind aus Prag, wirklich das reinste Paradies gewesen. Mein um mich besorgter Papa hatte mich schon vor einem halben Jahr aus den Kriegswirren des hundert Kilometer entfernten Prag hierhergebracht, wo ich von den ganzen Irrungen und Spannungen der letzten Kriegsmonate nicht viel mitbekam.

Es war ein wunderschöner Winter gewesen, mit sehr viel Schnee. So viel weiße Pracht hatte ich in Prag noch nie gesehen, da waren die Straßen eher verharscht und schmutzig, wenn Autos, Pferdefuhrwerke und die Straßenbahn ein paarmal über den frisch gefallenen Schnee gerumpelt waren.

Aber hier, im weiß glitzernden Winterparadies im Sudetenland, war alles wie verzaubert und mit Puderzucker bestäubt. Riesige Baumstämme wurden von Waldarbeitern mit schnaubenden Kaltblütern, denen vor Anstrengung der Schaum vor dem Maul stand, von den Bergen heruntertransportiert und hinterließen tiefe Spuren im Schnee. Darin glitten wir Kinder jubelnd hinterher. Oft hielten wir uns sogar an den Enden der Baumstämme fest und ließen uns ziehen. Angst kannten wir nicht, und unsere Mütter und Großmütter hatten etwas anderes zu tun, als uns zu beaufsichtigen.

Ich durfte die deutsche Dorfschule besuchen, was ich unglaublich spannend fand! In Prag wäre ich unter normalen Umständen schon im ersten Schuljahr eines tschechischen Gymnasiums gewesen. Aber hier, in diesem mollig warmen Klassenzimmer, in dem wir unsere nassen Jacken am Bollerofen wärmten, saßen gleich vier Klassen auf abgewetzten Holzbänken im selben Raum. Ich konnte genug Deutsch, um dem Unterrichtsstoff mühelos zu folgen. Ich half sogar den i-Männchen mit dem ABC und dem kleinen Einmaleins. Und nach der Schule zogen wir alle zu Großmutters Gemischtwarenladen, wo ich meinen Mitschülern je eine lila Lakritzpastille aus dem bauchigen Glas spendieren durfte.

Eine Grundschule, eine Gaststätte mit Metzgerei, ein Sägewerk und der kleine Gemischtwarenladen meiner Großmutter – genau das war Hillemühl, das liebliche Fleckchen im Lausitzer Gebirge. Anders als in Prag lebten in diesem böhmischen Dorf fast nur Deutsche. So wie meine Mama Marie Kochel, die auch hier aufgewachsen war. Sie war eine sehr attraktive Frau und wurde von allen um ihre Lockenpracht beneidet. Mein Vater Jakob war wiederum Tscheche. Er hatte meine Mama bei einem Dorffest kennengelernt. Sie sang damals im Chor und war die Schönste von allen Mädchen, die unter der Linde Volkslieder zum Besten gaben und dazu tanzten. So erzählte es mir mein Vater immer wieder. Doch weil sie eine Deutsche war, wurde seine Liebe zu ihr von seiner sehr national eingestellten Familie nicht begrüßt. Trotzdem heiratete er seine Marie vom Fleck weg, die ihm nach Prag folgte. Dort arbeitete mein Vater als Prokurist in einer jüdischen Weinfirma. Er war extrem kurzsichtig. Deshalb beugte er sich mit seiner runden Nickelbrille stets tief über seine Akten. Im ersten Stock des Weinhandels schuftete er bis spät in die Nacht. Richard Stein, sein Arbeitgeber, vertraute ihm voll und ganz. Mein Papa war die optimale Besetzung für den Job, denn er sprach perfekt Tschechisch und Deutsch.

Mama hatte nach ihrer Heirat sofort Tschechisch gelernt, aber es war mehr so ein Umgangstschechisch und ihren deutschen Akzent konnte sie einfach nicht verstecken. Ich hingegen sprach neben Deutsch fließend Tschechisch, war ich doch in Prag geboren und auch dort eingeschult worden. Richard Stein nannte mich liebevoll »Springinsfeld«, weil ich so ein aufgewecktes Mädchen war. Wenn ich an sein Fenster im Erdgeschoss klopfte, legten der alte Mann und ich immer an der Scheibe die Hände aneinander. Das war unser Begrüßungsritual. Richard Stein liebte uns, wir gehörten mehr oder weniger zur Familie.

Als im März 1939 die deutschen Truppen in Prag einmarschierten, war die Lage in der jüdischen Firma extrem angespannt. Bald darauf gab Richard Stein meinen Eltern diverse Gegenstände zur Aufbewahrung. Es dauerte nicht lange, und der jüdische Unternehmer wurde abgeholt. Kurz danach erschienen einige deutsche Wehrmachtssoldaten und ein großer grauhaariger Mann in der Firma. Letzterer war der neue Chef, der sich als Hitlers Freund vorstellte und mit dem Parteibuch Nummer 6 prahlte – so lange war er schon Nationalsozialist. Ein Mann aus Linz, wie Mama mir später erzählte. Von nun an war der Betrieb »arisiert« und für Lieferungen an die Wehrmacht zuständig.

Im Frühjahr 1945, während ich gerade sorglos bei meinen Verwandten in Hillemühl weilte, wurde das mobile jüdische Vermögen, das Richard Stein hatte zurücklassen müssen, auf den Firmenlaster geladen. Zweimal wurde mit Bildern, Möbeln, Teppichen, Silber und teurem Porzellan nach Linz gefahren. Mein Papa, der Prokurist, musste den Fahrer bezahlen. Das sollte ihm noch zum Verhängnis werden. Doch von alldem ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Woher sollte ich auch wissen, dass es mit Hass und Grausamkeit noch lange nicht vorbei war?

Ich wusste nur, dass ich ihn vermisste: Mein Papa trug uns auf Händen. Und nun würde er bald auch noch ein Brüderchen oder Schwesterchen auf Händen tragen! War der Krieg erst einmal vorbei, würden wir hoffentlich wieder eine richtige Familie sein, das war mein sehnlichster Wunsch an diesen letzten Kriegstagen.

2

Hillemühl, 8. April 1945

»Ella-Kind! Gott sei Dank, dein kleiner Bruder Alex ist geboren!«

Großmutter wischte sich mit dem Zipfel ihrer Kittelschürze gerührt die Augen. In ihren vor Aufregung zitternden Händen hielt sie ein Telegramm, das ihr gerade der Postbote aus dem Nachbardorf mit dem Fahrrad gebracht hatte.

»Er ist noch ganz winzig, und deine Mama braucht dich jetzt!«

Verschreckt klammerte ich mich an die knotige Hand meiner Tante Bertl, die aus dem Radio immer neue Schreckensnachrichten hörte.

»Die arme Kleine«, flüsterte sie bedrückt. »Was soll nur werden! Die Tschechen werden uns Deutschen alles zurückzahlen, was Hitler und seine Bande ihnen angetan haben! Wo soll die arme Marie mit dem Baby nur hin? Und das arme Ella-Kind!

Ich hatte überhaupt keine Lust, von hier fortzugehen. Konnten die Eltern mit dem neuen Brüderchen nicht einfach hierherkommen? Hier war doch alles schön? Gerade hatte der Frühling in Hillemühl Einzug gehalten, und Großmutter werkelte unentwegt in unserem kleinen Vorgarten herum. Üppige gelbe Forsythien zierten unser schmuckes kleines Grundstück, und in den blitzblank geputzten Fenstern spiegelte sich die Sonne.

»Du musst jetzt ganz tapfer und vernünftig sein, hörst du?«

Großmutter schüttelte mich sanft an den Schultern. »Du musst jetzt zu deiner Mama. Wie gesagt, sie braucht dich. Und dein Brüderchen braucht dich auch!«

Dass man so auf mich zählte, erfüllte mich schon mit Stolz. »Holt der Papa mich ab?« Hoffnungsvoll blickte ich meine liebe Großmutter an.

»Das ist unmöglich! Der kommt nicht mehr über die Grenze.« Großmutter hatte ganz rote Flecken im Gesicht. »Die Tante Bertl bringt dich mit dem Zug nach Prag.«

»Aber in Prag ist es doch gefährlich, habt ihr gesagt? Ich kann doch nicht nach Hause zurück?«

Sie ging in die Hocke und hob mein Kinn. »Schau mich an, Ella. Was ich dir jetzt sage, ist ganz wichtig: Tante Bertl und du dürft kein Wort Deutsch sprechen! Weil ihr beide so klein seid, fallt ihr in dem überfüllten Zug hoffentlich nicht auf und könnt unbemerkt über die Grenze schlüpfen.«

»Und der Papa?«

»Der wartet in Prag an einem bestimmten Treffpunkt auf euch. Die Tante Bertl weiß Bescheid.«

Mit einem Blick auf meine Tante, die zusammengesunken auf ihrem Hocker saß, klammerte ich mich an sie.

»Aber Großmutter, ich habe Angst. Ich will lieber hierbleiben.«

»Das geht nicht, Liebes. Hier sind wir demnächst auch nicht mehr sicher!« Großmutter schnäuzte sich in ein großes weißes Taschentuch. »Du musst jetzt ganz stark sein!«

»Aber im Sommer komme ich wieder zurück und bringe die Mama, den Papa und mein Brüderchen mit!«, beschwor ich sie.

Nie werde ich den vielsagenden Blick vergessen, den Tante Bertl ihr kopfschüttelnd zuwarf. Und tatsächlich: Diesen Sommer sollte es nie geben. Auch das Haus und uns sollte es so nicht mehr geben …

»Ihr beiden schafft das schon!« Großmutter steckte das zerknüllte Taschentuch in ihren Jackenärmel. »Jammern bringt uns auch nicht weiter.« Sie legte das Telegramm auf den blank gescheuerten Küchentisch und stapfte in ihren Gummistiefeln wieder hinaus in den Garten.

»Weint die Oma?« Irritiert wirbelte ich zu meiner kleinen Tante herum, die in ihrer typisch krummen Haltung vor dem Radio hockte. »Tante Bertl, was passiert denn jetzt?«

Die kleine Tante war von der Natur zwar nicht mit einem gesunden Körper gesegnet, hatte aber ein goldenes Herz und war wie eine zweite Mutter zu mir.

»Wir müssen uns beeilen, kleine Ella. Packen wir schon mal dein Köfferchen.« Kurzbeinig hinkte sie in ihre Kammer, wobei sie ihre Atemnot kaum verbergen konnte. »Der Krieg wird bald vorbei sein«, flüsterte sie düster.

»Aber dann ist doch alles gut?«

»Ach, kleine Ella.« Sie seufzte und rückte ihr Korsett zurecht, das sich ihr immer in die Rippen bohrte. »Du musst jetzt ganz vernünftig sein und deiner Mama in Zahořany zur Hand gehen, hörst du? Und dich um dein kleines Brüderchen kümmern!«

»Aber natürlich!« Ich nickte eifrig. »Ich habe hier so viel im Haushalt gelernt, ich schaffe das!«

»Dann ist es gut.« Tante Bertl rang sich ein Lächeln ab und drückte mich mit ihren knochigen Armen an sich. »Ich werde mich um Großmutter kümmern und du dich um deine Mama, ist das ein Wort?«

Bereits am nächsten Tag standen wir in unseren schwarzen Mänteln eng aneinandergedrängt in dem völlig überfüllten Zug zur Grenze. Alle Menschen hatten diesen ängstlichen Ausdruck im Gesicht, den ich schon an Großmutter und Tante Bertl bemerkt hatte.

Plötzlich bremste der Zug und hielt quietschend auf freier Strecke.

»Bombenalarm«, brüllte jemand, und die panische Menge strömte zu den Ausgängen. »Springt in die Böschung, bringt euch in Sicherheit!«

Im Gewühl der schreienden Menschen, die bei der Notbremsung gegeneinander geschleudert worden waren, standen die kleine Tante Bertl und ich an der offenen Zugtür. Wir trauten uns nicht zu springen, denn die Böschung war zu tief. Bestimmt wären wir auf die Gleise geraten, wenn nicht hilfreiche Hände zugepackt und uns ins hohe Gras gehievt hätten.

»Los, schnell Kinder, krabbelt dort hinüber und versteckt euch unter dem Busch!«

Der Mann, der uns herausgehoben hatte, hielt uns beide für Kinder!

In Windeseile robbten Tante Bertl und ich zitternd unter ein Gebüsch, das kaum Schutz bot. »Komm her, Ella-Kind, schlüpf unter meinen Mantel!« Tante Bertl beugte sich schützend über mich. Das Herz hämmerte mir in der Brust, und ich war sicher, unser letztes Stündlein hatte geschlagen. Mit unfassbarem Lärm rasten die amerikanischen Düsenjäger über uns hinweg und warfen ihre Bomben ab. Am Horizont brannte die Stadt Aussig. Der Himmel färbte sich rot, das Pfeifen und Jaulen der Geschosse zerriss uns fast das Trommelfell.

»Tante Bertl, müssen wir jetzt sterben?«

»Nein, Ella, du musst doch dein Brüderchen noch kennenlernen! Mach die Augen zu und zähl bis hundert!«

»Nicht bewegen!«, schrie ein Mann. »Alles was rennt, ist sofort tot!«

Ich zählte mindestens bis tausend!

Die Lok stieß noch weißen Dampf aus, was die Piloten dieser Kampfflieger hoffentlich nicht auf uns aufmerksam machen würde.

Nach einer endlosen Zeit rappelten sich die Leute schluchzend und stöhnend wieder auf und schleppten sich zurück zum Zug. Einige Menschen blieben auch reglos liegen. Ich sah Gestalten mit verdrehten Augen, denen das Blut aus dem Mund lief. Zitternd folgte ich Tante Bertl.

»Kinder, hier rüber!«

Wieder waren es fremde hilfreiche Hände, die uns in den Waggon zurückhievten. Irgendwann ruckelte der Zug langsam wieder an. Wir »Kinder« starrten weiß wie die Wand ins Leere. Dass ich aus meinem friedlichen Hillemühl dermaßen abrupt in eine solche Kriegshölle geschleudert wurde, konnte ich nicht verarbeiten.

Quietschend hielt der Zug am Grenzübergang Leitmeritz. Auf den Bahnsteigen herrschte grenzenloses Chaos.

»Los, alle raus aus dem Zug, aber schnell!«

Bewaffnetes Militär polterte mit schweren Stiefeln durch die Abteile.

»Alle raus, Papiere vorzeigen, Taschen öffnen!«

Tante Bertls Miene war völlig versteinert. Wir hatten keine gültigen Papiere! Wir durften kein Wort sagen! Was sollten wir nur tun? Wo war nur mein Papa?

Wieder wurden wir »Kinder« von starken, unbekannten Männerhänden aus dem Zug gehoben. Unmengen von Menschen schoben und drängten sich in beide Richtungen – »Heim ins Reich« oder ins Protektorat Böhmen und Mähren. Zivilisten, Soldaten, Gesunde und Verwundete. Ich sah blutige Verbände, Krücken, verstümmelte Arme und Beine. Ich hörte Schreien und Schluchzen, verzweifelte Rufe nach Angehörigen.

Ich hielt mir die Ohren zu und drückte mich an meine Tante Bertl, die wiederum unseren gemeinsamen kleinen Koffer an sich drückte.

»Wo wollen die nur alle hin?« Ich hing an ihrem Arm wie eine Klette.

»Pssst!« Schon hatte ich ihren schwarzen Handschuh auf dem Mund. »Kein Wort Deutsch!«

Sie legte meine kleine Hand auf den Kofferhenkel und schleifte mich mit wie ein Gepäckstück. Da vorn war der Schlagbaum! Die Grenze! Was für Papiere sollten wir denn zeigen? Wir hatten keine! Ob dahinter mein Papa stand? Ich konnte ihn nicht sehen!

Zielstrebig hängte sich Tante Bertl an einen Mann, der seine Familie bei sich hatte und eine Menge von Papieren bereithielt. Wir »Kinder« schlüpften im Pulk einfach mit hinter den Grenzschlagbaum.

Dann waren wir im Protektorat Böhmen und Mähren und rannten um unser Leben. Wieder bestiegen wir einen Zug, wieder tauchten wir im Gewühl unter. Wir wurden langsam Profis im Unsichtbarsein.

Am Bahnhof von Prag nahm uns mein geliebter Papa in Empfang. Unauffällig stand er hinter einer Litfaßsäule und stürzte erleichtert auf uns zu, als er uns in der Menge entdeckte. Er war besorgt, denn die Situation war in Prag für Deutsche bereits sehr brisant.

»Da seid ihr ja, Gott sei Dank!« Rasch schleuste er uns in den Bus, der uns nach Zahořany brachte, in das Dorf, in dem meine Mutter sich mit dem Baby versteckt hielt.

»Kein Wort Deutsch!«, sagte auch Papa, als wir immer noch unter Schock auf einer Bank nebeneinanderhockten. Tante Bertl schwieg, sichtlich verstört. Der Bus ratterte aus der Stadt hinaus und kämpfte sich mühsam über Schotterstraßen. Während in Prag fast alle Straßen asphaltiert waren, sah es hier auf dem Land ganz anders aus: Ärmlich und trist duckten sich die Gehöfte am Straßenrand, und tiefe Schlaglöcher ließen den Bus rumpeln und ächzen.

»Wie geht es dir, Kleines?«, richtete Papa schließlich das Wort auf Tschechisch an mich.

Die Leute im Bus waren zwar alle mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, aber wenn jemand Deutsch gesprochen hätte, wären sie sicher hellhörig geworden. Damals begriff ich das noch nicht, aber die selbst ernannten Revolutionsgarden – bestehend aus wild gewordenen Jugendlichen, aber auch aus »ganz normalen« Bürgern mit roten Armbinden – hätten uns möglicherweise bespuckt und sogar geschlagen. Der Hass der Tschechen auf die Deutschen gärte schon während des Krieges und entlud sich nun in primitiven Übergriffen auf Unschuldige.

»Freust du dich schon auf dein Brüderchen?«, versuchte Papa mich abzulenken.

Ich nickte verwirrt. Gab es denn in all dem Horror noch so etwas wie ein lebendes kleines Brüderchen? Und wie es meiner armen Mama wohl ging?

Sie hatte das Baby ja nicht in einem Krankenhaus bekommen, sondern in einem fremden Dorf in einem Zimmer! Eine fremde tschechische Hebamme war bei ihr gewesen. Und Papa, zum Glück.

»Gleich, wir sind gleich da.«

Wir atmeten hörbar aus. Tante Bertl war am Rande der Erschöpfung. Jeder Schritt tat ihr weh, sie kam kaum zu Atem.

»Wie sieht er aus?«, fragte ich ungeduldig.

Um Papas Augen bildeten sich feine Lachfältchen. »Alex ist noch sooo klein!«

Papa zeigte es mir: nicht viel größer als eine Puppe!

Endlich stiegen wir in einem ärmlichen Dorf aus dem Bus. »Wir müssen noch vier Kilometer laufen!« Papa half uns beiden Kleinen die Stufen hinab. »Zahořany hat keine Busverbindung.«

Mamas Versteck sollte so abgelegen wie möglich sein.

Aufgeregt trippelte ich neben ihm her, während Tante Bertl beim Gehen schwankte wie ein Boot auf unruhiger See. Bei jedem Schritt musste sie ihr gesamtes Körpergewicht verlagern und konnte sich nur schaukelnd fortbewegen. Trotzdem lächelte sie mich aufmunternd an, als wir uns auf der Schotterstraße vorwärtskämpften.

»Wie komme ich nur wieder nach Hause?«, fragte sie Papa leise auf Deutsch.

Verängstigt schaute sie ihn von der Seite an.

»Wir müssen unbedingt eine Lösung finden, du musst so schnell wie möglich zurück«, gab Papa auf Deutsch zurück. »Pssst, da kommen Leute!«

Wie die Erwachsenen Tante Bertls Rückkehr nach Hillemühl letztlich regelten, entzieht sich meiner Kenntnis. Mein einziger Wunsch war, endlich wieder bei meiner Mama zu sein und den kleinen Alex in die Arme nehmen zu dürfen.

3

Hillemühl, Ende April/Anfang Mai 1945

Einige Wochen später wurden die Großmutter und Tante Bertl von tschechischen Revolutionsgarden aus dem Haus gejagt. Aus einem Haus, das meine Großeltern mit eigenen Händen gebaut hatten. Alles, auch Gemüsegarten und Gemischtwarenladen, den sie sich seit dem Ersten Weltkrieg in vielen Jahren hart erarbeitet hatten, war verloren.

Bereits im Oktober 1943 hatte der tschechische Präsident Edward Beneš aus seinem Londoner Exil in einer Rundfunkrede verkündet: »Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1939 begangen haben. Die ganze Nation wird sich an diesem Kampf beteiligen, es wird keinen Tschechoslowaken geben, der sich dieser Aufgabe entzieht, und kein Patriot wird es versäumen, gerechte Rache für die Leiden der Nation zu nehmen.«

Auch der Militärbefehlshaber der tschechischen Exilregierung Serge˘j Ingr brüllte hasserfüllt im Radio: »Schlagt sie, tötet sie, lasst niemanden am Leben!«

Die Deutsche-Hasser plünderten und zerstörten Häuser in Hillemühl und vielen anderen böhmischen Dörfern. »Raubritter des 20. Jahrhunderts« nannten sie sich selbst. Dass man Millionen von unschuldigen Menschen in die Fremde jagte, wo sie dementsprechend verarmt nicht willkommen waren, wo sie gezwungen waren, Kartoffeln und Äpfel zu stehlen, um mit ihren Kindern nicht zu verhungern, das war den selbst ernannten tschechischen Revolutionsgarden egal. Junge Leute, meist aus dem Landesinnern, die in ihrer Kindheit und Jugend die Kriegsgräuel am eigenen Leib erlebt hatten, wollten nur eines: brutale Rache. An allen Deutschen. Egal, ob alt, behindert oder jung und unschuldig.

Alle Deutschen, die schon seit Jahrhunderten auf tschechischem Gebiet siedelten und in ihren deutschen Dörfern lebten, wurden für die Verbrechen Hitlers und seiner Schergen mitverantwortlich gemacht. Die Deutschen mussten von nun an eine weiße Armbinde tragen wie vormals die Juden ihren Judenstern. Jetzt waren die Deutschen das Freiwild.

In Prag schlugen Passanten auf ihre deutschen Nachbarn ein. Ihnen wurden auf der Straße die Haare abgeschnitten, sie wurden bespuckt und gedemütigt. Zu Hunderttausenden wurden sie auf brutalste Weise vertrieben, die Frauen und Mädchen wahllos vergewaltigt. Viele unschuldige Deutsche wurden geschlagen, gefoltert und umgebracht.

Diese Tschechen waren eifrige Vollstrecker. Wie ich erst viel später durchschauen sollte, oft auch nur um die eigene Haut zu retten: Hatten sie zu Kriegszeiten durchaus noch zum eigenen Vorteil mit den Deutschen kollaboriert, wollten sie jetzt, wo sich das Blatt gewendet hatte, vor den russischen Besatzern als Opfer dastehen. Wer einen Deutschen verriet oder ans Messer lieferte, wer ihn ausraubte, schlug und verjagte, ja sogar wer einen Deutschen umbrachte, sammelte Pluspunkte.

Schon am 15. Mai, also wenige Wochen nachdem ich mein Kinderparadies Hillemühl verlassen hatte, kam der Befehl zur »Säuberung« und militärischen Besetzung des Sudetenlandes. Denn Präsident Beneš schrie auch:

»Unsere Deutschen müssen ins Reich weggehen, und sie werden in jedem Fall weggehen. Sie werden wegen ihrer eigenen großen moralischen Schuld, ihrer Vorkriegswirkung bei uns und ihrer ganzen Kriegspolitik gegen unseren Staat und unser Volk weggehen.«

Die Großmutter und Tante Bertl wurden in einen Schuppen gesperrt, um dort auf ihre Vertreibung zu warten. Von dort aus musste meine deutsche Familie mit ansehen, wie all ihr Hab und Gut abtransportiert oder zerstört wurde. Sie hatte Hausarrest und durfte die winzige Behausung nur noch zum Wasserholen am Brunnen und zum Verrichten ihrer Notdurft auf dem Plumpsklo verlassen. Eine Tortur, die mein Großvater zum Glück nicht mehr miterleben musste. Nachdem er schwer versehrt aus dem Ersten Weltkrieg gekommen war, war er schon zu Anfang des Zweiten gestorben.

»Wir Deutschen werden hier um unser Leben fürchten müssen«, hatte Oma ahnungsvoll gesagt.

Aber wir hatten Glück, weil Papa Tscheche war: Papa und nun auch der kleine Alex hießen mit Nachnamen Vojan und Mama und ich dementsprechend mit der weiblichen Endung Vojanová. Das würde uns doch hoffentlich vor solchen Gräueln bewahren? Das war die Hoffnung, an die wir uns klammerten.