Vivi D‘Angelo Antje de Vries
BALI
Essen mit den Göttern
Inhalt
Vorwort
PURA – Tempel für die Götter
Tanah Lot und der sonntägliche Tempelausflug
Rujak Gula, Tahu Isi Goreng, Sate Babi, Sambal School, Pisang Goreng
OTONAN – Babi fürs Baby
Schlachtfest, Megibung und ground setting ceremony
Bumbu Basics, Lawar, Tum, Urutan
BANJAR – Gemeinschaft & Genuss
Zeremonien in der Nachbarschaft, Jajan Bali
Steamed Brownies, Klepon Hijau, Bantal, Gula Merah Cakes
PASAR – Markt der Farben
Einkauf für die Zeremonien – Rezepte für die Opfergaben
Lak Lak, Perkedel Jagung, Nasi Campur, Jamu
PANTAI – Magie des Meeres
Der Strand, der Seafood-Markt und die Meeresgötter
Jimbaran Style BBQ, Otak Otak, Fish Head Curry, Nasi Ikan, Sate Lilit Ikan
MELASPAS – Die Hausweihung
Opfertiere für die Ruhe im Haus, Wolkenschieber für gutes Wetter
Nasi Kuning, Babi Guling
NGABEN – Im Bullen verbrannt
Der Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt
Es Campur, Es Kelapa Muda, Es Kuwut, Apokat & Coklat Juice
MAKAN – Gastronomie, spirituell
Tempel in der Küche, Opfergaben auf der Espressomaschine
Pindang Basa Gede, Sayur Urab, Soto Ayam, Gado Gado
Danksagung
Rezeptregister
Impressum
Das Glück oder vielleicht doch der Gott des Meeres, hat uns nach Bali und mitten in den gastronomischen Alltag der Insel gespült. Fasziniert von der bunten, facettenreichen Kultur und der herzlichen Offenheit der Menschen haben wir uns mitreißen lassen in das Unbekannte, in eine lebendige Art von Spiritualität, in traditionelle Zeremonien und an die spannendsten und genussvollsten Orte der Insel. Vieles war ungewohnt, einiges haben wir nicht ganz verstanden, manchmal haben wir gehadert. Doch zu spüren, wie viel Gutes passiert, wenn man vertraut und Dinge einfach mal geschehen lässt, und zu erfahren, wie unmittelbar Menschen durch gutes Essen miteinander verbunden sein können, waren zwei der großen Geschenke und Überraschungen dieser Reise.
Überraschungen, ja, denn so langfristig geplant war dieses Abenteuer nun wirklich nicht. Doch schon ein paar aufregende Erzählungen von Antje, bei unserer allerersten Begegnung während der Fotoproduktion einer Rezeptstrecke, reichten, um Vivi große Augen zu machen. Tagträumereien davon, wie schön es doch wäre, all die versteckten, ja, fast sich bescheiden zurückhaltenden Aspekte des Balinesischen Alltags einfangen zu können – jenseits der westlichen Touristenbespaßung jene Insel zu zeigen, wo das Leben in schillernd bunten Farben und berauschenden Düften und Geschmäckern im Einklang mit der Natur, den Mitmenschen, den Göttern fließt. Das erleben und davon berichten, was die Balinesen wirklich machen. Das, was sie wirklich kochen, zelebrieren, essen. Wir kannten uns noch keine zwei Tage, und das Feuer für diese gemeinsame Mission war entfacht.
Von all den Begegnungen, den Zufällen und den Geschichten, mit denen die Insel uns beschenkt hat und von denen wir so viel lernen durften, möchten wir erzählen. In einer persönlichen Chronik, die keine Chronologie hat, und vielleicht auch keine Logik in ihrer Reihenfolge außer der, dass wir das so, eben gut fanden. Auch das haben wir von unseren Freunden auf Bali gelernt. Regeln hat man ja sonst schon genug. Und genau so müssen auch Sie, liebe Leser*Innen, auch nicht der Reihe nach gehen, und überhaupt müssen Sie gar nix, sondern können einfach im Text dort eintauchen, wo die Welle Sie erwischt.
Dabei berichten wir mit offenen Augen, voller Demut, mit uns bestmöglichem Verständnis, genießendem Blick und dem Herzen auf der Zunge.
Vivi D’Angelo und Antje de Vries
Tanah Lot und der sonntägliche Tempelausflug
Die Zeitrechnung auf Bali, der Insel der Götter, ist einfach anders – nicht nur gefühlt, sondern auch gemessen. Das Jahr in diesem tropischen Paradies orientiert sich an zwei Kalendern – natürlich ganz nah am Mond, an den hinduistischen Feiertagen und an inseltypischen, animistisch inspirierten Varianten. Nehmen wir den internationalen Kalender dazu, sind es drei. Der erste Kalender heißt Saka, der sich am Gregorianischen Kalender orientiert, jedes Jahr mit Nyepi, dem Tag der Stille, und jeden Monat mit dem Neumond beginnen lässt. Um ihn mit dem Sonnenrhythmus zu synchronisieren, kommen Extramonate quasi als Zugabe hinzu. Der exklusivere Pawukon-Kalender ist aus dem Zyklus der Reisernte entstanden und umfasst 210 Tage, unterteilt in sechs Monate à 35 Tage, aber mit unterschiedlich langen Wochen. Große Inselfeiertage, Zeremonien in den Ortstempeln und Familienfeiern, Hochzeiten, Kremierungen und Geburtstage werden an dieser Zeitrechnung ausgelegt und gemessen. Wunderschön kompliziert.
Trotz dieser spannenden Zeitrechnungen und der durch sie bedingten Unwahrscheinlichkeit verstärkt sich jede Woche wieder mein Gefühl, dass es sonntags die höchste Dichte an Zeremonien gibt. Dies mag daran liegen, dass natürlich auch auf Bali der dem westlichen Rhythmus angepasste Arbeitsalltag mehr und mehr die Zeitabläufe beeinflusst und damit der Sonntag halt die meisten Freiheiten lässt. Ob diese These nun stimmt oder nicht, für mich ist der Sonntag auf der Insel einer der magischsten Tage – und Bali ist der schönste Ort auf der Welt für einen Sonntag. Ich liebe es zwar, zusammen mit meinen Kollegen hier in den Alltag der Woche einzutauchen, zudem nimmt das Grundrauschen des unaufhörlich tosenden Verkehrs inzwischen praktisch nicht mehr ab – und doch ist sonntags alles magischer und festlicher.
Unser Ziel für heute Mittag ist Tanah Lot, der Meerestempel – neben Karangasem und Uluwatu einer der wichtigsten Tempel der Insel und definitiv einer der spektakulärsten. Je nach Tide kann er entspannt über den trockengefallenen Strand erreicht werden. Läuft aber die Flut auf, wird er durch die stürmische Brandung der Westküste unerreichbar und noch geheimnisvoller.
Weit kommen wir nicht. Zwei Kilometer nach unserem Start in Sanur brausen uns zahlreiche Zweierteams wunderschöner Balinesinnen auf dem Roller entgegen. Die Fahrerin vorne lenkt geschickt durch den Sonntagmorgenverkehr, während die zweite, ihre in einen festlich-bunten Sarong geschlungenen Beine im Damensitz seitlich vom Roller streckend, einen großen bunten Turm in den Armen hält. Mit schlafwandlerischer Sicherheit bugsieren die beiden ihre farbenfrohe Fracht vor den Eingang einer Tempelanlage. Beim folgenden Manöver des Absteigens wird klar, welche Akrobatik die Damen vollbringen. Ihre bunten Türme sind große Skulpturen aus wunderschönen frischen Früchten und süßen Naschereien. Diese sind als Pyramiden auf Dulans – eine Art Tortenplatten aus buntem Holz – arrangiert und wiegen sicher mindestens sieben, acht Kilo. Konzentriert hilft die Fahrerin ihrer Beifahrerin, die Fruchtfracht nun auf deren Kopf zu wuchten. In angespannter Anmut, einen halben Meter Fruchtturm einhändig auf dem Haupt ausbalancierend, wird die letzte Etappe in den Tempel zu Fuß bewältigt, durch Tore und niedrige Türen bis ins Innere. Hier füllen sich pavillonartige Gebäude auf diese Weise zügig mit zahlreichen bunten Pyramiden. Äpfel, Mangos, Drachenfrüchte, sortenrein etagenweise auf die bunten Dulans drapiert, zwischendrin blitzt eine Reihe an Plastikflaschen von Indonesiens beliebtestem Energydrink – »alles, was einem lieb ist«, so die Charakterisierung der Güter. Obst, Candy, bunte Reiscracker … Dazwischen thront eine Art Gesteck aus langen Bambusspießen und hautfarbenem, nicht klar erkennbarem, organischem Material. Der gastfreundliche Priester, der uns vorhin in die Tempelanlage eintreten ließ und jetzt gerade bei einer Nelkenzigarette ein wenig entspannt, sieht meinen fragenden Blick: Dies sei eine Opfergabe aus Schweinehaut – gekocht, dekorativ zugeschnitten und zu filigranen Ornamenten aufgesteckt. Von jeder Seite des Schweines wird ein Stück Schwarte genommen, um die verschiedenen Teile der Erde zu symbolisieren – so sagt’s der paffende Priester. Wir unterhalten uns noch ein wenig, der Tempel füllt sich weiter mit den besonderen Opfergaben, es wird gebetet, gesegnet, getratscht. Nebenan auf einem anderen Teil des Tempelgeländes qualmen inzwischen Sate-Grills, an kleinen Büdchen werden Knabbereien und kühle Getränke angeboten, und das Spanferkel im Mini-Warung wird angeschnitten (Warung heißen die allgegenwärtigen mobilen Essensverkaufsstände, also hier Imbissstände zur Stärkung der Gläubigen). Auch mein Magen meldet sich bei dem mundwässernden Anblick.
Beim Verlassen des Tempels fällt mein Blick sofort auf eine Rauchwolke auf der anderen Straßenseite. In einem kleinen Warung raucht und zischt es. Angelockt husche ich rüber. Eine nett aussehende Dame macht ihre letzten Vorbereitungen und füllt die Auslage: Sate Babi – gegrillte Schweinefleischspieße und jede Menge Sambal, der röstaromatisch-süße Geruch betört mich. Zum Glück kann Vivi sich noch nicht ganz von dem Schwarm fotogener Damen mit Obstpyramiden auf Rollern lösen und kann mich somit auch nicht an meiner spontan-impulsiven Essensbestellung hindern. Ungesehen ordere ich schnell eine Portion von beiden Speisen, probiere erst mal ausgiebig und biete dann Vivi etwas an – eigentlich mag sie kein herzhaftes Frühstück …
»Vivi, Anni!«, ruft es von der anderen Straßenseite. Wayan, mein Kollege vom Catering Service, entdeckt uns und kommt grinsend zu uns rübergelaufen. Er fragt, ob uns die Sate schmecken, wir nicken selig, worauf er uns zu verstehen gibt, dass es seine Mutter war, die diese Spieße zubereitet und uns verkauft hat – schöne kleine Inselwelt.
HIMMELSRICHTUNGEN
Im spirituellen und, sehr großzügig gesehen, auch im geografischen Zentrum der Insel liegt der Vulkan Gunung Agung, der Sitz der Götter. Die Wichtigkeit dieses Ortes wird unter anderem dadurch deutlich, dass auf der Insel die Richtung nicht in Nord oder Süd angegeben wird, sondern in kaja, zum Vulkan hin, und kelod, vom Vulkan weg beziehungsweise zum Meer hin. Kaja bezeichnet damit auch den heiligsten und kelod den am wenigsten heiligen Ort, was nicht nur für Gunug Agung und das Meer gilt, sondern auch für die Verortung von wichtigen Elementen innerhalb einer Wohnhausansammlung – Haustempel befinden sich auf der Kaja-Seite des Grundstücks und Waschräume auf der Kelod-Seite, die natürlich auch wieder direkt an die Kaja-Seite des nächsten Grundstücks anschließt. Osten wird pragmatisch mit kauh, Sonnenaufgang, und Westen mit kangin, Sonnenuntergang, beschrieben.
Rujak Gula ist die süß-scharfe Variante des erfrischenden Fruchtsalats – mit einem Teelöffel gerösteter Garnelenpaste.
Zutaten für 4 Personen | Zubereitungszeit ca. 40 Minuten
2 kleine rote Chilischoten
5 EL Gula Merah (Palmzucker)
3 EL Tamarindenmus (ggf. 2 EL Tamarindenpaste in 2 EL Wasser auflösen und dann die Kerne entfernen)
1 EL Ketjap Manis
1 Prise Meersalz
600 g gewaschene und geputzte Früchte (Ananas, Papaya, Java Apfel oder normaler Apfel oder Nashi, Sternfrucht, Drachenfrucht, Rambutan, Zitrusfrüchte nach Belieben, Melone; gern auch erfrischende Gemüse wie Gurke, Staudensellerie, Radieschen oder Rettich)
2 Handvoll Krupuk (Cracker)
Kleine grüne Chilischoten nach Gusto
Hinweis: Dies ist die süß-scharfe Variante. Mit einem Teelöffel gerösteter Garnelenpaste (Terasi) in der Sauce wird es herzhafter.
Ein typischer Street Food Snack, den man am besten am Strand genießt.
Zutaten für 4 Personen | Zubereitungszeit ca. 40 Minuten
50 g Reisfadennudeln
150 g Gemüse nach Geschmack (Karotten, Zwiebeln, Chinakohl, Lauchzwiebeln, Mungbohnensprossen)
1 TL Meersalz
4 EL Kokosmilch
2 EL Kokosraspel
2 TL Sesamöl
12 Scheiben fester Tofu à ca. 50 g, ca. 3 cm dick
Pflanzenöl zum Frittieren
Kleine grüne Chilischoten nach Geschmack
Teig:
½ TL Koriandersaat
1 Knoblauchzehe
1 halbdaumengroßes Stück Galgant
250 g Reismehl
1 TL Meersalz
50 g Speisestärke
Wie bei Wayans Mutter gegenüber vom Tempel in Sanur!
Zutaten für 4 Personen | Zubereitungszeit ca. 40 Minuten plus mindestens 2 Stunden Marinierzeit und Zeit zum Grillen
600 g fetthaltiges Schweinefleisch (z. B. Schweineschulter)
1 Rezept Bumbu Sate, siehe Bumbu Basics
2 mittelgroße Tomaten
2 EL Kokosöl
1 Prise Meersalz
1 Bio-Limette
Nach Wunsch Sambal Uleg oder Sambal Matah dazuservieren (siehe Sambal School).
Sambals machen süchtig. Profis bereiten verschiedene Sambals für unterschiedliche Gerichte zu. Am besten stellt man gleich eine größere Menge her und bewahrt sie im Kühlschrank auf.
Sambal Matah
Rohes Sambal mit Zitronengras
2 Schalotten
2 kleine rote scharfe Chilischoten
1 Stängel Zitronengras
1 EL Kokosöl
Schalotten abziehen, Chilischote und Zitronengras putzen und alles sehr fein schneiden. Im Mörser etwas zerdrücken und mit dem leicht erwärmten Kokosöl vermengen.
Sambal Uleg
Sambal aus dem Mörser
10 Schalotten
10 Knoblauchzehen
10 große rote Chilischoten
10 EL Kokosöl
1 Prise Meersalz
Schalotten und Knoblauch abziehen, Chilischoten putzen. Alles grob hacken und im Kokosöl leicht anbraten. Anschließend im Mörser zerstoßen oder pürieren. salzen, nochmals kurz erhitzen. Das Sambal hält sich im Kühlschrank mindestens 10 Tage.
Sambal Embe
Geröstetes Sambal
2 Schalotten
2 Knoblauchzehen
2 große rote Chilischoten
2 EL Kokosöl
1 Prise Meersalz oder Terasi (Garnelenpaste)
Schalotten und Knoblauch abziehen, Chilischoten putzen, alles in dünne Scheiben schneiden. Das Kokosöl erhitzen und die Zutaten darin leicht knusprig braten. Mit Meersalz oder Terasi abschmecken.
Sambal Tomat
Sambal mit roher Tomate
1 Knoblauchzehe
1 Schalotte
2 Tomaten
1 kleine rote Chilischote
2 Zweige Koriander
Schalotte und Knoblauch abziehen, Tomaten und Chilischote putzen. Alles fein hacken und mit einer kräftigen Prise Meersalz im Mörser zerstoßen.
Sambal Soto
Sambal für Soto Ayam und andere kräftige Suppen
4 Schalotten
1 Knoblauchzehe
4 große rote Chilischoten
2 kleine rote scharfe Chilischoten
1 EL Kokosöl
2 EL Limettensaft
½ TL Salz
½ TL geriebener Palmzucker
Schalotten und Knoblauch abziehen, die Chilischoten putzen. Alles fein hacken und 1 Minute im Kokosöl anschwitzen. Anschließend alles im Mörser oder mit dem Blitzhacker zerkleinern, Limettensaft, Salz und Zucker unterrühren.
Sambal Kecang
Sambal mit Erdnüssen
2 Knoblauchzehen
2 Schalotten
2 kleine rote Chilischoten
1 halbdaumengroßes Stück Ingwer
150 g Erdnüsse
1 EL Kokosöl
200 ml Kokosmilch
2 EL Ketjap Manis
1 Prise Meersalz
2 Bio-Limetten
Knoblauch und Schalotten abziehen, Chilischoten und Ingwer putzen, alles fein hacken. Die Erdnüsse in einem kleinen Topf mit dem Kokosöl anrösten, die gehackten Zutaten zufügen und kurz andünsten. Kokosmilch, Ketjap Manis, 1 Tasse Wasser und eine kräftige Prise Salz zufügen. Unter Rühren aufkochen, pürieren und mit dem Abrieb und dem Saft der Limetten abschmecken.
Sambal Jeruk
Sambal mit Zitrusfrucht
1 Schalotte
1 Knoblauchzehe
2 kleine grüne Chilischoten
2 Kaffir-Limettenblätter
1 EL Kokosöl
½ Grapefruit oder andere Zitrusfrucht, je nach Geschmack sauer (Limette oder Zitrone) oder süß (Orange oder Mandarine)
1 Prise Meersalz