Das Buch
Mitten in den Catskills liegt das Dorf Galesburg tief unter den stillen Wassern des Chilewaukee-Stausees, der die Millionenmetropole New York mit Trinkwasser versorgt. Seine Bewohner wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus ihren Häusern vertrieben und zwangsumgesiedelt. Ihre Nachfahren leben noch heute an den Ufern des »Chill«, doch die meisten von ihnen haben ihre Geschichte vergessen. Spencer Ellsworth zum Beispiel, der Sheriff, denkt ebenso ungern an die unrühmliche Rolle, die sein Großvater bei der Evakuierung gespielt hat, wie Gillian Mathers, deren Vorfahren sich mit aller Gewalt gegen die Umsiedlung gewehrt haben. Doch die Vergangenheit ruht nicht in Galesburg, und als nach wochenlangen Regenfällen der Wasserspiegel im Chill immer höher steigt, kommt die Wahrheit über das, was damals wirklich passiert ist, langsam an die Oberfläche – und mit ihr ein uraltes, schreckliches Geheimnis …
Der Autor
Scott Carson ist das Pseudonym eines New-York-Times-Bestsellerautors und Drehbuchschreibers. Er lebt in New England am Ufer eines Stausees.
SCOTT CARSON
THE
SIE WARTEN AUF DICH
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Marcel Häußler
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der Originalausgabe
THE CHILL
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Deutsche Erstausgabe 07/2021
Redaktion: Sven-Eric Wehmeyer
Copyright © 2020 by Scott Carson
Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München,
unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com
(Paper Street Design, sakdam)
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-26547-2
V001
www.heyne.de
In Erinnerung
an Thad Beaumont und George Stark
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie die Geschichten für mich schreiben und mich bitten, ihren Sorgen und Träumen Ausdruck zu verleihen.«
Kenneth Millar
Presque vu:
»Die Erscheinungen und Ereignisse im Gesichtsfeld weisen in eine bestimmte Richtung; sie deuten auf ein Ende, das noch nicht ganz erreicht ist, oder es mangelt ihnen an angemessener Vollendung …«
Heinrich Klüver
»Nahezu apokalyptisch fügte er hinzu, der Damm stelle eine fortwährende Gefahr für die Orte flussabwärts dar.«
Bob Steuding, The Last of the Handmade Dams:
The Story of the Ashokan Reservoir
Molly nahm eine schwarze Seidentasche mit, die sie sich über den Kopf ziehen konnte, denn sie wollte so lange nichts sehen, bis sie zurück nach Galesburg kam.
Der Stoff war weich und schön, aber zugleich dicht und dunkel, wodurch er sie besser abschirmen würde als der Leinensack oder der weiße Kissenbezug, die sie in Erwägung gezogen hatte. Und er würde sich angenehmer anfühlen als der schwarze Müllsack.
Sie legte die Seidentasche zu den Spulen mit starker Hochseeangelschnur und den langen Edelstahlhaken in ihrer Handtasche. Die Eisenketten und das Vorhängeschloss hatte sie bereits auf dem Felsvorsprung über dem See versteckt.
Obwohl sich ihr Puls beim Anblick der Haken beschleunigte, klappte sie, ohne zu zögern, die Handtasche zu. Sie war eine Stoikerin, und das machte sie stolz. Unerschütterlich hatte ihr Vater sie als Mädchen genannt, und darauf war sie ebenfalls stolz gewesen. Zu jener Zeit hatten immer mehr Familien das Dorf verlassen, während ihr Vater jede Nacht mit der Schrotflinte im Schoß auf seinem Stuhl auf der Veranda saß und auf Plünderer wartete. Er war wachsam, aber nicht wütend auf sie. Er beharrte darauf, dass die echten Plünderer vom Staat kämen und der Damm am Cresap Creek der wahre Diebstahl sei. Der ganze Rest, sagte er, sei durch dieses erste Verbrechen ausgelöst worden. Was erwartete man denn, wenn man einen Ort enteignete? Die Sünde würde wie das Wasser bergab fließen, und Gesetzlosigkeit und Anarchie würden herrschen, sobald die Einweihungszeremonie vorbei war.
Sie wusste nicht, ob er in diesen Nächten überhaupt schlief. Morgens, wenn er Molly zur Schule brachte, behielt er sein Gewehr in der Hand. Sie kamen immer an dem uralten Holzgebäude vorbei, in dem er selbst unterrichtet worden war, und er nickte dann in die Richtung oder zeigte mit dem Lauf der Kaliber .12 darauf und erzählte ihr, wie viel besser es damals gewesen sei. Weniger Gier, sagte er immer. Weniger Gier und mehr Prinzipien. Damals. Galesburg war nicht nur ein Dorf, sondern eine Gemeinschaft.
Dann brachte er sie die Betonstufen vor dem neuen, aber schon dem Untergang geweihten Schulhaus aus Backsteinen hinauf, sah zu, wie sie die Tür öffnete, lächelte und winkte, während er die Schrotflinte in der anderen Hand hielt.
Sie erwiderte sein Lächeln, ohne sich ihre Angst anmerken zu lassen, selbst an den letzten Tagen, als sie die einzige Schülerin war und allein an ihrem Pult in dem zweigeschossigen Gebäude mit all seinen seltsamen Geräuschen saß. Oder, noch seltsamer, seiner völligen Stille.
Sie war Molly Mathers, und sie war unerschütterlich. Stoisch.
Seitdem waren Jahrzehnte vergangen, aber ihr Temperament hatte sich nicht verändert. Als sie ihr Schlafzimmer verließ, war sie versucht, vor dem Spiegel stehen zu bleiben, ihr Abbild anzusehen, als wäre es ein anderer Mensch, und sich von ihm zu verabschieden. Doch das kam ihr zu theatralisch vor. Unnötig. Das einzige Gesicht, das sie heute sehen musste, war das ihrer Enkelin. Natürlich musste sie dazu in der Schule vorbeischauen. Molly fürchtete sich davor, die Schule zu betreten, aber es musste sein.
Sie schloss die Schlafzimmertür hinter sich, ging durch den schmalen Korridor mit der altmodischen Blumentapete und stieg die knarrenden Stufen zur Diele hinab. Links war das Esszimmer, rechts die Bibliothek. Ein ungastlicher, muffiger Raum, eine Steigerung der Atmosphäre des restlichen Hauses, eher Museum als Heim. Die Bücherregale an den Wänden hatten ihr allerdings immer gefallen.
Jetzt ging sie zur hinteren Wand, an der auf einem verwitterten Holzschild Schule von Galesburg stand. Ihr Vater hatte es vom ursprünglichen, einräumigen Schulhaus abgerissen, bevor das Gebäude niederbrannte.
Molly hakte die Finger unter die Zierleiste des Regalbretts unterhalb des Schilds und zog. Die Wand schwang in gut geölten Angeln nach innen. Es war die einzige Tür im Haus, die sich geräuschlos öffnen ließ. Sie roch den Rauch und die Feuchtigkeit auf der anderen Seite, bevor sie den Raum erkennen konnte.
Sie wartete, bis ihre Augen sich an das Zwielicht gewöhnt hatten. Trotz der zahlreichen Laternen, die an Haken vom Mittelbalken herabhingen, war es zu dunkel dort. An allen Wänden hingen alte Bilder. Überwiegend Fotos. Die ältesten waren Zeichnungen. Sie kannte jedes Foto und jede Zeichnung, wusste genau, wo und wann sie entstanden waren. Seit sie sich zuletzt gestattet hatte, sie näher zu betrachten, waren viele Jahre vergangen, trotzdem kannte sie sie in- und auswendig.
Sie sah ihre Enkelin im Laternenlicht. Gillian saß am Pult und blickte zur Tafel. Das Pult hatte einmal Molly gehört.
Gillian bemerkte sie nicht. Sie war in ein Buch vertieft. Sie hielt den brünetten Kopf gesenkt, bewegte die blauen Augen von links nach rechts und trommelte mit ihren abgeknabberten Fingernägeln – die einzige schlechte Angewohnheit, die man ihr nicht abgewöhnen konnte – auf dem leeren Tintenfass an der Vorderkante des Schreibtischs. Dass es leer war, war Mollys Verdienst, ein Symbol für einen der wenigen Kämpfe, die sie gegen ihre eigene Mutter gewonnen hatte. Molly hatte versprochen, am Unterricht der Galesburg-Schule teilzunehmen, aber darauf bestanden, dass ihr Wissen über die gegenwärtige Welt nicht bestritten wurde. Respektiere die Vergangenheit, aber lebe nicht in ihr. Der Kugelschreiber, der neben Gillians Hand lag, war ein Zeugnis von Mollys Sieg, der das Tintenfass des alten Schulpults überflüssig machte.
Als sie jetzt das Pult betrachtete, war sich Molly allerdings nicht so sicher, dass sie wirklich gewonnen hatte. Ja, das Tintenfass war überflüssig geworden, aber es war noch da. Die Vergangenheit war immer da. Sie lebte in Antiquitäten und Erinnerungen weiter, in Kriegsgeschichten und Warnungen, aber sie war nie weg.
Und sie ruhte nie.
Molly ließ das schwenkbare Bücherregal einen Spalt offen stehen, sodass ein dünner grauer Lichtstrahl in das Klassenzimmer fiel, und ging zu ihrer Enkelin. Auf dem Weg sah sie unbehaglich zur Decke auf. Die verschlissenen Pappelbohlen waren seit jeher von dunklen Brandflecken übersät gewesen. Damals, als Molly unter ihnen gelernt hatte, waren dicke kalte Tropfen herabgefallen, während sie langsam trockneten. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter sie von einem Flachboot mit einem Bootshaken aus dem See gezogen hatte. Molly war überzeugt gewesen, dass die schrecklichen alten Bohlen eines Tages trocknen würden. Aber es sah nicht danach aus. Selbst jetzt nicht, nach dem trockensten Sommer und Frühherbst seit Jahren.
Gillian blätterte um und las weiter. Noch immer hatte sie nicht aufgesehen. Sie hatte die Pforte durchquert und war in einer fiktiven Welt. Molly beobachtete sie gern in diesem Zustand. Sie mochte es, wenn sie sich so mitreißen ließ.
»Gefällt dir die Geschichte?«, flüsterte Molly.
Wortlos nickte Gillian. »Gill-ian, das G wie in Gräte«, sagte ihre Enkelin immer, wenn es jemand weich, wie Dschillian, aussprach. Ihre rechte Hand schlich zum Mund, um einen Nagel zwischen die Zähne zu schieben; das Nägelkauen, das sie anscheinend nicht loswerden konnte. Als ahnte sie Mollys Ermahnung voraus, hielt sie in der Bewegung inne und blätterte stattdessen die Seite um.
Es war ein abgegriffenes Taschenbuch aus Mollys Kindheit. Das Haus der geheimnisvollen Uhren von John Bellairs, eine entzückende Geschichte, die ihre Mutter als Verherrlichung der Zauberei bezeichnet hatte. Und das, kurz bevor die Familie die hausgemachte Tinktur zum Schutz vor der Grippe einnahm. Was war die Tinktur, wenn nicht Hexenwerk?, hatte Molly gefragt.
Tradition, hatte ihre Mutter gesagt. Tradition und gesunder Menschenverstand. Die Welt wird beides vergessen, bis sie daran erinnert wird. Und jetzt nimm deine Arznei.
Nun lag das Buch in den Händen ihrer Enkelin, neben dem leeren Tintenfass.
Die Vergangenheit ruhte nie.
Unter dem Buch lagen die Arbeitsblätter, auf die Gillian sich eigentlich konzentrieren sollte. Molly konnte einige der Fragen lesen – zur Geschichte von Galesburg, mit verschiedenen Antworten zur Auswahl, alte Namen und Daten, Menschen und Orte, die in der Welt außerhalb dieses Zimmers längst vergessen waren. Außerdem gab es mathematische und naturwissenschaftliche Aufgaben. Die Formeln waren kompliziert für eine Schülerin in Gillians Alter und verlangten ihr viel ab, ja, aber Galesburg brachte eben einzigartige Erfordernisse mit sich.
F = P x A
Unter die Formel hatte Gillian ein Bild gezeichnet, auf dem Wasser gegen eine Mauer drückte. Daneben hatte sie geschrieben: Kraft gegen den Damm = Wasserdruck x Fläche.
Molly tippte mit dem Zeigefinger auf das Arbeitsblatt.
»Denk dran, das ist so, als würdest du tauchen«, sagte sie. »Du weißt doch, dass es sich anfühlt, als würden die Trommelfelle platzen, wenn man tief unter Wasser ist. Das ist der Druck. Das Gewicht des Wassers über dir.«
»Ja«, sagte Gillian und konzentrierte sich weiter auf das Buch.
»Und das bedeutet«, sagte Molly geduldig und entschlossen, diese letzte Lektion aufzufrischen, »dass der Druck steigt, wenn … Gillian? Wann steigt der Druck?«
Endlich sah Gillian auf. »Wenn die Tiefe zunimmt.«
»Sehr gut.« Molly beugte sich vor und küsste ihre Enkelin auf den Kopf. Sie wollte bleiben, die Berührung auskosten, aber sie wusste, dass es nicht ging. Sie hatte für diesen Augenblick geübt, hatte jahrelang hinter verschlossenen Türen geweint, wenn sie es sich nur vorstellte, und dank dieser qualvollen Vorbereitung waren ihre Augen jetzt trocken und würden trocken bleiben.
So einfach die Planung, so schwierig die Umsetzung.
»Ich bin eine Weile fort«, sagte sie und drückte Gillians linke Schulter.
»Wegen dem Laden?«, fragte Gillian, ohne den Blick zu heben. Wer konnte ihr vorwerfen, dass sie nicht aufsah? Soweit Gillian wusste, machte Molly nur eine gewöhnliche Erledigung an einem gewöhnlichen Tag, während sie eine tolle, wenn auch erfundene Geschichte vor sich liegen hatte.
Wie sehr sich Molly wünschte, ihre Enkelin könnte für immer in diesen erfundenen Geschichten leben. Die echte Welt wartete, und die echte Welt hatte scharfe Zähne. Jeder Tag, den man ihr fernbleiben konnte, war ein Geschenk.
Aber die Vergangenheit ruhte nicht, und die Vergangenheit war nicht geduldig.
Ja, wegen dem Laden, dachte Molly, aber dann brachte sie es doch nicht über sich zu lügen.
»Der See«, sagte sie.
Jetzt blickte Gillian auf. Sie setzte ihr ernstes Neunjährigengesicht auf, das den dunklen Teint ihres schwarzen Vaters, aber die blauen Augen ihrer niederländischstämmigen Mutter besaß, und sah Molly in die Augen, während sich die ersten Fragen bildeten wie Regentropfen vor der Flut, und erst da gelang es Molly, sich wieder auf ihre lang geübte Aufgabe zu konzentrieren.
»Ich muss einen Spaziergang machen.« Sie brachte ein Lächeln zustande. »Einen Spaziergang am See.«
Und so waren die letzten Worte, die sie mit ihrer Enkelin sprach, ehrlich.
Sie küsste Gillian einmal auf die Stirn. Es durfte nur ein Kuss sein, weil Molly befürchtete, jede weitere Zuneigungsbekundung würde Gillian misstrauisch machen und weitere Fragen auslösen.
Aber als Molly zurücktrat, nickte Gillian nur und wandte sich wieder dem Buch zu.
Molly ging unter den Laternen und der verkohlten wasserfleckigen Decke aus dem Klassenzimmer. Man konnte das Wasser riechen. Es war kein feuchter, modriger Kellergeruch, sondern der Duft eines Wildbachs oder einer Quelle, frisch und sauber.
Frisch zumindest. Aber sauber? Wohl kaum.
Sie schaffte es aus dem Haus, bevor sie zu weinen begann, und selbst dann war es nicht so schlimm. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, aber es kamen nicht viele. Stoisch.
Sie ging nach Nordosten durch den Wald, mied die Straße und folgte dem Bergkamm, was den Weg zum See abkürzte. Das Laub, das den Boden bedeckte, war von der wochenlangen Dürre derart ausgetrocknet, dass es unter ihren Füßen knisterte wie Zweige im Feuer. Der Tag war trüb und grau, aber die Blätter leuchteten in einem Potpourri aus Orange, Gelb und Rot. Ein langer herrlicher Sommer, dem die Kehle durchgeschnitten wurde.
Sie kam knapp unterhalb des Dammes an einer hohen Felswand über dem Fluss aus dem Wald. An der Kante ragte eine Faust aus Dolerit aus der Erde. Sie setzte sich auf den Fels, nahm ihr Handy aus der Tasche und tätigte den Anruf, den sie zu tätigen hatte.
Der Disponent des Torrance County Sheriff’s Department war verwirrt und besorgt zugleich, als Molly darum bat, in ihrem Haus nach dem Rechten zu sehen und die Adresse nannte.
»Warum glauben Sie, dass etwas nicht in Ordnung ist, Ma’am?«
»Ich glaube es nicht«, sagte Molly, »ich weiß es. Bitte schicken Sie sofort jemanden hin. Aber, wenn es möglich ist, lassen Sie das Blaulicht und die Sirene aus. Das kleine Mädchen da drin muss nicht noch mehr Angst kriegen, als es sowieso schon hat.«
Der Disponent bedrängte sie mit weiteren Fragen, aber Molly beendete die Verbindung, um ihren zweiten Anruf zu erledigen. Es überraschte sie nicht, dass niemand abnahm. Gillians Vater war zu dieser Stunde normalerweise tief unter der Erde, irgendwo unter den Bürgersteigen von New York. Er würde die Nachricht verstehen, die sie ihm hinterließ. Molly wusste nicht viel über ihn, aber sie wusste, dass er die Nachricht verstehen würde.
Und sie wusste, dass er schnell kommen würde.
Als sie die Anrufe hinter sich gebracht hatte, warf sie das Handy ins Wasser, kippte ihre Handtasche auf dem Felsen aus und schleuderte sie hinterher. Sie beobachtete, wie die gierige Strömung die Tasche flussabwärts riss, bevor sie nach einer Weile sank.
Sie wickelte die monofile Angelschnur mit fünfundzwanzig Kilo Tragkraft um ihren Gürtel, verzurrte die langen Haken an den freien Enden und ließ sie herabbaumeln. Wahrscheinlich waren sie überflüssig, aber sie war eine gründliche Frau. Es gab eine Menge Baumstämme unten im Wasser, die zusammen mit dem Gewicht der Ketten das Risiko minimierten, zu weit flussabwärts getrieben zu werden, aber sie musste sicher sein. Wenn sie zu schnell zu weit abtrieb, könnte alles umsonst gewesen sein.
Aber wer konnte das schon wissen? Es gab kein Ritual für diesen Augenblick. Sie hatte eines geschaffen, weil ihr die Regeln halfen, an das Versprechen zu glauben. Alles, was sie hatte, war das Versprechen. Das, was ihr als Kind gegeben worden war. Galesburg wartete auf sie.
Galesburg brauchte sie.
Nachdem sie die Haken und Schnüre befestigt hatte, beugte sie sich vor, wischte das Laub zur Seite und fand die Ketten, die sie dort versteckt hatte. Sie wickelte sie sich um die Fußgelenke, jetzt mit schnellen Bewegungen. Sie atmete schwer, und ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Sobald das Vorhängeschloss zugeschnappt war, spürte sie, wie ihre Lunge sich entspannte, als hätte dieser letzte Schritt sie von einer Last befreit. Jetzt fühlte sie sich besser. Nicht furchtlos, aber auch nicht ängstlich. Nur mutig genug. Mehr war nicht nötig.
Sie blieb auf dem Felsen sitzen, während sie sich die schwarze Seidentasche über den Kopf stülpte. Der Stoff fühlte sich an ihrer Wange weich und glatt an. Schnell zog sie den Verschluss zu und verknotete die Kordel, denn sie wollte vermeiden, die warme Enge ihres eigenen Atems zu spüren, solange sie die Tasche noch herunterreißen konnte. Ihre Augen waren jetzt geschlossen, obwohl es unter dem Stoff keine Rolle mehr spielte. An ihren Wimpern fühlte sich die Seide wie Staub an, wie etwas, das weggeblinzelt werden konnte.
Vier Schritte bis zur Kante der Steilwand. Natürlich hinderten die Ketten sie daran, kräftig auszuschreiten, deshalb rechnete sie mit acht Schritten. Höchstens zehn.
Einen Moment lang saß sie völlig reglos da, spürte den kalten harten Stein unter sich, lauschte dem strömenden Wasser und erinnerte sich, dass sie dankbar für jeden Tag der Gnade in dieser Welt und standhaft gegen jeden Schrecken gewesen war.
Das war die Aufgabe des Lebens.
Molly Mathers hatte hart daran gearbeitet.
In einer einzigen flüssigen Bewegung stand sie auf und trat den ersten schlurfenden Schritt nach vorn. Aus Neugier auf die Auflösung der letzten Frage zählte sie die Schritte: Wie viele lagen vor ihr?
Die Antwort lautete sieben.
Dann stürzte sie und drehte durch das Gewicht der Ketten eine Pirouette wie ein herabfallendes Blatt.
Das Wasser war ein brutaler Schock, aber es riss ihr die schwarze Seidentasche nicht vom Kopf.
Deshawn Ryan kam aus einem Loch im Boden und ging durch den Regen dreizehn Häuserblocks weiter, um das nächste zu erreichen.
Die Stadt mit ihren acht Millionen Einwohnern war eine chaotische, aber zugleich beruhigende Serenade aus Motoren und Abgasen, Stimmen und Rufen, Hupen und Maschinen. Dreizehn Querstraßen genoss er die Geräusche der Stadt, dann verschwand er wieder aus ihr.
Das war sein Tagesrhythmus. Zur U-Bahn hinabsteigen, durch die Tunnel unter der Stadt bis zu seiner Haltestelle fahren, wieder ans Tageslicht kommen, dreizehn Blocks gehen und in andere Tunnel abtauchen.
Normalerweise machte ihm der Fußweg Spaß. Heute hetzte er mit gesenktem Kopf durch den kalten Regen, der aus einem verwaschenen Himmel fiel, wie er schon seit mindestens einer Woche über der Stadt hing. Trostlos. Der Regen kam und ging, aber meistens bekam Deshawn nicht viel davon mit: Er befand sich hundertachtzig Meter unter der Erde. Ein Hurrikan könnte vorbeiziehen, ohne dass er es merkte. Die Zwillingstürme waren eingestürzt, und er hatte es nicht mitbekommen, bis er mit dem Rest der Sandhog-Crew hektisch nach oben geschickt und in das Chaos und Entsetzen dieses Tages entlassen worden war.
Das Leben konnte dort unten in den Tunneln an einem vorbeiziehen, so viel war sicher. Die Tunnel hielten den Betrieb oben aufrecht, aber die Menschen gaben sich nicht lange damit ab, über das nachzudenken, was unter ihnen passierte. Solange alles funktionierte. Wenn die Lichter ausgingen oder das Wasser nicht mehr floss oder das Gas ausblieb, dann erinnerten sie sich, was dort unten vor sich ging.
Nach dreizehn Blocks auf überfüllten Bürgersteigen, zwischen Leuten, die sich mit gesenkten Köpfen oder aufgespannten Schirmen vorbeidrängten oder am Rinnstein standen und die Hand hoben, während Taxireifen sie mit Wasser bespritzten, bog er rechts ab und ging einen halben Block weiter zu einem Ort, der sich nicht von hundert anderen Baustellen in der Stadt unterschied. Hohe Aluminiumzäune, Vorsicht- und Zutritt-verboten-Schilder, orangefarbene Pylonen und reflektierendes Absperrband.
Und Kameras. Manche leicht zu sehen, andere versteckt.
Ein Wachmann ließ ihn durch das Tor. Dahinter standen Erdbaumaschinen, Türme von Paletten, aufgestapelte Armierungseisen und Holzspulen, die Desmond überragten, mit Kabeln, dicker als sein Unterarm. Direkt hinter dem Tor wurde so viel Schrott gelagert, dass man die nordwestliche Ecke des Geländes kaum sah, bis man fast vor dem Loch stand.
Das Loch hatte einen Durchmesser von sechseinhalb Metern und wirkte harmlos und gefährlich zugleich, wie ein überdimensionierter Kanalschacht ohne Deckel. So sah es zumindest aus, bis man in den Förderkorb stieg.
Der Käfig aus grünen Metallstangen erinnerte Deshawn immer an die Futterspender in den Catskill Mountains, die Spechte, Kleiber und vorwitzige Eichhörnchen anlockten. Er hing an einem Stahlseil, das über einen Kran hinab zu einer Haspel führte.
Sein morgendlicher Arbeitsweg endete wie der so vieler New Yorker mit einer Fahrt mit dem Aufzug. Nur dass sie ihn nach unten statt nach oben führte.
Im Förderkorb waren schon drei Männer und etwa fünfzehn Kisten Dynamit. Josh Dunham, der die Haspelsteuerung bediente, sah Deshawn und wartete auf ihn.
»Guter Tag, um unter die Erde zu fahren«, sagte Josh, während der Regen in Strömen fiel.
»Ja, bloß dass ich da unten nicht so schön braun werde wie du.«
Josh lachte. Er war Ire und derart blass, dass man ihn schon als durchsichtig bezeichnen konnte. Von wegen Sonnenbrand; Dunham konnte sich im Mondlicht verbrennen.
Viele der Männer waren Iren. Einige waren Italiener. Deshawn passte als Sohn eines schwarzen Vaters und einer halb kubanischen, halb europäischen Mutter nicht ganz in das Muster der Crew. Die Iren und Italiener waren überwiegend Sandhogs der zweiten Generation. Manche waren auch bereits in der dritten und Matty Silvers sogar in der vierten Generation Tunnelbauer. Viele ihrer Vorgänger hatten es zu einer Familienangelegenheit gemacht. Entweder war man geboren, um unter die Erde zu gehen, oder eben nicht. Entweder wusste man die technische Meisterleistung des New Yorker Wassertunnels Nummer 3 zu schätzen oder nicht.
Oder man wusste nicht, dass es sie überhaupt gab. Man drehte einfach den Hahn auf und erwartete, dass das Wasser floss. Man wusste nicht, dass es aus den Bergen im Hinterland kam, dass neunzehn Speicherseen den Durst der Stadt stillten, indem sie ihr Wasser durch zwei Tunnel schickten, die an manchen Stellen so groß waren, dass ein Bus hindurchfahren könnte.
Bis jetzt zwei Tunnel. Bald drei. Das war wichtig, denn der erste Tunnel war 1917 und der zweite 1935 fertiggestellt worden, und die alten Dinger mussten gewartet werden. Wassertunnel Nummer 3 würde ermöglichen, die alten Tunnel vorübergehend stillzulegen, zu inspizieren und zu reparieren, wobei viele Abschnitte erstmals seit ihrer Konstruktion besichtigt werden würden. Wassertunnel Nummer 3 würde wichtiges Trinkwasser liefern, falls einer der anderen ausfiel. An Wassertunnel Nummer 3 wurde schon seit fast fünfzig Jahren gebaut, und mehr als zwanzig Männer hatten dabei ihr Leben gelassen.
Aber jetzt war er fast fertig. Fast.
Deshawn wäre froh, wenn es so weit war. Als er in den Förderkorb trat und hörte, wie die Tür hinter ihm zuknallte und Josh Dunham »Abfahrt!« brüllte, spürte er den Anflug einer Angst, die sich in letzter Zeit immer häufiger bemerkbar machte. Er verstand es nicht. Seit dreißig Jahren arbeitete er in diesen Tunneln, und neunundzwanzig Jahre lang war er bei der Einfahrt nie nervös gewesen.
In letzter Zeit allerdings …
Der Regen wurde zu einem leisen Plätschern, das von mechanischem Brummen und Ächzen übertönt wurde, während die Haspel sie abließ. Die Crew verfiel in Schweigen.
Dreißig Meter unter der Erde ließ das Tageslicht rapide nach, wie eine Taschenlampe mit fast leeren Batterien, die einem eine letzte Erinnerung an Helligkeit gewährte. Bei sechzig Metern war es stockdunkel. Das Drahtseil knarrte, Wasser tropfte. Matty Silvers ließ einen Furz, der durch den Korb hallte. Brian Bell sagte, er solle sich von dem Dynamit wegdrehen. Kurzes Gekicher, dann Stille.
Hundertzwanzig Meter. Hundertfünfzig. Kalte Luft und Feuchtigkeit in der Schwärze. Deshawn hielt die Taschenlampe in der Hand, schaltete sie aber nicht ein. Noch nicht.
Hundertachtzig. Das Seil ächzte, der Korb wackelte, dann setzten sie auf festem Boden auf. Die Tür öffnete sich, und alle strömten hinaus. Man bewegte sich schnell, wenn man den Korb verließ, denn sich am Grund des Schachts aufzuhalten, war eine von vielen guten Methoden, hier unten zu sterben. Wenn etwas in das Loch fiel, hatte es beim Aufprall eine tödliche Geschwindigkeit erreicht. Einmal war ein Sandhog von einem Eiszapfen getötet worden. Das Ding war abgebrochen, lautlos durch die Dunkelheit gefallen und hatte ihn aufgespießt wie ein Schwert.
An der Decke hingen elektrische Lampen, aber nicht viele. Deshalb trug man immer seine Taschenlampe und seine Stirnleuchte bei sich. Man verließ sich nur auf sein eigenes Licht, wenn man überleben wollte.
Deshawn hatte drei Jahrzehnte durchgehalten. Er hätte jetzt in Rente gehen können. Sein muskulöser Körper, der beim Highschool-Football die Reihen der Verteidiger durchbrochen hatte, war eine einzige Ansammlung von Schmerzen. Er war erschöpft. Er hatte Ersparnisse, eine Rente. Er musste nicht weiterarbeiten.
Aber er wollte es sehen. Er wollte sagen können, dass er dabei gewesen war, als endlich die Absperrhähne geöffnet wurden und Milliarden Liter kaltes Wasser aus den Catskills durch die gewaltigen Tunnel strömte und die Arbeit eines halben Jahrhunderts vollbracht war. Hier unten waren Menschen gestorben und unzählige Glieder abgetrennt worden. Ja, Deshawn wollte sagen können, dass er dabei gewesen war, wenn die ganze verdammte Arbeit endlich erledigt war.
In letzter Zeit allerdings … in letzter Zeit hatte er es eilig. Nicht wegen der Erschöpfung oder der Schmerzen. Nein, es lag an seinem Kopf. Seiner Konzentration. Er hatte sich erlaubt, an seine Tochter zu denken, die als Polizistin beim DEP, der Umweltschutzbehörde, angestellt war, aber Hunderte von Kilometern außerhalb Dienst tat, wo sie die Stauseen bewachte, und dann waren seine Gedanken abgeschweift. Zurück zu dem seltsamen Wochenende, als er den Ausflug unternommen hatte, um zum ersten Mal zu sehen, wo genau das Wasser herkam, für das er sich abrackerte.
Dann hatte er sich an Gillians Mutter erinnert. Kelly Mathers. Die Haut fast so hell wie Josh Dunhams, aber mit einem inneren Leuchten. Die Augen so blau wie Wasserlöcher im Eis. Was für eine Ausstrahlung. Pure Energie. Und die Lust? Verdammt, wie gut er sich daran noch erinnern konnte. Lust war nicht einmal das richtige Wort. Intensität. Wie sie ihren schlanken festen Leib an ihn drängte, wie sie vor Erregung glühte und die Muskeln an ihren Beinen und ihrem Hintern unter seinen Händen zu zittern begannen …
Sie war etwas Besonderes gewesen, zweifellos. Er hatte es von Anfang an gewusst, aber er hatte nicht begriffen, wie besonders, bis es zu spät war. Seit zwanzig Jahren fragte er sich jetzt, ob er seine Tochter rechtzeitig aus ihrem Haus geholt hatte. Er hätte sie gar nicht erst dalassen sollen, aber das reine Entsetzen über die Verantwortung, die das winzige Wesen ihm auferlegte, hatte ihn dazu gebracht. Die Bedürftigkeit in ihren Augen. Der forschende Blick, als wüsste sie, dass er sie enttäuschen würde.
Ich habe sie zurückgeholt, dachte er trotzig, derselbe Gedanke, der ihm seit zwei Jahrzehnten jeden Tag kam. Ja, ich habe sie zurückgeholt. Als ob die ersten neun Jahre in Gillians Leben bedeutungslos wären. Selbst nachdem ihre Mutter bei dem Autounfall gestorben war, hatte er seine Tochter in dem seltsamen Haus an dem seltsamen Ort gelassen. Sie ihrer Großmutter anvertraut, sich eingeredet, es wäre nur vorübergehend. Aber wenn die Großmutter nicht verschwunden wäre, hätte er sie dann jemals geholt?
Du hast es getan. Das ist das Entscheidende.
Er hatte sie aus dem Wahnsinn rausgeholt, und sie hatte sich so gut entwickelt. Er war verdammt stolz auf sie. Eine fähige junge Polizistin; wie könnte man nicht stolz sein, eine solche Frau großgezogen zu haben? Er hatte für sie die richtigen Lehrer, die richtigen Schulen, den richtigen Weg gefunden.
Während er durch den kalten Betontunnel ging, um den Tag mit Sprengen und Steineschleppen zu verbringen, war er sich beim letzten Punkt nicht ganz so sicher. Vielleicht hatte er ihr zu sehr geholfen. Sie zu drängen, der DEP-Polizei beizutreten, war damals naheliegend gewesen, weil es die einzige Behörde war, bei der Deshawn Leute kannte. Sie würde auf die Wasserversorgung der Stadt aufpassen, genau wie ihr Vater. Die Vorstellung hatte ihnen beiden gefallen.
Zumindest so lange, bis sie sich auf den Posten im Hinterland beworben hatte.
Die Akademie befand sich in Kingston, aber er hatte erwartet, dass sie zurück in die Stadt geschickt würde. Die Versetzung an die Wache von Ashokan in den Catskills kam unerwartet. Der Gedanke, dass sie selbst darum gebeten hatte, war beunruhigend. Hatte sie das Bedürfnis, ihre alte Heimat zu erkunden, sich an alte Geschichten zu erinnern? Er hoffte nicht. Er hoffte, er wäre der Einzige, der …
»Deshawn?«
Die Stimme kam von links hinten, aus dem trüben Licht der nackten Glühbirnen, die dort an den Betonwänden hingen. Gedämpft, aber kein Flüstern. Einfach nur leise.
Als er stehen blieb und sich umdrehte, rechnete er damit, Matty Silvers zu sehen, der über Deshawns geliebte New York Jets herziehen oder irgendeinen dämlichen Witz reißen wollte.
Aber es war nicht Matty. Der Mann, der seinen Namen gerufen hatte, saß mit gespreizten Beinen auf einem massiven Holzbalken, der den bedrohlichen Druck der losen Erde zurückhielt. Er befand sich mindestens fünf Meter über dem Boden, weit über Deshawns Kopf, und von seinen alten Lederstiefeln tropfte Wasser auf die Balken unter ihm. Er trug eine verschlissene Latzhose. Auf seinem Kopf saß ein eingedrückter Filzhut. Er war jung, nicht älter als fünfundzwanzig, vielleicht nicht einmal zwanzig. Fast ein Junge. Aber seine Augen blickten ernst, und er hatte sie auf Deshawn gerichtet.
»Du musst zuhören«, sagte der Junge. »Wir erzählen dir die ganze Zeit etwas, und du musst anfangen zuzuhören.«
Deshawn wollte gerade antworten, als ihm einfiel, dass alle Wände hier aus Beton waren und in diesen Abschnitt von Wassertunnel Nummer 3 nie irgendwelche Holzbalken transportiert worden waren. Er drückte auf den Schalter seiner SureFire-Taschenlampe und schickte zweihundert Lumen in die Augen des merkwürdigen Jungen.
Der Junge war verschwunden. Das Licht wurde von den nackten Betonwänden reflektiert, kein Holzbalken in Sicht, und Matty Silvers hob eine Hand und fluchte.
»Verdammt, was soll das, Deshawn? Willst du mich blenden?«
Die anderen blieben stehen und sahen sich um. Deshawn ließ die Lampe sinken. Er spürte ihre Blicke, aber auch ein Kitzeln der Angst im Nacken, etwas zwischen Vorahnung und Erinnerung, ein Prickeln wie bei der Wochenendaffäre vor fast zwanzig Jahren in einer ruhigen Kleinstadt in den Catskills, als eine blauäugige Schönheit mit den Fingerspitzen über seine Haut gestrichen hatte.
»Ja«, sagte er. »Ich dachte mir, ich blende dich, damit du bei den Giants als Quarterback spielen kannst. Blindheit scheint die einzige Anforderung zu sein.«
Matty schnaubte und hob den Mittelfinger, und jemand kicherte, was mehr war, als der Spruch verdient hatte, und dann setzten sie sich alle wieder in Bewegung, nur eine Gruppe von Männern auf dem Weg zur Arbeit, hundertachtzig Meter unter der Stadt, die berühmt für ihre dicht gedrängten Häuser war, die sich nach dem Himmel streckten.
Niemand sonst wusste, dass Deshawn Ryan, der mehr Erfahrung hatte als alle anderen, Stimmen hörte, die nicht da waren, Dinge sah, die nicht existieren konnten.
Vielleicht sollte ich nicht dabeibleiben. Vielleicht sollte ich in Rente gehen. Die bringen die Sache zu Ende, egal ob ich hier unten bin oder nicht, und wenn meine Gedanken auf solche Weise abschweifen, könnte es Zeit sein zu gehen.
Deshawn hielt den Strahl der Taschenlampe auf seine Füße gerichtet und setzte seinen Weg tief unter der Stadt fort.
Steve Ellsworths Großvater hatte den Regen immer gefürchtet.
Eine Zeit lang hatte Steve das lustig gefunden. In seiner jugendlichen Zuversicht hatte er darüber gelacht, wie sein Großvater über die Veranda schritt und zum Westhimmel sah, sobald sich Gewitterwolken bildeten. Wenn Steve fragte, was an ein bisschen Regen so besorgniserregend sei, warf Ed Ellsworth ihm einen verärgerten Blick zu und nickte dann zu der alten Birke, die zehn Schritte vom Haus entfernt stand.
»Irgendwann wirft der Wind das Riesending um.«
Er verwies immer nur auf den Wind, aber in Wirklichkeit hatte er Angst vor dem Regen. Klaglos stemmte er sich eine Stunde lang heulenden Windböen entgegen, aber sobald die ersten dicken Tropfen eines Sommergewitters oder die scharfen Graupel eines Winterschauers heranwehten, hastete er zur Tür.
Steve konnte sich nicht erklären, warum er im Geiste in der Vergangenheit war, während er mit peitschenden Scheibenwischern durch ein spätherbstliches Unwetter fuhr. Das Einzige, was heute eine Rolle spielte, war sein Sohn. Es war unerklärlich, dass seine Gedanken immer wieder abschweiften.
Konzentriere dich einfach auf Aaron.
Aaron, ja, Aaron, der darauf wartete, dass er eine Kaution von fünfhundert Dollar zahlte und für weitere fünftausend Dollar bürgte. Man musste bezahlen, ob man der Sheriff war oder nicht. In Steve Ellsworths Bezirk musste man auch zahlen, wenn man Präsident oder Papst war. Es spielte keine Rolle, dass es um seinen eigenen Sohn ging. Allerdings hätte es für ihn persönlich von großer Bedeutung sein sollen, dass sein Sohn schon wieder in seinem eigenen Bezirk verhaftet worden war. Es hätte seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen und seine Gefühle und angespannten Nerven zur Genüge beschäftigen sollen, aber stattdessen dachte er an die alten Zeiten, erinnerte sich an die Beklommenheit seines Großvaters bei Regen und dachte, wie sehr diese Hochwassersaison den alten Mann gequält hätte.
Unablässiger Regen, seit vielen Tagen.
Steve versuchte, die Scheibenwischer schneller zu stellen, aber sie standen bereits auf höchster Stufe. Es regnete in Strömen, die Art von Gewitter, die seinen Großvater am meisten beunruhigt hatte, ein Autowaschregen.
Sein Großvater lag inzwischen seit dreißig Jahren unter der Erde. Ehrlich gesagt, war Steve geradezu erleichtert darüber. Ed Ellsworth war ein guter, gottesfürchtiger Mann gewesen, und falls er den Tag erlebt hätte, an dem sein Enkel nicht aus dienstlichen Gründen zum Gefängnis fuhr, sondern um für ein Familienmitglied Kaution zu leisten, wäre er an der Schande zerbrochen.
Steves Parklücke vor dem Gefängnis war selbstverständlich frei; für den Sheriff von Torrance County war ein Platz reserviert. Weil er sich schämte, ihn für solch eine Angelegenheit zu nutzen, fuhr er vorbei und parkte an der Straße, sodass er wie alle Eltern, die für ihr missratenes Kind Kaution zahlen wollten, zu Fuß durch den Regen gehen musste.
Er war nass bis auf die Haut und brachte Wind und Wasser mit, als er in den Aufnahmeraum kam, und Gretchen, die zuständige Beamtin, sah ihn überrascht an. Dann zeichnete sich hinter der kugelsicheren Glasscheibe Besorgnis in ihrem schlanken schwarzen Gesicht ab. Wortlos drückte sie den Knopf, ein Summen ertönte, und die Riegel in der Metalltür schnappten zurück. Steve nahm seinen breitkrempigen Hut ab und schüttelte das Wasser über dem Fliesenboden ab, während er den Raum durchquerte und die Tür aufzog. Der Sheriffstern an seinem Hut funkelte.
»Morgen, Gretchen. Ich komme, um …«
»Ich weiß, Sheriff. Wir hätten ihn schon früher rausgelassen, aber man hat mir gesagt, dass Sie das nicht wollen.«
»Stimmt.«
Gretchen arbeitete seit fast zwanzig Jahren im Gefängnis, und sie hatte gesehen, wie Aaron Ellsworth erst im Kinderwagen den Raum durchquerte, dann auf den Schultern seines Vaters und jetzt, dreimal in den letzten zehn Monaten, in Handschellen.
»Er war wieder mit dem jungen Riggins unterwegs«, sagte sie leise. »Wenn Sie ihn von dem fernhalten könnten, würde ich Aaron hier nicht wiedersehen. Die Familie Riggins war …«
»Glauben Sie mir, ich kenne die Familie. Aber, Gretchen? Aaron auch. Er ist für sich selbst verantwortlich.«
Sie wandte den Blick ab. »Wollen Sie reingehen und ihn holen?«
»Nein. Und ich will, dass er in Handschellen rausgebracht wird.«
Sie zupfte an einem ihrer sorgfältig geflochtenen Zöpfe und biss sich auf die Lippe, als wollte sie widersprechen, aber schließlich drehte sie sich um, betätigte die Sprechanlage und sagte dem Schließer, er solle Aaron Ellsworth herausbringen, ohne ihm die Handschellen abzunehmen.
»Der Sher… äh, der Vater ist hier«, sagte sie. »Er will es so.«
Es war noch nicht lange her, dass Gretchen für Aaron ein Carepaket für seine Tage im Ausbildungslager der Küstenwache zusammengestellt hatte. Damals war Steve sehr stolz auf ihn gewesen. Wie hatte alles so schnell aus den Fugen geraten können? Die unehrenhafte Entlassung, die Rückkehr nach Hause, die Drogen und die Schlägereien. Was hätte Steve tun können, um es zu verhindern?
Gretchen sagte nichts, während Steve ihr die fünfhundert Dollar gab und den Papierkram ausfüllte. Die Anklage lautete auf Besitz von Diebesgut und Hilfsmitteln zum Drogenkonsum. Da es sich nur um Hilfsmittel handelte, war Aaron dieses Mal wohl schlau genug gewesen, die Drogen wegzuwerfen.
Der Junge lernte also doch noch dazu.
Mit einem Klirren öffnete sich die Tür am Ende des Flurs, und Steve beobachtete, wie Mike, der Schließer, Aaron in Handschellen herausführte. Aaron war groß und schlank und besaß noch immer die Muskulatur eines angehenden Weltklasseschwimmers, breite Schultern, überproportionierte Rückenmuskeln und Trizeps, die sich von dem windhundartigen Körperbau abhoben.
Natürlich durfte man sich nicht von all den Tattoos ablenken lassen, wenn man die Muskeln bemerken wollte. Wie viele waren in den letzten zehn Monaten dazugekommen? Gegen die ersten paar hatte Steve nichts einzuwenden gehabt – was ging ihn das an? –, aber als die Tinte weiter über Aarons Unterarme und Hände kroch, hatte er angefangen, sich Sorgen zu machen. Wollte er Einstichstellen verbergen? Es gab keine Hinweise darauf, trotzdem wäre Steve seltsamerweise erleichtert gewesen, wenn er welche entdeckt hätte. Wenn er etwas Neues gefunden hätte, das an der Abwärtsspirale schuld war.
Mike hielt den Blick gesenkt, als er den Flur entlangkam. Aaron kümmerte es nicht; er betrachtete Steve entspannt und belustigt.
Was habe ich bloß falsch gemacht?, fragte sich Steve. Wäre das auch passiert, wenn seine Mutter noch leben würde?
»Okay, Mr. Ellsworth. Geben Sie mir Ihre Hände«, sagte der Schließer. Aaron blieb stehen und hielt ihm die Handschellen mit einer routinierten Bewegung hin, bei deren Anblick Steve einen trockenen Mund bekam. Nicht nur kannte sein Sohn den Ablauf, es schien ihm auch noch gleichgültig zu sein.
»Bedank dich bei dem Beamten«, sagte Steve mit gepresster Stimme.
»Danke, Mann«, sagte Aaron, und Steve umklammerte das nasse Leder seiner Hutkrempe. Er durfte nicht die Beherrschung verlieren. Nicht hier. Nicht vor Mike und Gretchen.
»Wir sehen uns bald«, sagte er. Die beiden nickten schweigend, und Gretchen ließ den Türöffner summen. Steve drückte die Außentür auf und sah zu, wie sein Sohn an ihm vorbei und zurück in die Freiheit stolzierte. Dreiundzwanzig Jahre alt, und er ging wie ein dämlicher Junge in der Umkleidekabine, der sich für hart hielt und dachte, das Ganze wäre ein Spiel.
Als sie in den strömenden Regen traten, wandte Aaron sich zum Polizeiparkplatz.
»Falsche Richtung.« Steve ging zur Straße.
»Verdammt, warum hast du dort hinten geparkt?«, sagte Aaron.
Steves Fuß zitterte beim Auftreten, als wäre es plötzlich schwierig, festen Boden zu finden. Er atmete tief durch und redete sich ein, es wären die Drogen, die aus seinem Sohn sprachen, und es wäre nicht seine Schuld. Vor allem aber wollte er daran glauben, dass es nicht hoffnungslos war.
»Weil ich nicht dienstlich hier bin.« Ohne ein weiteres Wort ging er zum Auto, während er den Schlüssel in der Hosentasche so fest drückte, dass die Kanten ihm in die Haut schnitten.
Auf der Heimfahrt redeten sie nicht miteinander. Es waren fünfzehn Kilometer vom Gefängnis bis zum Haus. Sie fuhren durch das Zentrum von Torrance und schlängelten sich die Catskills hoch, wo der Maiden Mountain über dem Chill aus dem Nebel aufragte. Alle in Torrance County nannten den Chilewaukee-Stausee nur den »Chill«. Steve wohnte über dem See, ein gutes Stück außerhalb des Orts.
Der Regen hatte nachgelassen, aber tiefer grauer Nebel hing um das Backsteinfarmhaus, das Steve vor zwanzig Jahren mit seiner Frau gekauft hatte. Der Garten mit seinem verwelkenden Gras und den nicht mehr voll belaubten Bäumen wirkte im herbstlichen Dunst trostlos. In der Einfahrt stand noch der Basketballkorb, an dem er mit Aaron so viele Stunden Horse und Around the World gespielt und Freiwurfwettbewerbe ausgetragen hatte, aber das Netz war mittlerweile verrottet, und von dem rostigen Ring hingen nur noch ein paar schmutzige Fäden herab. Steve hatte das ganze Ding schon längst abreißen wollen. Es war nichts als ein Schandfleck, und die Zeit der Basketballspiele in der Einfahrt war endgültig vorbei. Er hatte sich nur noch nicht dazu durchringen können.
Er fuhr den Streifenwagen in die Einfahrt und parkte unter dem alten Korb. Dann schaltete er den Motor aus und sprach mit seinem Sohn, ohne ihn anzusehen.
»Ich muss zurück zur Arbeit und die Zeit aufholen, die ich heute Morgen wegen dir verschwendet habe.«
»Klar.« Aaron stieß die Tür auf und wollte aussteigen. Steve packte ihn am Kragen und warf ihn mit einer Gewalt, die sie beide zu erschrecken – oder zu ängstigen? – schien, zurück in den Sitz.
»Scheiße, was soll das?« Aarons Stimme brach, und die Attitüde des harten Jungen fiel in sich zusammen. Er sah jetzt wieder aus wie ein Kind, und in seinen Augen lag eine Spur von Angst, die Steve sowohl verstörend als auch befriedigend fand. Man wollte nicht, dass der eigene Sohn Angst vor einem hatte, aber wenn man seine Aufmerksamkeit brauchte, war Angst dann nicht besser als nichts?
»Ich gehe arbeiten, also hast du den Rest des Tages Zeit«, sagte Steve und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, »um deine Sachen zu packen. Was immer du haben willst, nimm es einfach mit.«
»Wovon redest du?«
»Ich schmeiße dich raus.« Plötzlich begriff Steve, warum ihm auf der Fahrt zum Gefängnis die alten Geschichten durch den Kopf gegangen waren. Es lag nicht am Regen; es lag an dem, was er tun musste, und daran, wie die Ereignisse sich überschnitten. Sein Großvater hatte einmal aus übergeordnetem Interesse einen ganzen Ort rausschmeißen müssen.
»Du schmeißt mich raus?«, wiederholte Aaron ungläubig. »Ich bin dein Sohn!«
»Ja, Aaron. Du bist mein Sohn, und ich liebe dich. Aber ich weiß nicht mehr, wie ich zu dir durchdringen soll.«
»Ach, komm.« Aaron verdrehte die Augen. Wenn man fürs Augenverdrehen bezahlt worden wäre, hätte der Junge schon in Rente gehen können.
»Du bist mein Sohn«, sagte Steve, »aber du solltest auch ein erwachsener Mann sein. Du bist jetzt seit fast einem Jahr wieder hier, seit die Küstenwache dich rausgeworfen hat, und du hast weder einen Job noch machst du irgendwelche Fortbildungen. Du tust nichts, außer dich verhaften zu lassen und Schande über die Familie zu bringen. Und du kümmerst dich um nichts. Ich kann nicht der Einzige sein, der sich kümmert. Das geht einfach nicht.«
»Du schmeißt mich raus? Im Ernst? Du wirfst mich aus meinem eigenen Haus?«
»Deine Mutter und ich haben das Haus gebaut. Dein Name steht nicht im Grundbuch. Aber wenn du bleiben willst, gebe ich dir eine Chance. Auf dem Küchentisch liegen Broschüren von Peaceful Passages.«
»Das soll wohl ein Witz sein.« Aaron hob eine tätowierte Hand vors Gesicht. »Ich gehe nicht in den Entzug. Ich brauche keinen …«
»Wenn du hingehst, bezahle ich es, und du kannst gern zurückkommen, sobald es vorbei ist. Ich bezahle auch einen Anwalt, damit dein nächster Wohnsitz nicht mein Gefängnis wird. Ich setze unseren guten Namen wieder einmal für dich aufs Spiel, indem ich mich vor Gericht und bei der Arbeitssuche für dich verbürge. Wenn du diesen Weg einschlägst, bin ich immer auf deiner Seite, mein Sohn. Verstehst du das?« Steve sprach jetzt schnell, und seine Stimme wurde eindringlicher. »Da will ich hin, aber du musst mir auf halbem Weg entgegenkommen, Aaron. Du musst.«
»Es war bloß eine schlimme Nacht, und du hast kein einziges Mal gefragt, was wirklich passiert ist!«
Alter, du checkst es einfach nicht, du hast keine Ahnung, du bist dermaßen beschränkt, dass ich nur noch über dich lachen kann.
»Früher hast du so hart gearbeitet«, sagte Steve. »Du bist zum See runtergegangen und geschwommen, egal ob es kalt oder dunkel war, du hast dir den Arsch abgearbeitet, weil du wusstest, was du vom Leben wolltest, und es war dir wichtig. Sieh dich jetzt an. Wenn du heute zum Chill gehen und es versuchen würdest, könntest du bestimmt den Kopf nicht über Wasser halten.«
»Und ob ich das könnte.«
»Tja, in allen anderen Bereichen deines Lebens schaffst du es nicht!«, brüllte Steve.
Einen Moment lang saßen sie da und starrten sich an. Aarons Miene füllte sich mit Hass. Steve hoffte inniglich, dass seine eigene Liebe und Entschlossenheit ausdrückte. Diese beiden Gefühle waren immer miteinander verflochten. Als Aaron in der Grundausbildung war, hatte Lily für ihn ein Foto eines Rettungsschwimmers in stürmischer See vor der Küste Alaskas besorgt und darunter geschrieben: Entschlossenheit und Liebe sind zwei Seiten einer Medaille. Steve hatte gesagt, sie solle es ihm nicht schicken. Das ist kitschig, hatte er eingewandt. Mütter sind immer kitschig, hatte sie lächelnd geantwortet an diesem Tag, an dem sie beide glücklich und stolz waren und völlig ahnungslos, dass ein Blutgerinnsel sich ihrem Gehirn näherte.
»Ich will, dass du heute an deine Mutter denkst«, sagte Steve, aber, verdammt, jetzt zitterte seine Stimme, und er war den Tränen nah. Das konnte er nicht zulassen – nicht heute. Heute musste er hart sein.
»Raus aus meinem Auto, Aaron.« Dieses Mal hatten seine Worte die richtige Schärfe.
Aaron zögerte, sträubte sich, und Steve dachte zuerst, er würde etwas sagen, und dann, er würde ihm eine verpassen. Stattdessen stieg er einfach aus und schlug die Tür zu.
Steve sah zu, wie er mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern auf das Haus zuging.
Es hatte wieder zu regnen begonnen.