In den Zwanzigerjahren war Berlin die wohl schillerndste Metropole der Welt: Auf dem Ku’damm flanierten elegant gekleidete Damen, unter den Leuchtreklamen der Lichtspielhäuser versammelten sich lange Menschenschlangen, Amüsierlokale lockten mit Tanz, Champagner und allem, was anderswo als verboten galt. Doch trotz Glamour und Aufbruchstimmung waren die Zwanziger auch ein düsteres Jahrzehnt. Spektakuläre Kriminalfälle hielten die Bevölkerung in Atem, Armut und Arbeitslosigkeit begannen die Gesellschaft zu polarisieren, und die Wut der Menschen über die politische Lage entlud sich in brutalen Straßenkämpfen. In diesem Buch nehmen SPIEGEL-Autorinnen und renommierte Historiker ihre Leser*innen mit auf eine atemberaubende Zeitreise, die eine der spannendsten Epochen der deutschen Geschichte wieder aufleben lässt.
JOACHIM MOHR, geboren 1962, hat Zeitgeschichte, Deutsche Literatur und Linguistik studiert. Seit 1993 ist er Redakteur beim SPIEGEL, zunächst im Ressort Innenpolitik, inzwischen schreibt er für das Ressort Geschichte. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, darunter die SPIEGEL/DVA-Bücher Das Kaiserreich (2014), Die Weimarer Republik (2015) und Die Gründerzeit (2019).
FRANK PATALONG, geboren 1963, studierte Publizistik, Anglistik und Politik in Münster und Bochum. Er begann als freier Journalist bei Hörfunk und Zeitung. Von 1999 bis 2011 war er Leiter der Netzwelt von SPIEGEL ONLINE. Seit 2019 gehört er zum Ressort SPIEGEL Geschichte.
EVA-MARIA SCHNURR, geboren 1974, ist seit 2013 Redakteurin beim SPIEGEL und verantwortet seit 2017 die Heftreihe SPIEGEL GESCHICHTE. Zuvor arbeitete die promovierte Historikerin als freie Journalistin, unter anderem für Zeit und Stern. Sie ist Herausgeberin zahlreicher SPIEGEL-Bücher, unter anderem Englands Krone (2014), Als Deutschland sich neu erfand (2019) und Die Welt des Adels (2021).
Außerdem von Joachim Mohr und Eva-Maria Schnurr lieferbar:
Die Welt des Adels
Die Macht der Geheimdienste
Die Gründerzeit
Als Deutschland sich neu erfand
Das Christentum
Das Kaiserreich
Die Weimarer Republik
Englands Krone
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Joachim Mohr,
Frank Patalong,
Eva-Maria Schnurr (Hg.)
Von schillernden Nächten
und dunklen Tagen
Mit Beiträgen von
Nathalie Boegel, Markus Deggerich, Fiona Ehlers, Hauke Friederichs, Jan Friedmann, Till Hein, Katja Iken, Nils Klawitter, Uwe Klußmann, Ulrike Knöfel, Joachim Mohr, Bernd Oswald, Frank Patalong, Hannah Pilarczyk, Kristin Platt, Eva Thöne, Andreas Unger
Die Texte dieses Buches sind erstmals in dem Magazin Die 20er Jahre. Zwischen Exzess und Krise – Wie ähnlich sich damals und heute sind (Heft 1/2020) aus der Reihe SPIEGEL Geschichte erschienen.
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in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlag: Hafen Werbeagentur, Hamburg
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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel GmbH, Köln
ISBN 978-3-641-26959-3
V001
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INHALT
Vorwort
Berlin bei Nacht
Glamour, Boheme und Sündenpfuhl – Berlin galt als eine der aufregendsten Städte der Welt. Zu Recht?
Von Fiona Ehlers
»Fabelhaft geschmackvoll«
Der Autor Karl Schöpflin berichtete in der Karlsruher Lokalzeitung »Volksfreund« am 10. September 1931 über das Ausgehen in der Metropole Berlin.
»Konkurrenz der Utopien«
Sind die Zwanziger und die Gegenwart vergleichbar? Der Historiker Daniel Schönpflug gibt Antworten.
Ein Interview von Joachim Mohr und Frank Patalong
Keine Helden, nirgends
Als Verlierer kamen die deutschen Soldaten aus dem Krieg zurück, viele körperlich gezeichnet. Mit Verständnis konnten sie nicht rechnen.
Von Andreas Unger
Eine Begründung brauchte es nicht
Die Angst vor Fremden war verbreitet – der Umgang mit ihnen oft schonungslos.
Von Andreas Unger
Muskel-Adolf und die Immertreuen
Berlin war auch Hauptstadt des Verbrechens. Zur Tarnung gründeten Gangster Vereine.
Von Nathalie Boegel
»Raus mit den Männern!«
1919 saßen erstmals Politikerinnen im deutschen Parlament. Eine Revolution! Doch Vorurteile hielten sich hartnäckig.
Von Katja Iken
Welche Vorbehalte gab es gegen das Frauenwahlrecht?
Ein Stimmungsbild
»Frauen wählten konservativer«
Welchen Einfluss hatten die Frauenstimmen auf die Politik der Zwanzigerjahre? Der Politologe Jürgen W. Falter erklärt, was man über die Wählerinnen von damals weiß.
Ein Interview von Frank Patalong
Kampf als Lebenszweck
Die politische Kultur der Zwanziger war von Brutalität geprägt. Wie kam es dazu?
Von Uwe Klußmann
Im Feuer der Bilder
Mit der Leica-Kleinbildkamera wurden Schnappschüsse möglich – viele Bilder hatten politisches Sprengpotenzial.
Von Nils Klawitter
Nichts gewusst?
An der Feldherrnhalle in München endete der Putschversuch Adolf Hitlers.
Von Jan Friedmann
Elektromanie
Elektrische Waschmaschinen und Herde waren ein Versprechen für geplagte Hausfrauen. Ihnen winkte die Freiheit.
Von Frank Patalong
Abseitsfalle
In der Provinz war die Realität alles andere als glamourös. Das machte viele Bauern empfänglich für extreme Botschaften.
Von Hauke Friederichs
Eine Frau für die Massen
Ihre Romane wurden von Millionen gelesen, heute ist sie fast vergessen. Wer war die Schriftstellerin Vicki Baum?
Von Eva Thöne
Die kommende Katastrophe
Was Geschichten über Marsmissionen mit Hitlers Aufstieg zu tun hatten
Von Kristin Platt
Ganz klar
Architektur für eine bessere Welt? Diese Idee hatten nicht nur die Bauhaus-Gründer. Der Stadtbaurat
Ernst May realisierte sie im »Neuen Frankfurt«.
Von Ulrike Knöfel
Monumentale Qualen
Filme wurden das Massenmedium der Zwanziger. Mit »Metropolis« wollte Regisseur Fritz Lang Hollywood Konkurrenz machen – um jeden Preis.
Von Bernd Oswald
Ohne Herz
»Metropolis« machte Brigitte Helm zu einer Berühmtheit – unfreiwillig.
Von Hannah Pilarczyk
Berlin, ganz unten
1928 sorgten Schlägereien in der Hauptstadt für Schlagzeilen. Der »Volksfreund. Tageszeitung für das werktätige Volk Badens« schickte daraufhin einen Reporter auf Recherche.
Der Spaß ist vorbei
Im Oktober 1929 brachen in New York die Börsenkurse ein. Das ökonomische Desaster verstärkte die Spaltung der Gesellschaft – und half den Nazis.
Von Till Hein
»Wir kommen als Feinde!«
Noch 1928 war Hitlers NSDAP eine Splitterpartei. Wie wurde sie danach so schnell mächtig?
Von Uwe Klußmann
Einmal zurück, bitte
Feiern wie vor 100 Jahren: Willkommen in der Zeitmaschine!
Von Markus Deggerich
Der Sound der »Roaring Twenties«
Die originellsten Lieder der Zwanziger
ANHANG
Chronik
Buchempfehlungen
Autor*innenverzeichnis
Dank
Personenregister
Bildnachweis
Schließen Sie die Augen und denken Sie an die 1920er Jahre: Was sehen Sie? Junge, selbstbewusste Frauen mit Kurzhaarschnitten und langstieligen Zigarettenhaltern, daneben dandyhafte Kavaliere mit Schnurrbart? Sicher haben Sie die glitzernde Nachtclub-Atmosphäre vor Augen. Vielleicht sehen Sie eine Bühne, auf der ein Charmeur mit pomadisiertem Haar von »Wochenend und Sonnenschein« singt. Oder Sie denken an einen Auftritt von Josephine Baker!
Natürlich sind das Klischees, aber sie haben einen wahren Kern. Die wilden 1920er Jahre gab es tatsächlich, wenn auch nicht überall und nicht für jeden: Für die Franzosen waren sie das »verrückte« Jahrzehnt, Italiener und Angelsachsen nennen sie gar die »brüllenden« Jahre. Und in Deutschland, das soeben einen katastrophalen Krieg verloren hatte und wirtschaftlich am Boden lag, verbuchte man die kurze Epoche als »golden«. »Ein revolutionäres Jahrzehnt«, sagt der Historiker Daniel Schönpflug, »sicher unruhig, aber voller Ideen, Hoffnungen und Möglichkeiten.«
In diesem Buch zoomen wir ganz tief hinein in die 1920er Jahre, diese kurze, aber intensive Epoche tiefgehender Veränderungen, des Aufbruchs und der Gegensätze. Mit der Weimarer Republik war die erste deutsche Demokratie gegründet, die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung, und nach den traumatischen Kriegsjahren nutzte vor allem die junge Generation die Gelegenheit zu feiern, nicht zuletzt auch die Tatsache, dass sie überhaupt noch lebte. In nostalgischer Rückschau ist es vor allem der Glamour dieser neuen, freieren Lebensart, den wir mit den 1920ern verbinden. Gleichzeitig veränderten technische Innovationen wie Autos oder Staubsauger den Alltag rapide. Frauen durften nun wählen und gewählt werden, sie eroberten sich Einfluss in Gesellschaft und Politik. Zeitungen, Bücher und Kinofilme brachten als Massenmedien neue Ideen und den Traum von der Zukunft unter die Leute. Mit kleinen Kameras ließ sich der moderne Alltag nun auch festhalten und Architekten verwirklichten ihre gesellschaftlichen Utopien in ganzen Stadtvierteln.
Doch die 1920er hatten auch dunkle Seiten, gerade in Deutschland. Der Alltag der Massen war von Armut geprägt, Kriegsversehrte fanden nur schwer zurück in den Frieden. Kriminelle baten ihre Opfer mit gewaltbereitem Nachdruck zur Kasse – und gründeten Organisationen, mit denen sie ihre Aktivitäten tarnten. Auf dem Land war von Aufbruch und technischer Innovation keine Rede, dort fühlte man sich abgehängt von den Entwicklungen in den Städten. Die immer krasseren Gegensätze verschärften soziale Spannungen. Der Kollaps der alten Ordnung schuf Raum für neue Ideologien, die oft aggressiv nach Durchsetzung strebten. Attentate und politische Gewalt gehörten zum Instrumentarium, mit dem eine im Krieg verrohte Generation ihre Konflikte austrug. Auch das waren die 1920er: eine oft düstere, hungrige, brutale Zeit.
In diesem Buch blicken unsere Autoren und Autorinnen auf all diese Extreme, auf die nächtlichen Exzesse und auf die schwelende Krise. Vor allem aber blicken wir auf den Alltag der Menschen dieser Epoche – oben und unten, in der Stadt und auf dem Land. Wir wollten wissen, wie es war wirklich war, in den Zwanzigern zu leben. Was veränderte sich? Was bedeutete das für den Einzelnen? Und wir fragten uns, wie der so hoffnungsvolle Aufbruch einer lebenshungrigen Generation am Ende derart scheitern konnte.
Dieses Buch ist ein Zeitporträt, das über die üblichen Klischees hinausgeht. Für uns war das Eintauchen in die 1920er spannend und ab und zu auch erschreckend, oft erhellend und mitunter sehr erheiternd. Es würde uns sehr freuen, wenn es Ihnen ähnlich ginge.
Hamburg, im Mai 2021
Joachim Mohr, Frank Patalong und Eva-Maria Schnurr