ELISABETH HAICH: YOGA UND SEX
ELISABETH HAICH
Aquamarin Verlag
1. Auflage 2007
© Aquamarin Verlag GmbH
Voglherd 1 • D-85567 Grafing
www.aquamarin-verlag.de
© für Übersetzungen in andere Sprachen liegt beim Nachlassverwalter bzw. den Erben von Elisabeth Haich
Umschlaggestaltung: Annette Wagner
ISBN13 978-3-89427-369-9
Druck: Ebner & Spiegel • Ulm
DIESES BUCH WIDME ICH
DEN UNBESCHEIDENEN UND ANSPRUCHSVOLLEN,
DIE SICH NUR MIT DEM ALLERHÖCHSTEN BEGNÜGEN KÖNNEN
INHALT
Vorwort
Einleitung
Was ist Sexualität?
Etwas erkennen oder etwas sein ist dasselbe
Die schöpferische Urschlange
Falsche und richtige Auffassung über die sexuelle Kraft
Die Leiter Jakobs
Der Judasverrat
Die magischen Kräfte, Suggestion, Hypnose und Medialität
Die sieben Stufen der Jakobsleiter
Der heilige Georg
Drang nach Einheit und seine Entartungen
Die Sonne belebt, kann aber auch töten
Die Zauberblume
Praxis
Zusammenfassung
VORWORT
DIE SOGENANNTE MODERNE TIEFENPSYCHOLOGIE ist bei ihren theoretischen Forschungen und bei der praktischen Ausübung der Psychotherapie ganz von selbst mit der Mythologie und der Religion in Berührung gekommen. Sagen und Märchen werden unter tiefenpsychologischen Gesichtspunkten gesehen und verstanden. Auch die Mystik und die Alchimie des Mittelalters werden in die tiefenpsychologische Forschung einbezogen. Ebenso haben sich mit den östlichen Philosophien und Religionen vielfach Berührungspunkte ergeben. Besonders deutlich ist die Beziehung zwischen Yoga und Tiefenpsychologie.
Allerdings ziehen die tiefenpsychologischen Forscher aus der Tatsache der mannigfaltigen Berührungen zwischen Tiefenpsychologie und Yoga verschiedene Schlüsse. Tiefenpsychologie und Yoga werden einander mehr oder weniger gleichgesetzt, Erfahrungen durch Yoga und Meditation werden als tiefenpsychologische Symbolik verstanden, oder der Yoga wird gar durch die Tiefenpsychologie zu erklären versucht.
J. H. Schultz stellt viele Gemeinsamkeiten fest zwischen der Oberstufe des autogenen Trainings und dem Raja-Yoga. Er hält auch für die Arbeit des autogenen Trainings den Vergleich mit der Technik des Hatha-Yoga für besonders lehrreich. Danach entsprechen die passiven Liegeübungs- und Sitzübungshaltungen des autogenen Trainings zwei Asanas des Hatha-Yoga, nämlich der Grundsitzhaltung und der Totenhaltung. Zu den Hatha-Yoga-Übungen, die mit Bewegungen verbunden sind, und zur Yoga-Atmung hat das autogene Training nach Ansicht von Schultz keine Beziehung. Schultz hofft durch das autogene Training den Realbestand des Yoga genauso erobern zu können, wie nach seiner Ansicht der Realbestand des mystischen Magnetismus durch die rationale Hypnotherapie erobert wurde.
Das autogene Training ist aber in Wirklichkeit keine Methode, die das Wesen des Hatha- oder Raja-Yoga wissenschaftlich festgestellt und ausgewertet hat, sondern es ist ein noch nicht richtig verstandener, ein halbverstandener Yoga. Die Eroberung des Realbestandes des Hatha-Yoga und Raja-Yoga durch das autogene Training kann sich nur so vollziehen, daß das autogene Training zum Yoga wird. Dabei ist zu beachten, daß es zwar verschiedene Yoga-Wege, das heißt verschiedene Yoga-Formen, aber nur ein Ziel beim Yoga gibt.
Auch als halbverstandener Yoga ist das autogene Training heute sicher eine der segensreichsten Methoden der Psychotherapie. Wie segensreich könnte dann erst ein richtig verstandener Yoga für die Tiefenpsychologie und die Psychotherapie sein!
Langen hält die höchsten Bewußtseinszustände, welche durch Yoga-Übungen und Meditation erreicht werden können, für Formen der Hypnose. Die Tatsache, daß Yoga und Meditation sorgfältig in den Bereich der tiefenpsychologischen Forschung einbezogen werden, halten wir für durchaus richtig. Nur darf diese Forschung nicht in dem Versuch bestehen, die Phänomene des Yoga und der Meditation mit dem bisherigen Stand unseres tiefenpsychologischen Wissens erklären zu wollen. Dies führt zu Fehlschlüssen. Die Forscher müssen vielmehr zunächst einmal selbst einige Jahre Yoga-Übungen machen und meditieren und dann zu beschreiben versuchen, was sie erlebt haben.
Nach solchen Forschungen würden die Tiefenpsychologen dann in der Lage sein, Zustände erweiterten Bewußtseins von Zuständen verminderten Bewußtseins unterscheiden zu können. Auch über das Wesen der Erscheinungen, die sie heute alle der Hypnose zuordnen, würden sie dann mehr Klarheit gewinnen.
Zu Beginn der tiefenpsychologischen Ära wurde das Vorhandensein des Unbewußten von vielen Psychiatern auf Grund ihres theoretischen Wissens abgelehnt. Wer damals schon durch tiefenpsychologische Arbeit an sich selbst und an Patienten die Macht des Unbewußten praktisch erfahren hatte, konnte über diese Ablehnung nur lächeln. Ähnlich geht es uns jetzt, wenn wir die tiefenpsychologischen Abhandlungen über Yoga und Meditation lesen. Wer längere Zeit Yoga und Meditation übt, erlebt deutlich den Unterschied zwischen dem heutigen Stand der Tiefenpsychologie und dem Yoga. Die höchsten Stufen der Yoga-Übungen und der Meditation sind nämlich keine hypnotischen Zustände mit verringertem oder eingeengtem Bewußtsein, sondern es sind Zustände allerhöchster Bewußtheit mit einer großen Bewußtseinserweiterung.
Jung bezeichnet die tiefenpsychologische Analyse als die heutige Form der Einweihung, der Initiation. Die innerseelischen Vorgänge, die sich bei der Analyse abspielen, werden von ihm mit der Entwicklung verglichen, die ein Mensch vor und bei der Einweihung durchmacht. Jung hält die großen östlichen Philosophen für symbolische Psychologen. Den »Diamantleib« des Ostens, den »Auferstehungsleib« der Christen, sieht Jung als merkwürdige psychologische Tatsachen an. Er hält auch die ganze mittelalterliche Alchimie für psychologische Symbolik. Jung spricht vom Selbst und vom Weg zum Selbst, er spricht von Christus als Archetypus.
Jung hat sicher recht, wenn er fordert, daß das sogenannte Metaphysische psychisch erfahrbar sein muß, da es sonst gar nicht auf den Menschen wirken könnte. Jung will über das Metaphysische keine Aussagen machen, sondern die Form beschreiben, in der das Metaphysische psychologisch erfahrbar ist. Diese Form ist für ihn das Symbol.
Deshalb bleibt es bei Jung offen, ob das Selbst, von dem er spricht, das gleiche ist wie das Selbst des Yoga. Es bleibt offen, ob der »Archetypus Christus« dem »lebendigen Christus« entspricht.
Jung vergleicht religiöses und philosophisches Geistesgut aus dem Osten und Westen unter dem Gesichtspunkt psychologischer Symbolik und stellt dabei große Unterschiede fest. Er vergleicht zum Beispiel den »leidbeschwerten Helden Christus« mit der »Goldblume« des Ostens oder stellt dem »historischen persönlichen Christus« das Wort des östlichen Weisen Hui Ming King gegenüber: »Ohne Entstehen, ohne Vergehen, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft.«
Diese Gegenüberstellungen sind aber schief, weil Jung dabei Ausdrucksformen verschieden hoher Erkenntnisstufen miteinander vergleicht. Wenn schon verglichen wird, so müssen die Vergleiche in Ost und West auf der gleichen Ebene der Erkenntnis vorgenommen werden. Bei richtigem Vergleich steht der »Goldblume« des Ostens im Westen das »Rosenkreuz« gegenüber. Das Gegenstück zu den Worten Hui Ming Kings ist dann das Wort Christi: »Ehe denn Abraham war, bin Ich.«
Wir sind der Ansicht, daß bei solchen richtig angestellten Vergleichen kein Unterschied zwischen dem besteht, was der Osten und der Westen ausdrücken wollen.
Der wesentliche Unterschied zwischen der Auffassung Jungs und unserer Auffassung liegt darin, zu glauben, daß die Grenze des Metaphysischen, das psychologisch erfahrbar ist, für den Menschen, der Yoga übt und meditiert, wesentlich weiter gezogen ist als für einen Menschen, der sich unter tiefenpsychologischen Gesichtspunkten dem Metaphysischen nähert.
Yoga und Meditation oder die Übungen der Rosenkreuzer öffnen im Metaphysischen einen Erfahrungsbereich, welcher der Tiefenpsychologie heute noch verschlossen ist.
Die Beschreibungen, die östliche Weise von ihren Erfahrungen in Yoga und Meditation geben, sind keine Symbole für psychologische Erfahrung, sondern sind diese Erfahrungen selbst. Der »Diamantleib« des Ostens, der »Auferstehungsleib« des christlichen Westens, ist kein Symbol für eine psychologische Tatsache, sondern ist diese Tatsache selbst. Und die Alchimie erschöpft sich nicht in der Beschreibung tiefenpsychologischen Geschehens, sondern sie beschreibt einen Entwicklungsprozeß, der im Menschen an Leib und Seele vor sich geht und der tatsächlich, und nicht symbolisch, zur Bewußtwerdung des Geistes im Auferstehungsleib führt.
Die Tiefenpsychologie verdankt Jung unendlich viel, indem er sie auf den Weg zur östlichen Weisheit, zum Yoga und zur Meditation hingewiesen hat. Nur muß dieser Weg von den Tiefenpsychologen auch tatsächlich gegangen werden.
Um nicht falsch verstanden zu werden, möchten wir betonen, daß wir nicht etwa den Yoga der heutigen Tiefenpsychologie entgegenstellen wollen. Es soll nur das eine zum anderen in ein richtiges Verhältnis gebracht werden. Yoga ist nämlich in Wirklichkeit der Tiefenpsychologie übergeordnet. Nicht der Yoga ist in der Tiefenpsychologie, sondern die Tiefenpsychologie ist im Yoga enthalten. Der Yoga muß ein Wegweiser sein für die künftige Forschung der Tiefenpsychologie. Yoga enthält nämlich alles, was über Unterbewußtes, Bewußtes und Überbewußtes ausgesagt werden kann. Allerdings dürfen bei der Erforschung dieser Aussagen keine theoretischen Überlegungen angestellt werden, sondern die Forscher müssen durch eigene Übungen Erfahrungen sammeln.
Regelmäßige, längere Zeit durchgeführte Yoga-Übungen sind nicht möglich ohne eine Auseinandersetzung mit sich selbst im Sinne der heutigen Tiefenpsychologie. Yoga-Anhänger, die glauben, sie könnten den Yoga-Weg gehen, ohne sich mit ihrem eigenen persönlichen Unbewußten auseinandersetzen zu müssen, sind sehr im Irrtum. Die Yoga-Übungen tun den Menschen gut, sie werden dadurch gesünder, lebendiger und leistungsfähiger. Aber einmal kommt bei jedem Menschen, der Yoga übt und meditiert, die innere Entwicklung zu einem Punkt, an dem unweigerlich auch die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Unbewußten beginnen muß. Wenn diese Auseinandersetzung dann nicht erfolgt, entsteht auch beim Yoga-Übenden Neurose.
Andererseits wird jeder, der mit Ausdauer und Folgerichtigkeit nach tiefenpsychologischen Methoden an sich arbeitet, eines Tages Erfahrungen machen, die über den Bereich der uns bekannten Tiefenpsychologie hinausgehen und nur im Yoga beschrieben sind.
Der Sinn des Yoga und der Sinn der Tiefenpsychologie ist es, das Bewußtsein zu erweitern. Bei der tiefenpsychologischen Behandlung von Neurosen wird Unbewußtes, das eigentlich den Lebensumständen nach schon bewußt sein sollte, ins Bewußtsein gehoben. Bei der Heilung von Neurosen durch Psychotherapie wird also das Bewußtsein des Menschen auf den für ihn normalen Stand gebracht.
Auch beim Üben des Yoga wird Unbewußtes bewußt gemacht. Durch Yoga-Übungen und durch Meditation kann das menschliche Bewußtsein aber über den normalen Stand hinaus zu einer höheren Bewußtheit erweitert werden.
Wer nun in tiefenpsychologischer Arbeit gelernt hat, Unbewußtes bewußt zu machen, weiß dadurch auch schon um die Methode, mit der das Normalbewußtsein zu einem höheren Bewußtsein erweitert werden kann. Wer durch Psychotherapie von einer Neurose geheilt wurde, kann sein Bewußtsein also leichter höher entwickeln als ein Durchschnittsmensch, dem Bewußtwerdung ziemlich fremd ist. Die Erfahrungen, die bei der Überwindung der leidvollen Neurose gemacht werden müssen, können den Menschen dahin bringen, daß er den Prozeß der allmählichen menschlichen Bewußtseinsentwicklung verstehen lernt und dann diese Entwicklung bewußt fördert.
Hier liegt wohl für den Menschen der tiefere Sinn der psychologischen Verknotung, die wir Neurose nennen. Und hier liegt auch der tiefere Sinn der Arbeit des Psychotherapeuten, der Hilfestellung bei der Bewußtseinsentwicklung gibt.
Elisabeth Haich zeigt in diesem Buch, was die sexuelle Kraft eigentlich ist und wie diese Kraft durch Yoga zu höchster Bewußtheit umgewandelt werden kann. Sexualität und höchste Bewußtheit sind zwei verschiedene Ausdrucksformen der einen schöpferischen göttlichen Kraft, des Logos. Sexuelle Kraft als niederste Form des Logos kann im Menschen zur höchsten Form des Logos, zum göttlichen Bewußtsein werden.
Bei der Beschreibung dieser Umwandlung der Kräfte wird ganz deutlich, daß der Yoga auch die seelischen Vorgänge umfaßt, die wir heute als Tiefenpsychologie bezeichnen. Es wird dabei aber auch offenbar, wie weit der Yoga über die heutige Tiefenpsychologie hinausreicht.
Elisabeth Haich warnt die Menschen davor, Bewußtseinsstufen überspringen zu wollen. Sie führt aus, wie die Macht der sexuellen Kraft zuerst erkannt und die Sexualität zuerst gelebt werden muß, ehe sie umgewandelt werden kann. Die Verfasserin des Buches zeigt auch, welche Fehlhaltungen und Störungen beim Menschen entstehen, wenn er eine Bewußtseinsentwicklung vollziehen will, zu der er noch nicht reif ist. Hier begegnet uns die ganze moderne Psychologie des Unbewußten.
Dann werden Stufen der Bewußtseinsentwicklung beschrieben, welche die Tiefenpsychologie noch nicht kennt. Auch die magischen Kräfte, die der Mensch durch ein erweitertes Bewußtsein erlangt, werden besprochen, und die Natur dieser Kräfte wird aufgezeigt.
Beim Lesen des Buches tritt uns ins Bewußtsein, daß Freud das eigentliche Wesen der Sexualität intuitiv richtig gespürt hat. Sein ganzes Leben lang hat er um den Begriff der »Libido« gerungen und ihn immer wieder neu formuliert. Er wollte die Libido nicht nur im engen Sinne der Sexualität, sondern in einem viel weiteren, umfassenderen Sinne verstanden wissen.
Freud hat auch die Tatsache gesehen, daß Sexualität in geistigschöpferische Kraft umgewandelt werden kann, und hat diesen Vorgang Sublimation genannt.
Sublimation und der Vorgang, den Elisabeth Haich als Umwandlung der sexuellen Kraft beschreibt, sind aber doch nicht das gleiche. Sublimation wird von Freud als Möglichkeit verstanden, ohne Verdrängung sinnvoll mit der Sexualität fertig werden zu können. Die durch Yoga umgewandelte sexuelle Kraft dagegen soll den Menschen zum höchsten Bewußtsein führen.
Freud hat aber in genialer Weise in der »Libido« die Kräfte und in der »Sublimation« die Möglichkeiten erkannt, die für die menschliche Bewußtseinsentwicklung wesentlich und notwendig sind.
Zunehmende Bewußtwerdung ist der Sinn des menschlichen Lebens, und höchste Bewußtheit ist das Ziel der menschlichen Entwicklung. Diese Entwicklung geht stufenweise vom unbewußten Triebmenschen zum bewußten Gottmenschen.
Die heutige Tiefenpsychologie kann uns helfen, diesen Entwicklungsweg ein Stück weit zu gehen, zum Ziel führen kann uns nur Yoga und Meditation.
Helmut Speer
EINLEITUNG
Dieses Buch wurde von einem Menschen geschrieben, der seine Gedanken mit einfachen Worten ausdrücken darf und deshalb die alten, noch nicht verbrauchten Worte beibehält, ohne für Begriffe, die in ältesten Büchern der Menschheit schon benannt worden sind, neue, wissenschaftlich klingende Worte anzuwenden. So wird in diesem Buch die Urquelle allen Lebens, die von keinem Wissenschaftler erklärt werden kann, mit dem alten Wort »Gott« benannt. Wenn wir uns neue Worte einfallen lassen, um zu verhindern, daß die Menschen ihre alten Irrtümer im Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Wortes weiterhin aufrechterhalten, dann werden die Menschen ihre falschen Vorstellungen auf den Inhalt der neuen Worte übertragen. Gegen Unwissenheit zu kämpfen ist vergeblich. Diejenigen aber, die unter den sogenannten modernen Bezeichnungen einen richtigen Gottesbegriff ahnen, werden ihn auch unter dem alten Wort »Gott« verstehen. Warum sollen wir also die Worte ändern? Wir dürfen zufrieden sein, wenn wir in der tiefsten Tiefe unserer Seele eine demütige, andachtsvolle Ahnung von GOTT haben können. Mit verstandesmäßigem Wissen kann man GOTT nicht erreichen. Wissen, erkennen kann man nur durch vergleichen – durch den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen –, aber GOTT können wir mit nichts, mit rein 'gar nichts vergleichen. Somit können wir GOTT auch nie erkennen, niemals können wir wissen, was GOTT ist, wir können GOTT nur sein.
Wissenschaftler weichen diesem Begriff und Wort »Gott« mit peinlicher Sorgfalt aus. Man fühlt die Angst, daß es am Ende nicht wissenschaftlich genug klingen könnte, wenn sie das einfache Wort »Gott« gebrauchen. Aber nur diejenigen haben diese Angst, die nicht wirkliche, echte Wissenschaftler sind. Denn wenn zum Beispiel Spinoza, Newton oder Einstein durch die Wissenschaft der Mathematik dahin gelangt sind, GOTT als letzten Ursprung allen Seins zu finden, zu begreifen und seine Existenz als bewiesen anzuerkennen, dann kann auch in diesem Buch mit gutem Gewissen das uralte biblische Wort »GOTT« als Name für den Ursprung allen Ursprungs beibehalten werden. Dieses Wort wird hier also nicht in religiös-sentimentalem Sinne, sondern im Sinne Spinozas, Newtons und Einsteins gebraucht. Wir sind zufrieden, wenn der Leser dieselbe tiefe Andacht, Ehrfurcht und Demut vor diesem Wort erlebt, wie sie diese größten Gelehrten der älteren und neuen Zeit empfanden. In diesen Gefühlen trifft sich der einfache Mensch mit dem wahrhaft großen Wissenschaftler, wie sich in der Schilderung der Bibel die einfachen Hirten mit den auf der höchsten Stufe des Wissens stehenden Magiern getroffen haben. Wir haben also versucht, die Dinge so auszudrücken, daß sie von den einfachen »Hirten« bis zum »Magier« gleich gut verstanden werden.
Ein Problem bedeutete mir auch das Wort »Liebe«. Da die ungarische Sprache für die verschiedenen Liebesoffenbarungen verschiedene Ausdrücke hat, haben wir Ungarn kein Verständnis dafür, wie man GOTT, die Eltern, ein Kind, die Heimat, den Geliebten, den Nächsten, aber auch einen Hund oder ein Pferd mit demselben Wort »lieben« kann. Die ungarische Sprache hat für alle diese verschiedenen Arten von Liebe verschiedene Ausdrücke, die eindeutig zeigen, wie und wen wir lieben. Für das Verstehen dieses Buches ist es aber sehr wichtig, daß wir die verschiedenen Gefühle der Liebe richtig verstehen. So mußte ich, um Mißverständnisse zu vermeiden, die verschiedenen Arten von »Liebe« mit Umschreibungen klarmachen. Dadurch wurde der Text oft schwerfälliger, als ich es wollte. Aber ich hatte keine andere Wahl.
Auch sonst wird in diesem Buch von Dingen die Rede sein, für die in keiner westlichen Sprache geeignete Worte vorhanden sind. Bedenken wir, mit welchen Schwierigkeiten wir kämpfen müssen, wenn wir nur einen Traum richtig beschreiben wollen. In der Tiefe des Selbst gibt es keine Dimensionen, keinen Zeitbegriff, oft auch kein Personengefühl. Wie kann man also die Erlebnisse, die in der Tiefe der Seele sich abspielen und die wir als reine Seinszustände in uns erleben, beschreiben, wenn keine geeigneten Worte dafür existieren?
Es bereitete mir also große Schwierigkeiten, über Begriffe zu sprechen, für die in der deutschen Sprache keine gute und treffende Übersetzung zu finden ist, noch größere Schwierigkeit aber, Begriffe deutlich zu machen, für die hier im Westen überhaupt keine Worte existieren. Darum ist es zum Beispiel unmöglich, Sanskrit-, chinesische, tibetanische oder ungarische Texte in westliche Sprachen zu übersetzen. Man versucht es also mit Umschreibungen. Aber trotz aller Anstrengung, Seinszustände mit Worten begreiflich zu machen, bleiben diese Beschreibungen nur äußerliche Darstellungen des Geschehens. Es werden daraus keine Seinszustände, solange der Leser selbst diese Beschreibungen in sich, in seinem Inneren, nicht als einen Seinszustand zu erleben vermag.
Was hier gesagt wird, gilt in gleicher Weise für beide Geschlechter. Im Text habe ich dennoch im allgemeinen nur vom Mann gesprochen, da es zu mühevoll gewesen wäre, jedesmal dasselbe für die Frau zu wiederholen. In der deutschen Sprache ist es nicht möglich, über die sexuellen Probleme des Menschen in neutraler Form zu sprechen. Zum Beispiel muß man entweder die Bezeichnung »Partnerin« oder »Partner« verwenden, oder man muß über »seine« oder »ihre« Liebe sprechen. Um den Text nicht unerträglich schwerfällig zu machen, habe ich die »Krone der Schöpfung«, den Mann, gewählt, die Probleme der Sexualität zu besprechen. Damit kein Mißverständnis entsteht, möchte ich aber betonen, daß alles, was in diesem Buch über die Sexualität und über die Entwicklung des Bewußtseins gesagt worden ist, sich genauso auf die Frau wie auf den Mann bezieht.
Dieses Buch, wie jedes Buch über Yoga, hat nur dann einen tiefwirkenden Wert, wenn man das, was hier niedergeschrieben wurde, in die Praxis überträgt und an sich selbst ausprobiert. Man kann einem hungernden und dürstenden Menschen noch so schöne Beschreibungen von den besten und nahrhaftesten Speisen und erquickendsten Getränken geben; wenn er sie noch so eifrig liest, aber eben nur liest, wird er nie gesättigt. Er wird nach dem Lesen der schönsten Bücher immer noch hungrig und durstig sein und ein Suchender nach Nahrung und Getränk bleiben. – Wir müssen also Yoga üben und nicht nur darüber lesen! – Für den Inhalt dieses Buches gilt das in besonderem Maße, beabsichtigt es doch die tiefsten Geheimnisse der höheren Stufe des Yoga zu enthüllen. Dieses Geheimnis der höheren Stufe des Yoga ist die Anheizung und der Gebrauch der latenten Nerven- und Gehirnzentren, die der Sitz der seelischen Zentren, in der Yoga-Philosophie »Tschakras« genannt, sind, und die Anwendung des dazu einzig und allein unbedingt notwendigen Heizmaterials – der sexuellen Kraft. Besagtes Geheimnis aber in die Praxis zu übertragen und seine Wahrheit an sich selbst auszuprobieren, zu erfahren und unermeßlichen Nutzen daraus zu ziehen, überlassen wir dem Suchenden, der die letzten Quellen des Lebens zu finden wünscht. Der Hungernde und Dürstende muß eben selbst essen und trinken!
Als Letztes und vielleicht Wichtigstes möchte ich bemerken, daß dieses Buch nur solchen Menschen ein richtiger Wegweiser sein kann, die den steilen Weg zum Himmelreich aus einem unlöschbaren Durst nach GOTT betreten wollen. Menschen, die darum diesen Weg einschlagen, weil sie zum Kampf des weltlichen und des inneren Lebens keinen Mut besitzen, können keinen Nutzen aus meinen Anweisungen ziehen. Aber auch für solche, die ein Leben in der Welt – das sie eigentlich über alles wünschen – aus irgendeinem Grunde nicht erreichen können, also für Menschen, die das weltliche Leben noch nicht hinter sich haben und nur aus Angst oder Hilflosigkeit GOTT suchen, kann dieses Buch bestenfalls eine merkwürdige Lektüre, vielleicht sogar ein Experiment bedeuten. Nur für den echten Gottsuchenden hat es höchste Bedeutung, denn solange wir nicht Kinder sein konnten, können wir nicht Erwachsene werden. Die nichtausgelebte Kindheit zieht uns zurück!
Ich trage eine asiatische Ursprache als Muttersprache in mir, darum waren, wie gesagt, viele im Deutschen fehlende Worte zu umschreiben. Diese Schwierigkeiten zu überbrücken halfen mit Engelsgeduld meine lieben Freundinnen und Freunde, denen ich dafür auch an dieser Stelle innigen Dank sage. Es ist mir ein echtes Anliegen, diesen Dank in besonderem Maße auf Herrn Dr. Helmut Speer auszudehnen, der das Buch durch ein Vorwort bereicherte und mir überdies eine Reihe wertvoller Hinweise gab.
Elisabeth Haich
WAS IST SEXUALITÄT?
In GOTT ruhen die zwei Pole in einer vollkommenen Einheit, in einem absoluten Gleichgewicht und Ruhezustand ineinander. In diesem Zustand gibt es keine Spannung, aber auch keine Schöpfung. Die Schöpfung beginnt damit, daß der negative Pol aus der Einheit hinausgeschleudert wird, die zwei Pole sich dadurch voneinander trennen und einander als Kraft und Widerstand gegenüberstehen. Dennoch hört die Einheit zwischen den beiden Polen, mögen sie sich voneinander noch soweit entfernen, nie auf, sie gehören in aller Ewigkeit zusammen; sie können sich voneinander nie vollkommen trennen, die Einheit besteht zwischen den beiden weiter als eine unermeßlich starke, magische Spannung, die die zwei Pole ununterbrochen, ohne Unterlaß, zueinander zurückzieht, um den Urzustand des Ineinanderruhens wieder zu erreichen.
Auf dieser Spannung ist die ganze Schöpfung aufgebaut. Ohne sie ist keine Schöpfung, kein Leben möglich, denn diese Spannung selbst ist das Leben. Jedes Lebewesen trägt also die beiden Pole in sich, als sein eigenes Leben, sonst könnte es gar nicht leben. Der Mensch hat den Sitz des positiven Pols in seinem Schädel, des negativen Pols im Steißbein, und die Spannung zwischen den beiden ist das Leben.
Das Leben muß in neuen Lebewesen weitergeführt werden, und damit ein neues Lebewesen entsteht, ist unbedingt notwendig, daß die zwei entgegengesetzten Pole untereinander eine neue Lebensspannung bilden, auf der das neue Lebewesen aufgebaut wird. Wenn auch jedes Lebewesen, auch der Mensch, die Spannung des Lebens zwischen den beiden Polen in seinem Rückgrat trägt, offenbart es in seinem Körper dennoch nur einen Pol, die Ergänzung von außen her erwartend, um das Leben in einem neuen Lebewesen weitergeben zu können. In seinem körperlichen Bewußtsein als Mensch hat er keine Ahnung, daß er in seinem Geist, in seinem wahren Wesen die beiden Pole in sich trägt. Er identifiziert sich mit seinem Körper, der nach der heutigen Ordnung der Natur nur einen Pol manifestiert, und sucht eine Ergänzung von außen, von einem anderen Menschen her, der den entgegengesetzten Pol in seinem Körper offenbart. Das vollkommene Einswerden der zwei Pole ist im Körper unmöglich, denn die Materie isoliert, trennt und leistet Widerstand. Die zwei Pole streben aber dennoch danach, im und durch den Körper eins zu werden, und sie suchen einen Ausweg, um das Ineinanderruhen doch zu erreichen und den Urzustand wenigstens nachzuahmen. Die zwei Pole offenbaren sich im Körper durch die zwei Geschlechter, mittels der Geschlechtsorgane, die ein körperliches Einswerden geschlechtlich, auf kurze Zeit, vollbringen. Da das Ineinanderruhen der zwei Pole der Urzustand GOTTES, des Seins, des Lebens ist, so entsteht aus dem Wiedereinswerden der zwei Pole – aus der Begegnung der beiden Geschlechter – in einer dazu geeigneten Zelle eine neue Spannung, ein neues Leben, ein neues Lebewesen. Dieses trägt die göttliche Spannung des Lebens wieder in sich, aber in seinem Körper offenbart es wieder nur einen Pol – ein Geschlecht –, durch welches das Leben auf der Erde mittels der sich immer wiederholenden Vereinigung der Geschlechter weitergegeben wird. Das ist Sexualität.
Die Kraft, die sich durch die Sexualität offenbart und die das Bindeglied zwischen Geist und Materie ist und also die wichtige Fähigkeit besitzt, einem Geist in den Körper hineinzuhelfen, ein neues Leben in die Materie zu zeugen, nennen die Menschen »die sexuelle Kraft«.
Der Mensch aber, obwohl mit seinem Bewußtsein aus dem paradiesischen Urzustand, in dem die beiden Pole ineinander ruhen, herausgefallen, fühlt, wenn auch ganz unbewußt, die Möglichkeit dieses Urzustandes und sehnt sich aus der Offenbarung der Hälfte in die Ganzheit zurück, die er in seinem Geiste, in seinem eigenen Leben trägt, die er immer selbst war und ist und immer sein wird. Er ahnt nicht, daß er diesen Urzustand, in seinem eigenen Sein bewußt ein Ganzes zu werden, noch in seinem körperlichen, irdischen Leben erreichen kann, und noch weniger ahnt er, daß das einzige Mittel, das ihm dazu hilft, seine eigene sexuelle Kraft ist. Die sexuelle Kraft trägt also ein Geheimnis für den Menschen in sich, das mit dem Erzeugen neuer Lebewesen nichts zu tun hat. Wie die sexuelle Kraft' ihm aus dem geistigen Zustand in den Körper hineingeholfen hat, so kann sie dem Menschen auch vollkommen bewußt in seinen göttlichen Urzustand, in dem er ein Ganzes ist, zurückhelfen.
Dieses Geheimnis bedeutet aber gleichzeitig auch, daß der Mensch durch die Eigenschaften der sexuellen Kraft – wenn er diese lebengebende und lebenzeugende Kraft nicht ausgibt, sondern für seinen eigenen Körper behält – einerseits seinen Körper mit neuem Leben füllen, die Lebensenergie in ihm höher steigern, ihn in frischer Jugend erhalten oder regenerieren kann, anderseits durch die gesteigerte Lebensenergie seine höheren Nerven- und Gehirnzentren, die bisher in einem latenten Zustand waren, erwecken, anheizen und aktivieren kann. Diese Nervengeflechte und Gehirnzentren im Körper dienen dazu, die rein geistigen Brennpunkte, die der Mensch in seinem geistigen Wesen trägt – die indische Yoga-Philosophie nennt sie die »Tschakras« –, als Widerstand zu tragen und sie zu manifestieren. Und wenn durch die Wirkung der nicht ausgegebenen, sondern für sich, für den eigenen Körper einbehaltenen lebenspendenden sexuellen Kraft diese Brennpunkte oder Tschakras fähig werden, sich zu manifestieren, dann erlangt der Mensch die Herrschaft über die Kräfte der Natur, in seinem eigenen wie auch durch seine bewußt entwickelte, suggestiv-hypnotische Kraft in jedem Lebewesen. Er erlangt das göttliche Allbewußtsein, wird ein Ganzes, ein Erleuchteter, ein magischer Mensch, ein weißer Magier.
Zum Geheimnis, wie ein Mensch diese Stufe des Allbewußtseins mit Hilfe der beherrschten sexuellen Kraft erreichen und wie er die Herrschaft über die Naturkräfte erlangen kann, möchte dieses Buch ein Wegweiser sein.
Aber nicht einem jeden! Denn: Es gibt zweierlei Menschen auf Erden. Die Lebenden, die schon »Menschen« sind. Und die Toten, die erst nur »Männer« und »Frauen« sind.
Die Lebenden wie die Toten tragen einen Körper auf sich – sie leben in einem Körper –, und da der menschliche Körper nach der heutigen Ordnung der Natur nur eine Hälfte des Ganzen, nur einen Pol, offenbart, so tragen die Lebenden wie die Toten im Körper auch nur eine Hälfte des Ganzen, einen Pol, ein Geschlecht. Obwohl die Lebenden also auch einen Körper haben und vielleicht ein gesundes, auf Liebe basiertes Geschlechtsleben führen, sind sie sich dennoch dessen bewußt, daß die Sexualität und alle Probleme, die aus der Sexualität entstehen, nur aus dem Körper stammen, nur dem Körper zugehören, nicht aber ihrem wahren Wesen, ihrem Geist, ihrem Ich. Der Geist – das wahre ICH –, auch das SELBST, genannt, hat kein Geschlecht, folglich sucht ein in seinem Geiste, in seinem wahren Wesen bewußt gewordener Mensch, ein Erwachter, ein Lebender, in allem nicht mehr das Halbe, sondern das Ganze, das Absolute, nicht mehr das Vergängliche, das Körperliche, sondern das Ewige, das Göttliche. Seine Probleme stammen nicht aus der Geschlechtlichkeit des Körpers, sondern höchstens aus dem Gegensatz zwischen dem Irdisch-Körperlichen und dem Geistig-Göttlichen. Sein Ziel ist, im Geiste bewußt zu werden und über den Körper und über alle Kräfte, die ihm in seinem wahren Wesen zur Verfügung stehen, die absolute Herrschaft zu erlangen. Diese Menschen stehen in ihrem Bewußtsein über der Sexualität, über dem Geschlecht und sind schon »Menschen«, auch wenn sie vielleicht noch körperlich ihre Geschlechtlichkeit ausleben. Ihr Ziel ist, zu erreichen, was die höchste Karte des Tarockspiels so treffend illustriert: das große Selbst, das große ICH, das kein Geschlecht mehr offenbart, da es die beiden Geschlechter in sich bewußt gemacht hat und folglich ein Ganzes ist, läßt auf seiner Handfläche die kleine Person, die ein körperliches Wesen ist und noch zu einem Geschlecht gehört, wie eine kleine Marionette als Offenbarungswerkzeug tanzen, weil ihre Rolle in der irdisch-materiellen Welt es so wünscht.
Die »Toten«, im Geist noch unbewußt und nur ein rein körperliches Dasein führend, die selbst noch nicht leben, nur ihr Körper lebt, sind vorerst noch getrennte Geschlechtswesen und denken auch nur in den Grenzen des Geschlechts. Sie sind noch die kleinen Marionetten, die kleinen Personen, die auf der Handfläche des großen ICH herumtanzen und ihre Rollen spielen. Sie sind nur die Hälfte des Ganzen, sie sind erst »Männer« und »Frauen«. Für sie existiert nur Sex, sonst gar nichts. Auch der andere große Trieb, der Selbsterhaltungstrieb, existiert für sie nur als Diener der Sinnlichkeit und des Sex: sie essen, trinken und naschen, nur um des Genusses willen und nur um möglichst gesund zu sein, um aus dem Körper soviel sexuelle Kraft wie möglich herauszupressen und ausgeben zu können. Sich eine Existenz schaffen, Geld verdienen, Karriere machen, Kontakt mit anderen Menschen herstellen, alles, was sie denken, sprechen, sagen, schreiben und tun, hat nur einen einzigen Beweggrund :den sexuellen Trieb. Ihr höchster Ehrgeiz und Stolz ist auf der allerhöchsten Stufe der sexuellen Potenz und Eroberungsfähigkeit zu stehen. Da sie nie im Geiste bewußt waren, bleibt ihnen, sobald durch die übermäßige Ausnutzung die körperlichen Fähigkeiten nachlassen, selbstverständlich nichts als ihre eigene unendliche Leere, und sie fallen mit dem Untergang des Körpers in sich immer steigernde Finsternis und Senilität. Ihr Geist ist bei der Geburt in den Körper hineingestorben, ihr Bewußtsein lebt und stirbt auch mit dem Leben und Tod des Körpers. Christus nennt diese »die Toten, die ihre Toten begraben…«, und Paulus nennt sie »die natürlichen Menschen, die die Sprache des Geistes nicht verstehen und als Torheit betrachten …«. Für diese wurde dieses Buch nicht geschrieben, weil sie es ohnehin nicht verstehen, sondern als Torheit betrachten würden.
Es gibt aber »Menschen«, die schon bemerkt haben, daß nicht nur solche Menschen auf der Erde leben, die mit dem Alter senil und schwach werden, sondern daß zu allen Zeiten auch Menschen waren, die mit dem Alter – oft mit sehr hohem Alter – nicht nur nicht senil, sondern tagtäglich immer geistiger, immer wissender, immer weiser, mächtiger und potenter wurden und sogar die Schönheit ihres Körpers bewahrten, wie zum Beispiel Goethe. Es gibt Menschen, die schon bemerkt haben, daß zweierlei Menschenwesen auf der Erde leben, nennen wir sie, wie wir wollen, Lebende und Tote, Erwachte und Schlafende, Bewußte und Unbewußte, die den Hintergrund dieser Verschiedenheit ahnen und diesen Beispielen folgen möchten. Für sie wurde dieses Buch geschrieben. Für diejenigen, die schon verstehen oder verstehen möchten, warum Paulus uns gesagt hat: »Was fürchtest du dich vor dem Tode, du Tor: wir verändern uns alle, aber wir schlafen nicht alle ein!« Das heißt, wir verlieren im Tode nicht alle das Bewußtsein. Für alle, die den Weg aus dem Sklaventum des Körpers in die Freiheit des Geistes suchen, wurde dieses Buch geschrieben.
Wir möchten die kristallisierten und abgeklärten Resultate der uralten Yoga-Philosophie und der in mehreren Jahrzehnten gemachten eigenen Beobachtungen und gesammelten Erfahrungen weitergeben. Diese Erfahrungen wurden nicht aus Büchern genommen, nicht durch die verschiedensten ausgeklügelten wissenschaftlichen Thesen, die sich alle zehn Jahre ändern, beeinflußt, sondern sie wurden, von jedem aufgezwungenen Einfluß frei, auf dem eigenen Weg gefunden, erfahren und erlebt.
An dieser Stelle ist es notwendig, noch etwas besonders zu betonen. Wie es nicht zwei gleiche Menschen gibt, so gibt es auch nicht zwei gleiche Wege. Die Schicksale der Menschen sind sehr, sehr verschieden, und so sind auch die Wege, auf denen wir alle weiterwandern, um zum Endziel zu gelangen, sehr verschieden. Es ist äußerst selten, daß zwei Menschen, die dem entgegengesetzten Geschlecht angehören, zusammenfinden, in einer vollkommenen, harmonischen inneren Zusammengehörigkeit die Ergänzung des anderen repräsentieren und miteinander eine wahrhaft beglückende Einheit bilden. Aber noch seltener kommt es vor, daß zwei Menschen, die diese wunderbare Zusammengehörigkeit gefunden haben, sie ein langes Leben, bis zum Tode beibehalten können. Wenn also Menschen als Schicksal das außergewöhnliche Geschenk GOTTES zuteil wurde, in einer solchen inneren Zusammengehörigkeit leben zu dürfen, dann mögen sie diese seltene Einheit mit aller Dankbarkeit genießen. Wenn sie dieses Buch in die Hände bekommen, können sie überzeugt sein, daß es nicht für sie bestimmt ist. Jedoch sollten sie nicht vergessen, daß es auch viele Mitmenschen gibt, die vielleicht eine ähnliche Zusammengehörigkeit gefunden, aber durch verschiedene Ereignisse in kurzer Zeit wieder verloren haben und allein gebheben sind. Und auch, daß es noch sehr, sehr viele gibt, die solch eine Zusammengehörigkeit nie, in ihrem ganzen Leben nie gefunden haben, sondern ihr Leben von Anfang bis Ende allein führen müssen, wie wenn GOTT ihnen zeigen wollte, daß sie die Lösung ihres Lebens nicht in einer Gemeinsamkeit, sondern auf andere Weise suchen und finden müssen. Diesen, und auch solchen Menschen, die aus einem tiefen inneren Drang GOTT suchen und finden wollen, kann dieses Buch eine Hilfe und ein Wegweiser zur Erlösung sein.
Wir haben nicht die Absicht, Menschen, die auf dem Yoga-Weg vorwärtskommen wollen, von der gesundendenn der Ausgangspunkt unseres Weges darf und kann nur die Gesundheit seinOTT