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Das vom Volkstheater München ausgerichtete Festival Radikal jung sollte 2020 zum 16. Mal stattfinden. Der Gefahr Rechnung tragend, die vom Corona-Virus ausgeht, wurde das Festival kurzfristig abgesagt.

Im vorliegenden Buch werden die zwölf Inszenierungen präsentiert, die von der Jury, bestehend aus Jens Hillje, C. Bernd Sucher und Christine Wahl, ausgewählt wurden.

Die Textbeiträge renommierter Theaterkritiker sollen den Lesern einen Eindruck vermitteln von den Arbeiten des Regienachwuchses in der Spielzeit 2019/20.

Berlin, März 2020

Verlag Theater der Zeit

Radikal jung 2020

Das Festival
für junge
Regie

Herausgegeben von

Jens Hillje

C. Bernd Sucher

Christine Wahl

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Radikal jung 2020

Herausgegeben von

© 2020 by Theater der Zeit

Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

Verlag Theater der Zeit | Verlagsleitung Harald Müller

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Lektorat: Erik Zielke

Printed in Germany

ISBN 978-3-95749-278-4 (Taschenbuch)

Inhalt

Jens HilljeVorwort

Lucia BihlerHedda Gabler

Daniel CremerThe Miracle of Love

Katrin HammerlWiederauferstehung der Vögel

Florentina HolzingerTanz

Selen KaraI love you, Turkey!

Ewelina MarciniakDer Boxer

Bonn ParkDas Deutschland

Max ProssDas Totenfest

Anta Helena ReckeDie Kränkungen der Menschheit

Sasha Marianna SalzmannOder: Du verdienst deinen Krieg (Eight Soldiers Moonsick)

Rieke SüßkowIKI.Radikalmensch

caner tekerKırkpınar

Vorwort

Jedes Frühjahr beim Festival Radikal jung ist das Münchner Volkstheater mit seinem Intendanten Christian Stückl Gastgeber für junge Theatermacher*innen, die mit ihren Arbeiten die deutschsprachige Theaterlandschaft in den kommenden Jahren prägen werden. Seit 2005 kann das Publikum hier die künstlerische Erneuerung und Weiterentwicklung des deutschsprachigen Theaters verfolgen und teilhaben am Streit um die Zukunft der darstellenden Künste in der Auseinandersetzung mit neuen gesellschaftlichen Realitäten. In diesen Jahren ist Radikal jung zum wichtigsten und größten Festival für junge Regisseur*innen geworden.

In ihrer künstlerischen Kritik des Gegenwärtigen und ihrer Arbeit am Zukünftigen versammeln die eingeladenen Inszenierungen sehr unterschiedliche Formen, um auf die Herausforderungen einer politisch polarisierten Zeit zu reagieren. Die Künstler*innen setzen sich mit Traditionen ihrer Kunst auseinander, entwickeln andere Perspektiven und gelangen zu neuen Erzählungen und Bildern von der vielfältigen und konfliktreichen Welt, in der wir heute leben.

Bonn Park eröffnet mit der Inszenierung „Das Deutschland“ das Festival mit einer leise bösen Bestandsaufnahme deutscher Zustände in formvollendetem Horror. Es testen Anta Helena Recke mit „Die Kränkungen der Menschheit“ und Daniel Cremer mit „The Miracle of Love“, von den bildenden und performativen Künsten inspiriert, die Grenzen der Theaterkonventionen. Florentina Holzingers „Tanz“ und caner tekers „Kırkpınar“ erweitern den Theaterkosmos um ihre intensiven und befreienden Auseinandersetzungen mit Körperbildern. Sasha Marianna Salzmann (mit „Oder: Du verdienst deinen Krieg“) und Selen Kara (mit „I love you, Turkey!“) inszenieren in ihren deutschsprachigen Erstaufführungen israelischer und türkischer Autor*innen allgemeingültige Erfahrungen aus einer deutschen postmigrantischen Perspektive im Vertrauen auf die theatrale Übersetzbarkeit von Texten.

Mit ihren weitreichenden Formsuchen befragen Lucia Bihler mit „Hedda Gabler“ und Rieke Süßkow mit „IKI.Radikalmensch“ die Grenzen des Humanen. Katrin Hammerl erzählt in „Wiederauferstehung der Vögel“ wie auch Max Pross in „Das Totenfest“ von historischen schwulen Figuren; sie machen eine Geschichte des verbotenen Begehrens auch in seinen kolonialen Verstrickungen erfahrbar. Das Festival schließt mit „Der Boxer“ von Ewelina Marciniak, die eine polnische Erzähltheatertradition für das deutschsprachige Theater erschließt, um den europäischen Antisemitismus in einer transnationalen Perspektive zu verhandeln.

Allen gemeinsam – wenn auch jeweils in der Art und Weise sehr unterschiedlich – sind die Zugriffe der Regie aus einer politischen Haltung, feministisch, queer, kritisch auf ein sehr altes Medium der Selbstverständigung menschlicher Gesellschaften: das Theater. Heute mehr denn je werden die stehenden Bühnen zum Ort eines hoffentlich geduldigen Austauschs über die Gegenwart unserer offenen und demokratischen Gesellschaft in Zeiten der Krise und einer hoffentlich neugierigen Suche nach dem Neuen.

Mein Dank gilt dem Münchner Volkstheater und meinen Mitkurator*innen Christine Wahl und C. Bernd Sucher.

Jens Hillje

Sprecher* der Jury

Regie

Lucia Bihler

Hedda Gabler

von

Henrik Ibsen

Premiere

27. September 2019
Münchner Volkstheater

Bühne

Jana Wassong

Kostüme

Laura Kirst

Dramaturgie

Mats Süthoff

Musik

Jörg Gollasch

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Falscher Mann, richtige Optik

Christine Wahl

Hedda Gabler, die durchaus zweifelhafte Heldin aus Henrik Ibsens gleichnamigem Drama, pflegt ein verwegenes Hobby. Wenn ihr langweilig wird, flüchtet sie sich zu ihrer Waffensammlung. Dass das öfter vorkommt, als ihr lieb ist, liegt auch an einem tragischen Fehlgriff bei der Gattenwahl. Als Kind des 19. Jahrhunderts hat sich die Generalstochter für eine gleichermaßen auf- wie anregungsfreie Versorgungsehe entschieden. Ihren Mann Jörgen Tesman – einen biederen Geisteswissenschaftler, dem es derart an Inspiration mangelt, dass jeder fachliche Konkurrent automatisch eine Gefahr für seine Karriere darstellt – verachtet sie zutiefst.

Kein Wunder, dass Frau Gabler – angeekelt vom Mittelmaß, aber ihrerseits auch nicht fähig zu Überdurchschnittlichem – auf den Theaterbühnen gern in die Gegenwart versetzt wird. Selbst, wenn das Motiv der Versorgungsehe im 21. Jahrhundert deutlich an Anschlussfähigkeit verloren hat: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen der Welt als Wille und Vorstellung und dem banal-pragmatischen Alltag, in dem sie einem gemeinhin gegenübertritt, dürfte kaum einer Generation vertrauter sein als uns Selbstoptimiererinnen und Selbstoptimierern mit dem massiven Glücksimperativ im Nacken.

So hat Thomas Ostermeier „Hedda Gabler“ in den nuller Jahren an der Berliner Schaubühne als unzufrieden alterndes Berlin-Mitte-Girlie inszeniert; gefangen mit dem falschen Mann im sprichwörtlichen goldenen Käfig, der in diesem Fall ein stylisher Glaskasten im Bauhaus-Design war. Und in Dresden brachte der Regisseur Tilmann Köhler die Generalstochter in den 2010er Jahren als Egoshooterin auf die Bühne, die sich in Ballerspielen erging, weil ihr Mann die versprochenen Pilates-Stunden nicht bezahlen konnte: zwei Beispiele nur, die für den dramatischen Umgang mit „Hedda Gabler“ seit der Jahrtausendwende aber exemplarisch sind.

Umso bemerkenswerter ist es, dass die Regisseurin Lucia Bihler in ihrer Inszenierung am Münchner Volkstheater nun einen völlig anderen Weg geht; und zwar den umgekehrten. Sie verpflanzt Henrik Ibsens Drama, das 1891 – übrigens ebenfalls in München, am damaligen Hof- und heutigen Residenztheater – uraufgeführt wurde, nicht in die Gegenwart, sondern in ein sehr weit zurückliegendes Rokoko.

Mit blonder Turmfrisur und ausladendem Reifrock unterm hellgrünen Rüschenkleid (Kostüme: Laura Kirst) steht die großartig gestikulierende Anne Stein als Hedda Gabler auf der Bühne, als sei sie geradewegs einem opulenten Ausstattungsfilm entstiegen. An ihrer Seite: der nicht minder grandiose, sie umtänzelnde Jakob Immervoll als Tesman, mit weißer Kniebundhose und rot geschminkten Apfelbäckchen im gepuderten Gesicht. Was Bihlers Abend vom Historienschinken à la Hollywood allerdings deutlich unterscheidet, ist die umfassende Ironie-Getränktheit des Settings. Die Bühnenbildnerin Jana Wassong hat eine riesige weiße Drehscheibe ins Volkstheater gebaut, die zu seichten Klängen vor sich hin rotiert wie eine Spieluhr. Über dieser Drehbühne hängen watteweiße Schäfchenwolken, für die man den Ausdruck Kitsch dringend erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe. Und auf ihr rollt, manchmal fast mit dem Witz und dem Tempo einer Screwball-Comedy, ein Intrigenstadl ab, der an Choderlos de Laclos’ legendäre „Gefährliche Liebschaften“ erinnert. Vordergründig tanzt man miteinander beziehungsweise scheinbar freundlich umeinander herum, ergeht sich in bodentiefen Verbeugungen und bietet großzügig vom Schaumgebäck an, das adrett auf einer barocken Etagere arrangiert ist. Und hinterrücks bekämpft man verbissen die Konkurrentin ums begehrte Liebesobjekt oder den akademischen Kollegen mit den originelleren Theorien und kujoniert mit festgefrorenem Lächeln im Gesicht den eigenen Ehepartner wegen seiner himmelschreienden Mediokrität. Das Volkstheater-Ensemble spielt das wirklich großartig: Selten dürfte Ibsen so pointiert und amüsant geklungen haben!

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Dass Lucia Bihler mit Verfremdungen arbeitet, ist an sich natürlich nicht verwunderlich. Wer ihre Inszenierungen kennt – etwa die Bühnenadaption von Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“ am Schauspielhaus Wien, mit der sie bereits letztes Jahr zum Festival Radikal jung eingeladen war –, dürfte kaum mit psychologischem Realismus gerechnet haben. „Mir sind verfremdete Figuren in künstlichen Welten prinzipiell näher als Figuren, die auf der Bühne ein real-psychologisches Abbild des Menschen versuchen“, bestätigt die Regisseurin. „Ich erschaffe Kunstwelten, die in der Bildsprache klare Referenzen aufmachen.“

Warum nun aber speziell dieses Rokoko-Ambiente? „Die Mischung aus Materialismus, Zwang und Ennui sind für mich im Rokoko sinnlich sehr stark verortet“, erklärt Bihler. „Die Welt, in der sich Hedda bei uns befindet, erzählt etwas über die Mechanismen und Zwänge, in denen sie – und die Figuren um sie herum – gefangen sind.“

Tatsächlich ist Ibsens Hedda Gabler eine ziemlich widersprüchliche Figur. Mit Erörterungen darüber, was sie im Grunde ihrer unzufriedenen Seele wirklich an- und umtreibt, ließen sich wahrscheinlich ganze Regalkilometer in theaterwissenschaftlichen Fachbibliotheken füllen, und in psychologischen erst recht. Kaum mit Tesman verheiratet, ist Hedda – so weit noch recht gut nachvollziehbar – des Langweilers bereits überdrüssig. Der akademische Bürokrat strebt eine Professur an – die allerdings dadurch gefährdet wird, dass sein alter Studienfreund Eilert Lövborg plötzlich wieder in seinem beruflichen Dunstkreis auftaucht. Lövborg hat alles, was Tesman fehlt: durchschlagende Ideen, einen beweglichen Geist, ein gewisses Verwegenheitsimage – allerdings auch ein massives Alkoholproblem. Das konnte er nun zur allgemeinen Überraschung mit Hilfe der herzensgut-naiven und unendlich selbstlosen Thea Elvsted (Paulina Alpen), einer Ex-Geliebten von Tesman, vorläufig in den Griff kriegen und seine geistigen Ressourcen endlich dazu nutzen, ein bahnbrechendes kulturgeschichtliches Werk zu verfassen, das kurz vor der Veröffentlichung steht und gegen das Tesmans uninspiriertes Geschreibsel verdammt blass aussieht. Hedda, die ihrerseits – vor Tesman – auch mit Lövborg geliebäugelt, die Verbindung aber beendet hatte, fällt es nun offenbar wie Schuppen von den Augen, dass sie alles, aber auch wirklich alles in den Sand gesetzt hat: falscher Mann, falsches Leben – und dann auch noch von einer als drittklassig eingestuften Geschlechtsgenossin überholt! Von Thea Elvsted, die nun mit dem akademischen Alphamann an ihr vorbeimarschiert. Also entwickelt Hedda eine umfassende Zerstörungsenergie, beginnt aufs Hinterhältigste zu intrigieren, verführt Lövborg wieder zum Alkoholkonsum, in dessen Folge er das Manuskript seines Buchs verliert, und treibt ihn schließlich sogar – weil sie sich nach Größe und wahrer Schönheit sehnt in ihrem kleinen unspektakulären Leben – in den Tod, bevor sie sich final selbst die Kugel gibt.

Das Beste, was man über Hedda sagen könnte, ist also, dass sie ihr langweiliges, zeittypisch stereotypes Frauenleben ablehnt, das sich nur über den Ehemann und den von ihm abhängigen familiären Status definiert. In dieser Lesart wäre ein gewisser emanzipatorischer Furor am Werk – wobei freilich gleichzeitig die Gegenmaßnahmen, die sie ergreift, ihrerseits die Frauenbewegung alles andere als voranbringen. „Für mich ist Hedda Gabler eine sehr ambivalente Figur“, bringt es Lucia Bihler auf den Punkt, „gefangen in Strukturen, die sie selbst mitproduziert.“ Und komplexerweise belässt die Regisseurin die Generalstochter auch in diesem Widerspruch und versucht nicht, sie feministisch oder anderweitig zurechtzubiegen. „Mich interessiert es, Mechanismen freizulegen, die hinter den Handlungen der Figuren liegen; sehr eindeutige Lesarten reizen mich nicht“, erklärt Bihler. „Vereindeutigung ist für mich nicht mit Haltung gleichzusetzen.“

Und gerade dadurch, dass sie den Stoff eben nicht verengt, beginnt diese fremde Rokoko-Welt interessanterweise plötzlich auch eine Menge über unsere Gegenwart zu erzählen. Auf die Frage, ob sie Hedda Gabler für eine zeitgenössische Figur halte beziehungsweise in ihr zumindest noch gegenwartsrelevante Aspekte sehe, antwortet die Regisseurin denn auch: „Existenzielle Konflikte, bei denen es um Leben und Tod geht, bleiben aktuell. Was sich ändert, sind gesellschaftliche Strukturen und Umstände. Es macht Spaß, sich diese genau anzuschauen und die Parallelen zu heute zu finden. In Heddas Fall ist es die Frage nach den strukturellen Möglichkeiten von Frauen, die ja bis heute noch nicht abschließend geklärt ist, aber auch die Frage nach einer Zeit des ‚Um-sichselbst-Kreisens‘, des nach innen gerichteten Blicks, der Sattheit, des Überfressens, der Übersättigung, der Langeweile, des Rückzugs ins Private bei gleichzeitig permanenter Selbstdarstellung.“

Dass das Rokoko für Bihler keine hermetische gestrige Welt, sondern lediglich ein formales Mittel zum inhaltlichen Erkenntniszweck ist, sieht man besonders deutlich, wenn Tesman zum Beispiel barock aufgerüscht auf der Drehscheibe sitzt und plötzlich auf ein nagelneues iPad eintippt. Oder wenn der von Jakob Geßner herrlich labil an die Rampe getänzelte Lövborg statt seines Manuskripts triumphierend einen USB-Stick aus seiner quietschhellblauen Gehrocktasche zieht. Für Bihler hat „diese erfundene Rokoko-Futurismus-Welt“ tatsächlich „viele Gemeinsamkeiten“ mit der Gegenwart: „Diese kleinen Bezüge ins Heute setzen eine ästhetische Spur. Alles ist glatt und perfekt und wird dadurch als sehr schön wahrgenommen. Das Schönheitsideal unserer Zeit ist eben auch sehr kühl und unnahbar“. Und darunter – ließe sich ergänzen – brodelt es ähnlich wie bei ihren Ibsen-Figuren, die ihre innere Unzufriedenheit, ihre Frustrationen und Ängste physisch nach außen spiegeln.

„Der körperliche Ausdruck eines Menschen oder einer Figur berührt mich sehr“, sagt Bihler. „Mit dem Körper kann man nicht lügen. Deshalb vergrößere ich in der Art, wie ich inszeniere, den körperlichen Ausdruck einer Figur; versuche, das Wesentliche zu destillieren und sichtbar zu machen.“ Durch die Körperlichkeit, so die Regisseurin, „werden die Konflikte und Charaktereigenschaften der Figur sinnlich erlebbar, und das ist lesbar ohne Bildungs-background oder Metaebene.“

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Ist es dieses Interesse an Form und Körperlichkeit, das Bihler nach ihrem Regiestudium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch im selben Haus gleich noch eine Choreografie-ausbildung aufsatteln ließ? „Ja, genau“, bestätigt sie. „Und außerdem hatte ich Lust auf weniger Text.“ Der Studiengang sei „sehr international“ und werde mit Wanda Golonka von einer „tollen Choreografin“ geleitet. „Es gibt dort viel Diskurs und eine große Offenheit; ich habe auch viel von meinen Mitstudentinnen gelernt, die alle Tänzerinnen waren.“ Ideale Arbeitsbedingungen also für eine Künstlerin, die sich selbst vor allem als Teamplayerin definiert: „Ganz alleine zu arbeiten interessiert mich nicht“, sagt sie. „Ich mag Widerstände und Reibung, Austausch und das Gemeinschaftliche am Theater.“

Dass sie künstlerisch arbeiten will, war der 1988 in München geborenen Regisseurin eigentlich schon immer klar. Nach dem Studium gründete sie die Theatergruppe gold&hiebe, inszenierte in der freien Szene und bald auch an Stadttheatern von Leipzig über Hannover bis Berlin und ist seit letztem Jahr auch Hausregisseurin und Mitglied der künstlerischen Leitung an der Berliner Volksbühne. Danach gefragt, was dieser Schritt für sie bedeute, entgegnet Bihler: „Für mich sind an der Volksbühne momentan die Menschen, die dort arbeiten, das Wichtigste. Ich darf mit sehr feinen, klugen Leuten kontinuierlich zusammenarbeiten, das ist sehr bereichernd.“