„Alles was ich im Leben über Moral und Verpflichtungen des Menschen gelernt habe, verdanke ich dem Fußball.“
Albert Camus
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AUS DER WELT
DES FUSSBALLS
Originaltitel:
Luciano Wernicke: Unforgettable Soccer
© Meyer & Meyer Sport (UK) Ltd, 2019
ISBN 978-1-78255-162-1
Übersetzung: Sven Scheer
185 unglaubliche Geschichten aus der Welt des Fußballs
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9783840313639
eISBN 978-3-8403-3736-9
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www.dersportverlag.de
Vorwort
Die Hochzeit
Golden Goal
Taschenspieler
Der Elfmeterpunkt
Die Urne
Drei gegen einen
Drei Rote Karten in vier Tagen
Eine List
Eine erstaunliche Wahl
Spiel ohne Gegner
Aus heiterem Himmel
Der Hund, der ein Tor schoss
Ein schöner Rücken …
Aufruhr
Zu früh gejubelt
Ungebremster Protest
Verraten und verkauft
Guter Rat
Vorlage vom Botschafter
Vergessliche Schiedsrichter
Der Wankelmütige
Wiedergutmachung
Verhört
Wagemutig
Begnadigung
Nackte Anklage
Der Feind in den eigenen Reihen
Auf der falschen Seite
Rote Karte für Grün
Ohne Torwart
Küsse
Verrückte Reaktionen
Einwechslung bei Roter Karte
In Frauenkleidern
Unangemessen
Live
Stürmische Torhüter
Die Verkleidung
Al dente
Gelb, Rot und Schwarz
Was sagt die Uhr, Schiri?
Drei Partien an einem Tag
Die Schweigeminute
In der halben Zeit
Ein enges 9:0
Lustig
Sitzengeblieben
Ein Sandplatz
Vom Regen weggespült
Schämt euch
Wie gewonnen, so zerronnen …
Party
Herr des Ringes
Vorlage für eine Möwe
Ein Schuss aus dem Nichts
Fahne frei!
Strandfußball
Eisenschädel
Reingelegt
Schlechtes Wetter gibt es nicht
Nicht wasserfest
Blitz!
Torschützen im Nebel
Alles Lüge
Böser Nebel
Der Sänger
Vom Winde verdreht
Linienrichter mit 14
Aus durchs Mikrofon
Du kommst hier nicht runter!
Solidarität
Weiße Fahne
Löwenherz
Hattrick
Hirschls Taktik
Zum Schweigen gebracht
Die Diagnose
Der Betrüger
Halbzeitpause
Der Versuchung widerstanden
Warum habt ihr euch auch beschwert?
Doppelter Abstieg
Fatale Hattricks
Schuss aufs eigene Tor
19 Rote Karten in der Copa Libertadores
Eines für zwei
Hättest du doch die Hand genommen
Kein Torschuss, aber gewonnen
Ungewöhnliche Platzverweise
Einmal Hölle und zurück
Gallinas
Höhere Gewalt
Unvorsichtige Hände
Das Abkommen
Wärst du doch bloß zu Hause geblieben
Ekstase
Naturgewalten
Eine Epidemie
Unwillkommene Hilfe
Patt
Elf minus vier (und einen im Sinn)
Flucht
Den Falschen umarmt
Exhibitionisten
Platzverweis vom eigenen Kapitän
Die Schuhe, die Glück brachten
Der Stürmer Gottes
Strafe
Schmerzhafter Jubel
Freunde für immer!
Leckerer Volltreffer
Ein verteufelter Tag
Ehrliche Bestechung
Zwei Rote Karten – in einem Spiel
Vater und Sohn
Der Sohn spielt, der Vater kassiert
Der Sohn kassiert ein Tor, der Vater fliegt
Blaue Flecken
Vom Schlachtfeld auf den Fußballplatz
Unzerstörbar
Vier gegen elf
Den Fans sei dank
Pelé und Di Stéfano im Tor
Der Tag, an dem Brasilien im Boca-Trikot auflief
Das Brötchen
Die Warnung
Tücher
Zuhause in der Fremde
Heiße Dusche
Der Balljunge trifft
Nicht einmal zu zwölft!
Die Orgie
Vergiftetes Glück
Stürmer und Ersatztorwart
Ungewöhnlicher Ersatz
Herzlos
Brüder
Das fliegende Motorrad
Luftlos
Gnade vor Recht
So nicht!
In beide Tore
Rauchpause
Ungewöhnliches Doppel
Achtung, Schuh, Torwart!
Rot für die Fans
Verdiente Rache
Ich bleibe!
Extramotivation
Kostspielige Gegentreffer
Ecke – Tor!
Zu schön, um nicht wahr zu sein
Lasst ihn liegen!
Roter Hattrick
Wer das Tor kaputt macht, fliegt!
Rote Karte für Eilige
Rote Karte nach Feierabend
Große Entschuldigung
Die Überraschung
Mitleid
Prioritäten
Souvenir
Totenfeier
Ohne Feingefühl
Omertà
Bestrafte Ehrerbietung
Überflüssiger Platzverweis
Unwillkommene Zuschauer
Sperre für einen Toten
Der Feind aus dem eigenen Land
Verhagelter Klassenerhalt
Das bisschen Regen …
Willkommener K. o.
Volltreffer
Arm- und Beinbruch
Ein Bruch ist nicht genug
Verfluchtes Curry
Eine katholische Geste
Gascoigne, der Spaßvogel
Gelbregen
Ausgefallene Flitterwochen
Das Grab
Der Eisberg
Die Hexe
Heiße Feier
Anhang
1 Literatur
2 Bildnachweis
Am 26. Oktober 2013 hat der Fußball, der beliebteste und faszinierendste Sport der Welt, sein 150-jähriges Jubiläum gefeiert. An jenem Tag im Jahr 1863 kam in einem Londoner Pub namens Freemason’s ein Haufen Visionäre zusammen, um The Football Association zu gründen und das erste „offizielle“ Regelwerk des neuen Spiels zu Papier zu bringen, die Grundlage einer glanzvollen Zukunft. Seither ist der Ball auf seinem erfolgreichen und weiten Weg in Abermillionen von Profi- und Amateurpartien durch Stadien auf der ganzen Welt gerollt.
In das kollektive Gedächtnis sind die großen Champions, die Stars und die außergewöhnlichen Glanzleistungen eingegangen. Doch nicht sie stehen im Mittelpunkt von 185 unglaubliche Geschichten aus der Welt des Fußballs. Für das vorliegende Buch habe ich tief in den Archiven nach den skurrilsten – nicht den großartigsten – Partien gesucht. Statt noch einmal die bedeutendsten Ereignisse der Fußballgeschichte zu schildern, soll es hier um die spektakulären Vorkommnisse gehen, die wegen ihres unvergesslichen und einzigartigen Charakters gleichfalls einen Platz in dieser Geschichte verdient haben, wenn auch vielleicht nur einen bescheidenen. Neben den großen Klubs und Spielern finden sich unzählige unbekannte Spieler und Vereine, die etwas Unerwartetes, Seltsames, Komisches oder Unvergessliches erlebt haben.
Lassen Sie mich Ihnen ein paar Beispiele geben: Da war der Spieler, der in einem Spiel, das 2:2 endete, alle vier Treffer erzielte. Der Schiedsrichter, der das Spiel unterbrach, um nach seinem Gebiss zu suchen. Sein Kollege, der einen Trainer vom Feld schickte, weil der seiner Frau ein bisschen zu nahe gekommen war. Und jener Unparteiische, der um ein Haar von einem unzufriedenen Spieler überfahren worden wäre. Da war das Tor, das von einem Hund, und jenes, das von einer Möwe erzielt wurde. Die Mannschaft, die haushoch verlor, weil sie einen Einarmigen ins Tor stellte, und jene, der dasselbe widerfuhr, nachdem die Spieler auf der Hochzeit eines Kameraden ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hatten. Der Mittelfeldspieler, der die Rote Karte des Referees hinunterschluckte, und der Verteidiger, der für eine Partie gesperrt wurde, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits mehr als eine Woche tot war. Das Spiel, das wegen eines Eisbergs abgebrochen wurde, und der Angreifer, der zweimal vom Platz gestellt wurde – in einem Match.
Das sind nur einige der fantastischen Begebenheiten, die in 185 unglaubliche Geschichten aus der Welt des Fußballs erzählt werden. Noch eines: In dem vorliegenden Band finden sich nur wenige Episoden, die sich bei Weltmeisterschaften, in der Champions League oder bei Olympischen Spielen ereignet haben, da diese Wettbewerbe in meinen anderen Büchern breiten Raum einnehmen. Wenn hier derartige Begebenheiten auftauchen, dann nur in Verbindung mit anderen Geschichten. Dieses Buch lebt nicht von der Größe der Wettbewerbe, sondern von den unberechenbaren und magischen Wegen, die der Ball unabhängig von Stadion, Rivalitäten und Nationen nimmt. Entdecken Sie mit mir eine Fülle verblüffender und doch wahrer Begebenheiten. Herzlich willkommen zu den unglaublichsten Geschichten aus der Welt des Fußballs!
Luciano Wernicke
Das Rückspiel gegen AFC Comprest GIM stellte die Spieler des CS Viitorul Chirnogi gleich vor zwei Probleme. Das erste war sportlicher Natur, denn die Aufstiegspartie zur zweiten rumänischen Liga versprach, nach einem beschämenden 0:10 im Hinspiel, kein Zuckerschlecken zu werden. Das zweite Problem war sozialer Natur: Am Abend vor dem entscheidenden Match hatte eine der Stützen der Mannschaft zur Hochzeitsfeier eingeladen. Auf Initiative eines Mitspielers beschloss die Mannschaft, nicht zu kneifen und sich beiden Aufgaben zu stellen – auch wenn allen klar war, dass eine Party kaum die ideale Vorbereitung auf ein Spiel war. Und so erschien die Mannschaft von Viitorul Chirnogi am Vormittag des 20. Juni 1993 zwar vollzählig zum Spiel, allerdings waren die Spieler immer noch angetrunken, nachdem sie einmal zu oft auf das glückliche Paar angestoßen hatten. Ihre „Leistung“ mündete in eine zweistellige Niederlage, fast, als würden sie immer noch alles doppelt sehen: Das ausgeruhte und nüchterne Team von Comprest gewann 21:0. Dass es bei 21 Gegentoren blieb, verdankte Chirnogi einzig dem Schiedsrichter. Er brach die Partie in der 70. Minute ab, als sich nur noch sechs betrunkene Spieler auf den Beinen halten konnten.
Nicht selten dauert ein sogenanntes Alles-oder-nichts-Spiel länger als 90 Minuten. Leider bleibt beim Seitenwechsel in der Verlängerung keine Zeit für dringende Bedürfnisse. Im April 2000 standen sich im norwegischen Pokal Surnadal Idrettslag aus der dritten und Sunndal Fotball aus der zweiten Liga gegenüber. Beiden Mannschaften wollte im Syltøran-Stadion einfach kein Tor gelingen, sodass es auch nach 90 Minuten und den ersten 15 Minuten der Verlängerung noch 0:0 stand. Die dramatische Situation machte es dem Heimtorwart Olav Fiske unmöglich, den weiten Weg in die Umkleidekabine zurückzulegen, daher erleichterte er sich kurzerhand hinter dem eigenen Tor. Doch zu seinem Pech bekam der Schiedsrichter davon nichts mit und pfiff zum Anstoß für Sunndal. Dem ausgekochten Mittelfeldspieler Oddvar Torve war nicht entgangen, dass Fiske noch hinter dem Tor war: Er zog aus dem Anstoßkreis ab, und der Ball schlug ungehindert im Tor ein. „Ich habe mich so geschämt“, gestand der Torwart nach dem Spiel kleinlaut den Reportern. Sunndal gelangte in die nächste Runde, doch die Vereinsführung von Surnadal forderte eine Wiederholung der Partie – nicht etwa wegen des Fehltritts ihres Torwarts, sondern weil der Schiedsrichter beim Wiederanpfiff der Partie nicht bemerkt habe, dass Fiske noch nicht spielbereit war. Der Einspruch wurde vom skandinavischen Verband abgelehnt und das im wahrsten Sinne des Wortes „Golden Goal“ zählte.
Am 27. Mai 1934 fiel im Centenario-Stadion von Montevideo beim Derby zwischen CA Peñarol und dem Club Nacional de Football eines der außergewöhnlichsten Tore des uruguayischen Fußballs. Peñarols brasilianischer Stürmer Bahia feuerte einen strammen Schuss auf das Tor des Trikolore-Teams ab, allerdings verfehlte er sein Ziel knapp. Der Ball prallte neben dem Pfosten gegen die Tasche eines Betreuers, der von dort das Spiel verfolgte, und sprang ins Feld zurück. Nacionals Verteidigung hatte schon abgeschaltet, doch Peñarol-Stürmer Braulio Castro nutzte die Chance und beförderte den Ball ins Netz. Schiedsrichter Telésforo Rodriguez, dem der genaue Ablauf entgangen war, gab das Tor. Außer sich vor Wut stürzten sich die elf Nacional-Spieler auf den Schiedsrichter und verprügelten ihn, woraufhin das Derby abgebrochen werden musste.
Der schottische Linksaußen Archie Gemmill hatte im Baseball Ground, dem damaligen Stadion von Derby County, einen traumhaften Tag erwischt. Sein Klub aus dem Herzen Englands führte an dem verregneten Nachmittag des 30. Aprils 1977 mit 3:0 gegen Manchester City, und kein Gegenspieler konnte den trickreichen Gemmill aufhalten. Zumindest nicht mit erlaubten Mitteln, denn vier Minuten vor Spielende holte Gary Owen ihn nach einer Ecke im Strafraum von den Beinen – Elfmeter. Gerry Daly, Mittelfeldspieler der Heimmannschaft, schnappte sich den Ball und hielt Ausschau nach dem Elfmeterpunkt. Doch der war im Matsch verschwunden. Manchester Citys gerissener Torwart, Joe Corrigan, wollte den Schiedsrichter überzeugen, die Ausführung fast bis an die Strafraumkante zurückzuverlegen, was ihm allerdings nur eine Gelbe Karte eintrug. Als die Suche nach dem Punkt erfolglos blieb, rief der Schiedsrichter schließlich den Platzwart Bob Smith, der mit Maßband, Pinsel und einem Topf weißer Farbe anrückte. Smith maß die geforderten elf Meter ab und malte mit dem Pinsel einen Punkt auf den Boden. Daly legte sich den Ball auf der feuchten Farbe zurecht, nahm Anlauf und versenkte ihn unhaltbar für Corrigan zum Endstand von 4:0 in der rechten Ecke – ein Tor wie „gemalt“.
Der kräftige Wachmann vor dem Stadion Benito Villamarín in Sevilla ließ sich nicht erweichen. „So kann ich ihn nicht reinlassen.“ „Aber er hat doch eine Dauerkarte“, erwiderte der kleine Fan in Grün und Weiß. Der Wachmann brauchte einige Augenblicke, um sich von seiner Verblüffung zu erholen, doch er blieb unnachgiebig. „Dauerkarte hin oder her, es ist zu gefährlich. Im Stadion sind sperrige Gegenstände verboten. Falls irgendjemand das Ding von der Tribüne wirft, könnte das ziemlich gefährlich werden.“ Der enttäuschte und wütende Junge fragte sich, wieso er wohl eine Urne aufs Feld werfen sollte. Da kam ihm eine brillante Idee.
In einem Supermarkt um die Ecke kaufte er eine Milchtüte, leerte sie in einen Gully und bastelte mit einer geborgten Schere für seinen Vater – besser gesagt: die Asche seines Vaters – ein Behältnis, mit dem man ihn hereinlassen würde. Der Mann hatte auf dem Totenbett seinem Sohn gegenüber den Wunsch geäußert, auch dann noch bei den Partien seines geliebten Vereins Betis Sevilla dabei sein zu wollen, wenn er seiner unheilbaren Krankheit erlegen sein würde. Und so begleitete der Verstorbene in einem harmlosen Milchkarton und mit seiner Dauerkarte für die Saison 1995/1996 seinen folgsamen Sohn in das andalusische Stadion zum ersten Heimspiel der Saison, einem 3:1-Sieg über Real Zaragoza.
Ist es möglich, dass bei einem Elfmeter gleich drei Schützen verschießen? Aber sicher doch! Den Merkwürdigkeiten des Fußballs sind keine Grenzen gesetzt. Am 22. September 1973 empfing der FC Portsmouth in der englischen Second Division das Team von Notts County. Ein Elfmeter bot den Gästen im Fratton Park die große Chance, in Führung zu gehen, aber es blieb beim torlosen Unentschieden, da Kevin Randall, Don Masson und Brian Stubbs verschossen. Wie konnte es dazu kommen? Als Erstes parierte Heimtorwart John Milkins den Schuss von Randall. Allerdings hatte der Keeper die Torlinie zu früh verlassen, und so ordnete der Schiedsrichter eine Wiederholung an. Randall wollte sich dem Druck nicht noch einmal aussetzen und überließ Masson den Vortritt. Dieser traf, doch der Schiedsrichter hatte den Ball noch nicht freigegeben. Der aufgebrachte Masson verzichtete zugunsten von Stubbs. Dieser wartete den Pfiff ab, nahm Anlauf, schoss … und verfehlte das Tor. Das erfolglose Trio ging mit dieser Demonstration der eigenen Unfähigkeit in die Annalen ein, aber immerhin kehrte es an jenem Nachmittag dank der Treffer ihrer zielsicheren Mitspieler Arthur Mann und Les Bradd als 2:1-Sieger nach Nottingham zurück.
Gibt es jemanden, der es mit dem Rekord des unglücklichen Albaners Agim Shabani aufnehmen kann? Am 24. Juni 2007 wurde der Verteidiger des norwegischen Erstligaklubs Fredrikstad FK bei der 1:2-Auswärtsniederlage seines Klubs bei Strømsgodset IF wegen wiederholten Foulspiels vom Platz gestellt. Tags darauf lief der erst 19-jährige Shabani für die zweite Mannschaft auf. Der junge Mann konnte nicht aus seiner Haut, teilte einige Tritte aus und kassierte dafür abermals einen Platzverweis. Nur 48 Stunden darauf, am 27., kehrte der junge Verteidiger für das Pokalspiel gegen Nybergsund IL-Trysil in das weiße Trikot von Fredrikstad FK zurück. An dem Tag waren alle Augen im Stadion auf den Albaner gerichtet, und er enttäuschte die Zuschauer nicht: Nach einer weiteren Roten Karte für ihn unterlag seine Mannschaft mit 1:2. Der junge Mann wird nur deswegen nicht im Guinness-Buch der Rekorde erwähnt, weil es niemandem in den Sinn kam, seine sagenhafte Leistung von drei Roten Karten in vier Tagen zu melden.
Im Jahr 1978 gelang Deportivo Cali, was noch keine kolumbianische Mannschaft geschafft hatte: Der Verein erreichte das Finale der Copa Libertadores. Unter dem argentinischen Trainer Carlos Bilardo setzte sich Cali, das schon 1977 überraschend das Halbfinale erreicht hatte, in der Gruppenphase gegen die Landsleute von Deportivo Junior aus Barranquila und die uruguayischen Klubs Peñarol und Danubio durch.
In dem im Modus „jeder gegen jeden“ ausgetragenen Halbfinale blieb Deportivo Cali gegen die beiden Spitzenteams Alianza Lima aus Peru und Cerro Porteño aus Paraguay unbesiegt. Aber im Finale gegen die Argentinier von Boca Juniors waren „die Grünen“ in den 180 Minuten von Hin- und Rückspiel machtlos gegen die Routine und gnadenlose Effektivität ihrer Gegner. Die erste Partie in Cali endete mit einem torlosen Unentschieden. Doch durch einen 4:0-Heimsieg im Rückspiel in Buenos Aires gewannen die „Xeneizes“ (die „Genuesen“, wie die Fans und Spieler von Boca genannt werden) unter Trainer Juan Carlos Lorenzo ihren zweiten kontinentalen Titel in Folge.
In seiner Autobiografie Doctor y Campeón berichtete Bilardo von einer ungewöhnlichen Episode beim Rückspiel in La Bombonera, der Heimstätte des Titelverteidigers: „Im Finalrückspiel der Copa Libertadores zeigte sich mir das ganze unfassbare Genie von ‚Toto‘ Lorenzo. Als wir in der Bombonera gegen Boca antreten mussten, brachte unser Spezialist Diego Umaña nicht eine Ecke in den Strafraum. Nach der ersten Halbzeit fragte ich ihn: ‚Diego, was ist los? Warum kommen deine Ecken nicht?‘ ‚Mister‘, antwortete er, ‚da ist ein Hund, der mich bei der Ausführung behindert.‘ ‚Ein Polizeihund?‘, fragte ich nach. ‚Genau. Sobald ich mich der
Eckfahne nähere, stürzt er sich auf mich und versucht, mich ins Bein zu beißen. Darum kann ich nicht schießen‘, erklärte er. Ein paar Tage darauf habe ich die Videoaufzeichnung des Spiels studiert, und da wurde mir klar, dass Umaña nicht gelogen hat. Bei jeder Ecke von uns lockerte der Hundeführer die Leine ein bisschen. Umaña hatte keinen Platz für einen vernünftigen Anlauf! Und der Hund war ziemlich Furcht einflößend, er kläffte und schnappte nach dem armen Umaña. Es war also nur vernünftig von Diego, lieber furchtbare Ecken zu schießen, als auf einem Bein vom Spielfeld zu humpeln. Toto war einfach clever. Ein Genie!“
Kurz vor Saisonbeginn der ersten argentinischen Liga wechselte 1906 der legendäre Torwart José Laforia vom Barracas Athletic Club zum Alumni Athletic Club (beide Vereine sind mittlerweile aus der Welt des Fußballs verschwunden). Ohne adäquaten Ersatz sah Barracas sich gezwungen, verschiedene Feldspieler im Tor auszuprobieren. Doch keiner von ihnen zeichnete sich auf dieser Position aus, daher wurde fieberhaft nach einem neuen Kandidaten gesucht.
Am 26. August des Jahres mussten die Männer von Barracas in das etwa 60 Kilometer nördlich von Buenos Aires gelegene Campana fahren, wo sie gegen den Reformer Athletic Club antreten sollten, eine bescheidene Truppe aus Arbeitern einer Kühlschrankfabrik. Es war ein kalter Morgen, und bei der Abreise zum gegnerischen Stadion erschienen nur acht Spieler am Bahnhof Retiro. Auf der Fahrt nach Campana überlegte die Mannschaft sich eine vermeintlich todsichere Maßnahme, um der zahlenmäßigen Unterlegenheit zu begegnen: Sie vertraute die schwierige Aufgabe im Tor Winston Coe an, einem der Gründer des Teams, der normalerweise als Rechtsverteidiger auflief. Aber der Schachzug ging nicht auf gegen die Reformer, die das geschwächte Team aus Buenos Aires mit 11:0 vom Platz fegten. Für Coe jedoch hatte die zeitgenössische Presse wie etwa die Zeitung La Nación nur Lob übrig, denn er verhinderte eine noch höhere Barracas-Schlappe und das trotz eines gravierenden Nachteils: Coe fehlte der linke Arm!
Der Hampden Park quoll am 19. April 1879 aus allen Nähten. Laut den Glasgower Zeitungen hatte sich „vor und im Stadion“ eine „noch nie gesehene“ Menschenmenge versammelt, um das schottische Pokalfinale zwischen den Rangers (das seinerzeit noch titellose Glasgower Team hatte bereits jede Menge Fans) und Vale of Leven Alexandria zu verfolgen.
Die Partie in dem mit 9.000 Zuschauern ausverkauften Stadion konnte erst mit einer halben Stunde Verspätung angepfiffen werden, weil die Polizei zunächst auf den Tribünen und unter den 3.000 Fans vor dem Stadion für Ordnung sorgen musste. Als das Spiel begann, legten die Rangers gleich los und kamen durch Willie Struthers zu einem schnellen Tor. Der auf den Geschmack gekommene Torschütze überwand kurz darauf mit einem kräftigen Schuss erneut den gegnerischen Torwart Robert Parlane. Aber weil die Tore zu der Zeit noch keine Netze hatten, konnte der Ball von einem Zuschauer abprallen und aufs Spielfeld zurückspringen. Der überforderte Schiedsrichter bekam nicht mit, dass der Ball die Torlinie überquert hatte, und ließ das Spiel ungeachtet der Rangers-Proteste weiterlaufen.
In der zweiten Halbzeit nutzte Vale of Leven einen Fehler von Torhüter George Gillespie zum Ausgleich. Dabei blieb es bis zum Ende. Spieler und Fans der Rangers waren außer sich vor Wut. Der Verein legte Protest gegen das Ergebnis ein und berief sich auf den Mann, der bei dem nicht gegebenen Struthers-Tor vom Ball getroffen worden war, einen Chirurgie-Professor der Universität Glasgow, „dessen Wort kein Vale-Fan anzweifeln wird“. Doch der schottische Verband bestätigte das Ergebnis und setzte eine Woche später ein Wiederholungsspiel an selbiger Stelle an. Am 26. April erschien jedoch nur eine Mannschaft auf dem Rasen des Hampden Park: Vale of Leven Alexandria. Aus Protest gegen die Entscheidung des schottischen Verbands blieben die Rangers der Partie fern.
Zur festgesetzten Zeit und in Abwesenheit der „Blauen“ pfiff der Schiedsrichter ein absurdes Match an: Vale gegen … niemand! Vales Kapitän John McDougall passte sich den Ball mit James Baird und Peter McGregor zu und schob ihn schließlich ins leere Tor. Der Schiedsrichter, dem das Ganze wohl peinlich war, beendete die Farce, und die Mannschaft aus Alexandria konnte zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte den Cup in die Höhe stemmen. Auf der Liste der Sieger am Sockel des Pokals wurde eingraviert: „Vale of Leven, in Abwesenheit der Rangers“.
Das Fußballstadion ist durch die dort herrschende emotionale Atmosphäre und das bunt gemischte Publikum eine hervorragende Bühne für kommerzielle und politische Werbung aller Art. Das hatte auch jener furchtlose Werbemann erkannt, der am 21. März 1948 in seinem Flugzeug über dem Gemeentelijk Parkstadion kreiste, wo in der ersten belgischen Liga die Gastgeber des FC Koninklijke Boom auf Beerschot Antwerpen trafen. Der Pilot ging mit seiner Maschine in den Sinkflug und warf durchs Fenster einen Stapel Werbezettel über einer der nicht überdachten Tribünen ab. Die Zettel schwärmten zu einer bunten Wolke aus, und die Zuschauer reckten ihre Hände gen Himmel, um einen der farbigen Zettel zu erwischen. Ein voller Erfolg!
Davon ermuntert, steuerte der Pilot auf die gegenüberliegende Seite des Stadions zu, um seine Aktion dort zu wiederholen. Allerdings unterlief ihm ein Fehler und der Stapel verteilte sich nicht, sondern landete ungeöffnet direkt auf dem Kopf des Schiedsrichters – und zwar genau in dem Moment, als Boom ein Tor schoss! Der Pilot war sich seines Fauxpas bewusst und floh, indessen Spieler und Linienrichter sich um den Schiedsrichter kümmerten. Doch glücklicherweise trug der Referee keinen schwerwiegenden Schaden davon. Er beriet sich mit seinen Assistenten und gab dann den Treffer, obwohl er ihn nicht gesehen hatte. Das Spiel ging ohne weitere Vorkommnisse weiter und endete mit einer 3:4-Heimniederlage, die für die Gastgeber wie aus heiterem Himmel gekommen zu sein schien.
Die folgende Geschichte klingt schlicht unglaublich, aber mehrere angesehene englische Zeitungen wie The Independent verbürgen sich für den Wahrheitsgehalt. Im November 1985 standen sich im Monks Neil Park die beiden Teams von Knave of Clubs und Newcastle Town in einer Begegnung des Staffordshire Sunday Cups gegenüber. Beim Stand von 0:2 schickte ein Verteidiger von Knave of Clubs einen langen Ball in die gegnerische Hälfte in der Hoffnung, dass dieser einen seiner Mitspieler in Weiß erreichen würde. Aber bevor es dazu kommen konnte, rannte ein dreister Hund aufs Feld, stürzte zum Ball und beförderte ihn mit einer wunderbaren Pirouette am verdutzten Keeper vorbei ins Netz. Sodann nahm der vorwitzige Hund die Beine in die Hand und rannte unter dem Gelächter der 22 Spieler, der Unparteiischen und der Handvoll Zuschauer vom Spielfeld.
Einigen der Spieler verging das Lachen jedoch schnell wieder, denn der offenkundig wenig regelfeste Schiedsrichter gab den Treffer. In den Regeln heißt es für den Fall, dass „bei laufendem Spiel ein zweiter Ball, ein anderer Gegenstand oder ein Tier auf das Spielfeld gelangt“, der Schiedsrichter „das Spiel […] unterbrechen und mit einem Schiedsrichterball fortsetzen [muss], wenn das Spielgeschehen gestört wurde“. Die Proteste der Newcastle-Spieler blieben fruchtlos, dabei erklärte der (ebenfalls nicht regelfeste) Torwart dem Schiedsrichter sogar ausdrücklich, dass er den Hund nur deshalb hatte gewähren lassen, weil ein derartiger Vorfall nicht im Regelwerk vorgesehen sei. „Eben“, erwiderte der Schiedsrichter, „in den offiziellen Regeln steht nichts von einem Hund.“ Trotz der ahnungslosen Entscheidung setzte Newcastle das Spiel fort. Und auch der Schiedsrichter und der skurrile Treffer verhinderten nicht, dass die Opfer der Hundeposse sich letztlich 3:2 durchsetzten.
Spieler, die mit einem Strafstoß nicht einverstanden sind, rücken dem Schiedsrichter häufig auf die Pelle, so nah, dass der Schiedsrichter ihren Atem spüren kann. Dieser Anblick ist derart normal geworden, dass es weltweit für umso mehr Aufsehen sorgte, als der Rumäne Remus Dănălache seinem Ärger auf andere Weise Luft machte.
Am 16. Oktober 2011 hätten die Spieler des rumänischen Vereins CSU Voinţa Sibiu in dem hitzigen Erstligaduell gegen Petrolul Ploieşti Schiedsrichter Andrei Chivulete am liebsten bei lebendigem Leib gegrillt. In ihren Augen lagen sie nur wegen ihm mit 1:3 zurück, nachdem er in der 30. Minute Claudiu Bunea und in der 48. Minute ihren Torwart Bogdan Miron mit vermeintlich ungerechtfertigten Roten Karten vom Platz gestellt hatte. Endgültig platzte den Männern von Voinţa Sibiu der Kragen, als Chivulete in der 90. Minute Petrolul einen zweifelhaften Elfmeter zusprach. Acht der Spieler aus Sibiu stürmten wild protestierend auf den Schiedsrichter ein. Nur der Ersatzkeeper Remus Dănălache, der neunte noch verbliebene Spieler der Mannschaft, kehrte dem Treiben den Rücken zu – und das im wörtlichen Sinne. Dănălache, der nach Mirons Roter Karte für Rareş Forika eingewechselt worden war, tat seinen Unmut über die Schiedsrichterleistung auf höchst originelle Weise kund: Er drehte dem Elfmeterschützen den Rücken zu! Der bereits zweimal erfolgreiche Daniel Opriţa konnte mühelos einschieben, da der Keeper bewegungslos verharrte.
Obwohl der Torwart regelkonform auf der Linie gestanden hatte, annullierte Chivulete unerklärlicherweise das Tor, zeigte Dănălache die Gelbe Karte und ließ den Strafstoß wiederholen. Opriţa verwandelte abermals sicher zum 4:1, indessen der Keeper erneut bewegungslos stehen blieb, doch dieses Mal dem Schützen zugewandt. Nach dem Spiel erklärte Dănălache, dass seine Geste mit den Mitspielern und dem Trainer, Alexandru Pelici, abgesprochen gewesen sei. Beeindruckt vom überraschenden Verhalten des Keepers, verabschiedeten die Petrolul-Fans die gegnerische Mannschaft mit Applaus und Hochrufen. Eine vergleichbare Wertschätzung blieb Chivulete versagt. Laut der Sportzeitung Gazeta Sporturilor wurde der Referee wegen mehrerer schwerwiegender Fehlentscheidungen, darunter die Wiederholung des Strafstoßes, für sechs Monate gesperrt.
Jeder von uns hat das schon erlebt: heftige, zunächst nur lästige innere Krämpfe zur Unzeit, die schließlich nicht mehr auszuhalten sind. Jede Bewegung wird zur Qual, und an Fußballspielen ist nicht mehr zu denken.
Am 12. April 1999 bat in der argentinischen zweiten Liga Fabián Binzugna, der Torwart von Deportivo Morón, Schiedsrichter Rubén Favale, die Partie gegen CSD Defensa y Justicia zu unterbrechen, da das Rumoren in seinem Magen unerträglich wurde. Es lief die 70. Minute, der Klub aus der Nähe von Buenos Aires hatte sein Auswechselkontingent bereits erschöpft, und bis zur Toilette in der Umkleidekabine waren es vom Tor des verzweifelten Binzugna rund 100 Meter. „Wenn Sie gehen müssen, werden wir auf Sie warten. Sie sind schließlich der Torwart“, erklärte Favale verständnisvoll. Das Spiel wurde unterbrochen, und der Torwart stürmte los in Richtung Toilette.
Der Konditionstrainer des Teams begleitete Binzugna in die Kabine und half ihm, Handschuhe und Trikot auszuziehen. Die Magenkrämpfe wollten nicht nachlassen, doch Binzugna musste entsetzt feststellen, dass die drei Toiletten in der Kabine alle besetzt waren – von seinen Mitspielern, die kurz vor ihm das Feld verlassen hatten, den Verteidigern Gonzalo Martínez und Luciano Kirokián und dem Stürmer Fernando Rodríguez. Sie alle litten unter denselben Krämpfen.
Als Rodríguez, dem es noch am besten ging, die dringende Lage klar wurde, räumte er seinen Platz für Binzugna, der sich rasch seines Problems entledigte und aufs Spielfeld zurückkehrte. Nach dem Spiel erklärte der Keeper, der sich inzwischen etwas erholt hatte, dass er und seine Mannschaftskameraden vom verdorbenen Mittagessen eine Lebensmittelvergiftung gehabt hätten. Aber auch der Magen eines anderen wurde an dem Tag einer harten Prüfung unterzogen: Der arme Zeugwart von Morón erlebte erster Hand (oder besser: auf den Füßen) Martínez’ Qual mit, da das Unheil seinen Lauf nahm, bevor der Spieler es bis zur Toilette schaffte.