o
Die Gurke Liesabetta und das Schaf Emil
gehen auf eine Weltreise
Winfried Rochner
o
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.papierfresserchen.de
info@papierfresserchen.de
© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/9090344
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Cover + Illustrationen: Jane Gebert
ISBN: 978-3-86196-522-0 (Taschenbuch-Originalausgabe 2015)
ISBN: 978-3-96074-147-3 - epub eBook (2020).
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de
*
Vorbereitungen für eine Weltreise
Allein in der Dunkelheit
Eine neue Freundschaft
Gemeinsam durch die große Stadt
Über das bewegte Meer
Fremdes Land und besondere Menschen
Abenteuer in Afrika
Landung auf einer unbekannten Insel
Gefahrvolle Begegnungen
Ein unterirdisches Reich
Der Autor
*
Eines Tages beschloss die Gurke Liesabetta, sich auf eine Weltreise zu begeben. Sie betrachtete ihre schönen Beine und meinte, dass diese für eine solch große Reise sehr geeignet wären. Die Schuhe mit den glänzenden roten Sohlen gefielen ihr besonders gut und sie klapperten nicht immerzu, wenn sie mal fester auftrat oder schneller lief. Eine flotte Mütze borgte sie sich vom Rotkäppchen. Für den Proviant, bestehend aus dicken Stullen mit Butter, Käse und Wurst, schenkte ihr der Hans im Glück einen Rucksack, den er unbedingt loswerden wollte. Einen Schal und einen Pullover für kalte Tage während der Wanderung musste sie noch einpacken. Aber woher nehmen, wenn niemand ihr so etwas schenkte? Sie dachte lange nach, wen sie um die warmen Sachen bitten könnte.
Liesabetta überlegte einen ganzen Tag ...
... und noch einen Tag ...
... und noch einen Tag.
Der Kopf der Gurke tat vom vielen Denken schon richtig weh. Da flog eine kleine Blaumeise auf den Baum, unter welchem Liesabetta in tiefes Grübeln versunken saß. „He, Gurke, was ist mit dir los?“, flötete die Blaumeise. „Siehst du nicht, wie schön die Sonne scheint und alles munter durcheinanderschwirrt? Und du sitzt da und machst ein unglückliches Gesicht!“
„Ach“, seufzte Liesabetta, „wenn du wüsstest, wie es mir geht! Ich will eine Weltreise antreten und es fehlen mir für die kalten Tage ein Schal und ein Pullover. Du weißt, es kann unterwegs ja mal kalt werden.“
Wennʼs weiter nichts ist, da drüben auf der Wiese spielt ein Schaf. Das ist über und über mit Wolle bepackt, die es im Sommer nicht mehr benötigt. Von ihm kannst du bestimmt Wolle bekommen“, zwitscherte der Vogel und schwang sich in die Lüfte.
Die Miene der Gurke hellte sich sofort auf. „Danke, danke“, rief sie der Blaumeise hinterher und ihre trübsinnigen Gedanken verschwanden im Handumdrehen. Sie sprang auf, schwang ihre Beine und rannte den Weg entlang zur Wiese, auf der das Schaf stand.
„Guten Tag, Schaf! Wie heißt du denn eigentlich wirklich? Hast du auch einen richtigen Namen?“
Das Tier beachtete die Gurke nicht, schielte nur von der Seite auf deren schönes Grün und dachte bei sich: „Ob das wohl für mich ein guter Happen wäre?“ Liesabetta wiederholte ihren Gruß und nun wandte sich das Schaf ihr zu. „Mh“, dachte es wieder, „mit der Mütze und den Schuhen ist diese grüne Dicke wohl doch kein so schmackhafter Happen.“
Laut antwortete das Tier: „Guten Tag, ich heiße Schaf, nichts weiter. Vielleicht hat meine Mutter vergessen, mir einen Namen zu geben.“ Es wackelte mit den Ohren und schüttelte traurig seine dicke Wolle. Liesabetta hatte Mitleid mit dem namenlosen Schaf und meinte aufmunternd: „Wie wäre es, wenn wir einen schönen Namen für dich finden? Ich finde, Emilie würde sehr gut zu dir passen.“
Entrüstet blökte das Tier die Gurke an: „Aber ich bin doch ein Junge!“
„Na, dann eben Emil“, schlug Liesabetta vor.
Das Schaf dachte nach und legte dabei seine Stirn in Falten, die man jedoch nicht sehen konnte, da die Wolle wild darüberwuchs. „Einverstanden. Emil gefällt mir“, stimmte es schließlich freudig zu. „Wie heißt denn du, Gurke?“, erkundigte sich Emil neugierig.
„Ich heiße Liesabetta.“ Sie stellte sich stramm vor das Schaf und lüpfte ihr Käppchen. „Ich wollte dich etwas fragen. Kannst du mir etwas von deiner Wolle abgeben? Ich benötige für meine Weltreise einen Pullover und einen Schal.“
„Ja, warum denn nicht? Ich habe ohnehin so viel davon. Nur nicht gleich jetzt, die Wolle sitzt zu fest. Aber der Schafscherer kommt etwas später, um sie abzuschneiden.“
„Oh, tut das nicht weh?“, stammelte Liesabetta besorgt.
„Nein, gar nicht, die Haut bleibt ja dran und es wächst wieder neue Wolle nach.“
Die beiden neuen Freunde unterhielten sich noch eine ganze Weile und so verging die Zeit wie im Fluge, bis der Schafscherer kam, Emil zwischen seine Beine nahm und ritsch, ratsch im Nu die Wolle ab war.
Liesabetta staunte: „Das ging aber schnell! Doch wie bekomme ich daraus einen Pullover und einen Schal? Vielleicht alles zusammenkleben?“ Die Gurke hob die Wolle hoch und diese fiel in Flocken zur Erde.
„Du bist aber lustig, Liesabetta!“ Emil lachte und lachte. „Die Wolle wird von der Bäuerin auf einem Spinnrad zu einem langen Faden gesponnen. Dann werden daraus ein Pullover und ein Schal gestrickt.“
Und so wie es Emil erklärt hatte, geschah es. Die Bäuerin setzte sich ans Spinnrad, spann den Faden zu einem Wollknäuel und strickte daraus einen warmen Pullover und einen Schal für die Gurke.
„Nun bin ich für meine Weltreise bestens ausgerüstet! Vielen Dank, liebes Schaf Emil, und vielen Dank, liebe Bäuerin“, jubelte Liesabetta, verabschiedete sich und ging nach Hause, um alles für ihre Weltreise zu packen.
*
„Wo fange ich an, was packe ich ein für die große Reise?“ Die Gurke legte den Rucksack auf einen Stuhl und alles, was sie darin unterbringen wollte, auf den Fußboden, den Tisch und die übrigen Stühle. Eben einfach alles ausgebreitet um sich herum. „Nein, ist das aber viel!“, seufzte sie und betrachtete die verstreuten Sachen. „Das soll alles in den Rucksack? Der ist viel zu klein. Einen größeren kann ich nicht tragen, da knicken ja meine schönen Beine ein“!
Liesabetta wagte noch einen letzten Rundblick, ehe sie mit den Dingen auf dem Tisch begann: einem Hemd und kurzen Hosen, einem Paar Hausschuhe und Socken. Das alles sollte erst einmal im Rucksack verschwinden. Obenauf das Essen – Wurst- und Käsestullen, eine große Flasche Tee sowie Äpfel und Bananen. Liesabetta packte alles erst mal geordnet in den Rucksack, der dadurch schon gut gefüllt war. Nun fehlten noch der Pullover und der Schal, doch diese passten auch mit Quetschen und Drücken nicht mehr hinein.
„Nun gut, dann ziehe ich den Pullover gleich an und lege den Schal um. Nun kann es losgehen!“, meinte sie schließlich und hängte sich außerdem noch eine Kartentasche um. Darin befanden sich sämtliche Karten der Welt, auch eine von Brandenburg und eine von Thüringen, die besonders schöne Wanderwege zeigten. Den Rest, welcher nicht mehr in den Rucksack passte, räumte die Gurke wieder weg. Sie warf noch einen letzten Blick auf ihr Zuhause, bevor sie vor die Tür hinaustrat.
Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und Liesabetta schwang die Beine. Sie lief den langen Weg entlang, kam auf eine Wiese, überquerte diese und marschierte danach durch den Wald. Sie begegnete keinem Menschen, keiner Gurke, keinem Schaf, nicht einmal ein Hund tauchte auf. Indessen hatte sie ein wenig Hunger bekommen und es wurde Zeit, etwas zu essen. Sie setzte sich auf einen Baumstumpf, holte ihren Proviant heraus und biss herzhaft in die Käsestulle, die schnell aufgegessen war. Nach ihrem Mahl wurde Liesabetta müde, sie legte sich ein Weilchen unter den Baum und schlief ein paar Stündchen.
Als sie erwachte, war es fast dunkel, sie sprang auf und überlegte, was das Schaf Emil wohl gerade tat. Während sie so in ihre Gedanken versunken war, wurde es immer dunkler und die Schlafenszeit rückte heran. Allerdings war die Gurke nicht müde, da sie kurz zuvor ein ausgiebiges Schläfchen gehalten hatte, und wanderte weiter auf ihrem Weltreisepfad.
Als die Nacht vollständig angebrochen war und Liesabetta nichts mehr außer einigen unheimlich leuchtenden Augen rechts und links des Wegesrandes sah, wusste sie nicht, wem oder was diese gehörten. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken und sie rannte, so schnell sie konnte, um aus dem finsteren Wald zu verschwinden.
Gerade als Liesabetta der Atem auszubleiben drohte, sah sie links vor sich etwas Helles durch die Bäume schimmern. Sie eilte dem Licht entgegen und wäre fast über einen Stock gefallen, als sie plötzlich vor einem Haus stand.
Zaghaft klopfte die Gurke an und eine feste Stimme meldete sich: „Herein, wenn’s kein Schneider ist!“
Liesabetta öffnete die Tür, trat schüchtern ein und ein großer ungekämmter Mann begrüßte sie lautstark: „Guten Abend, Gurke, was will sie zu so später Stunde?“