Cover

Anja Hilling

Engel

(die Verletzung, das Herz und die Gedanken)

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Personenverzeichnis

Zitat

erster Akt: die Verletzung

I. Bar

II. Bar

III. Zu Hause

IV. Bar

V. Tattoostudio

VI. Tatoostudio

VII. Tattoostudio

VIII. U-Bahn-Treppe

zweiter Akt: die Gedanken

I. Polnisches Hotelrestaurant

II. Hotelzimmer

III. Zu Hause

IV. Bar

V. die polnischen Dünen

VI. Bar

VII. Zu Hause

VIII. Bar

IX. Zu Hause

dritter Akt: das Herz

I. Zu Hause

II. Bar

III. Hotelzimmer

IV. Zu Hause

V. Bar

VI. Polnisches Hotelrestaurant

Über die Autorin

Über das Stück

Impressum

Personenverzeichnis

Asta, die Barkeeperin
Elisabeth, im Sand zurückgelassen
Olaf, hat ein Zimmer frei jetzt
Hartmut (Hardy) Kopetzki, der aus dem Gedächtnis malt
Hanno Biskop, dem die Frau verstorben war
Heike, die Tochter auf Wohnungssuche
Sonja/Elfi, die auch nicht weiß, wohin
Axel, der nostalgische Liebhaber
Ulla, die nostalgisch Geliebte

sowie:

vier Passanten, die in Streit verfallen
zwei polnische Kellner
eine Sängerin

ORTE

eine Bar

zu Hause
ein Tattoostudio
ein Hotelzimmer
eine U-Bahn-Treppe
ein Hotelrestaurant in Polen
die polnischen Dünen

„Das Denken muss sich auf die vorliegende Lebenssituation beschränken.
Alle Gedanken und Spekulationen, die darüber hinausgehen, verletzen nur das Herz.”

I-Ging: Der Berg (Die Unbeweglichkeit)

erster Akt: die Verletzung

zweiter Akt: die Gedanken

dritter Akt: das Herz

erster Akt: die Verletzung

I. Bar

Asta

Die Bar ist klein, gemütlich. Familiär könnte man sagen. Das Licht, die Polster rot, der Teppich grün. Auf dem Tresen Teelichter. Nach vier Stunden muss ich sie wechseln. Manchmal mach ich das, manchmal nicht, das hängt vom Abend ab. Ich bin Asta. Ich bin hier angestellt, nicht mehr und nicht weniger. Man sagt, ich sei schön, aber das mag am Licht liegen und am Alkohol. Es gibt vierzehn Whiskysorten, dreiundzwanzig andere Spirituosen, Gin, Wodka, Cognac, diese Dinge, vier Weißwein- und sechs Rotweinsorten. Drei Biersorten vom Fass. Wir können uns sehen lassen hier unten. Die Bar liegt im Keller. Über der Bar werden Zimmer vermietet. Aber das Geschäft läuft nicht gut. Wir befinden uns in Bahnhofsnähe. Wenn die Musik aus ist, wenn wir leise sind, kann man die Lautsprecheransagen vom Bahnsteig hören. Die Hotelgäste sind Reisende. Bleiben für eine Nacht. Manchmal zwei. Mit der Bar ist das anders. Die Gäste hier sind bekannt. Ihre Gesichter sind mir vertraut, sie verfolgen mich im Schlaf. Sie sind gerne hier, glaub ich. Vielleicht liegt die Bar auch in der Nähe oder ihnen gefällt die Musik oder das Licht oder die Barkeeperin oder oder oder. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, ich verbringe mehr Zeit mit ihnen als mit meinem Vogel. Ein Wellensittich. Über seinen Käfig leg ich eine Decke wenn ich zur Arbeit geh.
Aber um mich geht s hier nicht.
Ich nenne die Gäste in ihrer Reihenfolge am Tresen, von links nach rechts.
An der linken Seite Herr Hanno Biskop, schütteres Haar, aber glänzend, langes Gesicht, die Augenbrauen dunkel und dicht. Er lächelt. Vor sich ein Cuba Libre, Cola mit Rum, eine Limette am Rand. Ein Cocktailschirmchen, ausnahmsweise. Er ist nicht allein. Neben ihm eine Frau, ein verletztes Bein auf einen Hocker gelegt. Die Frau heißt Elfi. Oder Sonja. Egal. Sie lächelt ihn an.
Zwei, nein drei Hocker weiter an der Ecke, am Knick des Tresens, Hardy, er hat die Jacke noch an, sein Nacken ist breit, seine Schultern auch, alles an ihm. Seine Arme können nicht dicht an seinem Körper liegen, so füllig sind sie. Über seinen Rücken sein Haar, zu einem Schwanz gebunden, reicht bis zur Brustwirbelsäule. Sein Haar ist fein, blond, fast golden im Schein der Lampe. Er trinkt Bier.
Gegenüber von mir, zwei Hocker von Hardy entfernt, eine Frau. Elisabeth. Sie trinkt Sekt. Hardy kann die Augen nicht von ihr lassen. Sie sieht mich an, nicht ihn. Sie denkt, wir sind verbunden, durch ein Geheimnis, eine Art Schmerz.
Auf dem letzten Stuhl, ganz rechts außen, Axel. Er ist noch nicht oft hier gewesen. Erst einmal. Aber er hat sich schon verändert. Seine Frisur ist furios geworden seitdem. Er hat ein Zimmer gemietet im ersten Stock. Länger als geplant. Sein Blick geht nach unten. In ein Glas. Er trinkt Rotwein. Im Nacken eine kleine Wunde, fast verheilt, ein Kratzer. Er würde sagen, das ist kein Kratzer, Freunde, das ist die Klaue einer Tigerin.
Es ist schon viel passiert.

Elisabeth
Mach für einen Moment die Augen zu.
Asta
Was.
Elisabeth
Ich würd dich gern auf die Lider küssen.
Asta
Hör mal zu Honigbär.
Du küsst mich nirgendwohin.
Ich muss arbeiten. Es gibt Gäste hier.
Hardy
Jetzt weiß ich woher ich dich kenn.
Elisabeth
Wen. Mich.
Hardy
Klar. Dich.
Elisabeth
Asta
Asta
Ja.
Elisabeth
Du hast Gäste.
Asta
Was.
Elisabeth
Ich würd das Gespräch gern von vorne beginnen.
Hanno Biskop
Da hab ich so lange drauf gewartet.
Elfi (Sonja)
Worauf.
Hanno Biskop
Dass du endlich vor der Tür stehst.
Elisabeth
Mach für einen Moment die Augen zu.
Asta
Was.
Elisabeth
Kann ich noch mal deinen Rücken sehen.
Asta
Ich hab keine Zeit für so was.
Elisabeth
Gäste. Versteh schon.
Asta
Nix verstehst du. Gar nix.
Elisabeth
Erklär s mir.
Asta
Ich muss arbeiten.
Hardy
Polen.
Elisabeth
Was.
Hardy
Daher kennen wir uns. Sie und ich.
Elisabeth
Wir kennen uns nicht.
Hardy
Wir sind uns in Polen begegnet.
Elisabeth
Polen ist längst vergessen.
Hardy
Ich vergess das nicht. Nie.
Ich war dabei.
Als der Typ dich umgebracht hat da war ich dabei.
Elisabeth
Lassen Sie mich in Ruhe.
Hardy
Es tut mir so leid.
Dass ich dir nicht geholfen hab. Das tut mir so leid.
Elisabeth
Niemand hat mich umgebracht.
Ich lebe noch.
Hardy
Nein.
Elisabeth
Ich bin hier.
Hardy
Ja. Das ist seltsam.
Asta
Hardy. Gäste in Ruhe lassen.
Elisabeth
Danke.
Asta
Das ist mein Job.
Elisabeth
Du hast Angst.
Asta
Ich hab Gäste.
Elisabeth
Du hast Angst vor uns.
Asta
Ich hab Angst. Du sitzt in vier Stunden immer noch hier.
Elisabeth
Was willst du. Willst du. Ich geh. Dann bin ich weg.
Hardy
Kunststück.
Elisabeth
Was.
Hardy
Du bist schon weg.
Axel
Kann ich ein feuchtes Tuch haben.
Asta
Was.
Axel
Es hat wieder angefangen zu bluten.
Elisabeth
Was hast du gedacht.
Als du mich das erste Mal gesehen hast.
Asta
Nichts.
Elisabeth
Was macht der Sekt.
Asta
Ich hab gedacht.
Die Frau hat schöne Augen.
Honigaugen.
Elisabeth
Dann bist du in Ohnmacht gefallen.
Asta
Ja.
Aber das, das alles wär nicht passiert. Wenn Hardy mir nicht seine Karte dagelassen hätte vor drei Tagen.

II. Bar