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Anja Hilling

Monsun

Ein Stück in fünf Akten

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

Inhaltsverzeichnis

Title Page

PERSONENVERZEICHNIS

INTRO

1. AKT (Der Stand der Dinge)

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

2. AKT (Der Wunsch, im Sand zu liegen unter freiem Himmel)

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

3. AKT (Das Kommen und das Gehen, und das, was bleibt, ist ein Fleck)

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

4. AKT (Das Ende des Sommers, so heiß und so finster)

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

5. AKT (Das Fletschen der Welt beim Weiterdrehen)

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

Über die Autorin

Über das Stück

Impressum

PERSONENVERZEICHNIS

Paula
Bruno
Sybille
Coco
Melanie
und die Stimme einer Radiosprecherin

KULISSEN

Die Zimmer von Wohnungen in Berlin, ein Audi, eine Backstube, ein Volksfest, ein Krankenbett, ein Café, ein Haus an der Ostsee, Stufen zum Strand, der Strand, die Straßen von Brandenburg, ein Kajak im Wasser, ein Moos, ein Hausflur, eine Hütte in Vietnam in den Bergen ...

DIE POPSONGS AUS DEM RADIO

„Dream a little dream of me“ von the Mamas and Papas
„Purple Rain” von Prince
„Something stupid” von Frank Sinatra
„Candy” von Iggy Pop
„Take another little piece of my heart” von Janis Joplin

INTRO

Alles beginnt im Dunklen. Ein Radiointerview feiert das vierjährige Überleben einer Fernsehserie.

Stimme der Radiosprecherin
Zwei Mädchen. Sagen wir Frauen.
Die sind ja auch nicht jünger geworden.
Zwei Schwestern.
Sie haben alles verloren.
Die Eltern die Freude am Leben die Zukunft.
Alles.
Die armen Schweine.
Nur sich.
Sich haben sie noch.
Brunos Stimme
Und das Haus.
Stimme der Radiosprecherin
Das Haus gibt s auch noch.
Brunos Stimme
Ja.
Stimme der Radiosprecherin
Daher der Titel.
Brunos Stimme
Sagen Sie s nicht.
Stimme der Radiosprecherin
Tränenheim.
Brunos Stimme
Ich kann s nicht mehr hören.
Stimme der Radiosprecherin
Aber der Titel.
Der ist schon.
Brunos Stimme
Also ich hab mir den Scheiß nicht ausgedacht.
Stimme der Radiosprecherin
Bruno.
Ich darf Ihnen heute zum vierjährigen Jubiläum Ihrer Serie gratulieren.
Brunos Stimme
Ich schreib nur die Dialoge.
Und selbst die.
Mal ehrlich. Vielleicht sollten Sie besser mit meiner Assistentin sprechen.
Stimme der Radiosprecherin
Sybille.
Brunos Stimme
Sybille.
Stimme der Radiosprecherin
Vier Jahre.
Bruno.
Und die Schwestern sind immer noch traurig.
Brunos Stimme
Wenn die lachen kann ich einpacken.
Stimme der Radiosprecherin
Und ich.
Brunos Stimme
Sie.
Stimme der Radiosprecherin
Ich hab so was nie gehabt.
Schwestern Haus Familie und so was.
Können Sie mir das erklären.
Wieso ich immer wieder Montag bis Freitag
Pünktlich um sechs
So wahnsinnig gut draufkomm.
Brunos Stimme
Also Sie müssen mir nicht erzählen was für einen Scheiß ich da mache.
Stimme der Radiosprecherin
Meine Laune steigt schon bei der Titelmelodie.
Brunos Stimme
Ich bin da so reingerutscht.
Ins Vorabendprogramm.
Glauben Sie ich hab keine Visionen.
Ideen.
Themen für die große Leinwand.
Klar hab ich die.
Familie hab ich Frau und Kind.
Da springt man nicht einfach ins kalte Wasser der Filmindustrie.
Stimme der Radiosprecherin
Ich hab s Ihnen gesagt.
Brunos Stimme
Was.
Stimme der Radiosprecherin
Dass ich so was nicht hab.
Familie und so was.
Brunos Stimme
So kann man doch kein Interview führen.
Stimme der Radiosprecherin
Ich mach meinen Job.
Sie Ihren.
Brunos Stimme
Sie machen ihn Scheiße Ihren Job.
Stimme der Radiosprecherin
Sie machen Ihren gut. Ziemlich. Wirklich.
Brunos Stimme
Jetzt reicht s aber.
Stimme der Radiosprecherin
Gut.
Brunos Stimme
Was. Gut.
Stimme der Radiosprecherin
Die Zeit ist um.

Schweigen.

Stimme der Radiosprecherin
Glückwunsch noch mal.
Brunos Stimme
Zu was.
Stimme der Radiosprecherin
Zu Ihrem Jubiläum.

Ein Radiosong. The Mamas and Papas singen „Dream a little dream of me”.
Licht.

1. AKT (Der Stand der Dinge)

I.

In der Küche. „Dream a little dream of me” leise aus dem Radio. Paula sitzt auf einem Stuhl. Mit Jacke, aber ohne Absicht, das Haus zu verlassen. Sie starrt. Ein Käsebrot auf dem Tisch. Das starrt sie an. Sie sieht genau. Das Brot ist zusammengeklappt. Es liegt auf einer Plastikfolie. Sie sieht Kondensbläschen. Sie sieht die Butter, die aus den Löchern im Teig quillt. Sie sieht, dass der Käse sich wellt am Rand. Die Farbe vom Käse könnte auch eine Haarfarbe sein. Manchmal zuckt Paulas Arm. Aber er berührt das Brot nicht, der Arm. Er hängt wieder runter. Schlaff.

Paula
Keine Brezeln.
Wenn du dir Brezeln kaufst kannst du was erleben.

Die Musik wird lauter. Einfach so. Paula sieht zum Radio. Sie will aufstehen. Das Radio ausschalten. Sie bleibt sitzen. Sie starrt das Käsebrot an.

II.

In der Bäckerei. Das Radio plätschert auch hier sein leises Lied. Coco steht vorm Ofen. Sie trägt eine weiße Schürze. Ihre Hände sind mehlig. Ihr Haar auch. Sie sieht Brezeln größer werden hinter Glas. Dunkler. Sie steigt auf einen Hocker. Ihr Bauch ist auf Höhe des Sichtfensters. Hier ist es heiß. Man könnte in den Tropen sein. Nur riecht es da anders. Coco wischt die mehligen Hände am Bauch ab. An der Schürze. Sie wischt rhythmisch. Als wär das ein Instrument, kein Bauch.

Coco
Wenn du sechs bist oder sieben. Zeig ich dir was.
Ich zeig dir wie man mit einer Hand einen Knoten in eine Brezel macht.

III.

In der Küche. Die Situation ist unverändert. Paula starrt das Käsebrot an. Aus dem Radio Nachrichten. Laut. Die Welt ist im Arsch, ein dänischer Prinz zu Besuch in Berlin, das Wetter. Es ist Sommer. Es ist heiß. Draußen ist Sonne. Paula geht das alles nichts an. Sie bleibt sitzen. Die Verkehrsmeldungen.

Stimme der Radiosprecherin
Der Kottbusser Damm ist einseitig in Richtung Kottbusser Tor gesperrt. Rien ne va plus. Grund ist ein Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang. Bitte putzen Sie.

Ein leises Lachen der Radiosprecherin

Bitte benutzen Sie die ausgeschilderten Umleitungen.

Das Radio will Musik spielen. Paula steht auf. Sie schaltet das Radio aus.

Stille.

Paula
Putzen Sie die Umleitungen.

Sie setzt sich wieder. Starrt das Käsebrot an. Sie streckt den Arm. Nimmt das Brot in die Hand.

Sie beißt rein.

Paula
Zippo.

IV.

Im Audi. Melanie fährt. Sie trägt eine Brille. Sie trägt die Brille nur zum Autofahren. Sie stört. Melanie verrutscht das Gestell mit der Hand. Sie ist kurz davor, die Brille abzunehmen. Sie lässt sie auf. Sie sieht nach vorn. Auf die Straße. Blind greift sie ins Handschuhfach. Sie hält einen Gegenstand in der Hand. Es ist ein Diktiergerät. Sie schaltet es ein. Sagt nichts. Atmet. Spricht.

Melanie
Coco. Meine Liebe.

Sie stellt das Gerät aus. Spult zurück. Schaltet es wieder ein.

Melanie
Meine liebe Coco. Ich bin weg. Ich weiß. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Ich bin. Wie soll ich sagen.
Ich werd nach Vietnam gehen in die Berge im Norden.
Für eine Dokumentation.
Für einen Monat.
Die Ostsee na ja. Vielleicht findest du jemand anderen.
Der mit dir fährt.
Scheiße.

Sie stellt das Gerät aus. Spult zurück. Schaltet es wieder ein.

Melanie
Meine liebe Coco. Wunder dich nicht wo meine Zahnbürste ist. Sie ist weg.
Mein Shampoo auch.
Ich bin weg.
Den Toaster kannst du behalten. Was soll ich mit zwei Toastern.
Es tut mir Leid.
Das hat nichts mit dir zu tun.

Pause.