Philipp Löhle
Die Mitwisser
Eine Idiotie
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Zitat
Personenverzeichnis
Vorrede
Erster Teil: Als analog
I. Der Herr Kwant
II. Klein Pi macht auch Mist
III. Auf Arbeit mit dem Herrn Kwant
IV. Herr Kwant, du Tube!
V. Autofahrt I
VI. Beim Fürst
VII. Sexte Szene
VIII. Nackte Tatsachen
IX. Survival of the fittest
X. Mehr
XI. Noch mehr
XII. Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst!
XIII. No match found
Zweiter Teil: Inder klaut
Epilog
Über den Autor
Über das Stück
Impressum
„Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es jemand erfährt, dann sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“
Eric Schmidt, Executive Chairman von Google (jetzt Alphabet)
„Es ist so bequem, unmündig zu sein.“
Immanuel Kant (Was ist Aufklärung?)
Theo Glass, Enzyklopädist
Anna Glass, seine Frau, Blumenhändlerin
Sabrina David, Kollegin von Theo
Fred Jäger, Nachbar der Glass’
Herr Fürst, Theos Chef
Herr Kwant
ORTE
Davor und Dahinter
ZEIT
Dieses Stück Science Fiction spielt in der Vergangenheit.
ANMERKUNG
Herr Kwant ist ein Mensch. Durch und durch. Er ist eben genau nicht künstlich.
LITERATUR
Yvonne Hofstetter – Sie wissen alles
Hofstetter – Das Ende der Demokratie
Markus Morgenroth – Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!
Max Schrems – Kämpf um deine Daten
Thomas Schulz – Was Google wirklich will
Christoph Kucklick – Die granulare Gesellschaft
Jan Kalbitzer – Digitale Paranoia
Dave Eggers – The Circle
Martin Ford – Aufstieg der Roboter
Stefan Aust/Thomas Amman – Digitale Diktatur
Harald Welzer – Die smarte Diktatur
Jarett Kobeck – I hate the Internet
Immanuel Kant – Was ist Aufklärung?
Hannes Grassegger/Mikael Krogerus - Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt
FILME / MEDIEN
Spike Jonze – Her
Bent Hamer – Kitchen Stories
What if google was a guy (youtube)
Poppy (youtube-chanel)
Anthony van der Meer – Find my phone (youtube)
Newsletter@bigdata-insider.de
Daniel Jütte – Das Geheimnis ums Geheimnis (im Deutschlandfunk Nova Podcast)
Dirk Helbing – Manipulation der Massen (im Deutschlandfunk Nova Podcast)
Google I/O Keynote 2017 (youtube)
Erstes Interview mit Edward Snowden – https://www.youtube.com/watch?v=ZWVKo_1N9mA
Sehr geehrte Damen und Herren,
Herzlich willkommen im Schauspielhaus Düsseldorf1. Wir möchten Sie bitten, Ihre Mobiltelefone nicht auszuschalten. Nur so ist es uns möglich, Daten über Ihr Zuschauerverhalten zu erfassen. Das Fotografieren und Filmen sowie der Gebrauch sozialer Medien während der Vorstellung sind ausdrücklich erlaubt. Wir wünschen Ihnen eine schöne Vorstellung.
Määh … Määh …
1 Der Name des Theaters kann dem jeweiligen Spielort angepasst werden.
„Welcome to my life“
Sobotka (Born in the NSA)
THEO
Guck. Das ist er.
Da sind Anna und Theo Glass. Und da ist der Herr Kwant. Der Herr Kwant hat ein paar Dinge dabei. Ein Klemmbrett mit Stift (an einer Schnur). Eine Sofortbildkamera. Ein paar Aktenordner. Ein Stapel Zettel und ein paar Landkarten. Außerdem unbedingt eine Lupe. Der Herr Kwant ist gerade dabei sich einzurichten.
THEO
Und? Was sagst du?
ANNA
Joa.
THEO
Joa?
ANNA
Habe ihn mir jünger vorgestellt.
THEO
Jünger …
ANNA
Hat er auch einen Namen?
THEO
Hat er. (grinst)
ANNA
Und der wäre? Wieso grinst du so?
THEO
Josef K. Steht auf seinem Namensschild. Verstehste? Wie bei Kafka. Aber das K. steht für Kwant. Herr Kwant.
ANNA
Herr Kwant. Dann siezt du ihn?
THEO
Ach so. Weiß nicht.
ANNA
Siezt er dich?
THEO
Keine Ahnung. Das kann ich wahrscheinlich selber festlegen.
–
ANNA
Und was macht er da?
THEO
Ich … Er … Er schraubt was zusammen.
ANNA
Das sehe ich auch.
THEO
Mensch, Anna.
ANNA
Du hast ihn angeschleppt.
THEO
Das ist total aufregend, oder? Findest du es nicht total aufregend? Also ich finde es total aufregend.
–
ANNA
Das wird ein Stuhl.
THEO
Bitte?
ANNA
Was er da zusammenbaut. Das ist ein Stuhl. Wieso einen Stuhl?
THEO
Stimmt.
ANNA
Wir haben Stühle.
THEO
Klar haben wir Stühle.
–
THEO
Dann ist es vielleicht gar kein Stuhl.
ANNA
Natürlich ist das ein Stuhl. Das ist so einer mit einem Ablagebrett als Lehne.
THEO
Jetzt, wo du es sagst.
ANNA
So einen haben wir natürlich nicht.
THEO
Deshalb.
ANNA
Deshalb was?
THEO
Deshalb bringt er seinen eigenen Stuhl mit. Und schraubt ihn hier zusammen. Ist das nicht irre?
ANNA
Hättest du ihm doch besorgen können.
THEO
Wenn er ihn selber mitbringt.
–
ANNA
Und was macht er jetzt?
THEO
Ich glaube … er setzt sich.
ANNA
Ja. Er setzt sich. Auf seinen Stuhl.
THEO
Auf seinen Stuhl. Wahnsinn.
Der Herr Kwant sitzt auf seinem Stuhl. Theo und Anna gucken ihn an. Der Herr Kwant lächelt. Theo und Anna lächeln zurück. Der Herr Kwant nimmt einige Papiere aus seiner Aktentasche …
THEO
Achtung! Er kommt.
… und kommt zu Theo und Anna.
HERR KWANT
So. Herr Theo Glass?
Theo nickt.
THEO
Hier. Das ist Anna.
HERR KWANT
Guten Tag, Anna. Herr Glass, nachdem ich mich jetzt bei Ihnen installiert habe, sind hier noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB, für Sie. (Er gibt Theo ein paar Papiere.) Wenn Sie die bitte gründlich durchlesen und dann qua Unterschrift zustimmen würden.
THEO
Okay. (liest) „Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Dienste entschlossen haben. Die Nutzung der Dienste setzt voraus, dass Sie den Nutzungsbedingungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zustimmen. Bitte lesen Sie diese sorgfältig durch.“
Mache ich ja gerade. (lacht)
(liest) „Wir bieten eine Vielzahl von verschiedenen Diensten an. Aus diesem Grund gelten unter Umständen zusätzliche Bedingungen oder Voraussetzungen (z.B. ein Mindestalter).“ Ach. (liest) „Solche zusätzlichen Bedingungen werden im Zusammenhang mit den entsprechenden Diensten zur Verfügung gestellt und werden Teil Ihres Nutzungsverhältnisses mit uns, sobald Sie diese Dienste nutzen.“ Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden.
Anna nimmt ihm die Papiere aus der Hand.
ANNA
Das ist aber sehr klein geschrieben. Wenn Sie mir mal Ihre Lupe …
Theo nimmt Anna die Papiere aus der Hand.
THEO
Oder können Sie es uns nicht vorlesen?
HERR KWANT
Ich kann Ihnen erst vorlesen, wenn Sie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt haben, deshalb kann ich Ihnen gerade diese nicht vorlesen. Noch nicht.
THEO
Ach so … (flüstert) Und wenn wir einfach? (Er unterschreibt mit dem Finger in der Luft.)
HERR KWANT
Ehrlich gesagt machen das die meisten so.
THEO
Oder?
ANNA
Ich lese das bestimmt nicht durch.
Theo unterschreibt. Dann gibt er die Papiere Herrn Kwant zurück. Herr Kwant steckt die Papiere in seine Aktentasche.
HERR KWANT
Ich darf Sie zu Ihrer Entscheidung beglückwünschen. Ab jetzt bin ich jederzeit für Sie da. (Herr Kwant dreht sich um, geht zu seinem Stuhl und setzt sich. Mit Stift und Klemmbrett sieht er die beiden an.)
THEO
Das ist doch irre. Findest du das denn nicht irre? Jetzt hockt da der Typ und … hockt da. Ich schmeiß mich weg.
ANNA
Und was macht er jetzt?
THEO
Was macht er jetzt? Na alles, was wir wollen. Herr Kwant … Uhrzeit, jetzt!
Herr Kwant schaut auf seine Uhr.
HERR KWANT
Es ist jetzt 17 Uhr und 21 Minuten.
Theo schaut auf seine Uhr.
THEO
Stimmt. Siehste.
ANNA
Eine sprechende Uhr. Toll.
THEO
Anna. Herr Kwant … Wetter, morgen?
Herr Kwant holt einen Zettel aus seinen Unterlagen.
HERR KWANT
Am Morgen lockere Bewölkung bei Temperaturen von 18°C. Im weiteren Tagesverlauf sind Teile des Himmels mit Wolken bedeckt, die Sonne ist zwischendurch sichtbar bei Höchsttemperaturen bis zu 26°C. Am Abend kann es vereinzelt zu Regen kommen bei Temperaturen von 20 bis 24°C. In der Nacht bilden sich vereinzelt Wolken bei Tiefsttemperaturen von 18°C. Der Wind weht aus östlicher Richtung mit Geschwindigkeiten von 8 bis 15 km/h. Böen können Geschwindigkeiten zwischen 19 und 42 km/h erreichen.
THEO
Guck mal, Anna, das ist doch Wahnsinn!
ANNA
Jedenfalls ist es recht ausführlich.
THEO
Toll, oder? Und jetzt pass mal auf. Herr Kwant.
HERR KWANT
Ja?
THEO
Heute. Vor hundert Jahren. Also, was war da?
Herr Kwant öffnet einen Ordner, blättert.
HERR KWANT
Heute vor hundert Jahren wurde der dänische Maler, Komponist und Physiker Ragen Jödesund in der französischen Stadt Reims geboren … Das indische Kindermädchen Anik Singh Devi erfindet in British Columbia zufällig das Mobile … Auf einer Hacienda in Venezuela wird der Guerilla-Kämpfer Zapato de Nuestra Pie durch einen Speer ermordet und das letzte lebende Exemplar der Wandertaube stirbt im Genfer Zoo.
THEO
Ha! (klatscht) Bravo! Herr Kwant! Bravo!
ANNA
Er ist wirklich gut organisiert.
THEO
Aber jetzt kommt das Beste. Willst du einen Kaffee?
ANNA
Eigentlich/
THEO
Pass mal auf: Äh … Herr Kwant. Kaffee. Jetzt. Ich. Cappuccino. Anna. Latte.
HERR KWANT
Sie meinen Latte Macchiato?
ANNA
Ja. Gerne.
HERR KWANT
Sie entschuldigen die Nachfrage. Am Anfang müssen wir uns noch aneinander gewöhnen. Jede Stimme und Sprechweise hat ihre ganz eigenen charakteristischen Nuancen, die ich erst begreifen muss. Das legt sich nach ein paar Tagen.
THEO
Kein Problem, Herr Kwant.
HERR KWANT
Es wäre zudem hilfreich, wenn Sie ganz normal mit mir reden.
THEO
Wie? Sie meinen? … Okay, wie Sie meinen.
(Herr Kwant macht Kaffee.)
Das ist so irre! Jetzt macht der uns Kaffee.
ANNA
Wie will der überhaupt Milch schäumen?
THEO
Keine Ahnung.
ANNA
Theo, sag mal, können wir uns den überhaupt leisten? Ich meine, das ist ja praktisch ein Dienst… dings, ein Diener.
THEO
Anna! Das ist es ja. Der ist umsonst.
ANNA
Was?
THEO
Ja! Der macht das umsonst!
ANNA
Der macht das umsonst?
THEO
Ja. Es ist fantastisch.
ANNA
Wieso sollte er das tun?
THEO
Keine Ahnung.
ANNA
Niemand macht irgendwas umsonst.
THEO
Doch …
Der Herr Kwant guckt.
THEO
Äh … Haben Sie alles gefunden?
HERR KWANT
Darf ich, während der Kaffee kocht, eine Empfehlung aussprechen?
THEO
Ja. Klar, oder?
ANNA
Wenn du meinst.
Herr Kwant holt zwei Produktbeschreibungen hervor.
HERR KWANT
Derzeit kochen Sie Ihren Kaffee in einer sogenannten Macchinetta Napoletana.
THEO
Na, dieses Schraubdings halt.
HERR KWANT
(Herr Kwant gibt Theo einen Prospekt.)
(Herr Kwant geht wieder zum Kaffee.)