Die Herausgeberinnen und der Herausgeber
Die Psychologin Dr. habil. Cora Titz ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation tätig. 2005 promovierte sie in Göttingen und habilitierte 2011 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihr derzeitiger Arbeitsschwerpunkt ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Konzepten des Sprach- und Schriftspracherwerbs.
Dr. Sabrina Geyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität Frankfurt sowie am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Die Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind der kindliche Erst- und Zweitspracherwerb, die Sprachdiagnostik und Sprachförderung für ein- und mehrsprachige Kinder in Kita und Grundschule sowie die Professionalisierung pädagogischer Fachkräfte.
Dr. Anna Ropeter ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation tätig. Von 2007 bis 2011 promovierte sie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Bereich der Säuglings- und Kleinkindforschung. Sie ist außerdem als Psychologin im Sozialpädiatrischen Zentrum Frankfurt Mitte tätig.
Hanna Wagner studierte Psychologie, Politikwissenschaften und Pädagogik in Göttingen. Seit 2008 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Diagnostik und Förderung des kindlichen Sprach- und Schriftspracherwerbs sowie die Beratung von Bildungseinrichtungen. Zusätzlich ist sie in der systemischen Familienberatung und -therapie tätig.
Susanne Weber studierte Psychologie in Göttingen. Seit 2009 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Diagnostik und Förderung des kindlichen Sprach- und Schriftspracherwerbs.
Der Psychologe Prof. Dr. Marcus Hasselhorn ist als Bildungsforscher und Leiter der Abteilung für Bildung und Entwicklung am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Ontogenese individueller Voraussetzungen erfolgreichen Lernens, Lern- und Leistungsstörungen, pädagogisch-psychologische Diagnostik sowie die Veränderbarkeit und Beeinflussbarkeit individueller Lernvoraussetzungen (z. B. Schulbereitschaft).
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1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
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ISBN 978-3-17-036334-2
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Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS) ist eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern. Ihr liegt eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) zugrunde. 2013 startete BiSS als eine bildungsetappenübergreifende Initiative zur Verbesserung der Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung. Seitdem entwickelten bundesweit über hundert Verbünde aus je drei bis zehn Kindertageseinrichtungen und/oder Schulen entlang thematischer Module ihre Konzepte der Sprachbildung sowie der Sprach- und Leseförderung weiter. Ein für die wissenschaftliche Ausgestaltung und Gesamtkoordination von BiSS verantwortliches Trägerkonsortium unterstützt die Durchführung der Initiative. Verantwortlich für dieses wissenschaftliche Trägerkonsortium sind Michael Becker-Mrotzek und Hans-Joachim Roth (Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln), Marcus Hasselhorn (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) und Petra Stanat (Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, IQB).
Der vorliegende Band ist der vierte der sechsbändigen Herausgeberreihe »Bildung durch Sprache und Schrift«. In diesem Band werden die BiSS-Entwicklungsprojekte fokussiert. Die Entwicklungsprojekte haben das Ziel, innovative und theoretisch fundierte Konzepte und Maßnahmen in der Sprachbildung, Sprachförderung und Schriftsprachförderung zu erproben, zu präzisieren und zu optimieren. Die Entwicklungsprojekte schließen Forschungslücken zu Förderideen, die zwar aus theoretischer Sicht vielversprechend erscheinen, die aber bislang noch nicht praktisch umgesetzt wurden oder zu denen es keine oder nur wenig empirische Evidenzen gibt. In den einzelnen Kapiteln des Bandes findet die Leserin oder der Leser neben der inhaltlichen Begründung der Projekte aus dem Elementar-, Primar- und Sekundarbereich auch den jeweiligen theoretischen Hintergrund sowie empirische Befunde zu ausgewählten Fragestellungen. Außerdem bietet jedes Kapitel erste Ansätze zur Diskussion darüber, wie die Ergebnisse für die Praxis nutzbar sind – eine Diskussion, von der wir uns wünschen, dass sie weitergeführt und vertieft wird.
In Teil I dieses Bandes wird in zwei Kapiteln ein umfangreiches BiSS-Entwicklungsprojekt vorgestellt, das im Elementarbereich angesiedelt ist. In den vergangenen Jahren hat sich das Credo der Sprachförderung im Kitabereich von intensiven, gezielten Sprachförderprogrammen hin zu Konzepten alltagsintegrierter sprachlicher Bildung verschoben. Hierbei sollen alle Kinder hochwertigen sprachlichen Input durch die pädagogischen Fachkräfte erhalten, der an ihre kindliche Lebenswelt anknüpft. Offenbar gelingt jedoch im Kita-Alltag gerade die Unterstützung im Bereich »sprachliche Anregung« oftmals noch nicht ausreichend, während sie für die Bereiche »Emotionen und Verhalten« in der Regel schon in einem guten bis befriedigenden Ausmaß funktioniert, wie erste Ergebnisse aus BiSS-Evaluationsprojekten zeigen (vgl. z. B. Henschel, Gentrup, Beck & Stanat, 2018).
Im BiSS-Entwicklungsprojekt »Professionalisierung alltagsintegrierter sprachlicher Bildung bei ein- und mehrsprachig aufwachsenden Kindern: Fühlen – Denken – Sprechen« wurde eine forschungsbasierte Fortbildungsreihe für pädagogische Fachkräfte entwickelt, die eine Optimierung sprachlicher Interaktionen im Kita-Alltag zum Ziel hat. Dabei steht der adaptive Einsatz von Sprachlehrstrategien in den Bereichen »Emotionswissen« und »wissenschaftliches Denken« im Fokus.
In Kapitel 1 stellen Merle Skowronek, Katharina Voltmer, Maria von Salisch, Katja Koch, Peter Cloos und Claudia Mähler die theoretischen Hintergründe dieses BiSS-Entwicklungsprojekts, seine Fragestellung sowie die Konzeption der Fortbildungsreihe inklusive ihrer Module und dem Evaluationsdesign der Fortbildungsreihe vor, deren quantitative Ergebnisse allerdings noch ausstehen. Zunächst wurde im Projekt mithilfe von Videografien der »Ist«-Zustand tatsächlicher Interaktionsmuster zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern erfasst. Videografiert wurde in zwei typischen Kita-Situationen, für die angenommen werden kann, dass sie sich in Art und Umfang der eingesetzten Sprachlehrstrategien unterscheiden, nämlich beim Essen und beim dialogischen Lesen.
Von einer qualitativen Forschungsperspektive aus gehen Anika Göbel, Oliver Hormann und Peter Cloos in Kapitel 2 mithilfe der videografierten Interaktionssituationen im Projekt den Fragen nach, wie pädagogische Fachkräfte und Kinder sprachbezogene Interaktionen innerhalb pädagogisch gerahmter Kontexte herstellen und durch welche sprachlichen Mittel pädagogische Fachkräfte die Entstehung alltagsintegrierter Sprachbildung bei Kindern in Kindertageseinrichtungen ermöglichen. Dabei ziehen die Autorin und die Autoren Fallbeispiele heran, um drei Interaktionstypen zu verdeutlichen, die durch die jeweiligen Handlungsorientierungen der Fachkräfte bestimmt werden (ablauforientierte, lernorientierte und bildungsorientierte Interaktion). Diese Interaktionstypen haben einen Einfluss darauf, wie Sprachlehrstrategien eingesetzt werden und welche Wirkung sie entfalten.
Henschel, S., Gentrup, S., Beck, L. & Stanat, P. (2018). Projektatlas Evaluation. Erste Ergebnisse aus den BiSS-Evaluationsprojekten. Online verfügbar unter: https://biss-sprachbildung.de/pdf/biss-website-projektatlas-evaluation.pdf [25.03. 2019].
Die im Forschungsprojekt entwickelte Fortbildungsmaßnahme »Fühlen – Denken – Sprechen«, die in diesem Kapitel vorgestellt wird, dient der Professionalisierung der Fachkräfte in Kindertagesstätten zu alltagsintegrierten Sprachfördermöglichkeiten bei ein- und mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Sie verfolgt das Ziel, die Fachkräfte darin zu schulen, am Interesse des Kindes anzusetzen und Sprachlehrstrategien adaptiv einzusetzen, um auf diesem Wege die Interaktionsqualität spracherwerbsförderlicher zu gestalten. Vorschulkinder befinden sich in einem Prozess, in dem sie die Welt entdecken und verstehen möchten – hierzu zählen sowohl der Wunsch nach einer Erklärung von Emotionen als auch der Wunsch nach Zuwachs von Wissen. Beide Bereiche hängen empirisch mit dem Sprachstand zusammen (z. B. von Salisch, Hänel & Denham, 2015a; Wellington & Osborne, 2001). Die Fortbildungsmaßnahme basiert auf der Annahme, dass es sich daher besonders lohnt, an der natürlichen Neugierde hinsichtlich dieser zwei Domänen anzuknüpfen und durch den Einsatz von Sprachlehrstrategien die kindliche Sprache anzuregen und zu elaborieren. Um die Inhalte des Gelernten zu vertiefen, werden zwischen den Fortbildungstagen Videocoachings durchgeführt. Die Fortbildungsmaßnahme wurde formativ sowie summativ im Prä-Post-Follow-up-Design evaluiert. Die Fachkräfte wurden in der Interaktion zweier typischer Alltagssituationen videografiert, Fachkräfte und Eltern wurden befragt und die Kinder wurden hinsichtlich ihrer Entwicklung untersucht. Da die Datenauswertung noch nicht abgeschlossen ist, stehen erste Evaluationsergebnisse noch aus.
»Sollte man etwa auf die sehr kostspieligen Sprachförderprogramme des BMFSFJ getrost verzichten? Dies scheint nicht die angemessene Lösung des Problems zu sein. Es sollte vielmehr kritisch darüber reflektiert werden, was in einem solchen Rahmen wirklich machbar ist, und was genau man mit vorschulischer Sprachförderung bewirken will.« (Schneider, 2018, S. 70)
Die durch die internationalen Schulleistungsstudien wie PISA 2000 (Baumert et al., 2001) transportierte Erkenntnis, dass die Beherrschung der Unterrichtssprache eines Landes eine wichtige Voraussetzung für den schulischen Erfolg von Kindern darstellt, führte in der Vergangenheit zur vermehrten Durchführung diverser Sprachfördermaßnahmen im deutschsprachigen Raum. Vor allem Kinder mit Deutsch als Zweitsprache stellen eine Risikogruppe dar – so zeigen sich laut Dubowy, Ebert, von Maurice und Weinert (2008) gravierende Defizite in Bezug auf Wortschatz und Grammatik, verglichen mit einsprachig aufwachsenden Kindern. Viele – sowohl additive als auch alltagsintegrierte – Programme führten jedoch auf Ebene der Sprachentwicklung der Kinder nicht zu den gewünschten Effekten, wobei bildungsschwache sowie Kinder mit Migrationshintergrund mehr zu profitieren scheinen (vgl. Schneider, 2018). Offen bleibt weiterhin die Frage, welche sprachförderlichen Ansätze genutzt werden können, um zur Förderung der sprachlichen Kompetenzen aller Kinder in Kindertagesstätten beizutragen. Die hier beschriebene Fortbildungsmaßnahme »Fühlen – Denken – Sprechen« (kurz: FDS) zielt auf eine Professionalisierung der Fachkräfte in Kindertagesstätten im Hinblick auf alltagsintegrierte Sprachfördermöglichkeiten ab. Dabei ist ihr Fokus auf ein- und mehrsprachig aufwachsende Kinder gerichtet, sodass sie inhaltlich auch auf die Besonderheiten des Zweitspracherwerbs eingeht. Sie wurde basierend auf dem aktuellen Forschungsstand zur Sprachentwicklung und -förderung zwischen Februar 2016 und Dezember 2018 konzipiert und evaluiert.
Das Ziel vieler alltagsintegrierter Sprachfördermaßnahmen ist es, Kinder in ihren alltäglichen Interaktionen in Kindertagesstätten sprachlich zu fördern. Diese spezielle Form der Sprachunterstützung tritt in der Förderpraxis der Kindertageseinrichtungen zunehmend an die Stelle sogenannter additiver Ansätze, in denen speziell ausgebildete (interne oder externe) Fachkräfte in Kleingruppen für einen begrenzten Zeitraum vor allem sprachlich schwächere Kinder fördern (Dubowy & Gold, 2014). In der Regel sind additive Maßnahmen »sprachdidaktisch« ausgerichtet, d. h. sie zielen auf die Vermittlung von sprachlichem Regelwissen, wie z. B. der korrekten Pluralbildung, ab (Jampert, Best, Guadatiello, Holler & Zehnbauer, 2005). Im Rahmen alltagsintegrierter Sprachförderung haben die Fachkräfte indes die Aufgabe, begleitend zu den übrigen Aktivitäten dem Kind durch gezielte Ansprache sprachliche Modelle an die Hand zu geben sowie pragmatisch bedeutsame Kommunikationsanlässe zu schaffen, in denen die Kinder beiläufig erworbenes Sprachwissen erproben können (Dietz & Lisker, 2008). Tatsächlich aber kommen Studien (Albers, 2009; König, 2009) zu dem Ergebnis, dass nur ein geringer Teil aller Interaktionsprozesse im Elementarbereich eine hohe sprachliche Anregungsqualität erreicht, der überwiegende Teil dient lediglich der Bewältigung alltäglicher Sprachroutinen. Ein Großteil des im Kita-Alltag liegenden Förderpotenzials liegt demnach momentan noch brach.
Alltagsintegrierte Professionalisierungsmaßnahmen zur Sprachförderung haben das generelle Ziel, Fachkräfte darin zu schulen, das sprachförderliche Potenzial von Situationen zu erkennen und zu nutzen. Im Mittelpunkt dieser Fortbildungen steht meist der zielgerichtete Einsatz diverser Sprachlehrstrategien (SLS). Nach Ritterfeld (2000) soll der Einsatz der SLS den Wortschatz der Kinder erweitern und gleichzeitig grammatische und pragmatische Regeln der deutschen Sprache vermitteln. Löffler und Vogt (2015) weisen hierbei darauf hin, dass die Qualität der Sprachförderung vor allem vom adaptiven Einsatz der Strategien in Bezug auf den kindlichen Entwicklungsstand abhängt. Dannenbauer (2002) hebt hervor, dass SLS am kindlichen Können angelehnt und damit lernförderlich eingesetzt werden sollten. Gemeinsam haben die SLS, dass sie einen interdependenten Bezug zum kindlichen Sprachprodukt aufweisen, diesem entweder vorausgehen, nachfolgen oder es begleiten (Koch & Hormann, 2014). Zudem zeigen Studien, dass es wertvoll ist, dem kindlichen Fokus zu folgen und das, was im Aufmerksamkeitsfokus des Kindes liegt, sprachlich zu thematisieren (Best, Laier, Jampert, Sens & Leuckefeld, 2011).
Verschiedene Studien liefern Belege dafür, dass dem direkten sprachlichen Austausch zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen eine höhere Bedeutung für die Wirksamkeit sprachlicher Förderung zukommt als den distalen Rahmenbedingungen, z. B. dem Fachkraft-Kind-Schlüssel oder dem Ausbildungsgrad der Fachkraft (Leseman, Rollenberg & Rispens, 2001; Mashburn et al., 2008). Studien, etwa von Tabors, Snow und Dickinson (2001) oder Aukrust und Rydland (2011), können überdies langfristige Effekte einer hohen Interaktionsqualität für die Bildungskarrieren der Kinder, u. a. für die Aneignung sprachlicher und schriftsprachlicher Fähigkeiten in der Schule, nachweisen. In einer Literaturübersicht fasst Schneider (2018) zusammen, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten sowie Kinder mit Migrationshintergrund tendenziell von Sprachfördermaßnahmen mehr profitieren als Kinder aus bildungsnahen Schichten und einsprachig deutsche Kinder. Trotz dieser Erkenntnisse sind die Wirksamkeitsstudien zu Fortbildungsmaßnahmen für Fachkräfte ernüchternd: Schneider (2018) zieht in seinem Review über den Nutzen von Sprachförderprogrammen im Kindergarten den Schluss, dass sich erste positive Veränderungen seitens der Fachkräfte nicht unmittelbar auf die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder niederschlagen. Er betont auch den Mangel an Wirksamkeitsüberprüfungen, die über den Förderzeitraum hinausgehen, und vermisst damit eine gründliche Evaluationsarbeit.
Kinder im Vorschulalter haben große Lust, Neues zu entdecken, sie interessieren sich dafür, wie sie selbst und ihre Umwelt funktionieren (Zimmer, 2003). Gerade deswegen lohnt es sich besonders, die Interessen der Kinder gezielt auch für die Sprachförderung zu nutzen. Dies ist in zweierlei Hinsicht wertvoll: Zum einen kann die Sprachförderung am Aufmerksamkeitsfokus der Kinder ansetzen, zum anderen zeigen Studien bereits, dass der Sprachstand und das Emotionswissen (von Salisch et al., 2015a, 2015b) sowie der Sprachstand und das wissenschaftliche Denken (Wellington & Osborne, 2001) eng miteinander verzahnt sind. Es scheint sich daher beim Vorschulalter um eine besonders günstige Zeit zu handeln, um der natürlichen Neugierde der Kinder und ihrer Sprachentwicklung nachzugehen.
Als Emotionswissen wird das Wissen und Verständnis von eigenen und fremden Emotionen bezeichnet. Kinder lernen innerhalb ihrer sozialen Interaktionen – sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit erwachsenen Bezugspersonen – Emotionen in Gesicht, Stimme und Körpersprache anderer Menschen zu lesen und Gründe für ausgedrückte sowie innere Emotionen zu erkennen, und sie erlangen Wissen über Konsequenzen und Möglichkeiten der Regulation von Emotionen in Bezug auf soziale und kulturelle Normen (Denham, 1998; Pons, Harris & Doudin, 2002). Die Entwicklung dieser Fähigkeiten beginnt bereits im Säuglingsalter und schreitet besonders im Alter zwischen drei und sechs Jahren schnell voran (Klinkhammer & von Salisch, 2015; Petermann & Wiedebusch, 2016). Im Laufe der Kindheit und Adoleszenz wird das Emotionswissen fortschreitend verfeinert und auf komplexere Emotionen, wie z. B. Scham, Schuld und Neid erweitert (Pons, Harris & Rosnay, 2004). Emotionswissen wird zum größten Teil durch sprachliche Interaktion vermittelt (Lagattuta & Wellman, 2002; Tenenbaum, Alfieri, Brooks & Dunne, 2008) und steht daher auch stark im Zusammenhang mit sprachlichen Fähigkeiten (Beck, Kumschick, Eid & Klann-Delius, 2012; von Salisch et al., 2015a, 2015b; Voltmer & von Salisch, 2018). Sprache dient als ein Mittel der Repräsentation, welches es Kindern erleichtert, die eigenen emotionalen Erfahrungen zu organisieren, zu erinnern, zu reflektieren und im Nachhinein zu bewerten (Nelson & Fivush, 2004). So können vergangene Erfahrungen besser dazu herangezogen werden, sich emotionale Erlebnisse zu erklären und zukünftige emotionale Situationen einzuschätzen. Sprache verändert implizites Wissen über Emotionen auf der Handlungsebene (Emotionsskripte) in explizites Wissen, das mit anderen geteilt werden kann. Außerdem verschafft das Sprechen über Befindlichkeiten (mental state language) Kindern Zugang zum nicht beobachtbaren emotionalen Innenleben ihrer Mitmenschen (Dunn & Brown, 1994; Harris, 1992). Es erleichtert damit die Perspektivübernahme. Eine Metaanalyse wies zudem kürzlich nach, dass ein ausgeprägtes Wissen über Emotionen darüber hinaus den akademischen und sozialen Erfolg der Kinder in der Grundschule vorhersagt (Voltmer & von Salisch, 2017).
Unter der Fähigkeit des wissenschaftlichen Denkens wird nach Zimmerman (2005) eine Reihe unterschiedlicher kognitiver Kompetenzen verstanden. Dazu gehören das deduktive und induktive Schlussfolgern, die Bildung von Rückschlüssen aus Analogien, die Bildung, Prüfung und Überarbeitung von Hypothesen, das Treffen von Vorhersagen, das Interpretieren von Daten und Evidenzen sowie das Koordinieren von Theorie und Beweis. Wissenschaftlich zu denken ist ein anspruchsvoller Prozess: Das Kind muss überprüfbare Fragen entwickeln können und verstehen, wie man Hypothesen testen und angemessene Schlüsse aus den Evidenzen ziehen kann (Morris, Croker, Masnick & Zimmerman, 2012).
Um Prozesse zu integrieren, die am wissenschaftlichen Denken beteiligt sind, entwickelten Klahr und Dunbar (1988) das Scientific Discovery Dual Search-Modell (SDDS-Modell). Es vereint drei Komponenten des wissenschaftlichen Denkens: das Generieren von Hypothesen, das Experimentieren und die Evidenzbewertung. Während lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass Kinder erst ab der Sekundarstufe in der Lage sind, wissenschaftlich zu denken, zeigen aktuellere Befunde wie z. B. die Übersichtsarbeit von Zimmerman (2007), dass auch Grundschulkinder schon über erste Basiskompetenzen des wissenschaftlichen Denkens verfügen. So fanden beispielsweise Sodian, Zaitchik und Carey (1991), dass bereits Grundschulkinder einfache Experimente beurteilen und zwischen Hypothesenprüfung und Effektproduktion unterscheiden können. Um auch im Vorschulalter (Vorläufer-)Kompetenzen des wissenschaftlichen Denkens zu erforschen, ist zu beachten, dass Sprache notwendig erscheint, um gedachte Prozesse mitzuteilen (Zlatev & Blomberg, 2015). Als förderliches Interaktionsformat im Vorschulalter hat sich das Sustained Shared Thinking (SST) herausgestellt. Hier handelt es sich um den gemeinsamen versprachlichten Denkprozess, der dem interaktionellen Lösen und Besprechen von Problemen, der gemeinsamen Begriffsklärung und der Ereignisbewertung dient (Siraj-Blatchford, 2009). Hildebrandt, Scheidt, Hildebrandt, Hédervári-Heller und Dreier (2016) konnten in ihrer Studie zeigen, dass der Einsatz von SST Kinder dazu anregt, sowohl mehr zu (wider)sprechen als auch mehr Hypothesen zu bilden.
Sprachentwicklung steht also sowohl mit der Entwicklung des Emotionswissens als auch mit der Entwicklung wissenschaftlichen Denkens in Wechselwirkung. Sprache ist der Schlüssel, um Emotionen und Gedanken zu repräsentieren und ggf. zu verbalisieren, und sie hilft uns auch, Denkprozesse mit anderen zu teilen. Im Alltag von Vorschulkindern spielen das Verstehen des Gegenübers (Emotionswissen) und das Verstehen der Welt (wissenschaftliches Denken) eine große Rolle. Sprachliche Interaktionen mit Bezugspersonen, insbesondere gezielte Sprachförderung, sollten somit sowohl zur Sprachentwicklung als auch zur Entwicklung von Emotionswissen und wissenschaftlichem Denken positiv beitragen. Umgekehrt sollte auch die Sprachentwicklung der Kinder davon profitieren, wenn die Förderung in den Inhaltsbereichen erfolgt, die die Kinder brennend interessieren. Die in diesem Projekt fokussierten Interaktionssituationen des Bilderbuchvorlesens und der Mahlzeiten eignen sich in besonderer Weise, alle drei Entwicklungsbereiche zu adressieren. Dadurch erweitern sich die Fragestellungen und Ziele des Projekts neben der Sprachförderung auch auf die gezielte Förderung der beiden Domänen Denken und Fühlen.
Das übergeordnete Ziel des FDS-Projekts war es, die Anwendung alltagsintegrierter SLS in der Kommunikation zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern im Vorschulbereich forschungsbasiert zu professionalisieren. Dazu war es erforderlich, die bisherige Forschung zu SLS auf reale dialogische Gesprächssituationen – also alltägliche Situationen in Gruppen – zu erweitern.
In einem dreistufigen Vorgehen wurden zunächst Daten zur tatsächlichen Gestaltung sprachlicher Interaktionen mit Blick auf die dabei auftretenden Dialogmuster zwischen Erwachsenen und ein- bzw. mehrsprachigen Kindern in verschiedenen kommunikativen Settings (Bilderbuchbetrachtung und Mahlzeiten) erhoben. Die Daten dienten der Analyse der »Ist-Situation«. Bilderbuchbetrachtungen und Mahlzeiten wurden ausgewählt, weil sie zum einen alltägliche wiederkehrende Situationen im pädagogischen Alltag darstellen und sich im Hinblick auf die Funktionen, die Sprache in diesen Handlungskontexten für die Kommunikation erfüllt, unterscheiden ( Kap. 2 in diesem Band). Zum anderen sind sie auch Gegenstand anderer Studien (z. B. Beckerle et al., 2018), sodass sich hier Vergleichsmöglichkeiten ergeben. Hieran schlossen sich folgende Forschungsfragen an:
• Wie stellen Kinder und Fachkräfte sprachbezogene Interaktionen innerhalb pädagogisch gerahmter Kontexte her? Durch welche sprachlichen Mittel ermöglichen pädagogische Fachkräfte alltagsintegrierte Sprachbildung ( Kap. 2 in diesem Band)? Welche unterschiedlichen Sprachmuster (Länge/Reziprozität/Komplexität der Redebeiträge) und welche SLS lassen sich im Elementarbereich in den gemeinsamen Fachkraft-Kind-Aktivitäten identifizieren?
• Wie hängen diese Muster und SLS untereinander sowie mit den Strukturen der sprachfördernden Settings und dem ein- oder mehrsprachigen Hintergrund der Kinder zusammen?
• Wird in den Sprachmustern der Fachkräfte ein Bezug zu verschiedenen Themengebieten (Emotionswissen und wissenschaftliches Denken) hergestellt? Unterscheiden sich die eingesetzten SLS für die jeweiligen Themengebiete?
In einem zweiten Schritt wurde die hier beschriebene Fortbildung zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung (»Fühlen – Denken – Sprechen«) entwickelt und durchgeführt. Sie wurde unter Einbezug von übergreifenden und in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnissen zur Sprachbildung und zur Förderung von Emotionswissen und wissenschaftlichem Denken gestaltet. Die gelernten Inhalte sollten die pädagogischen Fachkräfte in die Lage versetzen, in emotionsbasierter Kommunikation einerseits und durch die Förderung des wissenschaftlichen Denkens durch Sprache andererseits (also in den zwei Domänen Fühlen und Denken) wirksam sprachförderlich zu handeln.
Durch eine im dritten Schritt erfolgende formative und summative Evaluation kann diese Implementation von alltagsintegrierter sprachlicher Bildung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden. Durch die Erfassung der Daten zur Mehrsprachigkeit soll auch überprüft werden, ob ein- und mehrsprachig aufwachsende Kinder in ähnlicher oder unterschiedlicher Weise von der Maßnahme profitieren. Die konkreten Fragestellungen der Fortbildungsevaluation lauten:
• Lässt sich die Wirksamkeit der Fortbildung für die Initiierung sprachförderlicher Interaktionen bei Kindern mit unterschiedlichem Sprachhintergrund in Bezug auf Veränderungen in den Sprachmustern und SLS beim pädagogischen Fachpersonal nachweisen?
• Lässt sich die Wirksamkeit der Fortbildung in den Sprachfähigkeiten und der Sprachpraxis ein- und mehrsprachiger Kinder nachweisen?
• Zeigt sich durch die Fortbildungsmaßnahme ein Zuwachs an Emotionswissen und gereifter wissenschaftlicher Denkfähigkeit bei Kindern?
Alle inhaltlichen Module zielen darauf ab, das didaktische und diagnostische Wissen der Fachkräfte, das sogenannte assessment knowledge, durch verschiedene theoretische Inputs, vertiefende Übungen und Videoanalysen zu erweitern. Dies gilt als eine der Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Fortbildungen (Lipowsky & Rzejak, 2012). Die Fortbildung umfasst in einer Fortbildungsgruppe insgesamt 40 Stunden Theorievermittlung und praktische Übungen (Module 1 bis 4 je achtstündig; Modul 5 und 6 je vierstündig). Damit wurde früheren Forschungsergebnissen Rechnung getragen, nach denen sehr kurze Interventionen keine Effekte zeigen (Lipowsky & Rzejak, 2012). Hinzu kam zweimal je eine Stunde Einzelcoaching (Übersicht Abb. 1.1). Das Einzelcoaching geschieht durch die Fortbildenden, die anhand von Videomaterial gemeinsam mit der Fachkraft Stärken und Schwächen bei der Umsetzung der gelernten Inhalte sowie zukünftige Ziele besprechen. Zudem haben die Fachkräfte zwischen den Fortbildungsmodulen praktische Interaktionsaufgaben zu bewältigen, um das Gelernte zu festigen. Während der Fortbildung erhalten die Fachkräfte einen Ausbildungsordner, in dem sie die bearbeiteten Inhalte aufbewahren können. Außerdem erhalten sie Karteikarten, die die wichtigsten Inhalte zusammenfassen und sie auch im Alltag an die Umsetzung der gelernten Inhalte erinnern sollen. Die ersten zwei Module dienen der Wiederholung und Vertiefung der Grundlagen der Sprachentwicklung und -förderung durch den Einsatz von SLS sowie der Haltung der Fachkräfte, der Gestaltung des Rahmens und dem Ausschöpfen des Potenzials der Interaktionssituationen. Im dritten und vierten Modul werden theoretische Grundlagen zum Emotionswissen und -verständnis sowie zum wissenschaftlichen Denken von Vorschulkindern vermittelt und mittels der davor erlernten SLS wird erarbeitet, wie beide gefördert werden können. Die zwei letzten Module dienen zum einen dem Transfer der gelernten sprachförderlichen Verhaltensweisen auf Situationen, die die Fachkräfte eigentlich als wenig geeignet für Sprachförderung einschätzen, und zum anderen der Auffrischung und Wiederholung der Inhalte. Die Fortbildung ist so konzipiert, dass zwischen den ersten fünf Modulen jeweils etwa drei bis sechs Wochen vergehen sollten, um den Fachkräften zu ermöglichen, die FDS-Methoden in der Praxis auszuprobieren und ihre Durchführbarkeit bewerten zu können. Modul 6 sollte mit größerem Abstand (3 bis 6 Monate) durchgeführt werden, da es sich um ein Auffrischungsmodul handelt.
Abb. 1.1: Übersicht über die Inhalte der Module
Das Modul 1 umfasst drei Themenschwerpunkte. So hat es zum einen das Ziel, die Motivation und Compliance der Fachkräfte zu erhöhen. Hierfür wird bei einem Kennenlernen und Erwartungsaustausch geklärt, was die Fachkräfte an Vorerfahrung mitbringen und was sie von der Fortbildung erwarten. An dieser Stelle wird sowohl der Ablauf der Fortbildung transparent gemacht und bereits auf die beiden Schwerpunkte des Fühlens und Denkens hingewiesen als auch das Ziel aufgezeigt – die Fortbildung soll die Fachkräfte in die Lage versetzen, den Spracherwerb der Kinder in Form einer kontextsensiblen Lernbegleitung zu unterstützen. Der zweite Schwerpunkt dient einer ersten Theorievermittlung und Wissensangleichung, da Fachkräfte mit unterschiedlicher Ausbildung und Erfahrung an der Fortbildung teilnehmen können. Als dritten Schwerpunkt bietet das Modul die theoretische Anwendung des Gelernten anhand einer Videovignette. Eine Vignette ist ein verdichtetes, exemplarisches Praxisbeispiel, das sich auf typische Handlungsherausforderungen bezieht und das zur Diskussion von Handlungsoptionen anregen soll.
Die am interaktionistisch-soziokulturellen Ansatz orientierte Fortbildung stellt ihren diesbezüglichen Inhalten eine Einführung in die Meilensteine des kindlichen Spracherwerbs voran. Hierzu werden die Fachkräfte angeleitet, zunächst in Kleingruppen, dann im Plenum die verschiedenen Spracherwerbsphasen, aufgeteilt in die Bereiche Lauterwerb, Wortschatz, Grammatik sowie Interaktion und Kommunikation, den dafür typischen Altersstufen vom ersten bis zum siebten Lebensjahr zuzuordnen. Die nächste Aufgabe dient der Sensibilisierung der Fachkräfte, kindliche Äußerungen den verschiedenen sprachlichen Erwerbsphasen zuzuordnen und damit auch einschätzen zu können, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersentsprechend ist. Hierfür sollen die Fachkräfte in Kleingruppen Sprachproben eines fiktiven Kindes den verschiedenen Stufen zuordnen, um die Ergebnisse am Ende im Plenum zu besprechen. Hier gilt es auch, genau zu analysieren, wo die Fehler- und damit auch Korrekturquellen in den Aussagen der Kinder ausgemacht werden können. In einem weiteren Schritt ist es die Aufgabe der Fachkräfte, den Fokus darauf zu legen, welche sprachlichen Strukturen das Kind bereits beherrscht. Diese Grundlagen dienen der Vorbereitung auf das zweite Modul, in dem Möglichkeiten erörtert werden, Kindern mithilfe von SLS in ihrem Spracherwerb Unterstützung zu bieten, und zwar anknüpfend an den vorhandenen Kompetenzen der Kinder.
Da die Fortbildungsmaßnahme sich zum Ziel gesetzt hat, auch mehrsprachig aufwachsende Kinder angemessen zu fördern, wird im darauffolgenden Theorieblock gesondert auf den Zweitspracherwerb eingegangen. Es wird darauf hingewiesen, dass Kinder mit späterem Zweitspracherwerb von einer gesteuerten Form der Sprachunterstützung besonders profitieren und insbesondere Kinder mit Sprachschwierigkeiten in der Zweitsprache dazu neigen, diese zu verstecken. Die Sprechfreude und Lernmotivation dieser Kinder kann unterstützt werden, wenn die Beziehung zwischen Fachkraft und Kind positiv ist und die Fachkraft Respekt gegenüber der Erstsprache des Kindes hat (Knapp, 2015). Anhand eines Schaubildes wird konkretisiert, wie Kinder Sprache erlernen, indem sie immer wieder den gleichen Prozess durchlaufen (hier genannt: Mehrfach-Schleifen-Modell; Kinder beobachten ein sprachliches Modell, ahnen, dass die Worte Bedeutung haben, ahmen die Worte im Rollenwechsel nach und beobachten dann die Reaktion des Modells, um sich ein Feedback einzuholen). Mindestens ebenso wichtig ist die sprachförderliche Situationsgestaltung und Grundhaltung der Fachkräfte. Durch eine neugierige, staunende und ergebnisoffene Haltung bietet die Fachkraft in der Interaktion mit den Kindern ein förderliches Modell. Diese Haltung bietet den Kindern die Möglichkeit, ihre Umwelt selbst zu erkunden und zu verstehen, selbst Hypothesen über mögliche Ergebnisse zu generieren und ihren Fragen eigenständig auf den Grund zu gehen. Gemeinsam wird gesammelt, was eine gute Vorlesesituation ausmacht. Dies soll die Fachkräfte auch anregen, ihre eigenen Vorstellungen zu reflektieren. Anhand einer Videovignette wird in Kleingruppen ein besonderer Fokus auf die Gestaltung des Interaktionsrahmens gelegt. In der Forschung zeigt sich, dass viele Fachkräfte dazu neigen, die Bilderbuchsituation zielorientiert wahrzunehmen. Hierbei steht z. B. an vorderster Stelle, das Buch von vorne nach hinten durchzulesen. Dabei zeigt sich in einigen Studien, dass vor allem das dialogische Lesen – bei dem das Kind die Schwerpunkte setzt und erzählt und die erwachsene Person SLS einsetzt – die Qualität der sprachlichen Interaktion verbessert und hierüber auch die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes gefördert werden können (z. B. Ennemoser, Lehnigk, Hohmann & Pepouna, 2015). Es zeigt sich in ersten Studien auch, dass das dialogische Lesen bei Kindern mit Migrationshintergrund zu besseren sprachlichen Leistungen führt (Ennemoser, Kuhl & Pepouna, 2013). Um das eigene Verhalten zu reflektieren, werden die Fachkräfte dazu angeregt, über ihre eigenen normativen Ziele sowie auch über Konsequenzen nachzudenken, die ein ergebnisoffener Umgang mit dem Fokus des Kindes mit sich bringen würde. Das Modul endet mit der Hausaufgabe, eine Sprachfördersituation aus dem eigenen beruflichen Alltag zu verschriftlichen. Diese Verschriftlichung wird zu Beginn des folgenden Moduls analysiert, um das Gelernte zu wiederholen und zu festigen.
Nachdem in Modul 1 die Grundlagen zur Sprachentwicklung und die Haltung der Fachkräfte erarbeitet wurden, befasst sich Modul 2 mit der Erarbeitung von elf SLS und dem adaptiven Einsatz dieser »Gesprächswerkzeuge«. Angelehnt an die Bündelung der SLS in Klassen nach Dannenbauer (2002) werden folgende Strategien vermittelt: Input-Strategien (Imitation, Wiederholungen, Zusammenfassungen, Parallelsprechen, lautes Fühlen/Denken), Modellierungs- und Korrekturtechniken (indirektes Feedback, direktes Feedback, Erweiterungen, Umformungen) sowie Output-Strategien (geschlossene Fragen, offene Fragen).
Nach dem Einstieg über die Hausaufgabe wird anhand eines fünfminütigen Videoausschnitts eine sprachförderliche Situation gezeigt. Ziel ist es, eine sprachförderliche Grundhaltung zu vermitteln und gleichzeitig schon auf die Funktionen unterschiedlicher SLS hinzuweisen. Anhand von Leitfragen werden mögliche Maximen der Sprachförderkraft im Video zusammengetragen, die sich als besonders wertvoll für die Gesprächsatmosphäre und damit die Interaktionsqualität erwiesen haben: Warten und Folgen (das Kind aussprechen lassen und seinem Interessenfokus folgen), Interesse (dem Kind signalisieren, dass das Gesagte eine Relevanz hat) und Zusammenfassen (die Redebeiträge zusammenfassen, um Anschlussoptionen für weitere Redebeiträge zu bieten, sowie grammatisch ein Vorbild zu sein). In einem folgenden Schritt wird den Fachkräften in Kleingruppen die Aufgabe gestellt, anhand eines Transkripts des Videos die eingesetzten SLS zu erkennen und zu benennen. Um die Fachkräfte darauf aufmerksam zu machen, dass Fragetypen unterschiedlichen Spielraum bieten, wird die Gruppe in zwei weitere Kleingruppen geteilt. Diese haben die Aufgabe, die dem Transkript entnommenen Fragen hinsichtlich ihres Spielraums für Antworten bzw. der Unterstützung bei der Beantwortung einzuordnen. Anhand der Ergebnisse der zwei Gruppen wird aufgezeigt, dass Fragetypen mit großem Spielraum für Antworten wenig Unterstützung bei der Beantwortung bieten und andersherum (relativ) geschlossene Fragen zwar geringen Spielraum für Antworten, dafür jedoch ein hohes Unterstützungspotential haben. Abgeleitet aus dieser Erkenntnis, ist das Ziel der nächsten Einheit, den Fachkräften ein gutes Gespür für die Balance aus (halb-)offenen und geschlossenen Fragen sowie weiteren SLS zu bieten. Die verschiedenen Formen der SLS werden anhand eines Schaubildes danach eingeteilt, inwiefern sie Hinweise darauf geben, was das Kind beachten soll sowie welchem Fokus gefolgt wird – dem kindlichen bzw. einem durch die Fachkraft neu gesetzten Fokus. So kann der Fokus der pädagogischen Fachkraft auf einen reibungslosen Ablauf einer Mahlzeit dazu führen, dass sich die Kinder ebenfalls an diesem Ziel orientieren und gar keine eigenen Gesprächsthemen einbringen. Infolgedessen wird eine an den Interessen des Kindes sich orientierende Sprachbildung verunmöglicht. Dies kann auch für eine Bilderbuchbetrachtung gelten, wenn diese sich ausschließlich daran orientiert, das Buch von vorne bis hinten zu betrachten und/oder vorzulesen, statt die – durch das Bilderbuch angeregten – Themen gemeinsam mit den Kindern umfänglich aufzugreifen ( Kap. 2 in diesem Band). Den Abschluss des Moduls 2 bildet eine verlängerte Praxisphase. In dieser werden mittels angeleiteter Rollenspiele, Videoanalysen und Arbeitsblätter die SLS vertieft und erprobt. Zudem werden die Fachkräfte dazu angeregt, anhand kleiner Aufgaben zu erkennen, wie sie die SLS gut nutzen und gleichzeitig Berührungsängste gegenüber den Techniken abbauen können. Zudem gibt es an dieser Stelle bereits einen Querverweis auf die folgenden zwei inhaltlichen Module, indem Worte gesammelt werden, die das laute Denken und Fühlen unterstützen. Es wird bei allen Strategien hervorgehoben, dass echtes Interesse dem Kind vermittelt, dass das Erzählte relevant für die zuhörende Person ist, und dies durch aktives Zuhören bekundet werden kann. Um den adaptiven Einsatz der Strategien zu verdeutlichen, wird erneut anhand des Videotranskripts analysiert, welche Strategien zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ziel eingesetzt wurden.
Für das Videocoaching bekommen die Fachkräfte die Hausaufgabe, sich innerhalb einer Interaktion mit Kindern im Alltag zu filmen.
Nachdem in den ersten beiden Modulen die Haltung zur Sprachförderung, die Sprachentwicklung der Kinder und der adaptive Einsatz von SLS sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene erlernt und vertieft wurden, werden in Modul 3 Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich dieses Wissen auf einen bestimmten Bereich, nämlich die Emotionen der Kinder und ihrer Betreuungspersonen, anwenden lässt. Dazu werden die Fachkräfte zunächst mit den Themen Emotionen und Emotionswissen vertraut gemacht. Mittels eines Inputs über Emotionswissen, Emotionen und den Zusammenhang mit sprachlichen Fähigkeiten werden die Fachkräfte auf einen einheitlichen Wissensstand gebracht. Praktische Übungen sollen das Gelernte festigen. Dabei ist es das Ziel, den Fachkräften bewusst zu machen, dass sich die Kinder im Kindergarten in einem Alter befinden, in dem sie – mit der richtigen Förderung – große Fortschritte im Bereich des Emotionswissens machen können.
Im weiteren Verlauf des Moduls setzen sich die Fachkräfte zunächst in Kleingruppen mit ihren eigenen Emotionen auseinander. Über das Legen der eigenen beruflichen Lebenslinie unter Berücksichtigung der emotionalen Meilensteine sollen sich die Fachkräfte ihrer eigenen Emotionen bewusst werden. Das aus der Psychotherapie und Selbsterfahrung bekannte Verfahren führt vor Augen, welchen Einfluss Emotionen auf das Erinnern von Ereignissen haben und welche Bedeutung das Sprechen über Emotionen haben kann (Brüderl, Riessen & Zens, 2015). Im Anschluss an diese Übung werden in der Großgruppe die Chancen und Risiken des Sprechens über Emotionen erarbeitet und diskutiert. So soll verdeutlicht werden, dass das Reden über eigene Emotionen zwar manchmal schmerzhaft sein kann und das Risiko der Verletzlichkeit mit sich bringt, jedoch auch Chancen auf einen hilfreichen Rat oder Austausch von und mit Personen bietet, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Überdies vertieft es die Beziehung zwischen den Beteiligten. Bis zu diesem Punkt wurden den Fachkräften in Modul 3 also verschiedene Gründe nahegelegt, wieso es sinnvoll sein kann, mit Kindern im Elementarbereich über Emotionen zu sprechen: Die Kinder sind in einem Alter, in dem sie durch sprachliche Interaktion viel über Emotionen lernen und beim Sprechen über Emotionen ihre sprachlichen Fähigkeiten ausweiten. Zudem bietet das Sprechen über Emotionen den Kindern die Chance, Lebensereignisse angemessen zu verarbeiten und die Beziehung zur Fachkraft zu vertiefen, was wiederum der Sprachförderung zugutekommt.
Der dritte Teil des Moduls befasst sich damit, wie und mit welchen SLS das Sprechen über Emotionen gestaltet werden kann. Bereits in Modul 2 wurde über das laute Fühlen gesprochen und in einer Übung verdeutlicht, dass es selbst für Erwachsene nicht selbstverständlich ist, ein großes Emotionsvokabular zu besitzen. In Modul 3 werden nun zwei ausgewählte Methoden zum Sprechen über Emotionen (Emotion Talk) besprochen und geübt: die Bilderbuchbetrachtung und das gemeinsame emotionsbezogene Erinnern (Reminiscing). Bei der Bilderbuchbetrachtung kommt das oben bereits genannte, gut evaluierte Konzept des dialogischen Lesens zum Tragen. Auch bezogen auf Reminiscing konnten Studien im Kontext von Mutter-Kind-Interaktionen einen positiven Einfluss auf das Emotionswissen von Kindern im Vorschulalter zeigen (Fivush, 2007). Zur Vorbereitung der Anwendung der Strategien wird mittels zwei Videos besprochen, wie bei einer Bilderbuchbetrachtung das Sprechen über Emotionen eingebaut werden kann, was Kinder an Emotionen interessiert sowie welche Anlässe sich besonders für das Reminiscing eignen. Im Rahmen von Emotion Talk kommen die verschiedenen Fragetechniken aus Modul 2 verstärkt zum Einsatz, anhand derer die Kinder herausgefordert werden können, über die Emotionen anderer Menschen (besonders bei der Bilderbuchbetrachtung) und über eigene Emotionen (besonders beim Reminiscing) zu sprechen. Als didaktische Methoden werden den Fachkräften videografische Fallbeispiele und Rollenspiele angeboten, bei denen auch Inhalte aus Modul 2 zu den Fragetechniken noch einmal durch Wiederholung gefestigt werden.