image

Thomas Kinkele

Räucherstoffe und Räucherrituale

Kraftvolle Rituale und duftende Botschaften

Das Handbuch für die Räucherpraxis

image

Haftungsausschluss

Quellenverzeichnis:

8. Auflage 2016

www.windpferd.de

image

Inhaltsverzeichnis

Einführung in das Räuchern

Woher kommt das Räuchern?

Das Feuer

Die Feuerquelle für das Räuchern

Die Wirkung des Räucherns

Räuchermethoden und Utensilien

Formen des Räucherns

Räucherrituale

Reinigung und Klärung

Sinnlichkeit und Erotik

Bewegung und Lebensfreude

Harmonie und Schaffensfreude

Meditation und Entspannung

Schutz und Hilfe

Weisheit und Heilung

Kraft und Lebensmut

Energie und Transformation

Konturen der Räucherstoffe

Die verschiedenen Wahrnehmungsebenen der Räucherstoffe

Die vier Elementarkräfte

Die drei Zentren der Wahrnehmung

ADLERHOLZ

ALANT

ANANTMUL

ANGELIKAWURZEL

ASANT

BALDRIAN

BEIFUSS

BENZOE SIAM

BERNSTEIN

BOLDO

CASSIABLÜTEN

COPAL

GOLDCOPAL

SCHWARZER COPAL

DAMIANA

DAMMAR

DRACHENBLUT

EICHENMOOS

EISENKRAUT

ELEMI RESINOID

ERDRAUCH

EUKALYPTUS

FENCHELSAAT

FICHTENHARZ

GALBANUM RESINOID

GALGANT

GANDEN KHÄNPA

GELBHOLZSAAT

GEWÜRZLILIE

GEWÜRZNELKE

GUAJAKHOLZ

GUGGUL

GUMMI ARABICUM

HIMALAYA-RHODODENDRON

HIMALAYA-WACHOLDER

IMMORTELLE

INGWER

JALAPIN

KAKAOSCHALE

KALMUSWURZEL

KAMPFER

KARDAMOM

KIEFERNHARZ

KORIANDER

KOSTUSWURZEL

LABDANUM

LAVENDEL

LEBENSBAUM

LEMONGRASS

LINALOEHOLZ

LOBAN

LORBEERBLÄTTER

LUPULIN (HOPFEN)

MASTIX

MIRRA CHIPS

MISTELKRAUT

MOSCHUSKÖRNER

MUSKATNUSS

MYRRHE

MYRTENBLÄTTER

NAGARMOTHA

NARDE

OPOPONAX

PALO SANTO

PATCHOULI

PFEFFERMINZE

PIÑON-PINE

PRÄRIEBEIFUSS

RAAL-WEIHRAUCH

ROSENBLÜTEN

ROSMARIN

SALBEI

WAHRSAGESALBEI

WEISSER SALBEI

SANDARAK

ROTES SANDELHOLZ

WEISSES SANDELHOLZ

STEPPENRAUTE

STERNANIS

STYRAX

SUGANDHA KOKILA

SUMPFPORST

SWEETGRASS

TEJPAT

TILIABLÜTE

TOLUBALSAM

TONKABOHNE

TRAUMKRAUT

TULSI

VETIVER

WACHOLDERBEEREN

WACHOLDERSPITZEN

WEIHRAUCH

WERMUT

YERBA SANTA

YSOP

ZEDERNHOLZ

ZEDERNSPITZEN

ZIMTRINDE

Register nach botanischen Namen

Register der Duftbotschaften

Stichwortzuordnung der Aromapflanzen

Der Autor

Einführung in das Räuchern

image

Etwa zeitgleich mit der Jahrtausendwende hat sich das Interesse an einer Tradition neu belebt, die seit Menschengedenken die verschiedensten Kulturen unseres Planeten auf die eine oder andere Art begleitet hat. Das Verräuchern aromatischer pflanzlicher Substanzen zum Zwecke des körperlichen sowie geistig-seelischen Wohlbefindens, als Begleiter religiös-spiritueller oder auch magischer Zeremonien, zum Schutz gegen Krankheitskeime oder als sinnvolles Verfahren zur Konservierung von Lebensmitteln, hat es in jeder Gesellschaft dieser Erde irgendwelche Spuren hinterlassen. Diese Spuren haben immer etwas mit dem Erhalt des Lebens zu tun. Tief im Inneren spürt das jeder, der mit aromatischem Rauch in Kontakt kommt. Natürlich sind die Reaktionen äußerst vielfältig, weil dieses Spüren häufig mit elementaren Erfahrungen in Verbindung steht. Von archaischen Instinkten bis hin zu angenehmen oder unangenehmen Kindheitserfahrungen werden unterschiedlichste Bereiche unseres Innenlebens aktiviert und zeigen eine deutliche Resonanz.

Wer im Umfeld einer Fischräucherei seine Kindheit verbrachte, für den wird der Duft von Buchen- und Wacholderrauch wahrscheinlich stark mit inneren Bildern verwoben sein. Ob das angenehme oder unangenehme Assoziationen mit sich bringt, macht eine Aussage über die emotionale Qualität der Kindheitserfahrungen. Das kann recht unterschiedlich ausfallen, wird aber immer eine ganz authentische Botschaft sein.

Wir nehmen wahr, wie sich durch einen Dufteindruck etwas in uns manifestiert, was nach Raum verlangt. Der Rauch aromatischer Pflanzen mutet ein wenig an wie ein Schlüsseleffekt. Etwas, was im Keller eingeschlossen ist, möchte frei werden.

Es ist wirklich erstaunlich, dass so viele Menschen dem Räuchern plötzlich so aufgeschlossen gegenüberstehen. Es scheint, als sollten wir uns zurückbesinnen auf etwas Wesentliches, eine Qualität, die uns auf dem Weg durch die jüngere Vergangenheit irgendwie verloren gegangen ist. Wir wollen es wiederfinden bzw. zulassen.

Überall dort, wo sich die warm-würzigen, süß-aromatischen oder herb-holzigen Räucherdüfte entfalten, scheint die Zeit für einen Moment stehen geblieben zu sein. Menschen halten inne in ihren mechanischen Alltagsaktivitäten und verharren für einen kleinen Augenblick in der zeitlosen Gegenwart von sensorischer Wahrnehmung. Dieser Eindruck ist oftmals so intensiv, dass sich Überraschung einstellt. Beim Weitergehen fühlen sie sich dann manchmal ein wenig verwandelt, denn diese Erfahrung kann durchaus bewirken, sich auch selbst bewusster wahrzunehmen.

Dieses Phänomen können vor allem diejenigen gut beobachten, die sich mit diesem Medium in einen öffentlichen Bereich begeben, um damit zu arbeiten. Die zahlreichen Reaktionen der Mitmenschen sprechen für sich und werden das vorab Gesagte immer wieder bestätigen.

Wer sich lieber ins stille Kämmerlein zurückziehen möchte, um persönliche Erfahrungen zu machen, dem wird sich eine ganze Welt von Eindrücken eröffnen, die interessant und hilfreich sind. Eine detaillierte Erklärung und differenzierte Anleitung zu einer kreativen Vorgehensweise erhalten Sie in meinem Buch „Spirituelles Räuchern“*, falls das vorliegende Werk Sie inspirieren sollte und das Bedürfnis weckt, noch tiefer in die Erfahrung hineinzugehen.

* ebenfalls im Windpferd Verlag, Aitrang 2000, erschienen

Woher kommt das Räuchern?

image

Die Verwendung aromatischer Pflanzenstoffe hat unterschiedlichste Formen und Gebräuche entstehen lassen. Ein Tag ohne Duft, so sagt man, galt für die alten Ägypter als ein verlorener Tag. Am Morgen räucherte man Olibanum, zu Mittag die Myrrhe und abends ein Kyphi genanntes, sorgfältig zubereitetes Räucherwerk. Kyphi, so sagt man, sei das Räucherwerk zur Entspannung gewesen und die lauen Abende einer altertümlichen ägyptischen Stadt seien von süßen, aromatischsinnlichen Duftschwaden erfüllt gewesen, die sich aus Tausenden von Heimstätten in unterschiedlichsten Nuancierungen zu einer Symphonie der Düfte verbanden. Kyphi, so berichtet der römische Geschichtsschreiber Plutarch (100 n. Chr.), wurde zur Nacht geräuchert. Es vermochte die Menschen in den Schlaf zu wiegen, Träume hervorzurufen und die Sorgen des Tages zu vertreiben. Ruhe und Frieden sollten dem geschenkt werden, der es einatmet – eine wunderbare Vorstellung. Auch wenn Sie eine gute heutige Kyphi-Komposition riechen, die sich nach der uns fragmentarisch erhaltenen Überlieferung aus mehr als zwölf aromatischen Komponenten zusammensetzt, haben Sie vielleicht die Möglichkeit, dieser Erfahrung selbst ein wenig nachzuspüren. Die süß-würzig-aromatischen Schwaden dieses Duftes machen dem Ausdruck „Nahrung der Götter“ alle Ehre.

Die babylonische Kultur vor ca. 3.500 Jahren kannte bereits eine breite Palette von Duftstoffen. Zedernholz wird im Gilgamesch-Epos verherrlicht, Olibanum, Myrrhe, Galbanum, Kalmuswurzel, Myrte, Labdanum, Zypresse und Styrax wurden von den Philosophen der Antike wegen ihres Duftes gepriesen. Von Mesopotamien über Indien bis nach China und Japan zieht sich eine historische Räucherspur. In den religiösen Überlieferungen finden wir immer wieder den Gebrauch verschiedener Räuchersubstanzen, wie beispielsweise in der Bibel, wo das Hohelied des Alten Testaments auch die Kraft des Duftes in seiner Wirkung auf Liebe und Freude an sinnlicher Lust besingt. Die arabische Traumwelt aus Tausendundeiner Nacht sowie die indische Vielfalt an magischen Wundergeschichten und spirituellen Mysterien werden immer wieder mit Duftphänomenen verbunden, wobei mit aromatischen Rauchschwaden Herz und Geist in die Welt der inneren Wirklichkeit getragen werden.

Aus der japanischen Empfindung für das Detail wurde eine Räucherkultur von hoher Ästhetik geboren, die im spirituellen ebenso wie im profanen Leben eine besondere Rolle spielt. Respekt für das Leben und Freude am SEIN finden ihren Ausdruck in einer Tradition, wo kostbarste aromatische Hölzer wie Adlerholz (Jinkoh) und Sandelholz, in winzigen Portionen mit präzisionsgefertigten Utensilien verräuchert, die Sinne beglücken, die Phantasie anregen und damit zu der hohen Kunst des Koh-do führen. Das ist eine Duft-Zeremonie, die in der Gemeinschaft mit ausgesuchten Menschen stattfindet und Achtsamkeit sowie Inspiration stärken soll.

Die amerikanisch-indianische Räuchertradition sieht in den „Pflanzen der Kraft“ wie Weißer Salbei, Präriebeifuß, Wacholder und Zeder eine kosmische Präsenz, die den Menschen wieder in Kontakt mit der ganzen Natur und mit dem Großen Geist zu bringen vermag.

Es lässt sich also ein eindrucksvolles Panorama erkennen, das uns als westlich geprägten Kulturmenschen die Wiederentdeckung dieses faszinierendem Mediums nahe legt. Allerdings gibt es hier auch Schattenseiten.

So treffen wir nicht allzu selten auf starke Ablehnung von allem, was unter dem Sammelbegriff „Weihrauch“ zusammengefasst wird. Die Reaktionen sind dann instinktiv und bisweilen sehr heftig und gehen bis zu spontaner Übelkeit und Aggression. In diesen Zusammenhang spielt fast immer die Kirche hinein.

Der katholisch-liturgische Gebrauch von reichlich Weihrauch (in der Regel sind es Rezepturen aus Olibanum, Myrrhe, Tolubalsam, Benzoe, Mastix, Labdanum und Drachenblut) hat hier meistens in der Kindheit ganze Arbeit geleistet. Es sind intensive Dufteindrücke, die übermäßig auf die kindliche Psyche eingewirkt haben. Die Bedrohung durch Sünde, Zwang und den strafenden Gott bei Übertretung der Gesetze hat den Räucherduft unterschwellig dermaßen mit Angstgefühlen und Enge verkettet, dass er im späteren Leben eine so heftige instinktive Abwehrreaktion auslösen kann. Das gilt für viele emotionale Reaktionsmuster, die durch einen Dufteindruck angesprochen werden können. Die Konditionierungen durch schmerzhafte Erfahrung werden in diesen Reaktionen offenbar. Der Duft steht für eine Bedrohung oder Belastung. Er repräsentiert Inhalte, die mit unangenehmen, schmerzverbundenen Erfahrungen korrespondieren. Die gute Nachricht ist, dass wir diese Muster auflösen können.

Es ist interessant, wie absolut das Urteil über eine bestimmte Wahrnehmung in aller Regel ausfällt. „Das riecht nicht gut“, sagt der Mensch und meint, damit eine objektive Aussage gemacht zu haben, wobei es aber sehr auffällig ist, wenn der nächste bei dem gleichen Duft dann Laute der Begeisterung ausstößt und damit das erste Urteil ad absurdum zu führen scheint. Die uneingeschränkte Polarität von gut und schlecht ist übrigens auch das Territorium, in dem die exoterischen Religionen angesiedelt sind. Sie geben dem Menschen Richtlinien vor, was gut oder böse bzw. schlecht zu nennen ist. Wohlgerüche entsprechen dem Göttlichen und der Gestank dem Teuflischen. Das lässt die absolute Bewertung der persönlichen Empfindung in einem besonderen Licht erscheinen – vor allem dann, wenn es sich, wie im Falle von Weihrauch, in das Gegenteil verkehrt.

Wahrscheinlich tragen wir alle eine motivierende Ur-Erfahrung in unserem instinktiven Zentrum. Diese reicht entwicklungsgeschichtlich bis in die paläolithische Zeit zurück und wird besonders interessant von Christian Rätsch als persönliche rituelle Erfahrung in „Der Atem des Drachen“* beschrieben. Unsere Vorfahren suchten zu Ritualzwecken Höhlen auf und mit dem Feuer in der Mitte des Kreises wurde das Ritual ausgeführt. Während der Feuer-Zeremonie sprach man über Gottheiten und es wurden mythologische Geschichten erzählt, während die Zweige aromatischer Pflanzen im Feuer verbrannten und die Menschen mit ihrem Duft in Erfahrungen von Transzendenz hineintrugen. Diese Erfahrungen von der Einheit des Seins führten in tiefe Verbindung mit allem, was ist. Das ist wohl der Ursprung einer wahrhaftig heiligen Empfindung. Zustände zu erleben, die über das physische Dasein in Zeit und Raum hinausführten, hinterließ tiefe Eindrücke in der menschlichen Psyche. Die Erfahrungen verschmolzen mit dem Duft. So sind Traditionen der mythologischen Zuordnung von Gottheiten zu bestimmten Pflanzen entstanden und bis heute sind Feuer und Rauch tief im menschlichen Urinstinkt verwurzelt. Wir finden an dieser Stelle Zugang zu einer großen Wahrheit.

image

Das Feuer

Feuer ist eine elementare Kraft, die Anfang und Ende in sich vereint. Sie ist die Kraft der Veränderung. In der Natur zerstört sie das Alte und schafft Nährboden für die Neugeburt. Die Begegnung des Menschen mit dem Feuer ist auch eine Konfrontation mit seiner Angst. Die Überwindung der Angst ist das große Thema des Menschen angesichts dieser Kraft der Erneuerung. Die Domestizierung dieser Kraft brachte für den Urmenschen Schutz vor wilden Tieren und Wärme. In den vergangenen 20 Jahren haben schamanische Heilungsrituale wie der Feuerlauf und die Schwitzhüttenzeremonie eine gewisse Aktualität bei uns erlangt. Diese scheinen die Empfindung von archaischen Bezügen zu wecken und ein neues Lebensgefühl hervorzurufen. Auf einer tiefen Ebene zu sich selbst zu stehen und die Läuterung wahrzunehmen, die im Kontakt mit dem Feuerelement entsteht, wird wie eine Wiedergeburt empfunden. Mut und Tatkraft werden im Inneren des Menschen erzeugt, wenn er seinem ureigenen Feuer begegnet.

image

Wenn Sie heute Gelegenheit haben, an einem offenen Feuer zu sitzen, können Sie da nicht die Magie spüren, die Faszination, die von diesem mächtigen Element ausgeht? Immer wieder fühlen wir uns doch von der verzehrenden Dynamik eines Feuers in den Bann gezogen, wenn es krachend und prasselnd alles verschlingt, was die gierigen Flammen an brennbarer Materie erreichen können. Diesem Element können wir auch im übertragenen Sinne wirklich alles Alte und Verbrauchte zumuten, von dem wir uns trennen wollen. Es ermöglicht uns immer einen neuen Anfang. Die großen traditionellen Feuerzeremonien, wie man sie in unseren Breitengraden kennt, finden zur Sonnenwende statt. Die großen Lichtzyklen weisen uns auf den Rhythmus der Natur hin, dem alles Leben auf unserer Erde unterworfen ist.

Wenn wir für das Feuer Verantwortung tragen, dann sind wir zu Achtsamkeit und Vorsicht verpflichtet. Immer wieder wird es uns an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens erinnern und uns unserer Erfahrungsreise durch das Territorium der Wahrnehmung, wo wir auf wunderbare Weise in den Kreis des Lebens eingebunden sind, bewusst werden lassen. Freier Wille und Verantwortlichkeit sind dabei untrennbar miteinander verbunden. Die Lektion des Feuers ist sehr direkt. Seine sprichwörtliche Unberechenbarkeit hat schon so manche Katastrophe ausgelöst. Aber es steht immer für die Wahrheit der Vergänglichkeit des physischen Lebens und erinnert an den Moment der Transformation.

Respektvoller Umgang mit dem Element des Feuers muss als oberstes Prinzip gelten, um wirkliche Freundschaft mit ihm schließen zu können. Aber Freundschaft mit dem Feuer ist wiederum so segensreich, dass sich jede Mühe lohnt, um ihm den notwendigen Respekt zu zollen.

Die Feuerquelle für das Räuchern

Wenn wir Pflanzenstoffe verräuchern, dann brauchen wir das Feuer. Wir brauchen die Flamme oder die Glut für die Verwandlung des Pflanzenkörpers in duftenden Rauch. Ob wir das Feuer in Form von glühender Kohle oder einer Kerzenflamme einsetzen, hängt davon ab, welchen Zweck wir mit dem Räuchern verfolgen. Darüber erfahren Sie Genaueres, wenn es um Anwendung und Utensilien geht.

An dieser Stelle möchte ich den alchemistischen Aspekt näher beschreiben, der im Zusammenhang mit dem Räuchern eine wichtige Rolle spielt.

Nach allem, was wir über die Herkunft des Räucherns erfahren, ist der Duft eine feinstoffliche Kraft, die Einfluss auf alle Wahrnehmungszentren (Bauch/Instinkt/Körper, Herz/Gefühl/Seele und Kopf/Gedanke/Geist) nehmen kann. Das Feuer ist diejenige Energie, durch die der Vorgang der Verfeinerung ausgelöst wird. Der beim Verglimmen entstehende Duft wird als Seele der Pflanze gesehen, die in diesem Prozess freigesetzt wird.

Dabei steigt das Wasser aus der irdischen Substanz als sichtbare Rauchfahne nach oben und trägt diese Pflanzenseele als Dufteindruck mit sich. Das ist ein alchemistischer Verwandlungsprozess. Eine Verfeinerung findet statt, bei der die Essenz der Pflanze vom grobstofflichen Körper herausgetrennt und als ätherische Substanz unserer sinnlichen Erfahrung auf chemische Art zugänglich wird.

Die psychisch-seelischen Bereiche werden über den Geruchssinn berührt. Das kann sich als ein wahrer Segen herausstellen. Ein respektvoller Umgang mit diesem Prozess ist Voraussetzung für eine angenehme und wirkungsstarke Erfahrung.

image

Die Wirkung des Räucherns

Wenn die Duftmoleküle an den Nervenenden der Riechnerven (der einzige direkte Kontakt, den Neuronen mit der Außenwelt eingehen) andocken und vom Bulbus olfactorius als elektronische Nervenimpulse unmittelbar an das Limbische System weitergeleitet werden, dann erfolgt eine emotionale Reaktion, die wir in Form von Mögen oder Nicht-Mögen feststellen können. Manchmal sind wir auch nicht in der Lage, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Wir schwanken in unserer Empfindung und entdecken einen langsam auftauchenden Reiz in einem Dufteindruck, den wir im ersten Moment eher abgelehnt haben. Es ist wie im wirklichen Leben.

Das limbische System ist die Zentrale unserer Gefühlswelt. Dort werden alle Informationen gespeichert, welche die emotionale Konditionierung im Laufe unseres Lebens angesammelt hat. Zwischen Lust und Schmerz, Freude und Angst, Wut und Furcht, Unsicherheit und Vertrauen scheinen dort Licht und Dunkelheit zu herrschen, die uns mit Annahme oder Abwehr reagieren lassen. Es sind reflexhafte Strukturen entstanden, die schneller reagieren als die mentalen Ordnungshüter im Großhirn. Das verschafft der Gefühlsreaktion einen gewissen Vorsprung vor den langsameren Vorstellungen, die wir uns von uns und der Welt um uns herum machen. Diesem Vorsprung haben wir dann die Authentizität der Geruchsresonanz zu verdanken.

Unsere Reaktion, einen bestimmten Duft zu mögen, ist als Ausdruck des Körpers zu verstehen, der einen Bedarf an dieser Qualität signalisiert. Das instinktive Zentrum reagiert am schnellsten. Der allererste wahrnehmbare Impuls kommt aus dieser Quelle. Wenn wir eine eindeutig positive Resonanz aus dem instinktiven Zentrum erhalten, dann können wir dem Duft Vertrauen schenken. Er wird uns unterstützen und Hilfestellung bei der Regulierung unausgewogener Zustände leisten. Wir sind also offen für die hilfreiche Zuwendung der Pflanzenseele. Unsere Reaktion, einen Duft nicht zu mögen oder abzulehnen, bedeutet dementsprechend das Gegenteil. Wir halten also fest, dass die individuelle Reaktion auf einen Räucherduft Ausdruck einer inneren Disposition sein muss, einer Bereitschaft, die Duftcharakteristik für sich zulassen zu können oder nicht. Was hier den Unterschied macht, ist zutiefst mit dem Wesen der Aromapflanze verbunden, für das wir offen sind oder eben nicht.

Offen dafür zu sein, den Eindruck also zulassen zu können, zeigt die Bereitschaft, den regulativen Impuls der Pflanze annehmen zu können. Wir öffnen uns der Kraft der Pflanze, heißen sie willkommen und lassen sie in unserem Inneren im besten Sinne wirken.

Suchen Sie sich die Stoffe aus, die Sie aus ganzem Herzen gerne riechen mögen. Dabei können Sie nie etwas falsch machen. Sind Sie der Dufterfahrung erst einmal auf der Spur, dann wird es Sie bald auch zu den Stoffen hinziehen, die ein gewisses Mysterium für Sie darstellen, weil Ihnen der Zugang irgendwie verwehrt scheint. Sie müssen erst den Schlüssel finden. Das steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Suche nach sich selbst.

Alles, was dem Ausgleich von Spannungen dient, kann als förderlich für den Lebensprozess eingestuft werden und bringt uns der Liebe näher. Interessanterweise bewirkt ein regelmäßiger Gebrauch der als angenehm empfundenen Räuchersubstanzen genau das, weil der regulative Impuls unser System aus Körper/Geist/Seele harmonisiert und stabilisiert. Diese Wirkung von Räucherungen kann sehr deutlich gespürt werden. Wir werden zunehmend zur Öffnung fähig sein. Die Energie beginnt freier zu fließen und Kraft wird erzeugt.

Damit steigt in der Regel auch die Akzeptanz für Räucherstoffe, die zunächst als unangenehm empfunden wurden. Man kommt zunehmend mit sich selbst in Einklang.

Was wir genau erleben, wenn wir uns den Räucherdüften aussetzen, ist also ganz verschieden und hängt einerseits von unserer Befindlichkeit, aber andererseits auch von der Absicht ab, weshalb wir überhaupt räuchern. Was ich herausfinden möchte, welches Problem ich lösen will oder auch welchen Anlass ich feiern möchte, übt einen starken Einfluss auf die Wirksamkeit des Räucherwerks aus. Räuchern schafft immer eine Verbindung zu den feinstofflichen Ebenen und trägt somit das Anliegen in höhere Dimensionen, aus denen Unterstützung und Erfüllung zu kommen scheint. Gebete und gute Wünsche werden durch den Rauch in jenseitige Bereiche transportiert und lösen das aus, was in der wahren Absicht desjenigen, der räuchert, entspricht. Man betritt damit den metaphysischen Raum des Schöpferischen, wo alle Erscheinungen ihren Ursprung haben.

* Rätsch, Christian, „Räucherstoffe – Der Atem des Drachen“, AT-Verlag, CH–Aarau 1996

Räuchermethoden und Utensilien

image

Um das Räuchern als angenehmes und problemloses Medium im täglichen Leben einsetzen zu können, bedarf es sinnvoller und praktischer Gerätschaften und Hilfsmittel. Im Verlaufe der Jahrtausende haben sich verschiedene Methoden und Verfahrensweisen entwickelt und erhalten, wie die aromatischen Pflanzenstoffe zubereitet und verräuchert werden können. Die traditionellen Formen des Räucherns ähneln sich jedoch auf der ganzen Welt. Die Methoden und Gegenstände variieren zumeist nur entsprechend der ästhetischen Empfindung der verschiedenen Kulturen. Wir finden heute also weltweit gewisse Standardformen, wie geräuchert wird.

Formen des Räucherns

Räucherstäbchen

Räucherstäbchen sind weit verbreitet und insbesondere in der heutigen Zeit sehr gefragt. Sie stellen eine sehr praktische Form dar, duftenden Rauch zu erzeugen. Das Stäbchen wird an einem Ende entzündet, die Flamme nach wenigen Sekunden ausgepustet, wenn sie nicht von alleine erlischt, wonach dann das Stäbchen langsam verglimmt und mit einem feinen Rauchfaden den aromatischen Duft freisetzt. Man geht davon aus, dass diese Form des Räucherns von buddhistischen Mönchen in Indien entwickelt wurde. Wir finden zwei typische Formen von Räucherstäbchen:

1. mit Stützholz: Dabei handelt es sich um einen Bambusspan, der zu zwei Dritteln mit einer feuchten Paste ummantelt wird, deren Grundlage im Idealfall aus hochwertigen aromatischen Hölzern wie Rotem Sandelholz und Zedernholz besteht. Das Holzmehl wird mit Traganthschleim oder flüssigem Gummi arabicum als Bindemittel versetzt. Die aromatischen Stoffe werden dann teilweise im festen Zustand, oft aber auch als ätherisches Öl dazugegeben. Wenn die Paste getrocknet ist, sind die Räucherstäbchen fertig. Es ist arabische, indische und chinesische Praxis in der Räucherwerkproduktion der heutigen Zeit, Parfüm-Kreationen für phantasievolle Duftnoten einzusetzen, deren Rezepturen streng geheim gehalten werden. Dabei wird in der Regel zwischen synthetischen und natürlichen Komponenten keine qualitative Grenze gezogen. Man findet am Markt sehr viele solcher Räucherstäbchen von stark synthetisch parfümierter Qualität, insbesondere aus Indien (Agarbatti) und China (Joss-sticks). Letztlich kann man nur seiner Nase vertrauen, wenn es um Qualität geht, weil es sehr schwierig ist, authentische Inhaltsangaben ohne chemophysikalische Analyse zu erhalten.

image

Dünne Stäbchen mit feinerer Ummantelung gelten in Indien als hochwertigere Qualität. Um sie gut abbrennen zu können, werden unterschiedlichste Halter angeboten.

Bei buddhistischen Festlichkeiten und Zeremonien hauptsächlich in fernöstlichen Ländern (Hongkong, Thailand, Malaysia) werden auch sehr große Räucherstäbe von bis zu 2 m Länge im Freien abgebrannt.

2. ohne Stützholz: Hier wird die vorbereitete aromatische Paste – in einem Verfahren ähnlich der Herstellung von Nudeln – als Schlange ausgepresst, die nach der Trocknung als Stäbchen eigene Stabilität erlangt. Diese Stäbchen haben den Vorteil, dass bei der Verbrennung keine störenden Nuancen von verbranntem Bambusholz enthalten sind.

Eine besonders reine und naturbelassene Qualität solcher Räucherstäbchen findet man in der tibetischen Tradition. Die originalen „Healing Incense“ Räucherstäbchen werden nach ursprünglicher Rezeptur als traditionelle Tibetische Medizin namens Agar 31 aus 31 pflanzlichen Stoffen heute in Nepal hergestellt. Sie sind im buddhistischen medizinischen Tantra durch die Jahrhunderte überliefert. Diese Räucherstäbchen sind etwas grober in ihrer Machart (Ø bis 5 mm), gelten aber als hochgradig heilsam und frei von allen Nebenwirkungen. Ihr Duft ist kraftvoll holzig-würzig, ohne viel Rauch zu entwickeln. Hier sollte man wirklich versuchen, die Originalqualität zu bekommen, da natürlich unter dieser Bezeichnung auch viel minderwertige Qualität angeboten wird. Es ist jedoch auf den Packungen deklariert, wenn die Qualität unter der Aufsicht eines tibetischen Mediziners produziert wurde.

Die Wirksamkeit, die Agar 31 nachgesagt wird, erstreckt sich auf Höhenangst, Kopfschmerz, Übelkeit durch Sauerstoffmangel, was natürlich in Höhenlagen ab 2.000 m, aus der diese Tradition stammt, keine Seltenheit ist. Es soll aber ebenso bei geistiger Überlastung, Stress, Schlaflosigkeit, Rücken- und Brustschmerzen, trockenen Lippen, Muskelsteife und Schmerzen mit psychosomatischer Ursache sehr hilfreich sein.

Die entspannende und meditationsfördernde Wirkung dieser Räucherstäbchen wird von Kennern sehr geschätzt. Man kann sie nicht nur räuchern, sondern es wird auch empfohlen, sie bei neuralgischen Beschwerden fein zu zermahlen und mit etwas Pflanzenöl als Massagemittel einzusetzen. Man kann damit eine äußerst wärmende und lindernde Wirkung erzielen.

Auch unter der Bezeichnung „Zimpo“ (Zhempus) oder „Potala