Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel «Get Dirty» bei Balzer + Bray, Imprint von HarperCollins Publishers, New York.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2020
Copyright © 2020 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«Get Dirty» Copyright © 2015 by Gretchen McNeil
Redaktion Lea Daume
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München, nach dem Original von HarperCollins Publishers
Coverabbildung Shutterstock, iStock
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.
Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-644-00765-9
www.rowohlt.de
Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
ISBN 978-3-644-00765-9
Für Laurel Hoctor James, die beste kollegiale Kritikerin, die sich eine Autorin wünschen kann
Mag kommen, was da kommt! Nur Rache will ich.
Shakespeare, Hamlet, 4. Aufzug
Ed stand in der Tür des Krankenhauszimmers im fünften Stock und blickte Margot an.
Sie sah aus, als schliefe sie. Abgesehen von dem künstlichen Zugang in ihrem linken Arm war sie nicht an Maschinen angeschlossen. Da gab es nur einen Herzfrequenzmonitor, dessen regelmäßige Töne die Stille im Zimmer durchbrachen.
Ed schloss die Augen und stellte sich ihr Lächeln vor. Er hatte es nur wenige Male gesehen: Einmal bei der Schülervollversammlung, als Coach Creed vor der gesamten Schule von DGM bloßgestellt worden war, einmal im Computerraum, als sie und Bree ihn indirekt in ihre Verbindung zu DGM eingeweiht und ihn um Hilfe gebeten hatten, und einmal im Flur der Bishop DuMaine Highschool, als sie mit Logan Blaine geredet hatte.
Eds Brustkorb wurde eng. Es war nicht Logans Schuld, dass sich Margot in ihn verliebt hatte. Verdammt noch mal, wenn Ed selbst auf Jungen stünde, wäre Logan vermutlich einer der ersten, die er anschmachten würde – groß, athletisch, blond, charmant.
In seiner Tasche berührte Ed das zerknitterte Stück Papier, das er immer bei sich trug. Er sah Margot an. Groß und blond? Nein, das war überhaupt nicht sein Typ.
Er rückte einen Metallstuhl an Margots Bett und achtete darauf, kein Geräusch zu machen. Warum? Er hatte keine Ahnung. Es war ja nicht so, dass sie bloß schlief. Wenn er wollte, könnte er die Blaskapelle von Bishop DuMaine in einer Acht durchs Zimmer führen, und sie würde nicht einmal zucken.
Versuch positiv zu denken, Edward.
Er holte tief Luft und atmete dann langsam durch den Mund aus. Der Raum roch nach einer Mischung aus Raumerfrischer und Putzmitteln, es war derselbe Geruch, der als eigentümlicher Dunst über jedem Krankenhauszimmer lag, das er je besucht hatte. Riesige Blumensträuße bedeckten den Bürgersteig, die Fensterbank und den kleinen Tisch im Zimmer, ein Zoo aus Plüschtieren hatte sich dazwischen versammelt. Seit seinem gestrigen Besuch war die Plüschpopulation auf alle Fälle gewachsen, und als er seinen Blick darüberschweifen ließ, überschlug Ed automatisch die Nettokosten dieses Quatschkrams: Neu hinzugekommen waren eine traurig dreinblickende Puppe, die ein «Gute Besserung»-Schild in den Händen hielt (14,99 Dollar), ein T-Rex, der den Arm in einer Schlinge trug (etwas kitschig, also vermutlich teurer), nicht weniger als drei rosa Teddybären mit Plastikherzen in den Tatzen, auf denen «Wir vermissen dich» stand (eindeutig im Sonderangebot), und ein einzelner silberner Gasballon, der mit Hilfe einer Spielzeugfigur auf dem Boden festgehalten wurde. Er rotierte im Luftzug der Krankenhaus-Belüftungsanlage und warf Ed alle paar Sekunden sein eigenes Spiegelbild zu.
Er fragte sich, welches der Geschenke von Logan stammte, falls überhaupt eines von ihm stammte. Vielleicht der T-Rex? Ganz lustig, ein wenig sentimental, kostspielig, ohne lächerlich zu sein: Das passte zu Logans Style. Oder vielleicht war er von einem anderen DGM-Mitglied? Ed biss wütend die Zähne zusammen. Sie taten gut daran, etwas zu schicken. Kitty, Olivia und Bree waren für Margots Koma ebenso verantwortlich wie die Person, die sie niedergeschlagen hatte.
Sanft legte er seine Hand auf die von Margot. Er würde herausfinden, warum das hier passiert war, und wenn es ihn das Leben kostete.
Eine Frauenstimme klang vom Flur in Margots Zimmer herein, begleitet vom leisen Quietschen, das Gummisohlen auf gefliestem Boden erzeugten. «Ihr Zimmer liegt am Ende des Ganges.»
Ed sprang auf die Füße. Die Schicht von Vicky, der Nachtschwester, war vor zehn Minuten zu Ende gewesen, das wusste er genau. Was zum Teufel machte sie noch hier?
«Sind Sie sicher, dass Sie keinen Ärger bekommen, wenn Sie mir erlauben, sie zu besuchen?», fragte jemand.
Ed drehte sich der Magen um. Er kannte diese Stimme.
Es war Logans.
«Das geht schon in Ordnung.» Vicky seufzte verträumt. «Wie du sie ansiehst! Jedes Mädchen im Koma sollte jemanden haben, der mit so viel Liebe über sie wacht.»
Ed stand da wie erstarrt, als sich die Schritte der Tür näherten. Es blieb keine Zeit, auf dieselbe Art zu verschwinden, wie er gekommen war. Das würde peinlich werden.
«Du hast ungefähr zehn Minuten», fuhr Vicky fort, «bevor …»
Als sie Ed an Margots Bett sah, blieb sie abrupt stehen. Das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht verwandelte sich in einen argwöhnischen, stechenden Ausdruck. «Wer bist du? Und was machst du hier?»
«Äh …»
«Hey!», sagte Logan. «Wir kennen uns doch.» Er legte den Kopf zur Seite, als würde er schräg besser funktionieren. «Oder?»
Ernsthaft? Dieses Kleinhirn hat Margot sich ausgesucht?
«Wie bist du hier reingekommen?», wollte Vicky wissen. «Die Intensivstation ist ein gesicherter Bereich.»
Der Wäscheraum ist alles andere als gesichert, glauben Sie mir. Doch er wollte sein Geheimnis auf keinen Fall preisgeben. Stattdessen blickte er in gespielter Überraschung zwischen Vicky und Margots bewusstlosem Körper hin und her. «Moment mal.» Ed schnappte nach Luft und ließ übertrieben verblüfft den Mund offen stehen. «Das ist ja gar nicht Tante Helens Zimmer. Ich muss im falschen Stock sein.»
Vicky hob die Augenbrauen. «Im falschen Stock?»
«Ja, tut mir leid.» Zeit für den Rückzug. «Wissen Sie was? Ich glaube, ich habe heute Morgen aus Versehen zwei Ritalin genommen statt einer Ritalin und einer Wellbutrin, deswegen bin ich ein bisschen …», er pfiff durch die Zähne und zeigte auf seine Schläfe, während er in Richtung Tür vorrückte, «… ballaballa.» Er begann heftig zu zucken und ruckte mit seiner Schulter auf und ab, dann bewegte er den Kopf abgehackt vor und zurück.
«Genau!» Logans Kopf rastete in seiner ursprünglichen Position wieder ein. «Wir gehen in dieselbe Schule!»
Wow. Nicht gerade ein Geniestreich, Logan.
«Geht’s dir gut, Junge?», fragte Vicky besorgt.
«Yeah, yeah. Klar.» Ed lachte laut. «Mir geht’s total gut. Muss nur schnell nach Hause und was in den Magen kriegen und …», er blickte auf seine Uhr, «ach je, schaut bloß, wie spät es schon ist!» Er drängte sich an Vicky und dem immer noch verwirrt blickenden Logan vorbei, ging auf dem Flur noch ein Stück rückwärts und richtete zwei Zweifingerpistolen auf die beiden. «Ich bin dann mal weg!»
Als er aus dem Intensivtrakt heraus war, machte sich Ed hastig auf den Weg zu seinem Wagen. Die Sonne war inzwischen über die weit entfernten Berge gestiegen und begann den dichten Nebel aufzulösen, der sich über Menlo Park gesenkt hatte, doch er hatte keine Zeit, die Wärme zu genießen. Stattdessen ließ er sich in den Fahrersitz fallen, zog die Tür hinter sich zu und aktivierte die automatische Verriegelung.
Vermutlich hätte er auf Logan warten und mit ihm über Margot sprechen sollen. Sie war ihnen beiden wichtig, und Logan hatte Ed bisher keinen Grund gegeben, ihm zu misstrauen. Trotzdem zögerte Ed. Er war nicht bereit dafür. Er versuchte immer noch, sich darüber klarzuwerden, was am Premierenabend geschehen war, und bevor ihm das nicht gelungen war, sollte er sich bedeckt halten.
Immerhin läuft hier noch ein Mörder frei herum.
Olivias Atem stieg in kleinen, friedlichen Wolken von ihrem Mund auf, als sie um die Ecke auf den DuMaine Drive einbog. Die Glocken der nahegelegenen Kirche durchbrachen die frühmorgendliche Stille. War es wirklich schon sieben Uhr? Ups, schon wieder zu spät. Kitty würde ihr eine Standpauke halten.
Doch anstatt ihr Tempo zu verdoppeln, schlenderte Olivia weiter ohne Eile in Richtung Schulgelände. Sie brach weder in Panik aus, noch sah sie ständig über die Schulter, als würde sie verfolgt. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich sicher.
Es war drei Tage her, dass Bree sich der Polizei gestellt hatte, so wie es Christopher Beemans Bedingung gewesen war. Und getreu seinem Versprechen hatte er sich zurückgezogen. Keine braunen Umschläge mehr, keine geheimnisvollen Botschaften und, noch wichtiger, keine Morde. Er schien damit einverstanden, dass sich Bree hinter Schloss und Riegel befand und Margot im Krankenhaus. Er war zufrieden mit sich. Und diese Selbstgefälligkeit würde ihm zum Verhängnis werden.
Denn nun waren sie an der Reihe. DGM würde einen Mörder fangen.
Beflügelt von dem Gefühl, die Sache endlich selbst in die Hand zu nehmen, trabte Olivia die Stufen zum Eingang hinauf und zog schwungvoll die Tür auf.
«Olivia!», rief eine bekannte Stimme, als sie das Gebäude betrat. Mitten im Flur stand Tyler Brodsky, schüttelte sich das braune Haar aus den Augen und strahlte sie an. Er hatte sich wie klobige Armreifen drei Rollen Packband auf den Arm geschoben und das Ende eines beschriebenen Lakens über die Schulter geworfen. Hinter ihm in der Eingangshalle stand Kyle Tanner auf einer zweieinhalb Meter hohen Leiter und befestigte das andere Ende an der Decke. Es war offensichtlich ein Banner.
Kyle und Tyler trugen dieselben langärmeligen Henley-Shirts – Tyler in Schiefergrau, Kyle in Marineblau – zu denselben verblichenen, schmal geschnittenen Jeans, und Olivia fragte sich, ob sie einander wohl morgens anriefen, um ihre Outfits abzustimmen. Wenn Kyle mit seiner dunklen Haut und seinem kurzgeschorenen Haar nicht völlig anders aussähe als Tyler, hätte man sie kaum unterscheiden können.
«Was machst du denn so früh hier?», fragte Tyler.
Kyle blickte über seine Schulter. «Kommst du, um mitzuhelfen?»
«Äh …», machte Olivia. Sie und Kitty hatten sich nur deshalb zu dieser unchristlichen Zeit hier verabredet, weil sie geglaubt hatten, dass so früh noch niemand in der Schule sein würde. Und jetzt war sie ausgerechnet zwei Mitgliedern der Maine Men in die Arme gelaufen, was so ziemlich das Letzte war, das sie gewollt hatte.
Tyler und Kyle starrten sie an und warteten offenbar auf eine Antwort. Spiel einfach mit. «Ja, klar, ich helfe euch gerne!»
«Super.» Tyler nahm das Transparent von seiner Schulter. «Halt das hier fest. Ich hole noch eine Leiter.»
Olivia nahm ihm den Baumwollstoff ab, und Tyler trabte den Flur hinunter. Was wollten sie bloß so früh hier in der Schule? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
«Also», setzte sie an und strahlte zu Kyle hinauf, «was geht so?»
«Hast du’s noch gar nicht gehört?», sagte Kyle. «Pater Uberti hat den heutigen Tag zum V-D-Day erklärt.»
Olivia blinzelte. «V-was-Day?»
Kyle hob eine Braue. «V-D-Day. Du weißt doch, wie im Zweiten Weltkrieg. Victory über DGM Day!»
Olivia trat ein paar Schritte von ihm weg und breitete das Transparent in voller Länge aus. «Feiert V-D!», las sie laut. «Der Sieg ist unser!»
Kyle kletterte die Leiter herab. «Ist das nicht cool? War Rex’ Idee.»
Natürlich.
«Wir hängen sie überall auf dem Schulgelände auf.» Kyle trug die Leiter zur anderen Seite der Halle hinüber und nahm Olivia dann das Transparent ab. «Rex ist im Leadership-Raum und bereitet zusätzlich Flyer vor. Ich glaube, er ist …», Kyle räusperte sich, «allein.»
O nein. «Ich gehe mal hin und sehe nach, ob er Hilfe gebrauchen kann», sagte Olivia schnell. Das war zwar nicht ideal, aber sie stürzte sich auf alles, was ihr einen Vorwand zur Flucht gab. Natürlich würde sie sich auf gar keinen Fall allein in einem Zimmer mit Rex Cavanaugh aufhalten, schon gar nicht, seit er und Amber sich getrennt hatten. Das wäre einer Einladung zur sexuellen Belästigung gleichgekommen. Aber wenigstens hatte sie nun einen Grund, sich aus dem Staub zu machen.
Lässig schlenderte Olivia den Flur hinunter in Richtung Leadership-Raum, aber sobald sie außerhalb von Kyles Sichtweite war, begann sie zu laufen. Wenn Rex und seine Maine Men die gesamte Schule mit ihren V-D-Day-Bannern dekorierten, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch im Flur vor dem Computerraum ankommen würden, wo Kitty wartete. Sie mussten so schnell wie möglich erledigen, was sie geplant hatten, und wieder verschwinden.
Olivia rannte an ihrem Schließfach vorbei und die Treppe hinauf, oben steigerte sie ihr Tempo sogar noch, sie flitzte durch die Flure wie eine Spitzensportlerin im Sprinttraining.
Als sie an der nächsten Treppe ankam, hielt sie mitten im Schritt inne, ihre Sinne waren hellwach. Sie hatte etwas gehört, da war sie sich sicher. Schritte dicht hinter ihr.
Sie fuhr herum und blickte den Flur hinunter. Niemand war da.
Ohne sich zu rühren, zählte sie bis zehn. Noch immer tauchte weder im Treppenhaus vor ihr noch im Flur hinter ihr jemand auf. Das ist doch albern. Die alte Paranoia beeinträchtigte ihr Urteilsvermögen. Niemand folgte ihr, und niemand wusste, was sie vorhatten. Mit einem Kopfschütteln wandte sich Olivia wieder um und eilte die letzte Treppe hinunter zum Computerraum.
Kitty ging nervös auf dem rutschigen Fliesenboden auf und ab. Es war nichts Neues, dass Olivia zu spät kam, aber sie standen kurz davor, bei der Jagd auf Christopher Beeman einen riesigen Schritt voranzukommen, und dieses Warten machte sie wahnsinnig.
Sie blickte auf den leuchtenden Monitor hinab. Auf dem Bildschirm war ein anonymer E-Mail-Account geöffnet. Kitty hatte ihren USB-Stick bereits eingesteckt und die gesamte DGM-Akte über Christopher Beeman an den eingeblendeten E-Mail-Entwurf angehängt: den Mailwechsel zwischen Christopher und dem verstorbenen Ronny DeStefano, die Verbindung zwischen Christopher und dem ebenfalls verstorbenen Coach Creed. Mit einem Mausklick würden sie die Dateien gleich hinaus in den Cyberspace und direkt zu Sergeant Callahan im Menlo Park Police Department sausen lassen.
Der Mörder ließ ihnen offenbar eine Atempause, seit Bree sich gestellt hatte, und sie mussten diesen Moment nutzen, um sein Terrorregime ein für alle Mal zu beenden. Mit diesem Material würde Sergeant Callahan begreifen, dass Christopher Beeman der Mörder war, und die gesamten Ressourcen der Polizei aufwenden, um ihn zu schnappen. Bree wäre damit entlastet und Christophers Blutrausch bald vorbei.
Das hoffte Kitty jedenfalls.
Sie vernahm in einiger Entfernung das hastige Klick-Klack wenig zweckmäßigen Schuhwerks, das auf dem Flur näher kam, kurz darauf erklang ein leises Klopfen an der Tür. Einmal, Pause, dann dreimal kurz. Kitty riss die Tür auf, und eine atemlose Olivia stürzte mit hochrotem Gesicht herein.
«Entschuldigung», keuchte sie. «Bin unten von Kyle und Tyler abgefangen worden.» Sie stützte sich an der Wand ab. «Hast du gesehen, was da los ist?»
«Ja, leider. Pater Uberti hat gestern Abend nach dem Schulausschuss die Schülervertretung kontaktiert. Angeblich will er den Sieg über das Böse feiern, jetzt, da Bree verhaftet worden ist.» Kitty schüttelte den Kopf.
«Sehr pietätvoll, wenn man bedenkt, dass zwei Menschen tot sind», sagte Olivia trocken.
Kitty holte tief Luft und setzte sich vor den Computerbildschirm. «Hier, guck mal. Es ist alles fertig zum Abschicken.»
Olivia beugte sich über ihre Schulter und las die vorbereitete Mail laut vor. «Guten Tag. Angehängt finden Sie Informationen, die in Bezug auf die Todesfälle an der Bishop DuMaine Highschool möglicherweise erhellend für Sie sein werden. Christopher Beeman, ein ehemaliger Schüler der Archway Military Academy in Arizona, hatte nicht nur Verbindungen zu beiden Opfern, sondern auch ein Motiv, sowohl Ronny DeStefano als auch Coach Richard Creed zu töten. Mit freundlichen Grüßen, ein Freund.»
Olivia richtete sich auf. «Das ist perfekt. Es wird wunderbar funktionieren.»
«Bereit?», fragte Kitty und sah zu ihr hoch.
Olivia biss sich auf die Unterlippe und kratzte dabei einen Großteil ihres schimmernden Gloss ab, dann nickte sie entschlossen. «Bereit.»
Kitty drückte auf die Maus, und ein Fenster mit den Worten «Ihre E-Mail wurde versendet» poppte auf dem Bildschirm auf. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und stieß einen langen Seufzer aus. «Da geht es hin. Christopher Beeman wird bald hinter Schloss und Riegel sein.»
Eine vertraute Stimme erklang. «Seid ihr euch sicher?»
Olivia fuhr herum und sah Eds grinsendes Gesicht im Türrahmen. Ihr Hochgefühl verwandelte sich blitzschnell in glühende Wut. «Wo hast du gesteckt?»
«Auf dem Mond, Baby», raunte er und ließ seine Augenbrauen auf und ab hüpfen.
Kitty war aufgesprungen. «Ich habe dich seit Donnerstagabend ungefähr siebenhundert Mal auf dem Handy angerufen und hatte jedes Mal die Mailbox dran. Möchtest du das vielleicht erklären?»
Ed the Head zuckte mit den Schultern. «Ich hab es kaputt gemacht und ins Klo geworfen. Die Bestandteile des Wegwerfhandys, das einmal Ed the Head gehört hat, treiben jetzt vermutlich irgendwo draußen in der San Francisco Bay.»
«Wieso hast du dein Telefon ins Klo geworfen?», fragte Olivia verwirrt.
«Tja, soweit ich informiert bin, war ich es, der, wenige Stunden bevor Margot angegriffen wurde, noch Nachrichten mit ihr ausgetauscht hat. Vermutlich ist gerade jeder Polizist in der Stadt dabei, dieses Telefon zu suchen.»
Kitty legte die Stirn in Falten. «Das klingt wie ein Schuldeingeständnis.»
Ed zog sich gelassen einen Stuhl heran und setzte sich. «Entspannt euch, Ladys. Wenn ich Margot angegriffen hätte, glaubt ihr, dann säße ich jetzt hier, um mit euch zu quatschen?»
Olivia wechselte einen Blick mit Kitty. Da hatte er nicht ganz unrecht.
«Und weswegen bist du jetzt doch aufgetaucht?», fragte Kitty knapp.
Ed the Head zog ein Stück Papier aus der Seitentasche seines Rucksacks. «Ich wollte euch das hier zeigen.»
Kitty riss ihm den Fetzen aus der Hand und warf einen kurzen Blick darauf. «Das ist ein Strafzettel für zu schnelles Fahren.»
«Highway 101 North», las Olivia. «Ausfahrt dreihundertsiebenundsechzig, Morgan Hill.»
Ed the Head nickte. «Jetzt schaut doch bitte noch auf das Datum und die Uhrzeit.»
Olivias Augen huschten zur Kopfzeile des Formulars. «Siebter Oktober, halb zehn Uhr abends.»
«Genau», sagte Ed. «Margot wurde dem Polizeibericht zufolge ungefähr um zehn vor zehn angegriffen. Es ist ausgeschlossen, dass ich in fünfzehn Minuten fünfundsechzig Kilometer weit gefahren bin. Ich war es nicht.»
«Und warum hast du drei Tage gebraucht, um uns das mitzuteilen?», fragte Kitty.
Eds geschmeidige Fassade bröckelte, sein Gesicht wirkte plötzlich hart. «Weil ihr die Einzigen seid, die wussten, dass ich an dem Abend mit Margot verabredet war.»
Olivia musterte ihn argwöhnisch. «Was willst du damit sagen?»
«Vielleicht ist mir durch den Kopf geschossen, dass ihr mich möglicherweise in eine Falle laufen lassen könntet.»
«Du denkst, wir hätten versucht, Margot umzubringen?», fragte Olivia entsetzt. «Sie ist unsere Freundin, du Arschloch. Wenn du auch nur eine Sekunde …»
«Ach, sie ist eure Freundin?» Ed hob in gespielter Überraschung die Brauen. «Ich erinnere mich da an ein paar ziemlich schlimme Fotos von Margot aus euren gemeinsamen Tagen auf der Junior High.» Er zeigte anklagend mit dem Finger auf Olivia. «Fotos, die du gemacht hast.»
Olivias Hände begannen zu zittern, als die Scham für das, was sie Margot angetan hatte, erneut über sie hereinbrach. «Ach ja?» Sie ballte die Fäuste und schaltete auf Angriff. «Und woher wissen wir, dass nicht du Christopher Beeman bist?» Sie wusste, dass das eigentlich keinen Sinn ergab, aber irgendjemand musste Christopher sein, und eigentlich war keiner ihrer Kandidaten wirklich überzeugend.
Anstatt es abzustreiten, brach Ed the Head in Gelächter aus.
«Warum ist das witzig?», fragte Kitty.
«Wenn ich Christopher Beeman bin», kicherte Ed, «dann habe ich ein weit größeres Problem als eine Mordanklage.»
Ein ungutes Gefühl kroch Olivias Wirbelsäule empor, als hätte sie gerade einen Schritt rückwärts in ein Spinnennetz gemacht. Irgendetwas an Eds Tonfall machte ihr Angst.
«Das ist es, was ich in Arizona herausgefunden habe», sagte er und sah sie beide an. «Christopher Beeman ist tot.»
Der Aufenthaltsraum im Mädchengefängnis von Santa Clara County war der mit Abstand deprimierendste Ort, an dem Bree je gewesen war.
Gedacht als eine Art Freibeschäftigungszimmer, war der Raum eigentlich nichts weiter als eine in bunten Farben gestrichene fensterlose Zelle, eingerichtet mit langweiligen Möbeln aus einem Katalog für billige Büroausstattung. Sofern sie die Freigabe dazu hatten, gestattete man den Insassen, hier fernzusehen, Brettspiele zu spielen oder ihre Hausaufgaben zu machen.
Die triste Einrichtung spiegelte die Laune der Mädchen, die um Bree herumsaßen. Alle sahen erschöpft und fertig aus, und sie fühlte sich wie in einem Raum voller Psychiatrie-Patientinnen, die gerade ihre volle Dröhnung Beruhigungsmittel bekommen hatten. Sie schlappten vom Tisch zur Tür zum Bücherregal zum Tisch, ihre Augen ziellos nach etwas Neuem und Aufregendem suchend, das die Monotonie ihres Alltags unterbrechen könnte. Während Bree auf die Fernsehwerbung starrte, die die heiteren Lokalnachrichten am Morgen unterbrach, fragte sie sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie genauso niedergeschlagen vor sich hin vegetieren würde wie die anderen Mädchen in ihrem Gefängnisflügel.
Bereits jetzt spürte sie, wie die Hoffnungslosigkeit sie lähmte. Sie dachte an Freitag zurück. Die Schulversammlung schien eine Ewigkeit her zu sein. Nach ihrem DGM-Geständnis und ihrer Verhaftung hatte sie schier endlose Polizeiverhöre zu den Morden an Ronny DeStefano und Coach Creed über sich ergehen lassen müssen. Bree hatte erbarmungslos gemauert, und Sergeant Callahans wachsender Ärger über ihre Weigerung, irgendeine seiner Fragen zu beantworten, hatte ihr großes Vergnügen bereitet. Seitdem stand täglich eine Therapiesitzung bei Dr. Walters auf dem Plan, die fest entschlossen schien, Brees aufmerksamkeitsheischendes Verhalten auf ihre Eltern zurückzuführen. Aber auch der Ärztin verschaffte sie wenig Befriedigung. Nicht einmal im Gefängnis konnte Bree es sich verkneifen, gegen Autoritäten zu rebellieren.
Das ganze Wochenende hatte zwischen ihr und allen, die ihr wichtig waren, völlige Funkstille geherrscht. Bree hatte keine Ahnung, wie es Margot ging, und ebenso wenig wusste sie, ob Christopher Wort gehalten und den Rest von DGM in Ruhe gelassen hatte, nachdem sie freiwillig ins Gefängnis gegangen war.
Sie erwartete auch jetzt nicht, von Olivia oder Kitty zu hören. Die beiden hatten genug zu tun. Falls der Mörder Wort hielt, war er auf Brees Geständnis hin von der Bildfläche verschwunden. In dem Fall war es jetzt Aufgabe der zwei verbliebenen DGM-Mitglieder, diesen Waffenstillstand zu nutzen, um Christopher zu finden und dafür zu sorgen, dass Bree hier möglichst schnell die Fliege machen konnte. Olivia und Kitty waren ihre einzige Chance, freizukommen.
Denn der gute alte Dad, das war Bree klar, würde diesmal nicht zu ihrer Rettung eilen. Das hatte er vor zwei Wochen mehr als deutlich gemacht, als er sie in letzter Sekunde vor einem Schulverweis bewahrt hatte, nachdem sie Rex Cavanaugh einen hübschen Faustschlag ins Gesicht verpasst hatte.
Beim nächsten Mal bist du auf dich allein gestellt.
Und dann war da noch ihre Mom. Bree blinzelte und starrte an die Wand. Hellgelb und bonbonrosa gestrichene Betonplatten. Hatte es ihr jemand gesagt? Würde es sie überhaupt kümmern?
Bree schluckte und kämpfte gegen die Gefühle an, die sie wie eine Welle zu überschwemmen drohten. Hinter ihrer eigensinnigen Fassade war sie verängstigt wie ein Kind. Sie fühlte sich allein, im Stich gelassen von ihren Freunden, ihrer Familie, sogar von John.
Ich weiß, dass du sie nicht umgebracht hast.
Nein, nicht von John. Er würde sie niemals im Stich lassen. Oder?
Bree biss so fest die Zähne zusammen, dass es in ihrem Kiefer knackte. Sie war jetzt eine Strafgefangene, die wegen Mordverdachts einsaß. Empfand er trotzdem noch dasselbe für sie? Oder würde er sie vergessen, wenn sie die nächsten zwanzig Jahre hinter Gittern verbrachte? War sie dazu verdammt, genauso vergessen zu werden wie die anderen Mädchen hier?
«Bree Deringer?»
Beim Klang ihres Namens fuhr Bree in ihrem Stuhl zusammen. Dr. Walters stand in der Tür. «Komm bitte mit.»
Alle Augen im Raum wandten sich Bree zu. Manche Mädchen sahen kampfeslustig aus, als machte es sie wütend, dass die Neue ausgesondert wurde. Andere blickten ihr wehmütig nach und wünschten vielleicht, sie würden ebenfalls aus unbekannten Gründen mitgenommen werden, nur für eine halbe Stunde, die die Eintönigkeit ihrer Tage im Gefängnis durchbrechen könnte.
Dr. Walters war die Freundlichkeit in Person und führte Bree zu ihrem Büro. «Ein herrlicher Tag, nicht wahr?», sagte sie.
Anscheinend war ihr entgangen, dass sie Bree gerade aus einem fensterlosen Raum abgeholt hatte. «Äh, ja.»
Dr. Walters schloss die Bürotür hinter sich. «Tja, und für dich wird er gleich sogar noch schöner.»
Bree hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, nahm aber Platz. Dr. Walters kramte in den Papieren auf ihrem Schreibtisch.
«Hier ist der Gruppentherapieplan für ambulante Patienten», sagte sie und reichte Bree einen Ausdruck. «Der Ablauf folgt denselben Strukturen und Regeln wie hier. Alles, was wir besprechen, ist natürlich vollkommen vertraulich, und alle Mädchen sind ehemalige Häftlinge des Mädchengefängnisses von Santa Clara County.»
Bree nahm Dr. Walters den Plan aus der Hand, ihre Gedanken kreisten um die Bezeichnung «ambulante Patienten».
«Entschuldigen Sie», sagte sie und gestattete sich kaum zu glauben, es könnte wahr sein. «Werden wir zur Gruppentherapie denn anderswohin gefahren?»
Dr. Walters legte den Kopf schräg. «Nein, Bree. Du wirst heute entlassen.»
«Was?»
«Am Abwicklungsschalter bekommst du eine Fußfessel, und dann wirst du unter Hausarrest wieder der Vormundschaft deiner Eltern unterstellt.» Dr. Walters strahlte. «Ist das nicht aufregend?»
Oh, Mist. Ihr Dad würde sie in Stücke reißen, sobald er sie aus dem Knast nach Hause gefahren hatte. Vielleicht war in dieser Klosterschule an der Ostküste, mit der er ihr immer drohte, bereits eine Zelle für sie reserviert? Bree schluckte, ihre Zunge war plötzlich viel zu groß für ihren Mund. «Wann holt mein Dad mich ab?», fragte sie heiser.
«Gar nicht», sagte Dr. Walters. «Wir entlassen dich in die Obhut deiner Mutter.»
Kitty starrte Ed verblüfft an. «Was meinst du damit, Christopher Beeman ist tot?»
Olivia schüttelte entgeistert den Kopf. «Das ist unmöglich.»
Ed hatte gewusst, dass sie ihm nicht glauben würden, und war vorbereitet. «Meint ihr, ich denke mir so was aus?» Er zog eine Mappe aus seinem Rucksack und reichte sie ihnen. «Seht’s euch an.»
Olivia beugte sich ungläubig vor, als Kitty die Kopie von Christopher Beemans Sterbeurkunde herausnahm und auf den Tisch legte. Ed konnte an ihren Gesichtern ablesen, wie eine unschöne Erkenntnis langsam in ihr Bewusstsein drang: Sie hatten die letzten Wochen einen Geist gejagt.
«Wie kann es sein, dass wir das nicht wussten?», fragte Kitty.
«Im Internet war alles gelöscht, was in Verbindung mit dem geheimnisvollen Mr. Beemann stand – wie übrigens auch überall sonst», sagte Ed. «Offensichtlich wollte ihn jemand ausradieren.»
Olivia warf ihm einen Seitenblick zu. «Und wie hast du es dann herausgefunden?»
Ed richtete sich beleidigt auf. «Ich bin ein Profi.»
«Was heißt das?», fragte Olivia.
Ed zuckte mit den Schultern. «Das heißt, dass ich den Hausmeister geschmiert habe, damit er mir alles sagt, was er über Christopher Beeman weiß.»
«Tod durch Strangulierung, polizeilich aufgenommen als Selbsttötung.» Kitty musterte die Sterbeurkunde, als könnte sie nicht ganz glauben, was sie da las. «Das ist letztes Jahr ungefähr zu der Zeit passiert, als dieser Artikel über Christopher in der Lokalzeitung erschienen ist – darüber, dass er aus Archway verschwunden ist.»
«Wie ist er …» Olivia schluckte, ihr Gesicht war blass. «Ich meine, wie wurde die Leiche …»
«Er hat sich im Heizungsraum unter der Archway-Sporthalle an einem Deckenrohr aufgehängt.» Ed sprach es nüchtern aus. Er versuchte sich nicht vorzustellen, was für einen elenden Tod Christopher gestorben war. Kalt, dunkel, allein.
«Oh mein Gott!», Olivia stürzte an einen der Computer. «Wir müssen diese E-Mail zurückholen!»
«E-Mail?», fragte Ed.
«Scheiße.» Kitty fuhr sich frustriert mit den Fingern durchs Haar. «Wir haben eine anonyme Mail mit all unseren Hinweisen auf Christopher Beeman an Sergeant Callahan geschickt.»
Ed stieß einen leisen Pfiff aus. «Tja, die werden sie in ungefähr zehn Sekunden löschen.»
«Ich verstehe das nicht.» Olivia nahm die Sterbeurkunde und sah sie sich noch einmal an. «Alle Hinweise, die fehlenden Jahrbuchfotos, die Morde – alles deutet doch auf Christopher Beeman hin.»
«Weil jemand euch glauben lassen wollte, ihr hättet es mit Christopher zu tun», sagte Ed schlicht. «Ziemlich episches Täuschungsmanöver, wenn ihr mich fragt.»
«Was sollen wir denn jetzt machen?», fragte Olivia.
«Ruhig bleiben», entgegnete Kitty, die ganz und gar nicht so klang. «Der Mörder weiß doch nicht, dass wir herausgefunden haben, wer er nicht ist.»
Olivia biss sich auf die Lippe. «Okay …»
«Also gehen wir jetzt einen Schritt zurück und sehen uns noch einmal all unsere Verdächtigen an, solange er sich in Sicherheit wähnt.»
«Genau», schnaubte Ed, «kauen wir doch noch mal auf dem alten Käse herum.»
Kittys Augen verengten sich. «Hast du eine bessere Idee?»
«Genau genommen, ja.» Ed faltete die Hände und legte sie auf seinem Knie ab. «Sind euch die augenfälligsten Verdächtigen nicht vielleicht entgangen?»
Olivia neigte ihren hübschen Kopf. «Kapier ich nicht.»
«Ich weiß.» Ed lächelte sie an.
«Spuck’s aus, Ed!», schnauzte Kitty.
Ed stöhnte. Diese Mädchen hatten keinerlei Vorstellungskraft. «Habt ihr mal darüber nachgedacht, ob euch vielleicht gerade eure DGM-Heldentaten um die Ohren fliegen?»
«Du glaubst, dass eins unserer DGM-Opfer dahintersteckt?» Kitty hatte es begriffen.
«Richtig! Sie haben ja einen ziemlich guten Grund, euch zu hassen», sagte Ed. «Wie viele andere, denen DGMs Aktionen nicht passen, übrigens auch.»
«Aber wieso sollte einer von denen Ronny töten?», überlegte Kitty. «Oder Coach Creed?»
«Ja, Christopher hat wenigstens ein Motiv», stimmte Olivia ihr zu.
Ed schnippte vor Olivias Gesicht mit den Fingern. «Hallo! Wach auf! Falls euer Christopher kein rachedurstiges Gespenst ist, das seine Peiniger heimsucht, ist er nicht mehr in der Lage, jemanden zu töten.»
Olivias Mine bewölkte sich. «Nein, vermutlich nicht.»
Vermutlich nicht?
«Aber was, wenn euch stattdessen jemand in die Pfanne hauen will, indem er aktuelle DGM-Zielpersonen attackiert und den Verdacht auf euch lenkt?» Ed lehnte sich zurück. «Creed und Ronny waren schließlich eure letzten Opfer.»
Kitty seufzte. «Ich denke, es lohnt sich, dem nachzugehen.» Sie zeigte auf den Computer hinter ihm. «Ed, ich brauche deine Skills auf Google.»
Ed drehte sich schwungvoll herum und legte seine Finger auf die Tastatur. «Bereit.»
«Okay, mal sehen, wer noch in Reichweite ist», sagte Kitty. «Lasst uns doch mit der allerersten Zielperson von DGM beginnen. Wendy Marshall.»
Ed landete sofort einen Treffer. «Mittlerweile Zwölftklässlerin auf der St. Francis. Hat erst heute Morgen ihren Twitter Feed aktualisiert.»
«Das liegt ja praktisch am anderen Ende der Straße», sagte Olivia.
Kitty zog ein Blatt Papier aus dem Drucker und kritzelte Wendys Namen darauf. «Super. Jetzt such nach Christina Huang.»
Wieder hatte Ed innerhalb von Sekunden ein Ergebnis. «Siehst so aus, als hätten ihre Eltern sie in Richtung Osten nach Choate verfrachtet.»
«Aber noch am Leben?», fragte Olivia.
Ed zuckte mit den Schultern. «Wenn du ein Dasein auf der Choate Rosemary Hall ‹Leben› nennen willst …»
«Okay», sagte Kitty. «Sie wohnt ungefähr viertausend Kilometer weit weg, vermutlich ist sie also nicht unsere Mörderin.»
«Versuch es mit Xavier Hathaway», schlug Olivia vor.
«Dieses Arschloch, das in der Neunten meinen Kopf in eine Kloschüssel gedrückt und gespült hat?», fragte Ed.
Olivia nickte. «Man hat ihn nicht umsonst den Strudelkönig genannt.»
Xavier hatte keine Facebook-Seite, deshalb brauchte Ed etwas länger, um einen Treffer zu landen. Das Ergebnis war jedoch unerwartet befriedigend. «Sieht so aus, als würde er bei der städtischen Kläranlage in Hayward arbeiten.» Ed blickte mit einem breiten Grinsen vom Bildschirm auf. «Das ist das Beste, was ich je gehört habe.»
«Und er könnte der Killer sein», fügte Kitty hinzu. Dass in Xaviers beschissenem Job eine gewisse Ironie lag, amüsierte sie scheinbar nicht besonders.
«Coach Creed und Ronny sind tot, bleiben also noch drei», sagte Olivia und zählte sie an ihren Fingern ab. «Die Gertler-Zwillinge, Melissa Barndorfer und Tammi Barnes.»
Ed zog eine Augenbraue hoch. «Das sind vier.»
«Schau einfach nach», fuhr Kitty ihn an.
«Ist ja gut.» Ed suchte zügig nach Spuren der DGM-Angriffspersonen drei bis sechs im Netz. «Die Gertlers arbeiten in einem Surfer-Laden in Mountain View, und Melissa ist ihrer Facebook-Seite zufolge mit irgendeinem Eurotrash-Lover in Prag.»
«Und Tammi?», fragte Olivia.
«Bin dran.» Ed tippte mit rasender Geschwindigkeit, ging all seine bevorzugten Stalkerseiten im Internet durch. Eine nach der anderen spuckte kein Ergebnis aus. Er fiel in seinen Stuhl zurück. «Ich kann keine aktuellen Infos über sie finden.»
«Nichts?», fragte Kitty.
«Das habe ich eben gesagt.»
«Okay. Dann forschen wir später weiter.» Kitty hielt ihre Liste mit Verdächtigen hoch. «Wir haben Wendy, Xavier, Maxwell und Maven Gertler und Tammi Barnes. Plus unbekannte Person oder Personen, die mit Christopher Beeman in Verbindung stehen. Das sind unsere Verdächtigen.»
Olivia breitete verzweifelt die Arme aus, Tränen standen in ihren Augen. «Wir werden das niemals lösen können. Bree wird im Knast verrotten. Sie wird sich die Haare abrasieren, einer Gefängnis-Gang beitreten und sich irgendeinen frauenverachtenden Knastnamen geben.»
Ed hob eine Braue. «Klingt nach einem großartigen Porno.»
«Hör mal», sagte Kitty, trat Olivia gegenüber und packte sie bei den Schultern. «Wir dürfen jetzt keine Panik bekommen, und wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen weiterkämpfen, für Margot und für Bree.»
«Aber wie?»
«Wir fangen mit dieser Liste an. Lasst uns Kontakt aufnehmen und sehen, was wir herausfinden», sagte Kitty.
Olivia schniefte. «Okay.»
«Und vergiss nicht Amber und Rex», fügte Kitty hinzu. «Wir wissen immer noch nicht, was Amber in der Nacht, als Ronny gestorben ist, bei ihm gemacht hat und was Ronny und Rex für ein Geheimnis hatten.»
Olivia nickte mit zusammengepressten Lippen, als sammelte sie Kraft für diese unangenehme Aufgabe. «Ich gebe mir Mühe.»
«Und ich», sagte Ed mit einer überschwänglichen Armbewegung, «nehme Christophers Familie und Freunde unter die Lupe.» Er würde diese wichtige Aufgabe auf keinen Fall diesen beiden Stalkinganfängerinnen überlassen.
Kitty sah ihn argwöhnisch an. «Wir brauchen deine Hilfe nicht, Ed.»
Sein Lachen war schallend und echt. «Im Ernst? Ihr braucht sie jetzt mehr denn je!»
Olivia legte Kitty die Hand auf den Arm. «Vielleicht sollten wir ihn helfen lassen? Margot …» Sie hielt inne, ihre Unterlippe zitterte. «Margot vertraut Ed. Und sie vertraut eigentlich niemandem.»
«Na gut.» Kitty hielt ihm die Hand hin und zog ihn auf die Füße. «Aber es gibt da etwas, das zu zuerst tun musst.»
«Blutpakt?», fragte er und riss in gespielter Aufregung die Augen auf. «Initiationsritual? Kriege ich eine DGM-Nadel oder einen geheimen Entschlüsselungsring?»
Kitty atmete tief durch, dann streckte sie die Hand aus.
«Ich, Kitty Wei, schwöre hiermit feierlich, dass kein Geheimnis jemals diesen Kreis verlassen soll.»
Ed sah aufmerksam zu, wie Olivia nach Kittys Handgelenk griff.
«Ich, Olivia Hayes, schwöre hiermit feierlich, dass kein Geheimnis jemals diesen Kreis verlassen soll.»
Zusammen wandten sie sich zu ihm um. «Kapiert, kapiert», sagte er. «Geheimer Schwur. Bin dabei.»
Er griff nach Olivias Handgelenk und hielt seinen Arm so, dass Kitty sich mit ihm verbinden konnte.
«Ich, Ed the Head …»
«Hast du keinen Nachnamen?», fragte Kitty.
Ed seufzte. «Also gut.» Er räusperte sich theatralisch. «Ich, Edward Headley, schwöre feierlich …»
Olivia kicherte. «Headley? Ist das dein Ernst?»
«Soll ich zu Ende sprechen oder nicht?», meckerte Ed.
«Entschuldigung.» Olivia grinste breit.
«Ich, Edward Headley, schwöre hiermit feierlich, dass kein Geheimnis jemals diesen Kreis verlassen soll.»
«Gut.» Kitty nickte ihm zu.
«Hei, hurra!» Ed jubelte mit übertriebener Begeisterung, bevor er wieder ernst wurde. «Und jetzt sollten wir hier besser verschwinden, bevor die Schwachköpfe von den Maine Men diesen Flur mit ihrem V-D-Scheiß schmücken.»
Kitty antwortete nicht, aber ihre Augen verhärteten sich, als sie Ed und Olivia ansah. «Wir treffen uns heute Abend in der Lagerhalle zur Nachbesprechung, verstanden?»
Olivia nickte, Ed hingegen zwinkerte bloß.
«Ich nehme das als Zustimmung», sagte sie. «Also Leute, neue Verdächtige, neues Glück.»
Der schwarze Riemen der Fußfessel schmiegte sich kurz über dem Knöchel um Brees Unterschenkel, das darin eingespannte GPS-Ortungsgerät, das aussah wie ein altes Klapphandy, ragte sperrig hervor.
«Das Band ist leitfähig», erläuterte der Wachmann, als er es festzog. «Wenn du irgendwie daran herumpfuschst, werden automatisch die Behörden alarmiert.»
«Kein Sonnenlicht, kein Wasser und nicht nach Mitternacht füttern?», witzelte Bree.
Der Wachmann blickte ohne jede Belustigung auf. «Das Ortungsgerät ist wasserfest.»
«Okay.» Eindeutig kein Fan der Gremlins. Oder von Humor.
«Das GPS ist auf das Haus deiner Eltern kalibriert», fuhr er fort. «Wenn du den festgelegten Radius von hundert Metern verlässt, werden ebenfalls sofort die Behörden alarmiert.»
Großartig. Sie würde eine Gefangene in ihrem eigenen Zuhause sein. Aber immer noch besser, als auch nur einen weiteren Tag im Jugendknast zu sitzen.
Als der Wachmann die Fußfessel sicher angebracht hatte, führte er Bree in einen Wartebereich, wo eine große, sehr teuer gekleidete Frau in ein Gespräch mit einem anderen Beamten vertieft war.
Zuerst erkannte Bree ihre Mom nicht. Die sonnengebleichten Haare und die tiefgebräunte Haut wirkten fremd, und dieser konservative Hosenanzug ließ sie aussehen wie die Rechtsexpertin eines Nachrichtensenders, aber sicher nicht wie eine kalifornische Hausfrau, die an die französische Riviera durchgebrannt war.
Ihre Persönlichkeit schien sich hingegen kein bisschen verändert zu haben. Die perlende Stimme, die Ungezwungenheit – Brees Mom besaß die einzigartige Gabe, den Menschen so gegenüberzutreten, dass sich in ihrer Gegenwart jeder auf Anhieb wohl fühlte, sei es ein CEO oder ein Bettler. Der Trick lag, das hatte Bree beobachtet, im Flirten. Männlich oder weiblich, schwul, hetero oder was auch immer, alle waren Freiwild für ihre schamlos kokettierende Mutter. Und die Flirterei verschaffte ihr fast immer, was sie haben wollte.
«Muss sie die Fußfessel wirklich Tag und Nacht tragen?», fragte ihre Mom mit vor Erstaunen geweiteten Augen und bittender Stimme.
«Ja, Ma’am», antwortete der junge Beamte.
«Kann ich nicht mal mit ihr essen gehen?», versicherte sich ihre Mom bedauernd. «Oder ins Kino?»
Der Beamte schüttelte den Kopf. «Leider nein.»
Sie seufzte resigniert, dann wandte sie sich um und blickte ihre Tochter direkt an.
Bree suchte in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen des Erkennens, aber nach wenigen Sekunden warf ihre Mutter einen Blick auf ihre Armbanduhr. «Haben Sie eine Ahnung, wann meine Tochter fertig sein wird?»
Der Beamte blickte zu Bree hinüber. «Ähm …»
«Hey, Mom», sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme genauso wenig begeistert klang, wie sie sich fühlte.
Ihre Mom zuckte zusammen, und langsam kehrte ihr Blick zu Bree zurück. Sie starrte sie ganze zehn Sekunden lang an, bevor sich ihre Miene erhellte.
«Schätzchen!» Ihre Mutter tippelte auf sie zu, umarmte ihre Tochter und hüllte sie in ihren Duft, eine aromatische Mischung aus Jean Patou und Gin. «Ich habe mir solche Sorgen gemacht.»
Solche Sorgen, dass du drei Tage gebraucht hast, um aus Europa einzufliegen?
«Lass mich dich ansehen.» Ihre Mom löste sich von ihr und umfasste ihr Gesicht. «Wann hast du dir die Haare abgeschnitten? Hat das mit dem Gefängnis zu tun?»
Bree verengte die Augen zu Schlitzen. «Vor sechs Monaten.»
«Oh.» Ihre Mutter spitzte die Lippen. «Tja, da ist es ja nicht verwunderlich, dass ich dich nicht erkannt habe.»
Nein, weil du seit Weihnachten nicht mehr zu Hause warst.
«Mrs. Deringer», sagte der Vollzugsbeamte. «Es gibt da nur noch ein paar Formulare, die Sie unterschreiben müssen, damit Sie Ihre Tochter in Gewahrsam nehmen können.»
Als wäre es ein übermenschliches Opfer, ihren Namen unter ein paar Blatt Papier zu setzen, seufzte Brees Mom theatralisch. Sie erledigte schnell den Papierkram, dann wurden sie und Bree aus dem Gebäude eskortiert.
Keine von ihnen sprach ein Wort, während sie dem Wachmann über den Hof folgten. Bree würde es ihrer Mom sicher nicht leicht machen, indem sie ein Gespräch begann. Aber Mrs. Deringer schien mit dem Schweigen ohnehin ganz zufrieden.
Ein riesiger schwarzer Cadillac Escalade mit getönten Scheiben parkte vor dem Zaun. Er sah aus wie ein Auto, das von Drogendealern gefahren wird. Oder der CIA. Als das Eingangstor sich langsam öffnete, wurde die Beifahrertür aufgerissen, und ein extrem riesiger und extrem blonder Mann stieg aus.
Er sah aus wie eine nordische Gottheit: bronzefarbene Haut, wallendes Haar und Muskeln, die den straffen Stoff seiner schwarzen Jacke beinahe sprengten. Die dünne Krawatte um seinen Hals erinnerte an ein Stück Zahnseide, das einen Heißluftballon am Boden halten soll. Als er um den Wagen herumging, war sich Bree ziemlich sicher, dass der Boden bei jedem seiner mächtigen Schritte unter ihr erzitterte.
Ohne ein Wort öffnete er die hintere Wagentür und bot Brees Mom eine Hand, die sie mit solch gezierter Koketterie nahm, dass sich Bree der Magen umdrehte.
«Danke, Olaf.»
Olaf?
Er nickte, und ohne Bree auch nur eines Blickes zu würdigen, schlug er die Tür vor ihrer Nase zu.
«Genau», murmelte sie und stapfte um den Wagen herum zur anderen Seite. «Danke, Olaf.»
Sobald Olaf den SUV vom Straßenrand auf die Straße gelenkt hatte, verschwand die vornehme Fassade ihrer Mom. Sie wandte sich Bree zu. «Möchtest du mir vielleicht erklären», begann sie, «inwiefern du es für eine gute Idee gehalten hast, einen Mord zu gestehen?»
«Zwei Morde», korrigierte Bree sie mit einem süßen Lächeln und zog den Anschnallgurt heraus. «Und ich habe sie nicht gestanden.»
Ihre Mom verdrehte die Augen. «Wie auch immer.» Sie drückte auf einen Knopf an ihrer Tür, und zwischen den Sitzen fuhr eine Minibar heraus. Kristallkaraffen klirrten, klare und dunkelbraune Flüssigkeiten schwappten mit jeder Bewegung des Wagens herum, doch Brees Mom schenkte sich, ohne einen Tropfen zu vergießen, aus einem Shaker einen Cocktail in ein Martiniglas. «Ein armseliger Ort, dieses Gefängnis», sagte sie und ließ zwei Oliven in das Glas fallen. «Ich werde diesen Hosenanzug verbrennen müssen, sobald wir zu Hause sind.»
Bree steckte den Anschnaller in das Gurtschloss. Es weigerte sich, einzurasten, bei jedem Versuch glitt der Gurt wieder heraus. «Tut mir leid, dass ich solche Umstände mache», sagte sie kühl. «Du darfst gern nach Nizza oder Cannes zurückkehren oder wo auch immer du gesteckt hast.»
«Villefranche-sur-Mer», seufzte ihre Mutter sehnsüchtig. «Hast du meine Postkarten denn nicht gelesen?»
Bin nicht dazu gekommen, bevor ich sie in den Müll geworfen habe. «Fahr ruhig wieder hin», wiederholte Bree durch zusammengebissene Zähne. Sie warf, frustriert von ihren vergeblichen Anschnallversuchen, den Sitzgurt von sich. «Ich brauche dich nicht.»
Ihre Mom lachte. «Natürlich brauchst du mich nicht. Ich habe dich so erzogen, dass du niemanden brauchst.»
Das Wort «erzogen» schien Bree etwas übertrieben, wenn man die sehr spärliche Anwesenheit ihrer Mutter in Betracht zog, insbesondere seitdem Henry Jr. auf dem College war.
«Aber im Augenblick», fuhr ihre Mom fort, «muss nun mal jemand hier sein, um dich im Auge zu behalten. Elterliche Inobhutnahme heißt anscheinend, dass während deines Hausarrests entweder dein Vater oder ich dich überwachen müssen. Und da der Senator in Sacramento eine ach so wichtige politische Strategie umsetzt, fällt diese glorreiche Aufgabe wohl mir zu.»
«Ich spüre die Liebe, Mom.»
Ihre Mutter sah sie an und zog eine fachkundig gezupfte Braue hoch. «Ach, und du freust dich also unbändig darauf, die nächsten Wochen mit Olaf und mir zusammen in diesem Haus eingesperrt zu sein?»
Bree blinzelte. «Mit Olaf?»
«Natürlich!», rief ihre Mutter, als sei sie überrascht vom mangelhaften Vorstellungsvermögen ihrer Tochter. «Ich kann doch nicht ohne meinen Olaf sein. Wer soll den Wagen fahren? Die Presse in Schach halten? Mir jeden Tag meine Mas…»
Bevor ihre Mutter weitersprechen konnte, schlug der Escalade heftig nach links ein. Der hintere Teil des Wagens wurde zur Seite geworfen, und Bree knallte hart mit dem Kopf gegen das Fenster. Olaf ließ den Motor aufheulen, die Reifen quietschten protestierend, und auf der Rückbank breitete sich der beißende Gestank verbrannten Gummis aus. Bree schrie und klammerte sich panisch an den Türgriff, als ihr von keinem Gurt geschützter Körper durch die Wucht des Manövers aus dem Sitz geschleudert wurde. Während der Wagen schlingerte, sah sie die Fahrerkabine eines leuchtend gelben Umzugswagens an sich vorüberziehen, so nah, dass sie den Fahrer genau erkennen konnte – Baseballkappe, dunkle Pilotenbrille, jedes Detail.
Der Lastwagen rutschte weiter, aus allen Richtungen ertönten wütende Hupen, und der SUV ruckelte heftig, als Olaf über die Verkehrsinsel in der Mitte der Straße bretterte. Brees Kopf prallte gegen die Decke, ihre Mom stieß einen erstickten Schrei aus, und dann plötzlich normalisierte sich das Motorengeräusch wieder, und das plötzliche Chaos war vorüber.
Neben Bree schnappte ihre Mutter nach Luft. «Oh mein Gott.»
Bree betastete die schmerzenden Stellen an ihrem Kopf. «Alles okay», keuchte sie und versuchte wieder zu Atem zu kommen. «Ich bin nicht verletzt.»
«Guck mal!» Ihre Mom streckte Bree das Martiniglas entgegen. «Ich habe keinen Tropfen verschüttet.» Sie lächelte zufrieden, setze das Glas an und leerte es in einem Zug.
Ich bin so froh, dass du deine Prioritäten klar geordnet hast. «Was zum Teufel war das?»
«Laster ist über rote Ampel gefahren.» Olafs Vokale klangen offen und rund und deuteten auf einen skandinavischen Akzent.
«Sollten wir nicht zurück?», fragte Bree. «Die Polizei rufen? Einen Zeugenbericht abgeben? Der Typ könnte gefährlich sein.»
Der Typ könnte ein Killer sein.