SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung,die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7493-0 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-6045-2 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© der deutschen Ausgabe 2020
SCM Verlagsgruppe GmbH · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: info@scm-haenssler.de
Originally published in English under the title: In the Shadow of the Almighty
© 1958 by Elisabeth Elliot
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
Weiter wurden verwendet: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen
Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft
Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.
Bildnachweis:
Sofern nicht anders angegeben: Used by permission of the Billy Graham Center Archives, Wheaton College, Wheaton, IL, © Familie Elisabeth Elliot
Seite 1 und Seite 8 (J. und E. Elliot als Paar im Grünen): © Familie Elisabeth Elliot
Seite 5 (E. Elliot mit Indianern und Plastikspielzeug, Bildnr.: 085):
Cornell Capa © International Center of Photography/Magnum Photos.
Lektorat: Überarbeitet von Johanna Horle-Herdtfelder
auf der Grundlage der Übersetzung von: E. Gauthe und E. Frick
Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Vogelsang Design, Aachen (www.vogelsangdesign.de)
Coverfotos, sofern nicht anders angegeben: Used by permission of the Billy Graham Center Archives, Wheaton College, Wheaton, IL,
© Familie Elisabeth Elliot.
Foto Jim Elliot: © Familie Elisabeth Elliot
Titelbild, Handschrift: shutterstock.com, © teplovada
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Über die Autorin
Vorwort Jim und Betty Elliot – Vorbilder für unser Leben
Einleitung
Starke Wurzeln
Redner und Altwarensammler
Akademischer Titel
Unbeirrbar auf das vorgesteckte Ziel zu
Die Feuerflamme
Siehe, wir wandeln im Dunkeln
Taumelwein
Schafe – für den Altar bestimmt
Getrieben von Gott
Neue Freiheit
Prüfung durch Muße
Prüfung durch Dienst
Stimmen rufen
Das Musterbild
Von allen eigenen Möglichkeiten abgeschnitten
Genau im richtigen Augenblick
Die Hand ist an den Pflug gelegt
Auf See
Träume sind Schäume
Verwirklichung des großen Willens
Drei Glaubensprüfungen
Siehe, das ist unser Gott
Das Musterbild wird Wirklichkeit
Auftrag ausgeführt
Nachwort
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Elisabeth Elliot (1926–2015) war Jim Elliots Ehefrau. Sie selbst absolvierte eine theologische Ausbildung und war als Missionarin in Südamerika tätig, als sie Jim heiratete. Nach Jims frühem Tod blieb sie als Witwe in der Mission tätig. Zeitlebens war sie eine beliebte Referentin, Autorin und Predigerin.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
»Ich will kein langes Leben haben, sondern ein erfülltes Leben.«
Aus dem Tagebuch von Jim Elliott
Jim und Betty Elliot sind große Vorbilder des Glaubens. Wir können viel von ihnen lernen – für unser Leben, für unseren Glauben, für unseren Dienst, für unsere Berufung. Es ist faszinierend zu lesen, wie sich Jim und Betty Elliot ganz auf den Dienst für Gott und für Menschen eingelassen, wie sie ihr Leben danach ausgerichtet und alles andere hinten angestellt haben. Betty Elliot nimmt uns mit hinein in die Tagebucheinträge von Jim, in seine Briefe an sie und seine Familie und in ihre Erinnerungen. Sie zeigt uns ehrlich und authentisch, wie sie und Jim den Weg des Glaubens gegangen sind.
Schon während der Schulzeit war Jim klar, dass er Gott dienen wollte. Er hat sein Leben genossen, aber gleichzeitig immer eine große Zielstrebigkeit gehabt.
Als er 20 Jahre alt war, wurde ihm die Not von vielen Menschen und Völkern bewusst, die noch nie von Jesu Liebe gehört hatten. Durch diese Fakten und den klaren Missionsbefehl Christi ging er davon aus, dass er gute Gründe finden musste, nicht in die Mission zu gehen. Drei Jahre später fasste er den Entschluss, zu den 1 Waorani, einem unerreichten, unbekannten, gefährlichen Volk aufzubrechen. Bis er seinen Traum jedoch in die Tat umsetzte, brauchte es noch einiges an Vorbereitungszeit: Er benötigte viel Geduld, es kamen ihm immer wieder Zweifel an seiner Berufung und an sich selbst, es gab viele Rückschläge und Niederlagen. Er hat sich und seine Motivation ständig überprüft und immer die Nähe Gottes gesucht.
Trotz allen Rückschlägen hat er immer an seiner Vision, an seiner Berufung, festgehalten. Er hatte das Ziel klar vor Augen und war bereit, alles dafür zu geben. Er hat seine eigenen Bedürfnisse – vor allem auch das Bedürfnis, seine liebe Betty zu heiraten, hintangestellt. Er hat Durchhaltevermögen bewiesen.
Jim war klar, dass er ein Werkzeug Gottes war und dass er die Zeit ausnutzen musste, da er auch nicht wusste, wie lange er seine Gaben noch einsetzen konnte. So war es sein Herzensanliegen, die zum Glauben gekommenen Ureinwohner darauf vorzubereiten, dass sie selbst zu Gemeindeleitern wurden. Er wollte ihnen dabei helfen, selbstständig zu leiten. Dabei lehrte er sie, dass ein guter Leiter vor allem ein guter Diener sein sollte. Als die Gemeinden eine gute Grundlage hatten und dort Leiter ausgebildet waren, war es dann endlich so weit und Jims Traum wurde wahr: Er konnte mit den unerreichten Waorani Kontakt aufnehmen. Die Menschen, die er geliebt hat, ohne sie zu kennen, auf die er sein Leben ausgerichtet hat, für die er gebetet hat. Diese Menschen brachten ihn und seine vier Freunde noch vor ihrer ersten richtigen Begegnung ums Leben.
War damit sein ganzes Leben umsonst? Hat er sein Ziel verfehlt, den Waorani die Liebe Gottes zu bringen? Hat er seine Berufung versäumt? Auf den ersten Blick scheint es so.
Aber dieser Blick täuscht: Jim Elliott hatte ein erfülltes Leben. Er hat seine Vision, seine Berufung im Dienst für Gott und für die Menschen gelebt – bis zu seinem Tod.
Seine Frau hat dies weit über seinen Tod hinaus getan. Sie hätte versinken können im Schmerz, im Selbstmitleid. Sie hätte stehen bleiben können bei der Frage: Warum lässt Gott das zu? Diese Frage kann uns weder das Buch noch die Autorin noch irgendjemand sonst beantworten. Aber sie hat es als ihren Auftrag gesehen, ihre gemeinsame Berufung fortzusetzen – sich selbst der Gefahr auszusetzen und den Männern zu vergeben, die Jim umgebracht haben. Sie hat das Werk vollendet, das er angefangen hat. Sie hat die Liebe Gottes und seine Botschaft der Versöhnung zu den Waorani gebracht. So sind durch sie und ihren aufopferungsvollen Einsatz die Samen, die Jim gesät hatte, doch noch aufgegangen. Es hat sich gelohnt!
Es lohnt sich auch, dieses Buch zu lesen und sich von den Glaubenshelden Jim und Betty Elliot begeistern zu lassen. Jedoch sollten wir dabei nicht stehen bleiben, die beiden zu bewundern. Wir sollten ihr Zeugnis lesen, um bei jedem Satz zu überlegen: Was kann ich von ihnen lernen? Welche Grundsätze kann ich dabei für mein Leben ableiten? Was sollte ich in meinem Leben verändern?
Mir sind beim Lesen viele Grundsätze aufgefallen, die ich in meinem Leben anwenden möchte.
Jim Elliots Lebenszeugnis fordert uns heraus, aus der Komfortzone herauszukommen, runter vom Sofa, runter von der Kirchenbank, hinein in die Welt – gerade auch zu denen gehen, die uns fremd sind, von denen vermeintliche oder echte Gefahren ausgehen. Jim und Betty hat gerade das Fremde, das Unbekannte gereizt und herausgefordert.
Lasst uns unsere Bequemlichkeit hinter uns lassen, damit wir anderen die Liebe Gottes weitergeben können – sei es den Fremden in unserem direkten Umfeld oder denen in weiter Ferne.
Nimmst du die Herausforderung an?
Tobias Merckle (Jg. 1970) leitet das Seehaus in Leonberg, wo er jugendlichen Straftätern zurück ins Leben hilft. Der gemeinnützige Verein Seehaus e. V. bietet Jugendlichen einen ›Strafvollzug in freien Formen‹ an.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Als Student schrieb Jim im Jahre 1949 diese Worte: »Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, auf dass er gewinne, was er nicht verlieren kann.«
Sieben Jahre später, an einem heißen Sonntagnachmittag und fern von dem Collegezimmer, in dem jene Zeilen geschrieben worden waren, beendeten er und vier andere junge Männer eine Mahlzeit aus gebackenen Bohnen und Mohrrüben. Sie saßen zusammen auf einem Streifen weißen Sandes am Curaray-Fluss, tief im feuchten Tropenurwald Ecuadors, und warteten auf die Ankunft einer Gruppe von Männern, die sie bewunderten, mit denen sie aber noch nie zusammengetroffen waren – wilde, steinzeitliche Kopfjäger, inzwischen in der ganzen Welt bekannt als Waorani.
Zwei Tage vorher hatte eine jahrelang gehegte Hoffnung sich zum Teil erfüllt. Drei dieser Ureinwohner waren auf dem Sandufer, auf dem die fünf Männer jetzt saßen, mit ihnen zusammengetroffen. Die erste freundliche Berührung, seit Langem erwartet und sorgfältig vorbereitet, war durchaus ein Erfolg gewesen. Der junge Mann und seine beiden Begleiterinnen traten aus dem Sumpfdickicht jenseits des Flusses und ergriffen nach kurzem Zögern die angebotene Hand von Jim Elliot, der sie dann durch den Fluss führte zu den anderen weißen Männern. Anfangs waren die Angehörigen dieses nackt gehenden Stammes misstrauisch gewesen, und mit Recht. Sie hatten von weißen Männern gewusst, die auch in solch großen Vögeln durch die Luft geflogen waren wie dieser, der jetzt hier auf dem Sandufer stand, und es hatte sich erwiesen, dass ihnen nicht zu trauen war. Aber irgendwie hatten die Ureinwohner jetzt während der fünf langen Wochen, in denen diese Weißen hier versucht hatten, ihnen ihre freundliche Gesinnung zu zeigen, gespürt, dass hier keine »Fallgrube« war. Die weißen Männer hatten bei den Waorani zuerst Geschenke abgeworfen, wie der Stamm sie auch in früheren Jahren schon erhalten hatte – Machetas (eine Art von schweren Buschmessern), Kochtöpfe, Bänder, Wollstoff. Das waren hochwillkommene Dinge, und bald hatten die Ureinwohner begierig auf das Geräusch des gelben Ayamu gewartet, der in regelmäßigen Abständen auftauchte (ob allerdings ein Volksstamm, der nicht weiter als bis drei zählt, einen Sieben-Tage-Rhythmus erkennen kann, ist fraglich). Wenn sie das Geräusch des Motors hörten, waren sie von überall herbeigelaufen, aus den Maniokpflanzungen, aus den großen, ovalen, mit Blätterdach versehenen Häusern, vom Fluss her weiter unten, wo sie mit den Kanus zu fischen pflegten. Da waren sie schon wieder – diese merkwürdigen, bleichgesichtigen Männer, die ihnen zuwinkten und riefen und dann an einer Leine einen Eimer herabließen, aus dem man sich die wundervollsten Sachen holen konnte. Und was war das auf einmal? Plötzlich ertönte eine Stimme in der Luft – in ihrer eigenen Sprache! Der Mann rief ihnen zu:
»Kommt her! Wir sind eure Freunde. Wir haben euch gern. Wir sind eure Freunde!«
War es möglich, dass diese Männer nicht die Absicht hatten, ihnen das Land wegzunehmen, die Ernten zu vernichten, ihre Angehörigen zu töten, wie andere es getan hatten? Einige begannen, der Stimme zu glauben. Es kam ihnen ein Gedanke. Warum sollte man die Männer nicht ermutigen? Würde es sich nicht lohnen, herauszufinden, was sie in Wahrheit wollten? Konnte man nicht vielleicht noch mehr bekommen, wenn man auf das Spiel der Fremden einging?
In der folgenden Woche erwiderten die Ureinwohner das herabgelassene Geschenk durch eine Gegengabe. In den Korb, der vor ihren Füßen kreiste, legten sie einen schönen Federkopfschmuck, kunstvoll geflochten und mit Palmenfasern ringsherum verkleidet. Kurz darauf baute ein besonders unternehmungslustiger Waorani ein kleines Flugzeugmodell, das er dem »Piper«-Flugzeug, so getreu er konnte, nachbildete und auf dem Dach seines Hauses aufstellte. Hatte er sich unbemerkt als Späher an das Haus in Arafuno herangeschlichen, dem Ausgangspunkt der ganzen Unternehmungen, wo man ein Modell des Flugzeuges zum Anschauen auf einem Pfahl befestigt hatte? Oder war er ganz von selbst auf die Idee gekommen, ein Modell zu bauen?
Als das Flugzeug eines Tages wieder über ihnen kreiste, hörten die Waorani, wie einer von den Männern rief: »Wir sind am Curaray. Kommt, kommt und besucht uns.« Da konnten einige nicht länger widerstehen. Noch immer von Zweifeln und alteingefleischter Angst vor diesen weißen Männern hin- und hergerissen, blieben sie zwei Tage unschlüssig. Von dem Dschungeldickicht aus, in dem sie sich genauso unsichtbar machen können wie die gefleckte Pardelkatze ihrer Urwälder, erkundeten sie vielleicht die Lage. Am dritten Tag jedoch siegte ihre Neugier – oder irgendwelche sonstigen Motive – über ihre Angst: Der Aufforderung der fünf Männer folgend, die am Ufer hin und her gingen, traten aus dem Dickicht drei Ureinwohner, ein junger Mann und zwei Frauen.
Wer waren diese weißen Männer? Brüder der Affen, die sich mit ihren behaarten Armen und Gesichtern in den Schlinggewächsen wiegten? Brüder des Gürteltiers, das eine bestimmt sehr unbequeme Kleidung trug und niemals nackt ging? Vielleicht Söhne des Schöpfers der Sonne, da sie ja vom Himmel kamen? Aber dabei lachten sie, sprachen Worte, die man nicht verstehen konnte, verschenkten Sachen zum Essen. Zum Essen? Offensichtlich ja – sie schmeckten gut, wenn auch völlig anders als alles, was sie bisher kannten (Würstchen, Brot, Limonade, Senf; mit ihrer eigenen Kost, der trockenen, schweren Maniokwurzel, dem Tapirfleisch, den Erdnüssen, konnte man dies kaum vergleichen).
Und dieses wundervolle Wasser! Einer der Männer goss dem männlichen Ureinwohner ein wenig davon in die Hand (unter sich nannten sie ihn »George«), und als er sich damit den Körper einrieb, hörten wie durch Zauberei die Fliegen auf zu stechen. Die fremden Männer machten ständig merkwürdige Zeichen auf ein glattes, weißes Blatt, mit einem dünnen, an einem Ende schwarzen Stäbchen. Dann sahen sie angestrengt auf diese Zeichen und sprachen die Worte nach, die die Ureinwohner gesagt hatten. Untereinander aber gaben sie nur sonderbare Laute von sich – es waren doch nicht Worte? Doch wahrscheinlich schon – gegenseitig schienen sie sich zu verstehen, zu unterhalten. Doch es war nicht »hörbar«. Und warum antworteten sie nicht, wenn man mit ihnen redete?
Das junge Mädchen entdeckte, dass die Oberfläche des Ayamu glatt war; sie war wie – nein, sie war anders als alles, was das Mädchen kannte. Wie sollte man das den anderen zu Hause beschreiben? Wie ein Platanenblatt? Ja, aber ein Platanenblatt war nicht so groß und fest. Verzückt rieb sie ihren Körper an dem glatten Rumpf.
Und wie vor allem konnte dieses Wesen fliegen? »George« musste es herausbekommen. Er guckte in seinen Kopf, dann in seinen Bauch. Mit den Flügeln schlagen konnte es nicht. Wie konnte es sich bewegen? Mit Gebärden und Geplapper überzeugte er den Piloten, dass er sich nicht fürchte, dass er fliegen wolle. Höher, immer höher stiegen sie hinauf mit beängstigendem Krachen, bis weit über die Bäume. Wie fremd schien die Welt seinen kurzsichtigen Augen – denn der Urwaldbewohner weiß nichts von weiten Räumen, fernen Horizonten. Er kennt nur den braunen Schlamm zu seinen Füßen, die Höhe eines Baumes, die kurze Strecke eines Flusses bis zur nächsten Biegung. Vielleicht hat er schon mal einen Baum erklettert und über das grüne Blättermeer gespäht, um nach dem Rauch zu suchen, der ihm die Lage eines Hauses anzeigt, aber niemals hat er etwas Ähnliches gesehen wie diese weite Fläche, die sich jetzt endlos unter ihm ausdehnte.
Plötzlich fiel sein Blick auf eine Stelle, wo der Schauplatz sich veränderte – Leute, winzig kleine Leute liefen dort umher. Sie sahen so klein aus wie die weißen Männer früher, wenn sie über ihn hinweggeflogen waren. Ja, das mussten seine Leute sein. Das Flugzeug kreiste niedriger. Ja, natürlich – dort war sein Bruder, sein Vater, seine alte Großmutter. Aufgeregt schrie er ihnen etwas zu, und sie beobachteten ihn staunend. Jetzt schraubte sich das Flugzeug wieder höher. Er war so außer sich vor Freude, dass er immer weiter schrie, auch auf dem ganzen Rückflug bis zum Fluss, wo sich plötzlich unter ihm der glatte, weiße Sandplatz dehnte und ihm dann entgegenstieg. Mit einem Knirschen, das durch Mark und Bein ging, traf das Flugzeug auf den Boden, hüpfte eine Strecke weiter, dann blieben die Bäume schließlich stehen. Da waren auch wieder die zwei Frauen. Wie sollte er den beiden schildern, was er zu sehen bekommen hatte?
Am späten Nachmittag kam das junge Mädchen zu der Überzeugung, dass es Zeit sei, diese fremden Leute, die anscheinend kein Verlangen nach ihr hatten, zu verlassen. Sie ging den Sandstrand entlang und entfernte sich. »George« rief ihr nach, aber nein, sie blieb entschlossen. Schließlich, als sie im Wald verschwand, folgte er ihr. Später ging auch die ältere Frau, und über die steilen Hügel und durch die sumpfigen Niederungen eilten sie zu ihrem Dorf, um atemlos von ihren Erlebnissen zu berichten. Doch hinten im Halbdunkel sah man alte Häupter mit verfilztem schwarzem Haar, die sich schweigend, aber ablehnend hin und her bewegten, als sie die Erzählung hörten. Zwischen den Holzpflöcken, die sie in den Ohrläppchen trugen, schmiedeten sie finstere Pläne.
Am Ufer das Curaray warteten am nächsten Tag die fünf Männer voller Spannung, dass ihre Freunde wiederkämen. Wie am Tag vorher gingen sie am Strand auf und ab und riefen die wenigen Sätze, die sie von der Aussprache gelernt hatten; sie hatten sie herausbekommen von einer Waorani-Frau, die von ihrem Stamm geflohen war und jetzt auf einer Farm in der Nähe der Missionsstation lebte. Doch auf die Rufe folgte nur das Schweigen des Urwaldes, der den gewundenen Fluss auf beiden Seiten säumte. Einmal fiel ein Baum, und das Krachen steigerte die Spannung. Aber nichts geschah. Schließlich sah Jim Elliot auf seine Uhr.
»Also, Brüder, ich gebe ihnen noch fünf Minuten. Wenn sie dann nicht auftauchen, gehe ich rüber!«
Die Klugheit hielt ihn davon ab, seine Drohung auszuführen, doch auch den ganzen langen Nachmittag warteten sie umsonst.
Die »Nachbarn« hielten offenbar noch Konferenzen ab – sollten sie wieder zu den weißen Männern gehen und sie einladen in ihr Dorf? Wer sollte hingehen? Sie konnten nicht wissen, mit welch gespannter Sehnsucht sie erwartet wurden.
Der Sonntagmorgen dämmerte herauf mit wolkenlosem Himmel. Wieder hatte Gott die Gebete erhört. Der Fluss war nicht gestiegen, der schmale Landesstreifen nicht zerstört, und das Wetter war zum Fliegen günstig. Nate, der Pilot, stieg auf. Nachdem er eine Zeit lang über dem Ureinwohnerdorf gekreist war, entdeckte er etwa zehn Waorani, die sich am Fluss in Richtung der vier Fremdlinge bewegten.
»Es ist so weit, Freunde!«, rief er aufgeregt, als das Flugzeug wieder auf dem Sandstrand landete. »Sie sind unterwegs!«
Durch Funk wurde Nates Frau über die Begegnung informiert; um 16:30 Uhr sollte sie wieder am Apparat sein.
Nach dem Mittagessen machten sich die Männer daran, auf dem Sand einen Miniatur-»Dschungel« und das Modell eines Hauses aufzubauen: Daran sollte den Wilden demonstriert werden, wie sie einen Landestreifen anlegen konnten, falls sie daran interessiert wären, dass die weißen Männer zu ihnen kämen und bei ihnen lebten. Dann sangen die fünf Missionare gemeinsam, wie sie das so oft getan hatten, freudig und spontan:
»Wir vertrau’n auf Dich,
du Schirmer und Beschützer,
wir gehen nicht allein ins Feindesland.
Du machst uns stark,
wir sind in Dir geborgen und vertrau’n auf Dich!
Du hast uns ausgesandt.
In Deinem Namen, Retter und Befreier,
der Du hoch über alle Namen bist,
zieh’n wir hinaus;
Du sich’re Burg und Feste,
Du Herr des Himmels, Heiland Jesus Christ.
Wir geh’n im Glauben,
fühlen unsre Schwäche,
wir brauchen Deine Gnade Tag für Tag.
Wir preisen und anbeten Deine Liebe,
von der uns keine Macht je trennen mag.
Wir vertrau’n auf Dich,
Du Schirmer und Beschützer!
Dein ist die Schlacht,
und Dein wird sein der Ruhm,
wenn siegreich wir dereinst durch Perlentore
einziehen dürfen in Dein Heiligtum.«
Indem sie sich und alle ihre sorgsam ausgedachten Pläne in die Hände dessen gaben, der sie so unverkennbar bis hierher geführt hatte, warteten sie auf die Waorani.
Am gleichen Nachmittag, noch vor 16:30 Uhr, strömten die stillen Wasser des Curaray über die Leichen der fünf Kameraden, erschlagen von den Menschen, deretwegen sie gekommen waren, um sie für Christus zu gewinnen.
Die Welt sprach von einer grauenvollen, herzbeklemmenden Tragödie. Die Welt erkannte nicht die Wahrheit in Jim Elliots Glaubenssatz:
»Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, auf dass er gewinne, was er nicht verlieren kann.«
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Die gepflanzt sind im Haus des Herrn, werden grünen in den Vorhöfen unseres Gottes.
Psalm 92,14
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war das Buschwaldgebiet von Ontario zwischen Huron- und Eriesee noch ziemlich unberührt. Unter den vielen, die durch die Aussicht auf gutes, billiges Land dorthin gelockt wurden, befand sich auch die Familie Elliot aus dem südlichen Grenzgebiet Schottlands. Hundertfünfzig Kilometer westlich von Toronto siedelten sie sich bei Molesworth an, einem winzigen Dorf mit zwei Krämerläden, einer Schule, einem Gasthof, zwei Hufschmieden und zwei Kirchen. Unter Letzteren entschieden sich die Elliots naturgemäß für die schottisch-presbyterianische. Das war eine bedeutende Entscheidung, denn dort begegneten sie den MacAllisters, einer Familie aus Nordschottland. Sonntag für Sonntag trafen sich die acht Elliot-Kinder mit den elf MacAllister-Kindern. Diese Freundschaften führten schließlich zu vier Elliot-MacAllister-Ehen.
Eines dieser Paare, John und Margaret Elliot, besaß ein auf einem Hügel gelegenes kleines Holzhaus, umgeben von Obstgärten und Weideland. John war ein eifriger Viehhändler, geachtet wegen seiner ehrlichen Geschäftsmethoden und darauf bedacht, dass seine acht Kinder den Wert rechtschaffener Arbeit kennenlernten. An Gelegenheit hierfür fehlte es nicht. In den Ställen gab es Vieh zu füttern während des langen Winters von September bis Mai, ein großer Schuppen hinter der Küche musste mit Brennholz gefüllt werden, es gab Feldfrüchte zu säen, zu behacken, zu ernten und zu speichern, Ahornsaft zu sammeln und einzukochen, und natürlich waren Kühe zu melken und acht Hühner zu füttern. Hinzu kam häufig noch Hausarbeit, denn die Mutter der Kinder litt des Öfteren an heftigem Asthma, und diese Anfälle machten es schließlich nötig, dass der älteste Sohn, Fred, aus der Schule genommen wurde und zu Hause half. Da ihm so die restliche Schulausbildung versagt war, wurde er ein eifriger Leser und erwarb viele praktische Fertigkeiten, wenn er seinem Vater bei Zimmermannsarbeiten und beim Instandhalten der Maschinen half.
Als er vierzehn Jahre alt war, ging Fred mit seinem jüngeren Bruder Will nach Saskatchewan, um auf den Feldern bei der Ernte mitzuarbeiten, und von dort nach Britisch-Kolumbien. Fred bekehrte sich mit dreizehn Jahren, als man ihn gelehrt hatte, dass die Wiederkunft Christi nahe bevorstehe, aber erst in Britisch-Kolumbien, unter der Lehre von Harry Ironside, erkannte er, dass das Leben nur lebenswert war, wenn man es völlig in Gottes Hand legte. Er beschloss, sein Leben zur Verfügung zu stellen, und begann später mit Harry Ironside zu reisen, wenn dieser bei ländlichen Gemeinden im Nordwesten unterwegs war und predigte.
Um die gleiche Zeit, als John und Margaret Elliot in Ontario heirateten, lockte der Ruf »Auf nach dem Westen!« auch einen jungen Schweizer aus Bern, wo sein Vater Ingenieur bei der Stadtverwaltung war. Emil Luginbuhl kam mit seinem Geld bis Colorado, dort arbeitete er in einem Schmelzwerk, bis er so viel verdient hatte, dass er sich ein kleines Anwesen im Staat Washington kaufen konnte. Eines Tages erhielt er die Nachricht, dass die Tochter eines Bandwirkers in Amerika gelandet sei, mit der er in seiner Schweizer Heimat im Kirchenchor gesungen hatte. Sofort schrieb er ihr, und nachdem er sie dazu gebracht hatte, in den Westen zu kommen, wurden Emil Luginbuhl und Emma Maurer im Hause eines Methodistenpredigers getraut, zwei Kilometer von der jetzigen Stadt Roosevelt, Washington.
Inmitten des weiten Weidelandes des östlichen Washington schuf Emil durch Bewässerung eine schöne Oase; er zog Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, Kirschen, Aprikosen, Trauben, Erdbeeren sowie Blumen und Gemüse. Die Fülle war so groß, dass er nicht nur seine eigene Familie versorgen konnte, sondern auch die benachbarten Farmer aus dem Trockengebiet; sie kamen mit Pferdewagen und ließen sich ganze Kisten Früchte und Gemüse geben.
Wo keine Gärten oder Felder angelegt waren, lag Weideland für Schafe – weite, sanft geschwungene Hügel erstreckten sich bis zu den Vorhügeln des Mount Adams, über dem am Abend blaupurpurner Dunst hing. Die beiden Luginbuhl-Kinder, Jim und Klara, hatten nur eine Stunde am Tag zum Spielen. Für Jim war der Rest des Tages ausgefüllt mit den Arbeiten in den Ställen und Gehegen, für Klara mit Brotbacken, Hausarbeit und gelegentlichem Schafehüten.
Auf diese Farm mit dem großen, von hohen Pappeln umstandenen Holzhaus kam eines Tages Harry Ironside, der Reiseprediger, mit seinem jungen Freund Fred Elliot. Klara Luginbuhl war achtzehn und, wie sie glaubte, sehr verliebt in den damaligen Werkmeister ihres Onkels. Drei Jahre später allerdings, als sie in Portland Chiropraktik studierte, besuchte sie Gemeindeversammlungen in einer kleinen Baptistenkirche, in der Fred – Harry Ironside hatte ihn ermutigt, öffentlich zu sprechen – predigte, und sie nahm jeden Abend einen anderen Freund mit. Fred bemerkte das hübsche, blauäugige Mädchen am Montag und nahm an, ihr Begleiter sei ihr Erwählter. Am Dienstag jedoch hob sich seine Laune, als er an ihrer Seite einen anderen sah. Als er am Mittwoch einen dritten entdeckte, kam er zu dem Schluss, dass er doch noch Hoffnung haben könne, und er fragte sie, ob er sie am Donnerstag nach Hause bringen dürfe. Darauf sahen sie sich täglich. Ostern sandte Fred ihr eine Lilie, und es begann ein Briefwechsel, der drei Jahre anhielt, und danach, als Klara 1918 ihr Examen gemacht hatte, heirateten sie. Ihr Heim richteten sie sich in Seattle ein, wo Klara sich als Chiropraktikerin betätigte und Fred als Evangelist im Bezirk Puget Sound. 1921 kam ihr erstes Kind auf die Welt, Robert. Im Jahre darauf zogen sie nach Portland, Oregon, in ein kleines Haus, das Klaras Vater vor Jahren als Sommerhaus gekauft hatte. Dort wurden drei weitere Kinder geboren, im Jahre 1924 Herbert, 1927 Jim und 1932 Jane.
Klara hatte ihren Praxisraum direkt neben dem Wohnzimmer ihres Hauses, sodass sie ihren Finger stets am Puls der Familie haben konnte, denn sie sah in erster Linie die Kinder als ihre Verantwortung. Der Gedanke, Babysitter anzustellen, kam ihr gar nicht in den Sinn. Was die Familie nicht gemeinsam tun konnte, wurde einfach nicht getan. Die Elliot-Kinder wurden schon in Gottesdienste und in die Sonntagsschule mitgenommen, als sie sechs Wochen alt waren. »Ich finde, es schadet Kindern gar nichts, still zu sitzen und einen ganzen Gottesdienst für Erwachsene anzuhören«, erklärte Klara, »das ist gut für ihre Nerven.« Und wenn irgendwelche Einwände gemacht wurden, dass man sie nicht »mit Religion überfüttern« dürfe, ließen sich die Eltern nicht beirren. Sie wollten für ihre Kinder das Beste (»außer Geld, das zum Fluch werden kann«, sagten sie), und sie ließen es ihnen zukommen. Fred Elliot las seinen Kindern jeden Tag aus der Heiligen Schrift vor; er wollte ihnen vor allem die Herrlichkeit Christi zeigen, und er war stets bemüht, ihnen nicht Gesetzesfrömmigkeit oder eine Liste von Verboten zu vermitteln. »Ich betete, sowohl mit ihnen als auch für sie«, sagte er. Und jedes der Kinder vernahm schon früh Jesu Ruf und entschloss sich, Ihm zu folgen.
Jim war etwa sechs Jahre, als er eines Abends auf dem Heimweg von einem Gottesdienst zu seiner Mutter sagte: »Jetzt, Mama, kann der Herr Jesus kommen, wenn Er will. Er könnte unsere ganze Familie mitnehmen, denn ich bin jetzt gerettet, und Jane ist noch zu klein, sie kann noch nichts von Ihm wissen.«
Er begann, seinen kleinen Freunden zu erzählen, an was er außer der Errettung sonst noch glaubte – er setzte sich auf die Schaukel auf dem Rasenplatz und »predigte« ihnen.
Das Haus Elliot stand immer weit offen für Freunde, auch für Missionare aus allen möglichen Ländern der Erde. Auf die vier Kinder hatte dies einen tiefgehenden Einfluss. Sie lernten die Tugend der Gastfreundschaft kennen und bekamen Gelegenheit, vielerlei Arten von Menschen kennenzulernen.
»Die Kinder hatten Besuch immer sehr gerne, auch wenn sie dann ihre Betten abtreten mussten«, sagte Jims Mutter, »und weil sie zu Hause so oft mit neuen Menschen zusammenkamen, waren sie auch in der Öffentlichkeit frei von Gehemmtheit.«
In der Erziehung der Kinder wurde vor allem auf Gehorsam und Ehrlichkeit geachtet, während Unfug und Streiche manchmal übersehen und manchmal durch kurzes Schimpfen getadelt wurden. Die Eltern regten sich nie über etwas auf, nur dann, wenn sie vorhatten, auch durchzugreifen, denn sie fanden, dass leere Drohungen etwas Unehrliches und schädlich für das Gerechtigkeitsgefühl der Kinder seien. Wenn die Kinder vierzehn Jahre waren, wurde ihnen gesagt, von nun an seien sie für ihr Tun gegenüber Gott verantwortlich, da sie Ihn angenommen hätten als Erlöser und Herrn ihres Lebens.
»Und glaubt nicht, ihr würdet irgendwann mit etwas durchkommen, weil wir nichts davon wissen«, sagte ihnen ihre Mutter. »Gott weiß es doch, und Er hat Seine eigene Art zu strafen.«
Sie lernten auch das Leben draußen schätzen, im Winter rodelten sie auf dem Mount Hood, im Sommer veranstalteten sie Picknicks an der zerklüfteten Küste von Oregon oder fuhren zu Besuch auf den alten Hof der Familie Luginbuhl im Staat Washington. Die Eltern nahmen sie mit zu Viehausstellungen, brachten ihnen bei, wie man Obst, Gemüse und Tiere zieht, und nahmen teil an ihren Freuden. Jedes Kind hatte seine eigenen Hobbys, bei Jim war es das Bauen von Segelschiff- und Flugzeugmodellen, Briefmarkensammeln und Bücherlesen. Er interessierte sich auch lebhaft für Haus und Garten, sowohl für die Farbe der Vorhänge, für die Frühstücksecke oder den Teppich fürs Wohnzimmer, als auch für die Stechpalmen und die Rosenbüsche draußen. In der Schule hob seine Lehrerin seine zeichnerischen Leistungen hervor und behängte die Wände des Klassenzimmers mit seinen Bildern. Kunstinteresse war jedoch nicht das, was sein Schulkamerad Dick Fisher bei ihm wahrnahm:
»Ich war Schulhofwart, das heißt, wenn alle Schüler da waren, hatte ich den Fahrradschuppen abzuschließen. Auf Jim musste ich immer warten. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er jeden Morgen, wenn es schellte, angerast kam – erst die 80. Straße herunter, dann fegte er um die Ecke an der Adventistenkirche, rutschte über den Kies des Kirchplatzes und überquerte schließlich in voller Fahrt den Schulhof, bis er mit starkem Bremsen und in einer großen Staubwolke vor dem Fahrradschuppen stoppte, vom Rad heruntersprang, etwas murmelte, dass er sich verspätet habe, und sich bedankte, um dann in die Schule zu entschwinden. Das war während eines ganzen Jahres alles, was ich von diesem Ausbund an Eile, Ungestüm und Unbekümmertheit kennenlernte.«
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Als Jim auf die Polytechnische Oberschule in Bensan kam, wählte er als Hauptfach architektonisches Zeichnen. Die Schulzeitung war durchsetzt von seinen Leitartikeln, auch von Berichten über sein Auftreten als Star in verschiedenen Schulaufführungen. Ein Lehrer, der bei einer dieser Aufführungen Regie führte, sagte: »Einen so begabten Amateurschauspieler habe ich noch nie gehabt. Nach der Aufführung haben einige der anderen Lehrer mir zugeredet, ich müsse Jim unbedingt dazu ermutigen, zum Theater zu gehen.«
Er stand auch in dem Ruf, der beste Redner von Bensan zu sein. Anlässlich von Präsident Roosevelts Tod bekam er wenige Stunden vorher die Mitteilung, er solle eine Rede vorbereiten für eine besondere Versammlung, die für den Nachmittag anberaumt war. Einer seiner Lehrer erklärte nachher: »Er hielt die beste Rede, die ich von einem Schüler je gehört habe – und eine der besten, die ich überhaupt von irgendjemandem gehört habe.«
Auch Jims Volksschulkamerad Dick Fisher war auf die Schule in Bensan gekommen. Über seine Eindrücke von Jim erzählt er Folgendes:
»Ich selbst war lang und dünn. Jim war etwas kleiner, hatte aber eine gute Figur und braunes Haar und sah gut aus – die Mädchen schauten ihn immer zweimal an. Was ich am meisten an ihm bewunderte, war sein scharfer Verstand. Er begriff äußerst rasch, sowohl im Unterricht als auch sonst, während ich immer einen Kilometer hinter ihm zurückblieb.
Er versuchte dann, mir die Dinge in ganz einfachen Ausdrücken zu erklären …
Nach der Physikstunde hatten wir Zeichnen, und das Klassenzimmer war ungefähr fünf Häuserblocks entfernt. Mitten durch die Schule zu kurven auf überfüllten Korridoren, und zwar in den fünf Minuten bis zum nächsten Schellen, war nicht einfach. Ich sehe Jim noch vor mir, wie er sich schiebend und drängend seinen Weg bahnte mit vorgestrecktem Kinn, ein Bild an Zielstrebigkeit.
Auf seinen Schulbüchern hatte er obenauf meistens eine kleine Bibel liegen, und es brauchte nur zwei oder drei Zuhörer, damit er sie aufschlug und zu reden anfing. Vor dem Mittagessen betete er immer, und er ließ keine Gelegenheit verstreichen, mit mir über Jesus Christus zu sprechen und ob ich an den Himmel, die Hölle, das künftige Leben glaube und so weiter. Wenn er für eine Zusammenkunft eine Rede vorbereiten musste, zog er mich in ein leeres Zimmer, trug mir seine Rede vor und verlangte von mir ein kritisches Urteil. Anfangs lachte ich so sehr, dass er außer sich geriet, doch im Laufe der Zeit entwickelte er die richtige Vortragsweise, wuchtig und donnernd (sehr geeignet zum Wachhalten der Hörer).
Als die Rationierungen der Kriegszeit sich auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuwirken begannen, gingen Jim und ich dazu über, beim Nachhauseweg von der Schule per Anhalter zu fahren. Wir sparten dadurch nicht nur täglich einen Groschen, sondern hatten auch mehr Zeit, uns zu unterhalten und die großen Dinge dieser Welt zu erörtern. Eines Abends erzählte Jim mir von seiner Absicht, Präsident zu werden – ein Gedanke, mit dem er sich eine Zeit lang ganz im Ernst befasste.
Einmal nahm mich Jim nachmittags mit nach Hause zu seiner Familie. Bei diesem ersten Besuch fiel mir vor allem auf, wie viele Pflichten Jim zu Hause hatte und wie planvoll und methodisch er die Arbeiten erledigte. Er musste Hühner, Ziegen und Kaninchen füttern, die Heizung anzuwerfen, den Hof in Ordnung bringen, die eine oder andere Besorgung machen. Im Nu hatte er mich angewiesen, einen Teil der Arbeiten zu übernehmen; Jims Führerfähigkeiten machten immer weitere Fortschritte.
Jim und Dutch (Werner Durtschi) interessierten sich für Fußball, und nach längeren Diskussionen brachten sie auch mich dazu, mitzumachen. Jim spielte als Verteidiger. Im Fußballdress, kommt mir immer vor, habe ich nie etwas derart Komisches gesehen wie ihn. Er erinnerte mich an einen großen Elch mit X-Beinen, der gerade aus dem Wasser kommt. Der einzige Ruhm, auf den er in der Mannschaft Anspruch erheben konnte, war, dass er viel mehr Dreck auf seinem Gesicht anzusammeln verstand als alle anderen.
Jim wollte unbedingt mit Dutch und mir eine Zelttour machen. Nach verschiedenen Gängen zu den Altwarenhändlern am Hafen zwecks Einkauf von Ausrüstungsgegenständen fuhren wir an einem Freitagnachmittag nach der Schule per Anhalter los. Zu dritt sah man uns dastehen, Jim, Dutch und mich, jeder mit einem Gepäcksack und einer Flinte mit einer leeren Konservenbüchse obendrauf, um den Regen abzuhalten – für jeden Autofahrer eine verwegen aussehende Gesellschaft. Wir hielten immer eine Gebetsgemeinschaft, ehe wir auf eine Campingtour gingen, und ich dachte oft: Wenn wir einen Schutzengel hatten, dann musste er bei uns recht viel auf den Beinen sein, und sehr viel Schlaf bekam er nicht.
Uns drei zusammen hätte keiner mitgenommen, deshalb versteckten zwei sich im Gebüsch, und der Dritte winkte. Einmal, als ein Wagen anhielt, liefen wir alle drei hin, und der Fahrer fragte: ›Wie viele sind es?‹, und wir sagten, dass wir nur zu dritt wären und außerdem sehr klein – wir brachten es auch fertig, uns noch hineinzuquetschen zu den vieren, die schon drinnen saßen.
Am nächsten Tag, als wir an einem Golfplatz entlanggingen, hörten wir eine Ente quaken. Wir liefen über die kurz geschnittene Rasenbahn. Jim ging vornedraus, und als er die Ente sah, jagte er ihr eine Kugel in den Steiß, aber dann versagte seine Flinte. Dutch feuerte hinter meinem Rücken, die Kugel ging über die Ente hinweg. Den nächsten Schuss gab ich ab, und ich traf das Tier im Flug, sodass es etwa fünf Meter vom Ufer im See landete. Jim nahm einen Stock und versuchte, es herauszufischen, da hörten wir von hinten einen Schrei, und als wir uns umdrehten, sahen wir eine Frau, die wie wild mit den Armen fuchtelte und etwas schrie von einer Lieblingsente. Uns wurde ziemlich mulmig, aber Jim war entschlossen, unseren Siegespreis herauszuholen, was ihm schließlich auch gelang, obwohl er dabei ziemlich nass wurde. Bis wir uns aus dem Staub machen konnten, war die Frau schon ziemlich nah herangekommen, ganz außer sich schrie sie ›Mörder‹ und heulte, und so setzten wir uns schnell in Bewegung, liefen wieder über den Rasenstreifen und auf eine schützende Hügelwelle zu. Wir kamen uns ein wenig grausam vor, aber wir hatten uns gedacht, jede Ente, die fliegen könne, sei eine Wildente und somit ein jagdbares Wild für uns; die gute Dame allerdings in ihrer Verzweiflung tat uns leid, und wir baten den Herrn, sie zu trösten. Ein anderes Mal, als wir versuchten, über einen Stacheldraht zu kommen, um einen Bussard aus der Nähe anzuschauen, den ich geschossen hatte, kam ich aus Versehen an den Abzug meiner Flinte. Der Schuss ging durch Jims Haare. Das hat uns eine Zeit lang ziemlich gedämpft.«
Jims älterer Bruder Bert betrieb ein einträgliches Geschäft als Altwarenhändler, bei dem sich Jim und Dick Fisher samstags beteiligten. Bert steuerte den Lastwagen, während die beiden Jüngeren oben auf der Ladung saßen und mit ausrangierten Neonröhren nach vorüberfliegenden Möwen schlugen oder die am Vormittag gesammelten Altwaren nach brauchbaren Dingen durchwühlten. Auf diese Weise brachten sie genügend Ziegelsteine zusammen, dass sie sich einen Bratrost im Freien bauen konnten, genügend alte Flaschen, um am Supermarkt für den Erlös eine stattliche Anzahl Fleischpasteten zu kaufen, und außerdem eine gut sortierte Kollektion von Gebrauchsgegenständen, unter anderem verschiedene Herde, ein Bett, Stühle, einen Bettvorleger aus einem kompletten Bärenfell mit Kopf und sogar eine Garnitur Leichensezierinstrumente, die Jim auf den Gedanken brachte, Unterricht im Ausstopfen zu nehmen. Unter seinen ersten ausgestopften Beutetieren befand sich eine Möwe, die er auf einer der Sammelfahrten zur Strecke gebracht hatte.
Wenn die beiden, schwer bepackt mit ganzen Ladungen von Flaschen, den Supermarkt betraten, um sie zu verkaufen, machten ihnen die, die an der Kasse Schlange standen, schleunigst Platz. Bei kaltem Wetter trug Jim eine Helmmütze mit herabbaumelnden wollenen Ohrschützern, eine Schaffelljacke mit Wollkragen, eine Überhose und alte Schuhe mit abgetretenen Hacken – und alles duftete nach der Ladung auf dem Lastwagen.
»Wir gingen meistens jeden Samstag zweimal hin«, erzählte Dick Fisher. »Die armen Mädchen an den Ständen waren nicht erfreut, wenn sie uns kommen sahen.«
»Später«, berichtete Fisher weiter, »begannen wir uns für die Frage der Sklaverei in Afrika zu interessieren. Während ich der Ansicht war, dass man Gewalt anwenden müsse, um die Sklaverei zu brechen, interessierte Jim sich mehr dafür, wie man die Frage missionarisch angehen könnte. Ich wies sofort auf die Gefahren von Kannibalensuppe hin (nach einem altmodischen Rezept besteht sie aus einem Teil Missionar auf hundert Teile Wasser); Jims Widerlegung dieses Einwandes war sein Vertrauen auf den Herrn, durch den, wie er sagte, im Laufe der Zeit viel mehr Menschen befreit worden seien als jemals durch Gewehre.
Jemand hatte Jim eine Sammlung von Gedichten geschenkt, und er fing an, Stellen aus bekannten Werken auswendig zu lernen. Immer, wenn ich in der Stadt war, ging ich ihn abends besuchen. Er saß dann an seinem Schreibtisch, und wenn ich hereinkam, fing er an mit ›Sprach der Rabe: Nimmermehr‹.
Ich hörte dann mit offenem Mund und staunend zu, wie er mit großartigem Gebärdenspiel die ganze Sache rezitierte.
Bei Frauen war Jim immer sehr auf der Hut, er fürchtete, sie seien nur darauf aus, einen Mann von seinen Zielen abzubringen. ›Männliche Wesen, die sich zähmen lassen, sind fürs Wagnis wenig brauchbar‹, sagte er warnend. Sooft eine junge Dame bei einer Geselligkeit zu freundlich wurde und ich anzubeißen schien, hörte ich eine leise Stimme neben mir: ›Nimm dich in Acht, Fisher, nimm dich in Acht!‹
Als ich von Portland fortgegangen war und in Washington im Ministerium arbeitete, schlug Jim vor, dass wir uns unsere Briefe in Gedichtform schreiben sollten, zwecks Vervollkommnung in Stil und Satzbau. Ich konnte bei Weitem nicht so gute Verse schreiben wie Jim, besaß auch keinen solchen Wortschatz, aber ich lernte von ihm so viel wie möglich. Dann beschloss ich, statt immer nur der Nehmende zu sein, ihm meinerseits auch etwas beizubringen. Ich besorgte mir ein Buch über die Sprache der Tschinuk-Ureinwohner und sandte ihm ein Exemplar. Wir fingen an und schrieben unsere Briefe in der Tschinuksprache. Auf diese Weise entgingen sie auch der Zensur.«
Während ihrer Zeit in Portland machten Fisher, Dutch und Jim gemeinsam Touren, und manchmal waren sie wochenlang unterwegs, ohne dass die Eltern wussten, wo sie steckten. Doch nicht immer ließ Jim sich überreden, diese Eskapaden mitzumachen, besonders wenn sie übers Wochenende gingen, denn er nahm seine Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Gottesdienstes sehr ernst. Wenn sein Vater und Bert unterwegs waren, auf Evangelisationsfahrten in Arizona, fand Jim, dass er zu Hause sein sollte, um zu helfen, und dass er auch an den Sonntagsversammlungen teilnehmen sollte. Von solchen Fahrten schrieb sein Vater ihm oft Briefe; sie beeindruckten Jim sehr.
Fisher erzählt folgende Episode:
»Eines Freitagabends, als Jim und ich per Anhalter nach Hause fahren wollten, hatten wir ernste Schwierigkeiten, einen Wagen zu finden, der uns mitnahm. Da es regnete, standen wir am Eingang eines Ladens und liefen vor, sobald ein Auto ankam. An der Straßenecke war ein Stoppschild, und jeder Wagen musste anhalten. Nach einer Reihe falscher Alarme und leichter Verwirrung unsererseits kam ein älterer Herr angefahren. Während er nach links schaute, um zu prüfen, ob der Weg frei sei zum Überqueren der Hauptstraße, öffnete Jim die Wagentür – und wir saßen drinnen und hatten schon die Tür hinter uns zugemacht, bevor dem Fahrer aufging, was passiert war. Freundlich grinsend fragte Jim: ›Wie weit fahren Sie?‹ ›Sechzigste‹, stotterte der alte Herr. ›Das reicht für uns‹, sagte Jim, und wir fuhren mit bis zur Sechzigsten Straße, wo der Fahrer hielt und uns hinausließ. ›Vielen Dank für die Fahrt‹, sagte Jim, doch der alte Herr blickte drein, als ob er es sei, der mitgenommen worden war und sich zu bedanken hätte. Jim und ich konnten uns vor Lachen kaum noch halten, aber diesen Trick versuchten wir nicht wieder.«
Die Schuljungenstreiche lenkten Jim nicht von seinem Ziel ab, Gott zu dienen. Werner Durtschi, der Dritte im Bunde, erinnert sich an Folgendes:
»Eines Tages, kurz vor Jims letztem Schuljahr, sah ich ihn um den Sportplatz laufen und trainieren. Ich fragte ihn, wozu er das tue. Er sagte: ›Körperliche Übung ist für einiges nützlich.‹ Er kräftigte seinen Körper für die Strapazen des Missionarlebens.«
Ein anderer Klassenkamerad, Wayne McCroskey, erzählt:
»Jim und ich waren Mitglieder des Rednerklubs, dessen Satzung unter anderem besagte, dass man mit Ausschluss bestraft wird, wenn man eine zugewiesene rednerische Aufgabe nicht erfüllt. Der Klubvorsitzende gab uns während des Wahlkampfs Roosevelt – Dewey eine politische Rede auf, aber als Jim aufgerufen wurde, sagte er, er habe keine Rede. Der Vorsitzende machte ein besorgtes Gesicht, denn Jim war die stärkste Stütze des Klubs.
›Jim‹, sagte er, ›du kennst die Regeln. Wenn du keine Rede hältst, werde ich keine andere Wahl haben, als dich auszuschließen. Also komm schon. Vorbereitung hast du ja nicht nötig. Halt uns eine Stegreifrede über deinen Kandidaten.‹
Jim sah ihm genauso gerade in die Augen und sagte: ›Ich habe keinen bevorzugten Kandidaten, und ich halte auch keine Rede‹, und, indem er aufstand, ›es wird mir aber ein Vergnügen sein, dir die Gründe zu erklären, wenn du möchtest.‹
Dem Vorsitzenden ging mit einem Mal ein Licht auf. Jim hatte ihm von seiner Auffassung erzählt, wie er die Bibel verstehe – dass ein Jünger Jesu sich nicht an Krieg und Politik beteiligen könne. Verlegen erwiderte der Vorsitzende: ›Das ist nicht nötig, Jim. Ich glaube, wir alle verstehen deine Gründe, und ich verzichte auf die Einhaltung der Regel. Du bist entschuldigt.‹
Obwohl ich den gleichen Standpunkt vertrat wie Jim, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, meine Mitgliedschaft im Klub aufs Spiel zu setzen wegen eines so geringen Anlasses. Jims Haltung war die Haltung von Esther: ›Komme ich um, so komme ich um.‹«
Der Zweite Weltkrieg war während Jims Oberschulzeit schon im Gang, und obwohl er nie einen Stellungsbefehl bekam und daher nicht gezwungen wurde, sich offiziell als Kriegsdienstverweigerer zu bekennen, stand seine Meinung über diese Frage fest. Er war der Überzeugung, die Gemeinde Christi habe, im Gegensatz zur israelitischen Gemeinschaft in der Zeit des Alten Bundes, alle nationalen und politischen Bindungen abgelegt – in den Worten des Neuen Testaments: »Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten« (Philipper 3,20).
Jim war der Ansicht, dass der Grundsatz, den Jesus ein für alle Mal am Kreuz demonstriert habe, nämlich keinen Widerstand zu leisten, befolgt werden müsse, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Leben.
Das Kriegsproblem gehörte zu denen, die er mit Klassenkameraden und Lehrern ausgiebig erörterte, und natürlich verringerten seine Ansichten seine Beliebtheit. Das Gleiche passierte, als er einen jungen chinesischen Prediger, Mun Hope, zu einer Schülerversammlung einlud. Der junge Chinese hielt vor dem gesamten Lehrkörper und sämtlichen Schülern eine unverfälscht biblische Predigt über Sünde und Gericht. Die beiden genannten Faktoren verdarben – nach dem Urteil von Fisher – Jims (ursprünglich beträchtliche) Chance, Klassenführer zu werden.
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Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut. Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.
1. Korinther 8,1-3
Mancher Student, der an die Universität kommt und ins College einzieht, hat keine klare Vorstellung, wozu er nun eigentlich da ist. Er soll, wie es verschwommen heißt, »Bildung erwerben«, aber das haben viele auch ohne Universitätsstudium getan, und viele sind zur Universität gegangen, ohne Bildung zu erlangen. Der Gedanke des Bildungserwerbs tritt dem neuen Studenten in einer verwirrenden Vielfalt von Formen gegenüber – Vorlesungsverzeichnis, Arbeitspläne, Aufnahmeprüfungen, feierliche Empfänge durch die Fakultät; der Wirbel der Einschreibungstage mit den Schlangen wild drängender Studenten, die sich für die ausgewählte Vorlesung eintragen wollen, bevor der Lautsprecher krächzend verkündigt, dass weitere Einschreibungen für »Einführung in die Geschichte« nicht mehr möglich sind; Lehrbücherverzeichnisse, Anmeldungen bei Professoren, die fürs Erste nur Namen sind, Pflichtfächer und Wahlfächer; die Stände der Gruppen und Organisationen; Gebühren für Sport, für chemische Laborplätze, Essensmarken, Zimmerschlüssel – all das ist in dem allgemeinen Ausdruck »Bildung« irgendwie mit eingeschlossen, und ein Student, auf dessen Werteskala die Aufnahme in die Gesellschaft und gesellschaftliches Ansehen ziemlich weit oben stehen, wird leicht in einen Strudel von außerlehrplanmäßiger Betriebsamkeit hineingezogen, von dem er oft nur mühsam wieder entkommt.
Als Jim Elliot im Herbst 1945 in das Wheaton College in Illinois einzog, lag sein Ziel klar vor ihm. Vor allem hatte er sich ganz Gott übergeben, und ihm war klar, wie viel Disziplin das unter anderem erfordern würde.
»Niemand, der Kriegsdienste leistet, verwickelt sich in die Beschäftigungen des Lebens, damit er dem gefalle, der ihn angeworben hat« (2. Timotheus 2,4).