Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH
[4]Prof. Dr. Sebastian Kernbach: Assistenz-Professor für Kreativität und Design am MCM Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement, Universität St. Gallen, Visiting Fellow Stanford University, Gründer und Leiter des Life Design Labs (www.lifedesignlab.ch)
Prof. Dr. Martin J. Eppler: Ordinarius für Medien- und Kommunikationsmanagement, Direktor des MCM Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement, Universität St. Gallen
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Print: ISBN 978-3-7910-4922-9 | Bestell-Nr. 10544-0001 |
ePub: ISBN 978-3-7910-4923-6 | Bestell-Nr. 10544-0100 |
ePDF: ISBN 978-3-7910-4924-3 | Bestell-Nr. 10544-0150 |
Sebastian Kernbach/Martin J. Eppler
Life Design
1. Auflage, Oktober 2020
© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht
GmbH
www.schaeffer-poeschel.de
service@schaeffer-poeschel.de
Einbandgestaltung: Malte Belau
Illustrationen, Gestaltung und Satz: Malte Belau
Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner
Lektorat: Elke Schindler, Spabrücken
Schriftschnitt „Gilbert“: © Gilbert Baker (Creative Commons
Attribution-ShareAlike 4.0 International license)
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Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Ein Unternehmen der Haufe Group
Vor zwei Jahren hätten wir nicht gedacht, welchen großen Einfluss und welche konkreten Auswirkungen das Thema Life Design für viele Menschen hat, von Studierenden, Managern und Mitarbeitern in Organisationen bis hin zu uns selbst!
Nehmen wir Martina, die als „Director People and Culture“ bei Deloitte nicht nur Life Design für bewusstere Karriereentscheide verwendet, sondern auch die Zukunftsszenarien-Methode zusammen mit ihrer Familie zur Verwirklichung ihrer Vorhaben nutzt. Nehmen wir einen ehemaligen Designer von Adidas, der sich aufgrund des Life-Design-Ansatzes wieder um das Thema Adoption kümmert, welches er die letzten Jahre verdrängt hatte. Nehmen wir den Bankangestellten Rainer, der nach jahrelangem Abwägen nun endlich sein Sabbatical in Angriff genommen hat und es durch kleine Experimente am Wochenende bereits jetzt ausprobiert. Dies sind nur drei von zahlreichen Beispielen, die wir in den letzten Jahren auf unserer Life-Design-Reise erleben durften.
Wir möchten Sie, liebe Leserinnen und Leser, in diesem Buch auf diese Reise mitnehmen, Ihnen acht wertvolle Life-Design-Prinzipien vorstellen, unser Life-Loops-Modell für nachhaltige Veränderung zeigen und Ihnen weitere beeindruckende Beispiele und Anekdoten erzählen, die Mut und Lust machen, das eigene Leben neu zu gestalten, egal ob als junger Erwachsener, als Managerin oder Mitarbeiter einer Organisation oder als Rentner.
Begonnen hat diese Reise für uns im Silicon Valley in Kalifornien an der Universität Stanford. Dort wurde die Innovationsmethode Design Thinking erfunden, die mittlerweile als eine der populärsten Innovationsmethoden gilt und seit ihrer Erfindung Millionen von Menschen geholfen hat, indem sie sowohl Unternehmen als auch die Gesellschaft bei der Lösung von Herausforderungen und dem Streben nach Visionen unterstützt hat. So wurde mit Design Thinking beispielsweise Kindern die Angst vor Kernspintomographie-Untersuchungen genommen. Der Vermittler von Unterkünften und Erlebnissen, AirBnB, entwickelte sich durch Design Thinking von einem nicht wahrgenommenen Start-up zu einem erfolgreichen Großunternehmen. Design Thinking erlaubte den Mitarbeitern, neue Dinge auszuprobieren, auch ohne Technologie. So wurde ihnen u. a. die Bedeutung von guten Fotos der Unterkünfte bewusst. Dies erwies sich als zentraler Erfolgsfaktor für AirBnB.
Vor ein paar Jahren haben die Stanford Professoren Bill Burnett und Dave Evans diese Innovationsmethode (Burnett & Evans, 2016) erstmals auf Personen angewandt und den Studie[11]renden mit Design Thinking geholfen, ihr Leben auf dem Campus mit „Design Your Stanford“ besser zu organisieren. Kurz danach weiteten sie den Ansatz auf weitere Studierende aus. Sie wollten den Teilnehmern helfen, besser zu verstehen, was sie nach dem Studium machen wollen und dadurch klarere Entscheidungen zu treffen. Der Kurs hieß und heißt „Design Your Life“ und ist zum populärsten Kurs der Universität Stanford geworden. Das Buch dazu wurde zum New-York-Times-Bestseller.
Vor zwei Jahren ließ sich einer der beiden Autoren dieses Buches, Sebastian Kernbach, im Life Design Studio in Stanford in Design Your Life ausbilden. Er hat daraufhin 2018 das Life Design Lab an der Universität St. Gallen gegründet. Die Kurse an der Universität St. Gallen erfreuten sich großer Beliebtheit und waren schnell aus- und überbucht. Wir haben schnell gemerkt, dass der Life-Design-Ansatz den Kursteilnehmenden geholfen hat, bestehende Glaubenssätze, wie z. B. „Das Leben ist kein Wunschkonzert“ zu hinterfragen. Dadurch verharren die Teilnehmenden weniger im Konjunktiv, im Sinne von „Ich würde ja, wenn ich mehr Zeit hätte“ oder „Ich könnte sicher, wenn ich mehr Klarheit hätte“, sondern kommen vom Denken ins Handeln und erschaffen echte Erlebnisse und damit neue Realitäten, mit denen sie mehr von sich in ihr Leben bringen.
Von Beginn an passten wir den Kurs und dessen Inhalte an das europäische Publikum an und entwickelten aus der Erfahrung mit Hunderten von Teilnehmenden aus Vorlesungen und Workshops unser eigenes Modell, neue Methoden und acht Life-Design-Prinzipien, die wir Ihnen in diesem Buch vorstellen. Wir glauben an die Macht von Methoden, auch und gerade dann, wenn sie das eigene Leben betreffen; nicht Methoden im Sinne von fertigen Kochrezepten oder kühlen Techniken, sondern eher als spielerische Impulse, sich selbst neu zu erfinden. Design Thinking als kreative Methode ist dabei besonders geeignet für die Anwendung auf die eigene Karriere- und Lebensentwicklung.
Wir nennen unseren Ansatz Life Loops, weil der Loop als wiederkehrende Erlebnis- und Lernschleife ein zentraler Bestandteil von Life Design ist. Dabei geht es darum, durch Experimente und Prototypen konkrete Erfahrungen und Realitäten zu schaffen und von diesen zu lernen. Der Loop ist eine wiederkehrende Möglichkeit, zu experimentieren und zu reflektieren und dabei andere in den Lernzyklus zu integrieren.
Zu Beginn macht man dabei kleine Loops und risikofreie Experimente, um diese dann sukzessive zu vergrößern und auf andere Lebensbereiche auszuweiten. „Lebe Dein Leben in Loops“ ist dabei die Grundhaltung, getreu dem dänischen Philosophen Sören Kierkegaard, der postulierte, dass man das Leben vorwärts leben muss, aber nur rückblickend verstehen kann.
Mit dem Life Design Lab an der Universität St.Gallen verfolgen wir das Ziel, den Life-Design-Ansatz kontinuierlich weiterzuentwickeln und getreu dem HSG-Motto „From insight to impact“ die Erkenntnisse aus Verhaltensökonomie, Positiver Psychologie, Kreativität und anderen Bereichen zu nutzen und durch Life Design anwendbar zu machen. Wir möchten damit Einzelpersonen, Teams und Organisationen dazu zu verhelfen, mehr von sich in ihr Leben zu bringen und damit eine gesündere Gesellschaft zu kreieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, entwickeln wir neue Kurs- und Workshopformate für Studierende, Manager, Organisationen, Kinder und junge Erwachsene, Senioren und weitere. Wir erforschen die Wirkung der Life-Design-Methode mit verschiedenen Forschungsprojekten, u. a. zu Themen wie Affekt-Regulation, Psychologisches Kapital oder der Rolle von Wissensvisualisierung im Life-Design-Prozess. Wir teilen unsere Erkenntnisse mit der wissenschaftlichen Community und der Öffentlichkeit durch Publikationen, Vorträge und Anlässe.
Bei diesen Vorhaben kooperieren wir innerhalb der Schweiz mit der Klubschule Migros. Diese bietet seit August 2020 durch uns konzipierte Life-Design-Kurse an. Zudem unterstützt uns der Beirat des Life Design Labs, bestehend aus: Prof. Dr. Jerome Rossier, Universität Lausanne, Editor des Handbook of Life Design; Prof. Dr. Willibald Ruch, Universität Zürich, Positive Psychologie; und Prof. Dr. Eugene Horber, Universität Genf, Direktor der Swiss Summer School.
Mehr Informationen zum Lab finden Sie unter
www.lifedesignlab.ch.
Unser Ansatz wird mittlerweile nicht nur von Studierenden, sondern auch von vielen Praktikern verwendet, so etwa in öffentlichen Workshops oder in Organisationen wie der ETH Zürich, Unilever, der Kreativagentur Jung von Matt oder bei der Schweizer Börse. Diese und viele weitere Organisationen setzen auf Life Design, weil sie damit persönliche und organisationale Entfaltung und Veränderung voranbringen. Unser Prinzip „Erzähl mir mehr“ hat es sogar in das Manifest einer der kreativsten Agenturen der Schweiz geschafft.
Andreas Scheuber, zuständig für Talent Management bei der Schweizer Börse, formulierte den Mehrwert unseres Life-Design-Ansatzes dabei so: „Anfangs war ich skeptisch und dachte – „noch so eine Bling-Bling-Idee aus Kalifornien, die [13]übermäßig gehypt wird“. Mittlerweile bin ich begeistert und habe gesehen, wie euer Life-Design-Ansatz unsere Führungskräfte maßgeblich in ihrer professionellen, aber auch persönlichen Entwicklung unterstützt, indem er ungeahnte, neue Handlungsoptionen eröffnet“.
Neben der Weiterentwicklung unseres Life-Loops-Ansatzes und der Verbreitung in der Praxis wollen wir die Wirksamkeit der Life-Design-Methode durch empirische Forschung aufzeigen und weitere Forschende und Praktiker für das Thema begeistern. Dafür machen wir selbst verschiedene Studien zum Thema Life Design und arbeiten die relevante Literatur auf. Insbesondere die wissenschaftliche Verankerung der Life-Design-Methode liegt uns am Herzen. Wir möchten aufzeigen, wie sehr dieser Ansatz dem Einzelnen und damit auch der Gesellschaft helfen kann, mehr von sich in das eigene Leben zu bringen und sowohl physisch als auch mental und emotional gesünder zu leben. Damit zahlt Life Design auf das Ziel „Gesundheit und Wohlbefinden“ für nachhaltige Entwicklung ein, eines von 17 verabschiedeten Zielen der Vereinten Nationen, um eine bessere und nachhaltige Zukunft für alle Menschen auf diesem Planeten zu schaffen.
Wir hoffen, dass Sie dieses Buch inspiriert und instruiert, damit Sie sich und anderen helfen können, mehr von sich in das eigene Leben zu bringen. Wir wünschen Ihnen viel Freude, erstaunliche (Selbst-) Erkenntnisse und spannende Experimente!
Sebastian Kernbach und Martin J. Eppler, im Sommer 2020
Kennen Sie die Situation, dass eigentlich alles in Ordnung ist, aber doch irgendetwas fehlt? Würden Sie gerne etwas beruflich oder privat in Ihrem Leben verändern, wissen aber nicht, wo Sie beginnen sollen?
Vielleicht ist es aber auch so, dass Sie bereits viele Ideen und Visionen haben. Sie kommen aber nicht wirklich dazu, diese Ideen umzusetzen. Falls Sie in einer dieser Situationen oder einer ähnlichen Situation sind, dann ist Life Design eine wichtige Methode für Sie.
Life Design hilft Ihnen zu verstehen, was Sie antreibt, was Sie ausmacht und was Ihnen wichtig ist. Life Design kann Ihnen helfen zu verstehen, warum Sie gewisse Wünsche haben. Wenn Sie noch keine Wünsche haben, hilft es Ihnen, neue Ideen für die Verbesserung Ihres Lebens zu entwickeln. Life Design kann Ihnen insbesondere helfen, Ihre Ideen in die Tat umzusetzen.
Life Design hilft Ihnen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und mit einem fehlenden oder falschen Verständnis Ihrer Herausforderungen oder Wünsche unproduktive Schnellschüsse zu machen. Der Life-Design-Ansatz hilft Ihnen, davon wegzukommen, dass Sie „alles“, „auf einmal“ und „für immer“ verändern sollten. Machen Sie es stattdessen schrittweise, fokussieren Sie sich auf einen Aspekt und machen Sie kleine Experimente. Damit entfliehen Sie auch Ihren möglichen Glaubenssätzen, wie z. B. „dieser Wunsch ist so groß, da komme ich sowieso nie hin“.
Dieses Buch hilft Ihnen, zum Life Designer zu werden und mit dem Life-Loops-Ansatz Ihr Leben vorwärts zu leben, sozusagen aus dem Beifahrersitz in den Fahrersitz des Lebens zu steigen, Dinge auszuprobieren, Mutausbrüche zu haben und mehr von sich in Ihr Leben zu bringen. Und Sie werden sehen, dass es dafür keine heroisch drastischen Schritte braucht. Eine kleine Veränderung einer bestehenden Routine kann bereits viel auslösen und den Life Loop (mehr dazu später) in Gang setzen.
Sie sind mit diesen Themen nicht alleine. Auf der einen Seite gibt es alarmierende Statistiken zur Verbreitung von Burnout, Stress und anderen psychischen Erkrankungen. Gemäß einer Studie zum betrieblichen Gesundheitsmanagement der Pronova BKK im Jahr 2019 in Deutschland glauben 50% der Befragten, von Burnout bedroht zu sein, 61% leiden unter Rückenschmerzen und anhaltender Müdigkeit und 59% verspüren innere Anspannung. Zudem zeigt eine Gallup-Studie, dass nur 13% der Mitarbeitenden weltweit engagiert am Arbeitsplatz sind, 63% sind nicht engagiert, ihnen fehlt es vor allem an Motivation. 24% koppeln sich aktiv von der Arbeit ab und sind sowohl unglücklich als auch unproduktiv und beeinflussen damit andere Mitarbeitende. Auf der anderen Seite wird der Wunsch nach mehr Erfüllung, Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit immer größer. Die Positive Psychologie wird 1954 erstmals von Abraham Maslow erwähnt und erfährt durch Martin Seligman während seiner Amtszeit als Präsident der American Psychology Association (APA) seit 1998 mehr Popularität. Mittlerweile sind 24 Charakterstärken sowie die fünf Säulen PERMA für mehr Engagement, Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit etablierte Konzepte, die immer mehr verbreitet sind. Sie zahlen darüber hinaus auf das Ziel der Vereinten Nationen ein, die Gesundheit und das Wohlbefinden für Menschen aller Altersklassen im Rahmen der Agenda 2030 zu fördern.
Ob es Ihnen darum geht, Ihren Stress zu reduzieren oder Ihr Engagement am Arbeitsplatz zu erhöhen, oder ob Sie mehr Sinnhaftigkeit und Erfüllung in Ihre Arbeit und Ihr Leben bringen wollen, Life Design unterstützt Sie in dieser Entwicklung. Es hilft Ihnen vor allem dabei, nicht nur zu analysieren oder sich zu quälen, sondern Ihre Gedanken in Ideen und Taten zu verwandeln, denn „der Mensch weiß so viel, wie er in die Tat umsetzt“ (Maximen von Franziskus, Legenda Perusina). Dadurch können Sie mehr von sich in Ihr Leben bringen, denn „die Zeit heilt alle Wunden, bis auf die Spur, die das nicht gelebte Leben hinterlassen hat.“ (Sophia de Mello Breyner Andresen).
Genau so ging es dem bekannten Schwimmer Michael Phelps, der an vier Olympiaden 23 Goldmedaillien gewann, und der aus seinem Vorruhestand zurückkehrte, weil er sich nie fragen wollte, was noch hätte sein können. Michael Phelps ist übrigens ein großer Fan eines zentralen Aspektes von Life Design und zwar den kleinen Schritten, um vom Denken ins Handeln zu kommen. Auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept sagte Phelps: „Ich bin der Typ, der an Vorgängen und am [16]Prozess Freude hat. Ich liebe die winzigen Schritte, die für das Vorankommen wichtig sind.”
Und „am Ende stellt sich die Frage: Was hast Du aus Deinem Leben gemacht? Was Du dann wünschst getan zu haben, das tue jetzt.“ (Erasmus von Rotterdam). Life Design ermöglicht Ihnen, genau diese Wünsche zu erkennen und zu verstehen, was dahintersteckt, und jetzt damit zu beginnen. Packen Sie es an und lassen Sie sich von den Anekdoten, Methoden, Übungen und Beispielen in diesem Buch und den nun folgenden Studienergebnissen beflügeln.
Gemäß einer Studie zur Wirksamkeit von Life Design hat die University of Southern California anhand von 74 Vollzeit- und Teilzeitstudierenden, die mitten im Berufsleben stehen, aufzeigen können, dass die Teilnehmenden eines Design-Your-Life-Workshops signifikant weniger Angst um ihre Karriere empfanden, mehr Dankbarkeit und Hoffnung für die Zukunft hatten und vor allem mehr Handlungsfähigkeit bezüglich ihrer Karriere aufwiesen.
Warten Sie also nicht ab, bis es zu einer Krise kommt, sondern gehen Sie aktiv mit Ihren Herausforderungen um. In Krisenzeiten, z. B. während der Corona-Pandemie, gibt die außerordentliche Situation mehr Legitimierung für Experimente, weil alle Verständnis für die Situation haben und man Empathie für das Gegenüber hat. „Not macht erfinderisch“ heißt [18]es, und das Gefühl, dass wir alle in einem Boot sitzen, macht das kreative Experimentieren möglich und nötig. Wir sehen bekannte Personen wie den Sänger von Coldplay, Chris Martin, der sich mit seinem Handy beim Klavier spielen filmt, TV-Sender, die mit neuen Sendeformaten via Videoanrufe experimentieren und viele After-Work-Drinks, die nun virtuell stattfinden. Warten Sie jedoch nicht, bis es zur Not- und Krisenlage kommt. Seien Sie auch außerhalb von Krisen erfinderisch und geben Sie sich die Legitimierung zu mehr Kreativität und Mutanfällen, um mehr Sinnhaftigkeit, Bedeutung und mehr von sich in Ihr Leben zu bringen – unabhängig von Krisen.
Es heißt so oft, dass man doch nur seiner Passion folgen solle, dann würde man keinen Tag im Leben mehr arbeiten. Und es zeigt sich tatsächlich, dass viele Leute gewillt sind, mehr Leidenschaft in ihr Leben zu bringen und ihre Passion zum Beruf zu machen. „Seine Passion zum Beruf zu machen“ einer der vielen Glaubenssätze, die wir mit einem zweiten Blick betrachten sollten. Warum?
Zunächst einmal ist es so, dass nicht alle Leidenschaften dazu gemacht sind, dass man mit ihnen Geld verdienen kann oder alleine davon leben möchte. Nur weil Sie eine Passion für das Fotografieren oder Hip-Hop-Musik haben, müssen Sie nicht direkt Fotograf oder Musikerin werden. Im Gegenteil, nicht selten verlieren Passionen ihren Reiz, wenn man mit ihnen Geld verdienen muss und sie nicht nur so zum Spaß machen kann.
Darüber hinaus gehen viele davon aus, dass Passion etwas ist, was man nur irgendwie finden muss, was sich irgendwann herauskristallisieren wird oder was sich ohne viel Aufwand finden lässt. Dabei geht es in Wirklichkeit nicht darum, Ihre Passion endlich zu finden, sondern Ihre Passion schrittweise zu entdecken und zu entwickeln.
Gemäß einer Studie der Universität Yale haben Menschen mit einer fixen Haltung die Annahme, dass sie ihre Passion innerhalb ihrer [17]bestehenden Interessen finden würden und dass es wenig Aufwand bedeuten würde, dieser Passion zu folgen. Sie gaben bei den ersten Schwierigkeiten signifikant schneller auf als die Menschen mit einer wachstumsorientierten Haltung, die ihre Passionen auch außerhalb ihrer gewohnten Sphäre suchen und mögliche Schwierigkeiten als Teil der Reise akzeptieren.
Prof. Jachimowicz von der Harvard Universität fügt in seinem Artikel im Harvard Business Review (2019) hinzu, dass wir eben nicht warten sollten, bis uns die Passion findet. Vielmehr sollten wir die eigene Passionen aktiv suchen und entwickeln, auch außerhalb der bekannten Sphäre. Weiter schlägt er vor, dass es bei einer Passion nicht in erster Linie darum geht, was einem „Spaß“ macht, sondern was einem wichtig ist und worauf man Wert legt. Also sollte man sich statt „Was macht mir Spaß?“ besser fragen „Was ist für mich bedeutsam?“
In ihrem Buch und Forschungsprojekt zu „Working Identity“ zeigt Prof. Herminia Ibarra (2004) von der London Business School zudem, dass eine Anpassung oder Neugestaltung der Karriere nicht durch bloße Reflexion oder Planung geschieht, sondern durch das Umsetzen der Gedanken. Geburtshelfer dafür sind die Erschaffung möglicher Zukunftsvarianten mithilfe des Ausprobierens, von neuen Beziehungen, von Networking und durch das Bewusstmachen der eigenen Geschichte. Diese Ergebnisse gehen Hand-in-Hand mit den Erkenntnissen des Journalisten Po Bronsen, der mehr als 900 Personen über die Weiterentwicklung und Neugestaltung ihrer Karrieren befragte. Er fand heraus, dass es bei den meisten nicht über Nacht erfolgte, dass es mehrere Jahre mit mehreren Versuchen und Experimenten brauchte und dass die Reise eher einer kurvigen Straße als einer geraden Linie glich.
Sie sehen also, dass es nicht darum geht, passiv auf den Moment zu warten, an dem sich die Passion zeigt, sondern diese Leidenschaft aktiv zu erkunden und zu entwickeln. Sie können als Life Designer mit dem Life-Loops-Ansatz eben genau diese kleinen Experimente wagen und daraus mit einer wachstumsorientierten Haltung lernen.
Daher lohnt sich ein zweiter Blick auf Glaubenssätze wie „seine Passion zum Beruf machen“ und vielleicht auch auf andere wie „Schuster, bleib Deinen Leisten“ oder „das Leben ist kein Wunschkonzert“. Überlegen Sie, welche Grundsätze Sie haben und woher diese kommen und erlauben Sie sich einen zweiten Blick darauf. Denn dieser kann Augen öffnen und vermeintliche Barrieren zur Seite schieben, damit Sie mehr von sich in Ihr Leben bringen können.
Wenn Sie souveräner mit Ihren Herausforderungen oder Ihren Wünschen und Visionen umgehen wollen, dann eignet sich die Innovationsmethode Design Thinking besonders gut. In erster Linie geht es bei dieser Methode nicht darum, dass Sie Ihr bestehendes Problem direkt lösen, sondern dass Sie Ihr richtiges Problem zunächst erstmal finden. Auf Basis dieses Problemverständnisses können Sie dann mithilfe von Kreativitätsmethoden, mit Übungen aus der Positiven Psychologie und durch eine spielerische Haltung neue Ideen entwickeln. Danach sollten Sie Ihre Ideen und Experimente zügig in die Tat umsetzen, um von diesen Experimenten zu lernen und iterativ (d. h. in wiederkehrenden Phasen) Lernfortschritte zu machen.
Dieser Ansatz ist grundsätzlich hilfreich für Veränderungen im Beruf und im Leben und insbesondere in Zeiten des Wandels,
Das Modell, die Methoden und insbesondere die Haltung von Life Designern hilft Ihnen, Schritt für Schritt Ihre aktuellen Herausforderungen, Visionen und Fragestellungen zu leben und im Sinne des Life-Loops-Ansatzes Ihr Leben in Erlebnis- und Lernschleifen voranbringen. Sie werden sehen, wie Ihnen der Prozess des Kreierens, im Sinne von „machen ist wie denken, nur krasser“, hilft, Ihre physische und psychische Gesundheit zu stärken. Sie werden stressresistenter, engagierter in Beruf und im Leben, steigern Ihr Wohlbefinden und haben mehr Erfüllung, indem Sie mehr von sich in Ihr Leben bringen.
ABBILDUNG 1: MIT LIFE DESIGN DEN EIGENEN TRÄUMEN IN KLEINEN SCHRITTEN NÄHERKOMMEN
Lassen Sie sich dabei nicht von vermeintlich spektakulären Geschichten aus den Medien ablenken, wie z. B. dass ein erfolgreicher Broker von der Wall Street alles aufgegeben hat, um heute ein kleines Hotel in Süditalien zu führen. Durch diese glorifzierenden Darstellungen bekommen wir nicht selten ein vereinfachtes Bild. Dieses suggeriert, dass es ohne großen Aufwand möglich ist, sein Leben radikal zu verändern. Sie werden jedoch sehen, dass es in der Realität oftmals einige Experimente braucht, um besser zu verstehen, was wir wirklich wollen, und das richtige Setup für uns zu finden. Daher sind das iterative, schrittweise Vorgehen aus dem Design Thinking und ein kontinuierlicher Lernprozess so wichtig. Anstatt den weit entfernten Traum (ein Leben lang) zu träumen und sich von jetzt auf gleich dorthin zu wünschen, gehen Sie es mit Experimenten und Prototypen schrittweise an.
Eine weitere Inspirationsquelle, um mit kleinen Schritten und Experimenten innovativ und kreativ zu sein, sind Online-Plattformen wie Expedia, Booking oder Amazon, die täglich Tausende von Experimenten gleichzeitig durchführen, um das Erlebnis auf der Website kontinuierlich zu verbessern. Bei einer solchen Menge von Experimenten kann man schon fast von einem Super-Loop sprechen. Prof. Stefan Thomke von der Harvard Universität hat jahrelang zu diesem Thema geforscht und kommt zu dem Schluss, dass „Unternehmen Experimente und die damit verbundene Neugierde als integralen Bestandteil ihres Unternehmens kultivieren müssen, um erfolgreich Veränderungen und Innovationen zu fördern“ (Thomke, [20]2020). Keine Angst, Sie müssen jetzt nicht täglich Tausende von Experimenten wagen, aber Sie sehen, dass der Loop eine bewährte Strategie ist, um Veränderungen zu fördern.
Am Life Design Lab der Universität St.Gallen nutzen wir dieses Potenzial von Experimenten und kultivierter Neugierde in unserem Life-Loops-Ansatz. Seit 2018 durften wir Hunderte von Teilnehmenden im In- und Ausland in Kursen, in öffentlichen Workshops und in Zusammenarbeit mit Unternehmen begleiten. Zur Einführung in das Thema möchten wir einige der wesentlichen Erkenntnisse mit Ihnen teilen, zu denen wir seit der Einführung dieses Ansatzes gelangt sind. Anhand der Beispiele hoffen wir, dass Sie sehen können, wie Sie den Life-Loops-Ansatz für sich selbst zum Leben erwecken können. Unsere Erkenntnisse haben dabei sowohl unsere Hoffnungen und Wünsche bestätigt als auch für große Überraschungen gesorgt, aber sehen Sie selbst.
Life Design schult eine wertschätzende Haltung, lehrt echtes aktives Zuhören und macht den Mehrwert eines Teams für Lebensimpulse deutlich.
„Wissen spricht, aber Weisheit hört zu.“
–
Jimi Hendrix (1942– 1970), brit. Musiker, Komponist
Diese drei Komponenten hatten wir zu Beginn unterschätzt und hatten sie nur als Beiwerk verstanden, bis wir durch zahlreiche Workshops an Universitäten und mit Organisationen verstanden haben, dass sie ein zentraler Bestandteil der Life-Design-Methode sind.
Alleine mit der Methode „Me at my best“ aus der Positiven Psychologie, die nachweislich das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit steigert, wurden diese Effekte sichtbar. Stellen Sie sich Folgendes vor:
Sie erzählen eine Geschichte aus Ihrem Leben über einen Zeitpunkt, an dem Sie sich total lebendig und souverän gefühlt haben. Ihre Zuhörer haben dabei die Aufgabe, Ihnen aktiv zuzuhören und die Stärken in Ihrer Geschichte zu identifizieren.
Wie auch immer Ihre Geschichte ist und was auch immer andere in Ihrer eigenen Geschichte begeistert, als Life Designer begegnen Sie Ihrem Gegenüber immer mit einer guten Portion Neugierde und Wertschätzung, indem Sie z. B. sagen „Das klingt gut! Erzähl mir mehr davon“. Es mag für Sie trivial klingen, es hat aber einen großen Effekt auf Sie, auf Ihr Gegenüber und auf die Atmosphäre in Ihrem Team. Als Life Designer betrachten Sie nichts als „komisch“ oder „verrückt“, sondern nehmen alles mit Neugierde auf und drücken Ihre Wertschät[21]zung aus. Als Life Designer hören Sie aktiv zu, bleiben bei Ihrem Gegenüber, indem Sie über Sätze wie „Erzähl mir mehr“ oder „Was ist es genau, was Dich daran interessiert?“ beim Gegenüber bleiben und sich nicht durch Ihre eigenen Gedanken ablenken lassen.
Das klingt einfacher als es ist – probieren Sie es aus. Zudem wissen Sie als Life Designer den Mehrwert Ihres Teams zu schätzen, weil die Mitglieder Ihres Teams Ihnen helfen, besser zu verstehen, was hinter Ihren Herausforderungen und Wünschen steht. Ihr Team hilft Ihnen auch zu sehen, wie Sie gemeinsam Ideen entwickeln können und wie Sie sich gegenseitig anspornen können, um kleine Experimente umzusetzen und daraus zu lernen.
Wir konnten in einer unserer Studien zeigen, dass Life Designer durch Empathie und eine wertschätzende und wohlwollende Haltung gegenüber anderen Life Designern das Mitgefühl für sich selber steigern, sodass sie weniger kritisch mit sich umgehen und Dinge eher in die Tat umsetzen.
„Mehr zu hören, als zu reden – solches lehrt uns die Natur: Sie versah uns mit zwei Ohren, doch mit einer Zunge nur.“
–
Gottfried Keller (1819 – 1892), schweizer Dichter und Romanautor
„Nur ein Narr macht keine Experimente.“
–
Charles Darwin (1809 – 1882), britischer Naturforscher
Neben der Wertschätzung, Neugierde und dem aktiven Zuhören zum besseren Verständnis von Herausforderungen und Visionen hilft Ihnen Life Design insbesondere dabei, vom Denken ins Handeln zu kommen und Ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Life Design kann für Sie sehr nützlich sein, um zunächst Ihre eigenen Wünsche und Visionen wertzuschätzen, diese nicht abzutun und ihnen (physische) Präsenz zu geben. Durch eine wertschätzende Haltung und von positiver Neugierde und Empathie geprägte Einstellungen werden Sie als Teil eines Life Design Teams ermutigt, über Ihre Wünsche zu sprechen und diese besser zu verstehen.
Nur allzu oft erleben wir Teilnehmende in Workshops, die z. T. seit Monaten oder Jahren eine gewisse Ahnung oder eine konkrete Vision im Kopf haben, diese jedoch wenig bis keinen Raum geben und sie z. T. als zu weit weg und zu verrückt abstempeln und nichts damit anfangen. Als Life Designer würden Sie diese Wünsche und Visionen wertschätzen, ihnen Raum [22]geben und vor allem versuchen herauszufinden, was genau hinter Ihren Wünschen und Visionen steckt. Denn über ein differenzierteres Verständnis der Wünsche können Sie diese besser präzisieren und vor allem können Sie Alternativen und weitere Optionen zu Ihrer scheinbar unmöglichen Vision entwickeln. Durch die Ausweitung der Erkenntnisse, die hinter Ihrer Vision stecken, können Sie Ihre Möglichkeiten erweitern.
Lassen Sie uns dies anhand eines Beispiels erläutern. Seit 2016 ist Sebastian Kernbach als Gastprofessor für Kreativität an der African Doctoral Academy in Südafrika an der Universität Stellenbosch tätig. Neben seinen Kursen zu Kreativität für Forschende bot er im Januar 2020 das erste Mal auch den Life-Loops-Ansatz für Forschende an. Er hatte eine 64-jährige Doktorandin der Agrarwissenschaften in seinem Kurs, die ihr Leben lang für die südafrikanische Regierung im Bereich Agrarwissenschaften gearbeitet hatte und jetzt an der Uni lehrte und forschte.
Diese zierliche Frau äußerte in unserem Workshop ihren lebenslangen Wunsch, einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Frau anzuschauen und aufgrund ihres Alters und ihrer Zierlichkeit zu sagen „Das wird wohl nichts“ und selbst sie ergänzte ihre Vision mit den Worten „Ein netter Gedanke, aber das schaffe ich doch sowieso nicht“. Ihr Life Design Team ist ihrem Wunsch mit Wertschätzung und Neugierde begegnet und ihr Team hat ihr zugesprochen, dass es eine tolle Vision sei. Sie haben sie darum gebeten, ihnen mehr davon zu erzählen und ihnen zu erzählen, was sie genau daran interessiere. Sie erzählte, dass das Fallschirmspringen für sie Freiheit bedeuten würde, dass ihr allein der Gedanke daran einen herrlichen Nervenkitzel bereite und [23]dass sie sich dadurch aber auch ihren Ängsten stellen möchte.
ABBILDUNG 2: KURS „DESIGN YOUR (ACADEMIC) FUTURE“ AN DER AFRICAN DOCTORAL ACADEMY
„In Wahrheit heißt etwas wollen ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir können.“
–
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900), Philosoph, Komponist
Nach diesen Aussagen schaute sie ihr Team mit den Worten an „Wow, habe ich das gerade wirklich gesagt?“. Nachdem ihr Team damit die Bedürfnisse herausgefunden hatten, die hinter der Vision des Fallschirmspringens standen, hatte das Life Design Team nun die Möglichkeit, auf Basis dieser Erkenntnisse Alternativen für einen Fallschirmsprung zu finden. Im Team überlegten sie sich diverse Optionen, u. a. Paragliding, Bungee-Jumping oder Fallschirmspringen via YouTube zu schauen. Jedoch schienen auch diese Ideen zu weit entfernt oder kein echtes Erlebnis zu sein. Also fragte ihr Team, was sie denn noch heute machen könnte, um ihre Vision des Fallschirmspringens in einem kleineren Umfang umzusetzen. Daraufhin sagte sie wie aus der Pistole geschossen: „Ich könnte von einem Tisch springen“. Das Life Design Team schaute sich kurz an und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
Kurze Zeit später stand nicht nur sie, sondern ihr gesamtes Life Design Team auf Tischen und bereitete sich auf einen Sprung vor. Bevor es losging, fragte ihr Team sie, was sie genau mit diesem Experiment testen wolle. Sie sah alle kurz nacheinander an, breitete ihre Arme aus und sagte: „Ich möchte Freiheit erleben, mich meinen Ängsten stellen und einen Nervenkitzel spüren“. Mit einem großen Lächeln im Gesicht zählte sie bis drei und alle hoben ab und landeten mit einem lauten „aaaah“ auf dem Boden und klatschen sich mit High Fives ab. Danach fiel sich das Team in die Arme und sie sagte „Danke“. Und weiter: „Danke, dass ihr mir geholfen habt, meinen Wunsch in die Tat umzusetzen. Und auch wenn das Springen vom Tisch vielleicht nicht ganz das Gleiche ist wie Fallschirmspringen, so hat es mir dennoch geholfen, meinen Wunsch auf die ein oder andere Weise in mein Leben zu integrieren und dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe es erlebt und damit ist diese Vision auf gesunde Art und Weise raus aus meinem Kopf. Ich fühle mich befreit und habe Platz und Energie, weitere Dinge anzugehen, die noch in mir schlummern.“ Im Anschluss hat sie diesen Ansatz des schnellen Ausprobierens auch in andere Lebensbereiche übertragen. Ihren Wunsch nach mehr Unterrichten hat sie dadurch getestet, dass Sie sich bei bestehenden Vorlesungen als Gastreferentin vorgeschlagen hat. Dadurch konnte sie wertvolle Erfahrungen sammeln, sodass sie heute mit dieser Erfahrung eigene Kurse gibt. Anstatt lange nachzudenken und zu groß zu denken, hat sie ihre Wünsche in kleinere machbare Experimente verwandelt.
Es sind genau diese vermeintlich „kleinen“ Experimente, die eine zentrale Rolle im Life-Loops-Ansatz spielen. Durch Ihr eigenes Erleben steigern Sie Ihre Selbstwirksamkeit, bringen damit den Stein ins Rollen und ermutigen sich dazu, weitere Experimente zu wagen und damit Life Design auch in andere „größere“ Lebensbereiche zu bringen. Dieser Zusammenhang zeigt, dass es für den Erfolg Ihres neuen Lebensentwurfes essenziell ist, dass Sie möglichst schnell eigene kleine Experimente durchführen, um darauf aufzubauen.
In bestehenden Life-Design-Modellen wird dieser Effekt wenig sichtbar. Darum haben wir das Infinity-Modell der Innovation erstmals auf Life Design angewendet, weil diese wiederkehrende Schleife visuell sehr gut zeigt, wie eine oder mehrere kleine Schleifen zu Beginn den Prozess starten und dann größer werden. Nach erstmaligem Durchlaufen der kleinen Schleife kann der Loop dann durch die gestärkte Selbstwirksamkeit größere Kreise bzw. Schleifen ziehen.
Diese Idee, einen kleinen Loop möglichst schnell zu starten und damit einen größeren Loop überhaupt erst zu ermöglichen, möchten wir Ihnen gerne anhand eines weiteren inspirierenden Beispiels zeigen.
ABBILDUNG 3: VOM KLEINEN ZUM GROßEN LOOP – SELBSTWIRKSAMKEIT DURCH LIFE DESIGN
Wir hatten eine Teilnehmerin in unserem Life Design Workshop an der Swiss Summer School in Lugano, die seit Jahren von einer eigenen Fotoausstellung träumte. Nachdem wir herausgefunden hatten, was hinter ihrem Wunsch stand und erste Ideen entwickelt hatten, gaben wir den Teilnehmenden 45 Minuten Zeit für Experimente. Sie begann mit einer [25]Recherche nach gutem Kameraequipment, um mit diesem Equipment später schöne Fotos für die eigene Fotoausstellung zu machen. Wir versuchten sie gleichzeitig zu ermutigen, etwas zu machen, rauszugehen und zu schauen, was sie aus einem Erlebnis lernen könnte. Nach Ende der Experimentierzeit kamen wir wieder zusammen und wir fragten nach den Prototypen der Teilnehmenden, worauf sie sich unmittelbar meldete, ihren Laptop aufklappte und uns ihre erste eigene Fotoausstellung mit 5 Bildern zeigte und währenddessen kurze Texte zu den Bildern vorlas.
Wir waren perplex und sie scheinbar auch. Sie hatte in der kurzen Zeit wunderbare Fotos gemacht, sich dabei auf wenige fokussiert und uns ihre Texte zu geometrischen Formen in Gebäuden und in der Natur selbstbewusst vorgelesen. Als wir sie fragten, was sie aus ihren Prototypen gelernt hatte, erzählte sie uns etwas Erstaunliches: Sie sagte, dass sie die ursprüngliche Idee der Recherche nach Kameras gewählt hatte, weil sie es gewohnt war, dass sie zuerst etwas machen musste, was anstrengend war, und sich erst danach erlaubte, etwas zu machen, was Spaß macht. Sie hatte diese innere Haltung wohl von ihrem Vater übernommen, der dies von jungen Jahren an predigte. Durch unsere Hinweise, doch etwas Konkretes zu machen, habe sie sich dann motiviert gefühlt, rauszugehen und direkt Fotos zu machen anstatt zuerst am Computer nach Kameras zu recherchieren. Mit einem Lächeln und einer kleinen Träne erzählte sie uns dann: „Ich habe gelernt, dass ich nicht erst etwas Anstrengendes machen muss, bevor ich mir den Spaß erlaube. Ich kann auch direkt Spaß haben und das fühlt sich verdammt gut an. Genau diesen Ansatz werde ich jetzt auf andere Lebensbereiche wie z. B. meinen Beruf übertragen“.
„Es ist völlig egal, wie langsam Du vorankommst. Du überholst immer noch jeden, der gar nichts tut.“
–
Anonym
Sie erzählte uns Monate später, dass sie durch das Erleben dieses kleinen Experiments motiviert wurde, auch andere Experimente zu wagen. So folgte sie ihrem Wunsch, eine eigene Vorlesung zu geben, indem sie zunächst mehrere kurze Gastvorträge in Vorlesungen gab und durch dieses Experiment genügend Erfahrung gesammelt hatte und ermutigt war, ihre eigene Lehrveranstaltung zu organisieren.
Genau diese Vorgehensweise vom kleinen zum großen Loop ist es, die den Life-Loops-Ansatz so erfolgreich in der Anwendung für Organisationen macht. Die Mitarbeitenden können Life [26]Design zunächst an eigenen persönlichen Herausforderungen oder Visionen ausprobieren, angefangen bei der morgendlichen Routine bis zu mehr Sinnhaftigkeit im Beruf. Durch die Selbstwirksamkeitserfahrung bei kleinen Experimenten können Sie Life Design auch auf andere größere Bereiche übertragen, wie beispielsweise die eigene Karriereentwicklung, die Zusammenarbeit im Team und zur Steigerung Ihrer Kreativität bei der Lösung von Problemen.
Wir durften bei der Zusammenarbeit mit Organisationen wie u. a. der ETH Zürich, der Kreativagentur Jung von Matt oder der Schweizer Börse erfahren, dass unser Life-Loops-Ansatz sehr vielseitig einsetzbar ist (mehr zum sogenannten betrieblichen Life Design auch in Kapitel 7).
„Wenn die Selbstwirksamkeit fehlt, neigen die Menschen dazu, sich ineffektiv zu verhalten, obwohl sie wissen, was zu tun ist.“
–
Albert Bandura (*1925), kanad. Psychologe
Life Design unterstützt Mitarbeitende bei der Karriereund Laufbahnentwicklung sowie hinsichtlich der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Karrieren. Life Design wird aber auch für die Entwicklung einer innovativen und lösungsorientierten Haltung für Mitarbeitende und Teams verwendet, die agil und flexibel mit Wandel und neuen Organisationsformen umgehen müssen. Mitarbeitende und Teams, die anhand des Life-Design-Ansatzes die Innovationsmethode Design Thinking an sich selber ausprobiert haben, sind besser in der Lage und motivierter, diese Methode auch im Unternehmenskontext anzuwenden.
Zusätzlich sehen wir, dass Organisationen den Life-Loops-Ansatz wählen, um das Thema Diversität und Inklusion zu stärken, insbesondere durch die wertschätzende Haltung und die durch Neugierde und Kreativität geprägte Zusammenarbeit. Weitere Anwendungsmöglichkeiten, die wir in Organisationen für die Anwendung von Life Design sehen, sind das Onboarding (Einführen) von neuen Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit von Teams, spezielle Interessengruppen wie „Frauen in der Führung“ und die Vorbereitung von Mitarbeitenden auf die Pensionierung. Eine Auswahl von Beispielen für die Anwendung von Life Design in Organisationen finden Sie im hinteren Teil dieses Buches.
Das waren einige der Kernerkenntnisse, die wir seit dem Beginn des Life Design Labs 2018 an der Universität St.Gallen in Workshops mit Teilnehmenden mitnehmen durften. Wir möchten unseren Life-Loops-Ansatz kontinuierlich weiterentwickeln und werden zukünftig weitere Angebote lancieren wie Life Design für Jugendliche und junge Erwachsene, Life Design für die Vorbereitung auf die Rente oder Life Design für die Ge[27]staltung der eigenen Auszeit („Design Your Sabbatical“). An welcher Stelle oder zu welchem Zweck könnte Ihnen oder Ihren Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern der Life-Loops-Ansatz helfen? Welche Herausforderungen stehen Ihnen bevor? Welche Wünsche oder Visionen möchten Sie in diesem Leben noch in die Tat umsetzen? Lassen Sie sich von unserem Buch inspirieren und besuchen Sie unsere Website für weitere Beispiele, Links und kostenlose Vorlagen, die Sie sofort einsetzen können unter www.lifedesignlab.ch.
Nach dieser Einführung zu Life Design an sich und über einige unserer Erkenntnisse mit dem Life-Loops-Ansatz beginnt das nächste Kapitel sehr praktisch und wird Ihnen anhand von drei Beispielen die 8 Kernprinzipien eines Life Designers aufzeigen. Freuen Sie sich auf Hunde, Yoga und eine Portion Hip-Hop. Basierend auf den Life-Design-Prinzipien und deren theoretischem Hintergrund stellen wir Ihnen anschließend das Life-Loops-Modell vor, das wir anhand von Beispielen erläutern. Das Modell gibt Ihnen die Möglichkeit, Schritt für Schritt Veränderungen in Ihr Leben zu integrieren.
„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“
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Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), dt. Dichter, Naturforscher
Anschließend erhalten Sie einen Überblick über zusätzliche Methoden für jede der acht Phasen des Life-Loops-Modells und für besondere Anwendungsbereiche, beispielsweise wie Sie Ihre Energie besser verstehen und nützen können, wie Sie Ihren Schlaf besser organisieren oder wie Sie Ihre Auszeit wertvoll gestalten können.
Abschließend erhalten Sie einen Überblick über die Anwendung von Life Design in Organisationen und warum es neue Formate des Experimentierens für die Arbeitswelt der Zukunft braucht. Begleitet werden Sie während des gesamten Buches von speziellen Life-Design-Boxen, die besondere Hintergründe und Spezialthemen wie Partnerschaft oder „Gute Fragen für Life Designer“ beleuchten. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und viel Elan für Ihre eigenen kleineren und größeren Life Loops.