Die Lehren der Großmütter
Die Offenbarung des
zutiefst Weiblichen
Ins Gleichgewicht kommen
in einer chaotischen Welt
Bücher haben feste Preise.
1. Auflage 2020
Sharon McErlane
Selbstermächtigung
© 2006 Sharon McErlane
Das Buch erschien 2006 unter dem Titel »A Call To Power«
im Verlag Net of Light Press, www.grandmothersspeak.com
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Lentz
© für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH 2020. Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung der Autorin oder des Verlages reproduziert, in einem Abrufsystem gespeichert oder mit irgendwelchen Mitteln, seien sie elektronisch oder mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet oder anderweitig übertragen werden.
Titelillustration: Meraylah Allwood, www.meraylah.co.uk
Gestaltung: Dragon Design, GB
Satz und Gestaltung:
Dragon Design, GB
Adlervignette: Meraylah Allwood
eISBN 978-3-89060-341-4
ISBN 978-3-89060-771-9
Neue Erde GmbH
Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken
Deutschland · Planet Erde
www.neue-erde.de
»Wenn die Weisheit der Großmütter vernommen wird, wird die Welt heilen.«
Indianische Weisheit
Danksagungen
Vorwort: Ein Ruf nach Veränderung
Kapitel 1: Besuch von den Großmüttern
»Der Große Rat der Großmütter erschien, um der Frau ihre Selbstgewissheit wiederzugeben.«
Kapitel 2: Wir bringen der Erde etwas vom Himmel
Alltägliche und nicht-alltägliche Realität
Kapitel 3: Schönheit und Macht sind ein und dasselbe
»Die Macht liegt in den Flügeln«
Kapitel 4: Eine andere Ebene
»Wer an seinem Platz ist, tut immer etwas Bedeutsames.«
Kapitel 5: Des Tuns zu viel
Zu Besuch in der Kindheit – und einer anderen Welt
Kapitel 6: Wir erfüllen dich ganz
Weitergabe der Ermächtigung der Großmütter
Kapitel 7: Weibliche Macht ist eine furchterregende Sache
Die Kraft der Würde
Kapitel 8: Du musst in deinen Geist hineinwachsen
»Die Yang-Kraft ist völlig außer Kontrolle.«
Kapitel 9: Das Netz aus Licht
Stärkung von Yin
Kapitel 10: Es ist Zeit für Yin und Yang, sich zu bewegen
Die Wolke der Angst
Kapitel 11: Die Neuordnung von Yin und Yang
Das weibliche Prinzip verstehen
Kapitel 12: Das Gewebe des Seins
»Realität« ist nicht real; die große Leere
Kapitel 13: Unsere Ermächtigung festigt unsere Lehre
Yin die Erde durchdringen lassen
Kapitel 14: Die Kraft des zutiefst Weiblichen
Mutter Erde will ihr Eigenes zurück
Kapitel 15: Die Rolle der Männer
Die Rolle der Männer und die Frauen, das Reservoir von Yin
Kapitel 16: Der Baum des Lebens
Für den Baum sorgen – der Schmerz der Männer
Kapitel 17: Macht euer Leben heilig
Das Leben mit und ohne Zeremonien
Kapitel 18: Es ist Zeit
Wir warten auf deinen Ruf
Kapitel 19: Das Arbeitsbuch der Großmütter
Über die Autorin
Anmerkungen zum Schluss
Es war gar nicht einfach, Selbstermächtigung zu schreiben, und das lag vor allem an meinen wiederkehrenden Zweifeln, ob ich dieser Aufgabe würdig sei. Wieder und immer wieder fragte ich mich: »Was denkst du, wer du bist, um Material wie dieses weiterzugeben?« Viele Male fühlte ich mich von der anstehenden Aufgabe überfordert, und wenn nicht die im folgenden aufgeführten Menschen gewesen wären, hätte ich vielleicht aufgegeben. Von ganzem Herzen danke ich Lori Viera, Steven Atherton, Katie McMahaon, Pat Durkin, Mahri Kintz, Meinrad Craighead, Dorothy Herrin, Jim Farris, Dyan Ellerbrach, Richard Carlson, Sheryl Politski, Benjamin Shields, Susan Sherman, Deborah Schmidt und Christan Hummel.
Ebenfalls danke ich den Frauen, die das Buch der Großmütter, ihre Botschaft und mich ins wunderbare Land Litauen gebracht haben. Danke Antanina, Vilma, Ritone und Susie.
Und schließlich danke ich meinem geliebten Ehemann Roger, ohne dessen Unterstützung ich diese Arbeit nie hätte tun können.
Die Großmütter sind zu dieser Zeit gekommen, um die Menschheit zu erheben und unsere Herzen mit Licht zu erfüllen, damit wir wiederum unseren geliebten Planeten im Licht halten können. Die obengenannten Personen halfen bei der Herausgabe dieses Buches mit und ermöglichten es so, die Botschaft der Großmütter und ihre Lehren von Licht und Freude in der ganzen Welt zu verbreiten. Dieses Buch ist jedem von ihnen und dem Göttlichen (in all seinen strahlenden Formen) gewidmet, das mit und durch sie arbeitet.
Danke, Großmütter, dass ihr all das ermöglicht habt.
Arbeit mit den Großmüttern
Die Ermächtigungen und den Mantel der Geborgenheit kann jede weitergeben, die sie selbst erhalten hat. Die Weitergabe ist stets kostenlos. Die aktuellen Adressen der Frauen, die bereit sind, die Ermächtigung weiterzugeben, findet Ihr hier: www.netoflight.org und dann »Meetings«.
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Die Großmütter erschienen ungebeten in meinem Leben, wenngleich sie und die Botschaft, die sie brachten, mir höchst willkommen waren. Sie kamen buchstäblich aus heiterem Himmel und brachten mich in Situationen, die mir völlig fremd waren, und sie veränderten mein Leben. Sie sind gekommen, um das Ungleichgewicht von Yin und Yang auf unserem Planeten wieder ins Lot zu bringen und Frauen und Männer zur Energie dessen zu erwecken, was sie »das zutiefst Weibliche« nennen: um beide, Männer wie Frauen, in eine innige Verbindung mit dem weiblichen Schöpfungsprinzip zu bringen.
Ihr Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen Frauen und Männern, zwischen Yin und Yang herzustellen. Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, Teil ihrer Arbeit zu sein und die Möglichkeit zu haben, ihre Weisheit weiterzugeben.
Die Großmütter vermitteln ihre Botschaft, zeigen die Veränderungen auf der Erde, erklären, warum sich unsere Welt in einem so heiklen Zustand befindet, und sagen uns, wie wir mithelfen können, uns selbst und unseren Planeten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ihre Meditationen und Visualisierungen ermöglichen es allen, sich miteinander zu verbinden. Zu dieser Zeit sorgt eine kraftvolle Verbindung von Menschen für ein Yin-Netz auf unserem Planeten, das die Erde stabilisiert, während die notwendigen Veränderungen in ihrem energetischen Feld stattfinden.
Die Großmütter erklären dieses Ungleichgewicht und zeigen den Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Energie. Sie lehren uns, wie wir in eine engere, persönlichere Beziehung zum Göttlichen gelangen können, und ermutigen uns, unser Leben von der Gegenwart des Heiligen durchdringen zu lassen. Du wirst dich vielleicht immer wieder den Meditationen am Ende des Buches zuwenden, damit sie ein kraftvoller Teil deines Lebens werden.
Manche werden dieses Buch lesen, um sich zu informieren, und andere, um sich zu transformieren. Einigen wird es genügen, von den Großmüttern zu hören, während andere sie erleben wollen. Die Übungen oder Meditationen am Ende des Buches sind für jene, die sich verändern wollen und/oder eine persönliche Beziehung zu diesen weisen Frauen suchen.
Weil die Energie auf der Erde schon so lange im Ungleichgewicht ist, sagen die Großmütter, dass wir uns heute in einer verzweifelten Lage befinden. Doch der Prozess der Korrektur dieses Ungleichgewichts hat bereits begonnen; die Erde wird nicht zerstört werden. Du wirst die Botschaft der Großmütter als tiefgründig und aufbauend erleben, und auch wenn dies ein ernstes Buch ist, so ist es kein trauriges Buch.
Selbstermächtigung kann auf unterschiedliche Weise gelesen werden. Es kann eine wahre Geschichte für dich sein, die Beschreibung einer neuen Lebensweise und die Einladung in dieses Leben, schlicht ein persönlicher Bericht oder bloß ein Märchen. Zu verschiedenen Zeiten in deinem Leben kann es mal dies und mal jenes sein. Ich weiß, dass alles, was ich auf diesen Seiten erzähle, stattgefunden hat, aber du magst es aus der Perspektive betrachten, die für dich die beste ist. Jede Ansicht hat ihren Wert.
Dies ist vor allem ein Buch für Frauen. Es ruft die Frau in ihre Macht, vermittelt ihr ein Verständnis der Natur von Yin und gibt ihr Mittel an die Hand, die Macht von Yin anzuwenden. Da Yin-Energie in allen Wesen existiert, ist Selbstermächtigung natürlich auch ein Buch für Männer. Es vermittelt den Männern eine Vorstellung vom weiblichen Prinzip und weckt die fürsorgliche und hilfsbereite Seite in ihnen. Die Lehren der Großmütter schaffen einen Bezugsrahmen, um die Veränderungen auf der Erde zu verstehen, und zeigen uns, wie wir an der heiligen Evolution unseres Planeten mitwirken können.
Die Großmütter laden uns ein, an der Wiederherstellung der Harmonie auf der Erde mitzuarbeiten, aber sie versichern uns auch, dass unser Mitwirken freiwillig ist und nicht unbedingt erforderlich. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf Erden wird stattfinden, ganz gleich, ob wir dabei sind oder nicht: »Wir geben dir diese Gelegenheit um deinetwillen«, sagen sie, »weil dein Mittun dir Freude machen wird.« (Fett gedruckt sind im Buch die Worte der Großmütter; und auch wenn sie zu mir sprechen, sind ihre Botschaften für alle bestimmt…)
Die Großmütter sprechen und leben Wahrheit. Von Anfang an faszinierten und erschütterten sie mich mit ihren ungeahnten Lehren. Meisterhafte Lehrerinnen, die sie sind, überraschten sie mich von dem Augenblick an, als ich sie traf – an jenem ganz alltäglichen Septembermorgen, als ich mit dem Hund entlang der Klippen über dem Strand spazieren ging.
»Der Große Rat der Großmütter erschien,
um der Frau ihre Selbstgewissheit wiederzugeben.«
Es schien ein normaler Herbsttag zu sein. Ich wollte einen Spaziergang machen. Wieder so ein klarer Septembermorgen; es war früh, gegen sieben Uhr, und ich hatte den Hund dabei. Nun, da die Sommertouristen weg waren, war die Stadt wieder ruhig und friedlich.
Die Stille, die über der Stadt lag, war genauso nachdenklich wie ich. Seit Tagen überlegte ich, wie es mit meinem Leben weitergehen sollte, und als mir dies so durch den Kopf ging, zog der Hund wieder einmal an der Leine und zerrte mich über den Pacific Coast Highway zum Strand. Wir näherten uns dem Fußweg unterhalb der Klippen, als plötzlich eine Gruppe älterer Frauen vor uns auftauchte. Es war ganz seltsam. Sie waren einfach da.
Die Frauen scharten sich um mich und den Hund; dabei sprachen und gestikulierten sie lebhaft, und wie sie so miteinander lachten und sich zulächelten, winkten sie mir, mich zu ihnen zu gesellen. Ihre Stimmen waren um mich; sie riefen sich etwas zu, und kurz vernahm ich Fetzen eines Liedes, das sie sangen. Mit fröhlichem, mädchenhaftem Gelächter umringten sie mich.
Sie waren reizend, freundlich und so glücklich; ich bemerkte sofort ihre hübschen, offenen Gesichter. Aber aus der Nähe sah ich, dass sie Kleider trugen, die aus fernen Zeiten und von fremden Orten stammten. Ich starrte mit offenem Mund und versuchte zu verstehen, was los war, aber eine der Frauen mit langen grauen Haaren betrachtete mich mit einem so einladenden Lächeln, dass ich für einen Moment ihre Seltsamkeit vergaß.
Dann bemerkte ich, dass ich durch sie hindurchschaute. Ich konnte die Bäume sehen, den Weg zum Strand und die Wellen des Ozeans, einfach durch ihre Körper hindurch. Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar zu sehen, aber sie waren immer noch durchscheinend. Träumte ich?
Ich starrte sie weiter an und merkte, dass ich die Luft vom Meer riechen und das nasse Gras spüren konnte und die Risse des Bürgersteigs unter meinen Sandalen. In dem Moment winkte mir ein Nachbar zu, der jeden Morgen zur gleichen Zeit wie ich spazieren geht, und er sprach mich an, und ganz automatisch antwortete ich. »Oh, mein Gott«, dachte ich. Ich befand mich in zwei Wirklichkeiten. Das war eine spirituelle Erfahrung, eine Vision. Ich hatte eine Vision!
Mein Mund wurde trocken, mir brach der Schweiß aus, und schnell versuchte ich, diese alten Frauen loszuwerden. Das muss ein Hirngespinst sein, nicht wahr? Was denn sonst? Ich muss es mir einbilden, sie werden gleich wieder weg sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich verrückt sein könnte, aber das hier…
Als die Vision, oder was immer es war, anhielt, wurde mein Mund noch trockener und ich merkte, dass ich vergessen hatte zu atmen. Was mir geschah, ging weit über mein Verständnis, und obgleich ich mich dieser Absonderlichkeit entziehen wollte, war ich zugleich gefesselt. Ich konnte meinen Blick nicht von diesen Frauen lassen. Und ihr mildes Lächeln sagte mir, dass sie mein Dilemma verstanden. Dieses Lächeln und die Geduld, die sie ausstrahlten, halfen mir, bei mir zu bleiben. Als sie sahen, wie ich mit meiner Angst zu tun hatte, nickten sie, lächelten noch strahlender und warteten einfach ab; und weil sie sich so verhielten, konnte ich meine Angst im Zaum halten.
Dann kam mir der Gedanke, dass das, was ich sah, echt war. Visionen werden nicht vom Verstand hervorgerufen. Visionen sind lediglich eine andere Art Wirklichkeit, Emanationen von Energie, wie alles andere auch. Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, und sie überraschten mich. Aber die Emanation von Energie, die vor mir stand, war nicht die gewohnte, und ich hatte Angst.
Ich versuchte, von den Frauen wegzukommen, aber sie waren beharrlich und wichen mir nicht von der Seite, als ich meinen Weg fortsetzte: eine Gruppe großmütterlich aussehender Frauen, die mich trotz meiner Versuche, sie zu ignorieren, umringten und redeten. Ich musste sie beachten, denn auch wenn ihre Gegenwart keine physische war, war sie nicht zu leugnen. Und sie würden nicht einfach verschwinden.
Schließlich hörte ich auf, mich gegen die Erfahrung zu wehren, und schenkte ihnen meine volle Aufmerksamkeit. Da bemerkte ich, dass zwei von ihnen in Hirschlederkleider und Leggings gekleidet waren. Indianerinnen in vollem Ornat!
Eine andere Frau hob sich besonders von der Gruppe ab. Sie war etwas größer als die anderen; ihre negroide Gestalt und ihr anmutiger Kopf überragte sie, und um ihren langen Hals hingen Ketten aus Bronze. Sie sah aus wie ein Bild aus einer alten National Geographic-Ausgabe, die ich als Kind gesehen hatte. Ihr gemeißeltes Gesicht und ihre königliche Haltung ließen erkennen, dass sie eine Königin aus einer alten afrikanischen Zivilisation war.
Einige der Frauen waren weniger als fünf Fuß groß und beinahe ebenso breit. Mit brauner Haut und langem graubraunem Haar, das sie lose über die Schultern trugen, steckten sie in einfachen, wie Jutesäcke aussehenden Kleidern. Aus faserigem Material bestehend, hingen diese wie ein Sack an ihnen. Weil ihre Haut und ihre Kleider die gleiche Farbe hatten, waren das einzige, was ihr Aussehen belebte, Stränge von hell gefärbten Perlen und Muscheln, die um ihren Hals hingen. Sie sahen aus wie Stammesfrauen aus dem Süden Mexikos oder Guatemalas. Ich starrte sie an und fragte mich, was sie hier taten; aber sie lächelten mich an, so nett und vertrauenerweckend, und bevor ich wusste, wie mir geschah, lächelte ich zurück. Meine Angst schmolz dahin.
Drei oder vier waren in Gewänder in gedämpften Grau-, Blau- und Malventönen gehüllt, die einen »biblischen« Anblick boten. Ihr Haar war von einer Haube oder einem Tuch verhüllt, aber ich konnte an ihrer hellen Haut erkennen, dass sie europäischen Ursprungs waren. Es gab auch andere.
Wie sie mich so anlächelten, mir zuriefen, ihre Arme ausbreiteten und mich in ihrer Mitte willkommen hießen, spürte ich, dass sie sich freuten, mich zu sehen. Sie streichelten mein Gesicht und klopften mir auf die Schultern und den Rücken, legten mir ihre Arme auf und bildeten einen Kreis um mich.
Ich zählte etwa ein Dutzend, die mich umringten, und irgendwie wusste ich, dass sie zusammen alle Rassen der Menschheit vertraten. Sie waren königlich, und als mir dieser Gedanke kam, sprach eine von ihnen: »Jede Frau ist auf ihre Art schön und weise«, sagte sie. »Und obwohl jede von uns einzigartig ist in ihrer Macht und ihrem Wesen, vereint uns alle eine Absicht.« Gemeinsam verkündeten sie: »Wir sind der Große Rat der Großmütter…« Ich war eingeschüchtert, nicht nur von ihrer Erhabenheit, sondern auch von ihrem Namen: »Der Rat der Großmütter« passte vollkommen zu ihnen, so beeindruckend und würdevoll waren sie.
So erscheinen sie mir manchmal noch heute. Aber ich würde ihnen in den folgenden Jahren Hunderte Male in verschiedenen Erscheinungen begegnen.
Nun nahmen sie mich in ihre Mitte, und mit sanften Berührungen und mir durchdringend in die Augen schauend hielten und umarmten sie mich. Während dieses ganzen Schauspiels ging ich noch immer mit dem Hund spazieren und grüßte meine Nachbarn. Irgendwie überlappte sich mein Bewusstsein nahtlos. Ich war in zwei Wirklichkeiten zugleich. Ich ging, und die Großmütter sprachen mit mir, meine Nachbarn grüßten mich wie jeden Morgen, während der Hund an der Leine zerrte. Ich ging auf sie alle ein.
Es war ein komisches Gefühl, mich in zwei scheinbar getrennten Wirklichkeiten zu befinden, aber überraschenderweise fiel es mir nicht schwer, mich zurechtzufinden. Einmal musste ich fast laut auflachen angesichts der Absurdität meiner Lage. Doch seltsamerweise fühlte ich mich zugleich ruhig und irgendwie von der Energie dieser Großmütter getragen.
Sie hielten mich fest und sagten: »Pflanze deine Füße fest in den weichen, staubigen Boden von Mutter Erde.« Ihre Wortwahl und ihr unverwechselbarer Ton erregten meine Aufmerksamkeit. Ich blieb stehen und dachte an meine Füße, nicht auf dem Bürgersteig, sondern auf der Erde, und sofort kam von oben über meinem Kopf ein Kokon aus leuchtender Seide, der sich um mich ausbreitete. Viele Meter lang, mindestens zwei Meter breit, vibrierte er in der Farbe eines herrlichen Sonnenuntergangs, einer samtenen Rose gleich, die aus sich heraus zu leuchten schien.
Ich holte tief Luft, als diese Kaskade mich umgab. Es fühlte sich so tröstend und geborgen an. Als die Großmütter mich darin einhüllten, verkündeten sie: »Das ist eine Glückshaube. Diese Umhüllung besteht aus einer Art Licht, das aber mehr ist als Licht.« Das Seidenweiche auf meiner Haut ließ mich verstehen: Ja, es war Licht, Licht mit Substanz, mit Körper.
Es bedeckte mich von Kopf bis Fuß, umhüllte mich: »Diese Hülle wird anfangen, dich über die Haut zu heilen und zu nähren, indem sie die Zellen und Organe deines Körpers durchdringt und alle deine Teile aufeinander einstimmt und harmonisiert. Heilung und Erwachen setzen jetzt in dir ein, auf allen Ebenen gleichzeitig. Deine physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Anteile werden bekommen, was sie brauchen; sie werden heilen und in Einklang kommen…« Während sie sprachen, fühlte ich mich so tief genährt und versorgt wie noch nie in meinem Leben.
Mich immer noch in diese Seidendecke einhüllend, wiegten sie mich sanft, dann tanzten sie mit mir. Sie stellten mich vor sich, nahmen meine Hände, hoben mich hoch und wirbelten mich herum, und dabei lachten sie, so dass ich mich fühlte wie ein kleines Kind, das über die Maßen geliebt wird. Als nächstes lehrten sie mich, wie man die Tanzschritte setzt, hin und her und von einer Seite zur anderen. Auf diese Weise tanzten wir zusammen. Als sie mich erneut umarmten, dachte ich: »Das ist alles so wunderbar, aber was kann ich ihnen zurückgeben?« Obwohl ich den Gedanken nicht ausgesprochen hatte, antworteten sie: »Es gibt nichts zu tun. Versuche nicht, uns zu helfen. Sondern lasse uns dir alles geben und die ganze Arbeit tun.« Da nahm ich sie beim Wort und überließ mich ganz ihrer Fürsorge.
Als ich von diesem Spaziergang nach Hause zurückkehrte, war ich voll Staunen und Verwunderung über das, was mit mir passiert war, und obwohl ich es nicht verstand, wusste ich, dass ich nicht verrückt war. Dafür war ich viel zu ruhig und zu glücklich. Benommen setzte ich mich auf die Couch und schrieb auf, was mir einfiel; ich wollte die Magie des Morgens lebendig erhalten. Dann legte ich das Geschriebene weg. Ich las es nicht noch einmal. Ich wollte es nicht.
Ich hatte von solchen Erfahrungen gehört, von ihrer Kostbarkeit und Zerbrechlichkeit. Ich wusste, dass es die Natur des Verstandes ist, zu versuchen, jede Erfahrung zu erklären und auf etwas zu reduzieren, das er in Schubladen packen kann. Aber was mit mir passiert war, das passte in keine Schublade, und ich beschloss, nicht zu versuchen, es irgendwo einzuordnen. Stattdessen würde ich im Jetzt gegenwärtig bleiben, nicht auf das zurückblicken, was auf diesem Spaziergang passiert war, und nicht darüber spekulieren, was es bedeuten könnte. Was geschehen war, war heilig, das wusste ich, und damit musste es genug sein.
Ich war nach diesem Morgen noch lange von einer besonderen Art von Glück erfüllt, und weil ich mir dieses Gefühl bewahren wollte, erzählte ich niemandem, was mir geschehen war. Es war mit dieser Erfahrung wie mit einer Flasche teuren Parfüms. Ich wollte den Stopfen geschlossen halten, nicht entweichen lassen, was in der Flasche war. Außerdem würde die Erklärung des Geschehens mehr Kraft und Klarheit erfordern als ich besaß.
Ich wusste, dass ich ein Geschenk erhalten hatte, und dieses Geschenk musste gewürdigt und still verborgen werden. Die Großmütter hatten gesagt, dass die heilende und nährende Arbeit der Umhüllung mich durchtränken würde, und genau das sollte sie tun.
Bevor ich den Großmüttern begegnete, hatte ich das Wort »Glückshaube« erst einmal gehört. So wird die Fruchtblase genannt, wenn sie noch heil das Baby umhüllt, wenn es zur Welt kommt. Ich wusste nicht, was die Großmütter mit dem Wort meinten, aber was auch immer mich eingehüllt hatte, es hatte mir das Gefühl gegeben, umsorgt und wertgeschätzt zu werden. Ich wollte es so tief in mich eindringen lassen, dass ich mich für immer von Liebe umhegt fühlte.
Einige Zeit später, ich weiß nicht mehr, wann, bin ich wieder auf die »Glückshaube« gestoßen; diesmal in der Bedeutung von »Initiation«: Ich war überrascht und auch wieder nicht, als ich das las; denn irgendwie wusste ich, dass es eine Einweihung gewesen war. Die Glückshaube hatte eine bestimmte Energie auf meinen Körper und Geist übertragen, und ich hatte sie stark empfunden – eine friedfertige Kraft, ein Gefühl des inneren Reichtums, das ich noch nie zuvor erfahren hatte. Dieses Gefühl blieb mir einige Wochen lang erhalten. Seltsamerweise fand ich diese Bedeutung nie wieder, als ich später nach dem Wort Glückshaube suchte. Vielleicht kam mir die Definition der Glückshaube als Initiation in einem Traum.
Zu dieser Zeit ereignete sich ein weiterer überraschender Besuch. Ich stand auf der Treppe, während ich auf eine Klientin wartete, und als ich aus dem Fenster blickte, sah ich einen riesigen Greifvogel auf unserer Trittleiter im Garten sitzen. Viel größer als jeder Falke, den ich je gesehen hatte, hockte er auf dieser vier Fuß hohen Leiter, seine Majestät und Haltung so fehl am Platz, dass nicht nur die Leiter, sondern auch der große Garten klein erschienen. Dunkle, graubraune Federn hatte er und einen stechenden Blick; so hockte er da, jagte nicht, ruhte nicht, drehte bloß den Kopf in alle Richtungen, als bewache er den Garten mit Ingrimm.
Mein Mann und ich schauten wie gebannt, und als meine Klientin kam, zeigte ich ihr den Vogel auch. Ich war froh, dass noch andere da waren, ihn zu sehen. Noch hatte ich niemandem von den Großmüttern erzählt. Wir beobachteten den großen Vogel fasziniert, doch schließlich sahen wir weg, und als wir wieder hinschauten, war er fort. Niemand von uns hatte ihn landen oder davonfliegen gesehen.
Ein paar Tage später erwähnten Roger und ich unseren Gartenbesucher gegenüber einer Vogelfreundin. Erregt von unserer Beschreibung, vor allem von der Größe des Vogels, zeigte sie uns das Buch Greifvögel von Floyd Scholtz. Da fanden wir ihn. Es war ein Steinadler – ein Greif, der im dichtbesiedelten Teil Südkaliforniens, in dem wir leben, äußerst selten war.
Nachdem wir nun wussten, wer unser Gartenbesucher war, holte ich die Karten der Kraft heraus, ein indianisches Orakelset, und suchte nach dem Adler. Es ist die erste Karte des Decks, das sagte mir etwas. Und als ich die Karte anschaute, spürte ich wieder das Kribbeln wie bei der Anwesenheit des großen Vogels. Ich las: »Adlermedizin ist die Kraft des Großen Geistes, die Verbindung zum Göttlichen. Es ist die Fähigkeit, im Bereich des Geistigen zu leben und dennoch mit beiden Füßen auf dem Boden zu stehen.
Adler gemahnt dich, dir ein Herz zu fassen und deinen Mut zusammenzunehmen, weil sich die Gelegenheit bietet, über die weltlichen Belange aufzusteigen.
Irgendeine Prüfung deiner Seelenstärke kann in dir die Erkenntnis wachrufen, dass diese Gelegenheit jetzt gekommen ist. […] Indem du lernst, deine eigene Angst vor dem Unbekannten kühn anzugreifen, werden die Schwingen deiner Seele von dem Aufwind getragen, die du als den Atem des immer gegenwärtigen Großen Geistes erkennen wirst.«*
Bei diesen Worten, die in mir Widerhall fanden, erkannte ich, dass das Universum mir eine ungeahnte Chance bot. Wenn ich sie ergriff, würde ich jenseits der Grenzen meines »normalen Lebens« unterwegs sein.
Um den 1. Oktober herum, als ich in meinem Schreibtisch stöberte, stieß ich auf das, was ich an dem Tag geschrieben hatte, an dem mir die Großmütter erschienen waren. Ich fasste es nicht, was da stand.
»In der so lange von Yang, dem Prinzip der männlichen Energie beherrschten Kultur, fehlt es an Yin, am Prinzip der weiblichen Energie, die schwach geworden ist. Die Frau ist abgeschnitten von ihrem Sinn für ihre Macht und ihre Bestimmung und für das, was ihren Wert ausmacht, und wenn sie diesen Mangel spürt, sucht sie im Außen nach ihrer Identität und einer Bestätigung ihres Wertes. Frauen investieren übermäßig viel Zeit und Geld in diese Bestätigung von außen.
Doch ganz gleich, wie viel ›Bestätigung‹ für ihre Schönheit, ihre Kraft und ihr Dasein sie erfährt, sie spürt den Mangel. Denn weibliche Energie kann nicht von außen zugeführt werden. Yin ist. Es existiert um seiner selbst willen. Es zu suchen, wird die Suchende nur verwirren.
Der Große Rat der Großmütter ist gekommen, um die Frau aus sich heraus stark zu machen und dem Mann das nährende Yin in sich zu zeigen. Jede Großmutter ist einzigartig in ihrer Kraft und ihrem Wesen, und doch sind alle einig in der Absicht, Yin wieder stark zu machen – die weibliche Kraft in ihrer ganzen Anmut und Macht –, damit die Welt wieder ins Gleichgewicht kommt. Wir werden die Frauen ermächtigen und die Männer nähren und beiden das weibliche Prinzip offenbaren.«
Es war meine Schrift, aber ich konnte mich nicht erinnern, es geschrieben zu haben. Ich begriff, dass die Botschaft durch mich geschrieben worden war, nicht von mir. Ich verstand auch, dass das, was ich las, nicht nur mir bestimmt war. Die Wahrheit, die in ihren Worten widerhallte, galt allen Frauen, allen Menschen.
Ihre Worte bestätigten mir, was ich bereits wusste: Die Welt war gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten. Der Schmerz der Menschen schien zuzunehmen. Ich sah in meiner Psychotherapiepraxis immer mehr Leid, Gewalt und Verzweiflung. Was die Großmütter »zu viel Yang und zu wenig Yin« nannten, trieb auch die Nationen zum Krieg. Später in meiner Arbeit mit ihnen sagten mir die Großmütter: »Yin und Yang sind nicht mehr im Gleichgewicht. Yang ist maßlos übersteigert. Immer wilder und gewalttätiger, kann die Yang-Energie ohne die Intervention von Yin nicht wieder ins Lot kommen.«
Mitte Oktober hatten Roger und ich einen Termin bei einer Astrologin. Ich hatte ihm schließlich von meinen Erfahrungen mit den Großmüttern erzählt, und wir waren beide gespannt, ob die Astrologin dieses seltsame Ereignis aufgreifen würde.
Als Dorothy mein Horoskop las, verkündete sie, dass ich im Begriff sei, die Arbeit zu beginnen, für die ich geboren wurde – etwas anderes als alles, was ich jemals getan hatte, eine intensive spirituelle Arbeit, die für mich und andere wichtig sein würde. Sie sagte, ich müsse auf das vertrauen, was sich mir ergeben würde, und mit vollem Glauben in diese Arbeit hineingehen. Was sich mir darbot, war die Gelegenheit meines Lebens.
Mit einem Kloß im Hals hörte ich zu, und als ich ihr von den Großmüttern und dem Adler erzählte, lachte sie erfreut und sagte: Das ist es! Ich würde die Arbeit der Großmütter an viele Frauen weitergeben; ich würde reisen und ein Buch schreiben! Ich würde viele Stunden am Computer zubringen.
Obwohl Dorothy in vielem recht hatte, so doch nicht in allem. Ich war keine Schriftstellerin; ich hatte noch nie einen Computer angefasst und wollte es auch nicht. Roger lachte laut, als sie sagte, dass ich lange Stunden am Computer verbringen würde. Er kannte meine Phobie vor Maschinen.
Aber sie ließ sich nicht davon abbringen. Ich würde die Lehren der Großmütter weitergeben; ich würde reisen und schreiben. Kichernd sagte sie mir, ich solle sie anrufen und sie wissen lassen, wie es läuft.
Später, als ich meine Arbeit mit den Großmüttern begann, haben mir ihre Worte immer wieder weitergeholfen. Sie erinnerten mich daran, dass ich auf das vertrauen sollte, was sich mir ergab, wusste ich doch, dass ich es mir nie verzeihen würde, wenn ich meiner Angst vor dem Unbekannten nachgeben würde. Ich musste dem Prozess vertrauen und dorthin gehen, wohin ich geführt wurde. Ich schwor mir, meinen Ängsten zu widerstehen, immer bei mir zu bleiben und auf mein Herz zu hören – ganz gleich, was passierte.
In der ersten Novemberwoche besuchte ich einen Malworkshop mit Meinrad Craighead, einer Benediktinerin, Künstlerin und Gelehrten, die die Kunst des Heiligen unterrichtet. Hier wurden mir Vorstellungen vermittelt, die mir neu waren – der weibliche Aspekt Gottes, die heilige Kunst der Göttinnenkultur und der Schamanismus. Ich vertraute Meinrad an, was mit mir im September passiert war, und fragte sie, ob es eine Verbindung gab zwischen den Großmüttern und dem Adler. Sie meinte, ja: Der Besuch der Großmütter und der des Adlers folge einem klassischen Muster, das in vielen Mythen zu finden sei, sagte sie. Sie ermutigte mich, herauszufinden, warum sie gekommen waren.
Wieder zu Hause, suchte ich in meinem Tagesplaner nach dem Datum, an dem der Adler im Garten gelandet war. Es war der 12. September 1996. Dann schaute ich, was ich geschrieben hatte, als die Großmütter erschienen waren. Das war vom 10. September. Nachdem ein Leben lang nichts dergleichen geschehen war, waren es zwei Besuche, nur zwei Tage nacheinander.
Jetzt fragte ich mich wirklich, warum die Großmütter und der Adler erschienen waren. Was wollten sie? Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das herausfinden sollte. Um sie zu fragen, brauchte ich einen Weg, mit ihnen in Verbindung zu treten, und obwohl ich darauf hoffte, dass sie zurückkehren würden, taten sie es nicht. Wenn ich mit den Großmüttern sprechen wollte – kein Gedanke daran, mit dem Adler zu reden , müsste ich einen Weg finden.
Ich wusste nicht, wer mir helfen konnte, also tat ich das einzige, was mir einfiel, und betete darum, jemanden zu finden, der mir weiterhalf. Ich hatte das erst ein paar Tage lang getan, als ich eines Morgens, als ich in der Stadt war, eine Freundin traf, die ich lange nicht gesehen hatte. Susan hatte schon seit ich sie kannte chronische Schmerzen; aber heute kam sie mir lächelnd und zuversichtlich entgegen; sie strahlte Gesundheit und Wohlbefinden aus! Als ich fragte, was passiert sei, erzählte sie mir, dass sie in den letzten Monaten mit einer Schamanin gearbeitet habe. Diese Arbeit habe enorme Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihre ganze Einstellung gehabt.
Ich war hocherfreut, dass sie so gut aussah, aber dachte mir nicht viel dabei – bis ich am nächsten Nachmittag mit einer anderen Freundin sprach, die erzählte, dass auch sie mit einer Schamanin arbeitete. Es war bei beiden dieselbe!
Ich hatte darum gebetet, zu jemandem geführt zu werden, der mir helfen konnte. Vielleicht war ja diese Schamanin jener Mensch.
* Jamie Sams, David Carson: Karten der Kraft, Oberstdorf 1989
Die Schamanin erwies sich als ehemalige katholische Nonne, die erst vor wenigen Jahren aus Mexiko nach Kalifornien gekommen war. Sie wirkte nicht so exotisch, wie ich es mir von einer Schamanin vorgestellt hatte, war aber freundlich und klug. Mit ihrem sympathischen Gesicht und ihrem lauten Lachen erinnerte sie mich an jemanden, dem ich genauso gut im Supermarkt begegnen könnte.
Nachdem sie mein Anliegen vernommen hatte, bot sie mir an, mir beizubringen, wie man zu Ebenen reiste, die sie »außer-gewöhnliche Realität« nannte und wo ich finden könnte, wonach ich suchte. Ich würde in diese Welt des Geistes reisen, indem ich dem monotonen Schlag einer Trommel lauschte. Das würde mich in eine leichte Trance versetzen.
Ihr Angebot erregte mich, aber vor allem machte es mir Angst; doch wenn ich diese Großmütter finden wollte, musste ich etwas unternehmen. Sie hatte eine liebevolle Ausstrahlung und einen Sinn für Humor. Ich beschloss, ihr zu vertrauen.
Diese Arbeit, warnte sie, sei nicht für alle etwas, aber wenn es klappte und die Großmütter sich mit mir trafen, hätte ich die Chance, Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Ich müsse meine Fragen klar formulieren, damit ich genau wusste, worauf sie antworteten. Sie nahm meine »Reise« auf Band auf, damit ich bei diesem Abenteuer ganz bei der Sache sein konnte und keine Angst haben musste, mich hinterher an nichts mehr zu erinnern: »Du kannst es nur versuchen, der Rest liegt an ihnen«, sagte sie, bedeutete mir, mich hinzulegen, und schaltete das Band ein.
Zitternd vor Aufregung und Furcht lag ich bei ihr auf dem Boden. Ich sollte einen Ort finden, von dem aus ich in die sogenannte »obere Welt« eintreten konnte, wo Wesen wie die Großmütter wohnten. Hier musste ich »reisen« und sie suchen, solange der stetige Schlag der Trommel anhielt. Wenn er in einen schnellen Beat überging, sollte ich zurückkehren: »Merke dir die Route, die du reist, gut«, sagte sie, »und kehre auf demselben Weg zurück. Unter keinen Umständen darfst du von diesem Verfahren abweichen.« Ich sah den Blick, den sie mir zuwarf, und verstand. Wenn ich mich verirrte, fand ich vielleicht nicht mehr zurück.
Jetzt hatte ich wirklich Angst. Schnell bedeckte sie meine Augen mit einem Tuch, und sobald ich die Trommel hörte, betete ich fest und versuchte, mich an ihre Anweisungen zu halten. Zuerst musste ich einen Ort finden, von dem aus ich in die obere Welt gelangen konnte. Kaum war dieser Gedanke aufgetaucht, kam mir ein Baum in den Sinn, den ich liebe. Das war mein Zugang.
Ich konzentrierte mich auf den Baum und stand plötzlich neben ihm. Ich wandte mich zum Stamm um, dann kletterte ich seine Äste hoch, steckte den Kopf aus den obersten Zweigen und blickte in die Weite über mir. Ich bat um Hilfe, hüpfte auf den Zweig und wollte, dass er mich in das endlose Blau über mir entließ. Erstaunlicherweise tat er das, und ich erhob mich mühelos in den Himmel. Sobald ich daran dachte, wurde mein Körper nach oben geschleudert. Das war bereits eine andere Wirklichkeit.
Ich flog geradewegs in das Firmament hinein und freute mich ungemein, bis ich auf eine schwere Wolkendecke über mir aufmerksam wurde, dick und unheilvoll. Wie sollte ich da durchkommen? Aber kaum hatte ich um Hilfe gebeten, erschien in den Wolken ein Durchgang, und mit nur geringer Anstrengung meiner Füße drückte ich mich kräftig ab, um mich nach oben zu schieben, während meine Hände nach den formlosen Rändern der Wolken griffen, durch die ich ging.
Ich hatte das Reich der außer-gewöhnlichen Wirklichkeit betreten. Schamanen nannten es die erste Ebene der oberen Welt, und hier begann ich meine Suche nach den Großmüttern. Jetzt sollte ich alle fragen, ob sie meine Geisthelfer waren; alle, die mir begegneten, wie seltsam sie mir auch erscheinen mochten. Wenn sie wirklich da wären, um zu helfen, könnte ich fragen, wo die Großmütter zu finden wären.
Nachdem ich die Öffnung in den Wolken passiert hatte, befand ich mich in einem leeren Raum, blank und ohne Leben. Keine Form, keine Bewegung, keine Farbe, nur der weiße Raum, der sich vor mir ausdehnte. Bei mir nannte ich es »das weiße Land«.
Da es hier kein Leben gab, keine Form, musste ich wohl höher hinauf, um die Großmütter zu finden: »Bitte«, bat ich das Universum, »bringe mich zu einem Geisthelfer, damit ich sie finden kann.«
Kaum hatte ich es gedacht, wurde ich aus dem leblosen Raum in einen Bereich aus Blau und Weiß gehoben, in dem es nur Wolken, Winde und wechselnde Bewegungen gab. Schnell wurden die Farben trübe; sie wurden dunkel, immer dunkler, bis ich nur noch ein Paar weißer Augen sehen konnte, die mich aus der Schwärze anstarrten.
»Bist du mein Geisthelfer?« fragte ich die Augen. »Kannst du mich zu den Großmüttern bringen?«
Stille. Es gab keine Antwort, aber etwas hinter diesen Augen winkte mir, und ich folgte: vorwärts, aufwärts und aus der Dunkelheit.
»Wir steigen hoch; das sieht wie der Himalaya aus«, sagte ich zu mir, als ich mich umblickte. Dann stieg ich höher – zusammen mit dem, was auch immer hinter diesen Augen war.
»Hier ist eine Höhle«, sagte ich und musste lachen: Welch Klischee, in eine Höhle im Himalaya gebracht zu werden! Aber was auch immer hinter diesen Augen war, es lachte nicht. Es veranlasste mich, ihm in die Höhle zu folgen. Schattenhaft, muffig, feucht. Als sich meine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte ich die Gestalt eines Einsiedlers an der Rückwand der Höhle. Mit langen weißen Haaren und einem hängenden Schnurrbart, war er in weiße Gewänder gehüllt und saß in der Lotushaltung. Als ich auf ihn zuging, hörte ich mich sagen: »Er ist ein großes Wesen«, und fragte mich, woher ich das wusste.
Aber die Schamanin hatte mir gesagt, ich solle fragen, und so stand ich vor ihm und fragte: »Bist du mein Geisthelfer?« Er nickte: »Ja.« Und ich war so bewegt, mit ihm in dieser Höhle zu sein, dass mir Tränen in die Augen traten. Schnell nahm er meine Hand in seine beiden, während ich vor ihm saß, und obwohl ich ihn anstarrte, konnte ich ihn nicht deutlich genug sehen, um seine Gesichtszüge zu erkennen.
Ich sprach trotzdem mit ihm, erzählte ihm von der Ankunft der Großmütter und dass ich sie suche: »Ich will herausfinden, warum sie zu mir kamen, und ich will wissen, ob ich ihnen behilflich sein kann.« Wieder nickte er. Er wusste alles, streichelte meine Hand und sagte: »Es ist alles in Ordnung.«
Obwohl seine Worte und der Ton seiner Stimme mich trösteten, war ich mir nicht sicher, was »Es ist in Ordnung« bedeutete, also fragte ich, ob es für mich in Ordnung sei, zu den Großmüttern weiterzugehen. Er sah mich streng an, bewegte den Arm und wies mit dem Zeigefinger nach oben.
Um zu den Großmüttern zu gelangen, müsse ich weitergehen. Ich verbeugte mich zum Dank, und als ich aufstand, sah ich direkt hinter seinem Sitz eine Öffnung in der Höhlenwand. Sie schien nach oben durch die Höhlendecke zu führen. Ein Durchgang. Ich trat in einen engen Tunnel und ertastete meinen Weg in völliger Dunkelheit nach oben.
Als ich endlich den Ausgang des Tunnels erreichte und aus der Dunkelheit in die frische Luft trat, war ich auf dem Gipfel des Berges. Aber wieder war niemand da, also musste ich noch weiter gehen: »Höher!« rief ich. »Ich will die Großmütter finden!«
Mit einer Entschlossenheit, die mich selbst überraschte, griff ich nach oben und zog mich in eine jetzt formlose Weite empor. Da dämmerte es mir, wie weit die Großmütter gereist sein mussten, um mich zu finden. »Hatten sie die gleiche Reise gemacht?« fragte ich mich und war tief gerührt.
Im selben Moment musste ich über mich selbst lachen, weil ich so nüchtern gedacht hatte. »Die Großmütter«, sagte ich mir, »sind keine gewöhnlichen Wesen.« Durchscheinend, weise und allwissend, war diese Reise für sie sicher keine Anstrengung.
Schließlich durchbrach ich eine membranartige Barriere und landete in einem Bereich, in dem kleine Wolken in der Luft herumhüpften. Das Licht war hell, und es war seltsam ruhig hier. An der Luft erkannte ich, dass ich mich in großer Höhe befand. Die Atmosphäre fühlte sich gut an; dies war ein glückliches Land – sonnig, neblig, weich.
Erneut bat ich um einen Geisthelfer und, wenn möglich, dass die Großmütter erschienen, und als ich im hellen Nebel wartete, hörte ich ein Lachen, das nach jungen Frauen klang. Ich sah flüchtig undeutliche Gestalten, die sich bewegten, während mir mit jedem Augenblick bewusster wurde, welch eine Heiterkeit an diesem Ort herrschte. Die Luft war schwer und süß und stimmte mich erwartungsfroh – als wäre ich an den Fuß eines großen Berges aus Süßigkeiten gebracht worden.
Mit einem Mal war der Ort von Heiligkeit erfüllt, und obwohl ich niemanden sehen konnte, wusste ich, dass ein großes Wesen zugegen war: »Bist du mein Geisthelfer?« fragte ich. »Bist du eine der Großmütter?« Das Wesen brach in schallendes Gelächter aus. »Das«, dachte ich, »ist wahrhaft der Klang von guter Laune und Freude.«
Der Nebel begann sich zu lichten, während das Lachen mich willkommen hieß, mich einhüllte und zu sich zog. Jetzt konnte ich einen Kreis von Wesen um mich herum erkennen. Ich spürte, wie sie meinen Körper streichelten, und dachte: »Das ist der Rat der Großmütter, das muss er sein«, aber ich konnte immer noch nicht genug sehen, um sicher zu sein. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich gespannt wartete; aber dieser helle Nebel lag über allem und machte es unmöglich, klar zu sehen.
»Wer auch immer diese Wesen sind, sie sind miteinander glücklich,« sagte ich und bemerkte dann, dass eine von ihnen allein abseits saß. Es war eine Frau. »Bist du mein Geisthelfer?« fragte ich.
Sie winkte mich zu sich, und als ich mich näherte, sah ich, dass sie auf einem Thron saß. Bevor ich darüber nachdenken konnte, verbeugte ich mich vor ihr und platzte heraus: »Ich fühle mich so geehrt, dass die Großmütter zu mir kamen. Es fällt mir schwer, es zu glauben, aber so langsam glaube ich es. Ich will wissen, warum sie gekommen sind und was sie wollen.« Als ich merkte, wie unbeholfen meine Worte waren, fragte ich einfach: »Warum sind sie gekommen?«
Eine Präsenz hüllte mich in Liebe ein. Genauso hatte ich mich gefühlt, als die Großmütter mich auf meinem Spaziergang umarmt hatten – nährend, warm und voll. »Es sind die Großmütter«, rief ich aus. »Sie sind wieder da.« Sie tätschelten mich lächelnd, dieselben Großmütter, und sie begannen, mich zu umhegen. Diesmal hüllten sie mich nicht in eine Glückshaube, sondern in ein Gewand.
»Großmütter, danke für alles, was ihr für mich tut«, begann ich mit tränenerstickter Stimme. Ich war überwältigt, konnte kaum weitersprechen: »Eure Botschaft ist so schön…«, stammelte ich, »über Frauen, meine ich, und sie wird so dringend gebraucht!« Ich kam nicht mehr weiter. »Bitte,« sagte ich, als ich wieder sprechen konnte, »wenn ich euch bei dieser Arbeit helfen kann, zeigt mir, wie. Wie kann ich euch zu Diensten sein? Wie kann ich helfen?«
Ruhig und mit großer Würde sagten sie: »Lass uns helfen. Lass uns dir helfen.«icheuchKann