Die Macht des Schattenmeisters

 

Prolog

Die erste Begegnung

Schon den ganzen Abend war Leander Wolfsblume nervös gewesen. Seit die Nacht des Vollmondes näher rückte, verspürte er den Wunsch, zu rennen und im Wald nach Tieren zu jagen. Sein Körper juckte und brannte wie Feuer, als die ersten Haare auf seiner Haut zu sprießen begannen.

„Heute werde ich nicht zum Abendessen ins Haus kommen“, erklärte er seinen Eltern, Arthur und Ellen Wolfsblume, am Mittagstisch. „Denn, ich spüre den Vollmond in den Knochen.“

„Mach nicht so einen Lärm, wenn du in den Wald rennst“, bat ihn seine Mutter. „Was sollen denn die Nachbarn denken!“

„Ich habe es mir nicht ausgesucht“, blaffte Leander zurück. Immer fühlte er sich von ihnen kritisiert. „Oder dachtet ihr, es ist toll, als Werwolf zu leben?“

„Das habe ich nicht gesagt. Nur, das du Rücksicht auf die Nachbarn nehmen sollst“, erklärte seine Mutter. Ihr war es immer noch peinlich, dass ihr Sohn nun ein Werwolf war und ihre Nachbarn über die Familie tuschelten.

„Ihr wollt mich eh loswerden“, rief Leander ärgerlich. „Seit dem Biss scheint ihr mich regelrecht zu hassen!“

„Das bildest du dir ein“, sagte Arthur beschwichtigend. „Denk daran, was beim letzten Mal passiert ist.“

„Wie konnte ich wissen, dass dieser Biss damals mehr war, als eine Verletzung? Ich kann mich nicht erinnern, was ich in meinem Zimmer gemacht habe. Erst am anderen Morgen bin ich aufgewacht“, rief Leander. Die Erinnerungen waren wie schwarze Löcher, in denen er nichts erkennen konnte.

„Du hast es verwüstet, Leander“, warf nun seine Schwester Violeta ein. „Und auch Mum und Dad bedroht. Wenn sie mich nicht angerufen hätte, wer weiß, was noch geschehen wäre?“ Mit Schrecken dachte sie an den Anruf, nach dem sie so schnell wie möglich zu ihren Eltern geeilt war und das Haus total verwüstet vorgefunden hatte.

„Ich wollte das doch nicht“, antwortete Leander gequält. „Oder glaubt ihr, ich möchte einen von euch verletzen?“

„Nein. Trotzdem musst du lernen, vorsichtig zu sein“, erklärte seine Mutter. „Verlass das Gartenhaus bitte unauffällig heute Nacht, ja?“

Leander nickte geknickt. Noch immer akzeptierte seine Familie nicht, was er war. Auch er selbst verstand nicht, was da vor Wochen mit ihm geschehen war. Die Nacht, in der er sich nach einem Streit mit seinen Eltern in den Wald flüchtete, war nur ein schwarzes Loch in seinen Gedanken. Erst als er im Krankenhaus erwachte, setzten seine Erinnerungen wieder ein.

Nach dem er wieder zu Hause war, schien alles normal zu werden, bis erneut der Vollmond schien und sein Leben völlig aus der Bahn warf. Seitdem hasste er seine neue Gestalt und hätte sich am liebsten getötet, wenn es möglich gewesen wäre. Leider sind Werwölfe schwer umzubringen, wie Leander nach einem Versuch feststellen musste.

Nun lebte er also im Gartenhaus der Familie, wo er kommen und gehen konnte, wie er wollte. Bis auf die Kommentare der Nachbarn schien alles perfekt.

„Ich denke daran, wenn mich der Mond verwandelt“, meinte Leander leise und erhob sich. „Wir sehen uns morgen.“

Jetzt lag er in seinem Bett und wälzte sich ruhelos hin und her. Draußen verschleierte noch eine Wolke den Mond, doch der junge Mann konnte ihn fühlen und mit jeder Minute veränderte sich sein Körper immer mehr. Er spürte den Schmerz, der sich von immer mehr steigerte.

Dann verlor er das Bewusstsein und erwachte kurz darauf in seinem anderen Körper, in dem seine Instinkte die Regie übernahmen. Mit seinem feinem Gehör vernahm er die Rufe der Eulen im nahen Wald, die Stimme seines Vaters im Garten und das Rauschen des Windes, welcher um das Holzhaus strich.

Mit einem Satz war er auf den Pfoten und zwängte sich durch die offen stehende Tür. Bloß weg, von den Menschen mit ihren stinkenden Autos, ihrem Geschrei und der Gefahr, die er sich dort aussetzte.

Schnuppernd hob er die Nase in den Wind, der Weg in den Wald war frei. Kein Mensch, kein Hund auf seinem Pfad und der Vater agierte in der anderen Richtung.

Ohne zu zögern, hechtete er aus dem Garten, hinein in das dichte Grün hinter dem Haus, welches ihn wie eine Liebende Mutter empfing. Nur dort war er frei, Tier unter Tieren! Kein Monster, so wie in der Welt der Menschen.

Ziellos streifte er durch das dichte Unterholz, lauschte den Geräuschen im Wald und arbeitete eine Jagdstrategie aus, um seinen Hunger zu stillen. Wild gab es genug in diesem Wald.

Dann sah er einen Hasen, der auf einer Lichtung Kräuter und Gras mümmelte. Der Wolf duckte sich, vorsichtig schob er seinen haarigen Körper an die Beute heran. Sobald der Hase innehielt und aufsah, erstarrte der Wolf, wartete, bis der Mümmelmann erneut anfing zu fressen.

Dann spannte der Wolf seine Muskeln an, machte sich bereit zum Sprung. Als der Hase einen Augenblick nicht aufpasste, hüpfte Leander mit einem Satz auf die Lichtung. Doch seine Beute war schneller und sauste zwischen seinen Pfoten hindurch, ins undurchdringliche Unterholz.

Der Wolf hetzte hinterher. Aber, der Hase war schneller und hängte seinen Verfolger ab.

Enttäuscht stoppte der Wolf den Lauf und sah sich um. Er war nur wenige Meter von den uralten Steinen entfernt, die den Wald in zwei Hälften teilten. Die eine Seite war die der Menschen, von der anderen Seite berichteten alte Legenden, dass sie die Anderswelt sei. Heimat sonderbarer Kreaturen und Sitz der Götter.

Leander blieb irritiert stehen, denn ein merkwürdiges, grünes Licht wehte über dem Platz hinter der Steinreihe. Wesen konnte er dort sehen, Kreaturen wie aus einem Traum. Sie hatten grässliche Fratzen, manche tierischer, andere menschlicher Gestalt.

Dann tauchte wie aus dem Nichts ein Mann auf, viel größer wie die Naturgeister. Größer sogar wie Leander, der auch schon ein Meter achtzig maß.

Er besaß breite Schultern, und war mit einer Lederhose, braunen Stiefeln, einer Tunika und einem grauen Umhang bekleidet, der ihm bis zu den Füßen reichte.

Den Kopf bedeckte eine Kapuze, aus der eine braune Schnauze herausragte und die Spitzen von Schlappohren.

Leander hielt den Atem an und beobachtete den Mann mit wachsender Verwirrung.

Wer war dieser Kerl und was wollte er in der Welt der Menschen?

Ohne zu zögern, verließ der Mann den Steinkreis, sah sich wachsam um und lief dann an Leander vorbei, der versteckt unter einem Busch hockte und nicht wusste, was er denken sollte.

Der Wolf folgte ihm mit sicherem Abstand, immer tiefer in den Wald. Wie weit, konnte er später nicht mehr sagen. Doch, dann wurde der Mann langsamer und hielt schließlich auf einer Lichtung an. Mondlicht erhellte das Gras und ließ es silbern aufblitzen.

Ruhig blieb der Mann auf der Lichtung stehen und schien auf irgendetwas oder jemanden zu warten.

Leander hockte sich an den Rand der Lichtung unter einen Busch und ließ den Burschen nicht aus den Augen. Als Opfer kam er nicht in Frage, dazu war er viel zu groß. Trotzdem war er neugierig, was dieses merkwürdige Wesen wohl in seinem Wald zu suchen hätte.

Kurz nach der Ankunft des Mannes tauchte ein weiterer Mann auf, älter schon, bärtig, gebeugt und mit einem knorrigen Gehstock bewaffnet. Auch er trug einen grauen Umhang, Lederstiefel und eine wollene Hose.

„Seid gegrüßt, Ehrwürdiger“, begrüßte ihn der erste Mann, mit Respekt in der Stimme.

„Es ist schön, dass du Zeit für mich hattest, Aslan“, antwortete der ältere Mann. „Die Zeiten sind recht rau, daher muss ich den Kommandanten der Wache persönlich sprechen.“

„Man überbrachte mir eure Nachricht, Valdion, und mir war klar, dass ich nicht zaudern durfte. Nun, mein Freund, was ist so dringend, das ihr mich in dieses Land beorderte?“

„Schlimme Zeiten kommen auf uns zu“, erklärte Valdion. „Die Dämonen sind kurz davor, sich zu erheben. Wir brauchen Verbündete auch in dieser Welt. Daher möchte ich dich bitten, den grauen Wolf zu suchen.“

„Einen Wolf?“, fragte Aslan erstaunt.

„Ja. Er wird dir Gefährte sein auf der Reise, die du durch dieses Land antreten wirst. Noch nicht heute, aber bald schon.“

„Verzeiht, wenn ich widerspreche, Valdion. Meine Aufgabe ist die Bewachung der Grenze zur Anderswelt. Ich kann meinen Posten dort nicht verlassen.“

„Es ist nicht mein Wunsch, dass du diese Reise antrittst, Aslan. Die Situation in beiden Ländern erfordert dieses Opfer von dir.“ Valdion strich sich über seinen weißen Bart. „Sei versichert, das es nicht ohne Belohnung bleiben wird.“

„Es geht mir nicht um Gold oder Münzen“, rief Aslan ärgerlich aus. „Wer wird die Wache anführen, wenn ich hier auf der Suche bin? Nach was, eigentlich?“

„Das darf ich dir nicht sagen. Und deine Belohnung besteht nicht aus Gold oder Edelsteinen. Nein, sie ist nicht materieller Art.“ Der Alte schüttelte den Kopf.

„Erkenntnisse? Ich denke, das ich schon viel erlebt habe in meinem Leben. Es ist nicht mein Wunsch, Wissen zu erlangen. Denn ich bin Kommandant der Grenzwache und nur das zählt für mich.“

„Beruhig dich, Aslan. Ghaleon vom Schneiderwind wird dich vertreten. Er ist ein guter, tüchtiger Mann.“

„Er ist viel zu jung für diese Aufgabe, Ehrwürdiger! Außerdem hitzig und aufbrausend. Warum muss ich gehen und nicht er?“, fragte Aslan im wehleidigen Tonfall. Die Antwort kannte er schon, trotzdem wollte er sie von dem Zauberer hören.

„Weil du besser dafür geeignet bist, Aslan. Ghaleon braucht eine Aufgabe, in der er sich beweisen kann. Ebenso wie du.“ Valdion sah hoch zum Mond, der voll und hell leuchtend über der Lichtung hing. „Ich habe nicht mehr viel Zeit. Such den Wolf, der hier irgendwo leben muss. Er wird dich auf deinem Weg begleiten.“

„Wo soll ich suchen?“

„Das bleibt dir überlassen“, sagte der Zauberer. „Leb wohl, mein Freund und mögen dich die Götter begleiten!“ Er raffte seinen Umhang und verließ ebenso leise die Lichtung, wie er gekommen war.

Aslan blieb ratlos und unschlüssig zurück.

„Der Zauberer ist lustig? Wo soll ich diesen Wolf finden und wie kann er mir helfen“, murmelte er. „Diese Welt ist riesig!“ Er seufzte tief. „Nun gut. Heute Nacht kehre ich zur Grenze zurück. Mehr kann ich nicht tun!“

Leander sah, das Aslan die Lichtung verließ und wieder Richtung Steinkreis lief. Vorsichtig folgte er ihm, die Nase auf dem Boden und die Ohren lauschend aufgestellt.

In dem Steinkreis tanzten noch immer die Geisterwesen in einem grünlichen, wabernden Licht. Aslan ignorierte sie und trat, ohne zu zögern, hinter die Steine.

Bevor er in dem Portal verschwinden konnte, ließ ihn das Knacken von Zweigen zurückzucken. Wachsam drehte er sich um und entdeckte ganz in der Nähe einen Wolf, der aufmerksam das Spektakel in dem Steinkreis beobachtete. Als sich ihre Blicke trafen, war es wie ein Schlag in den Magen für ihn.

„Bist du der Wolf“, rief Aslan ihm zu.

Leander zuckte zusammen, der magische Moment war verschwunden, als der Mann die Worte an ihn richtete. Schuldbewusst sprang er weg von den Steinen und verschwand im Wald. Auf die Rufe Aslans, die ihm folgten, reagierte er nicht.

Gehetzt und mit knurrendem Magen kehrte er in sein Gartenhaus zurück.

„Was war das“, flüsterte er, als er wieder in menschlicher Gestalt war. „Und wer war das?“

Lange fand er in dieser Nacht keinen Schlaf. Er musste immer an die Augen Aslans denken, die ihn fragend ansahen. Konnte es sein, dass er jener Wolf war, von dem der Zauberer auf der Lichtung gesprochen hatte? Wenn es so war, warum? Was erwartete ihn in der Zukunft?

Fragen, die ihn selbst im Traum verfolgten. In den kurzen Stunden, in denen er Ruhe fand, träumte er von Aslan und der Anderswelt. Gemeinsam erkundeten sie die Bereiche des Unmöglichen.

„Du bist der Auserwählte“, sagte Aslan. „Der graue Wolf, den ich finden musste!“

„Was geschieht mit uns?“, fragte Leander.

„Wir gehen auf eine Reise!“, erklärte Aslan.

„Wohin?“

„Dahin, wo noch niemand vor uns war!“

„Wo ist das?“

„Du wirst es sehen, Leander!“

Bevor er weitere Fragen stellen konnte, erwachte er mit knurrendem Magen. Draußen schien schon die Sonne und ein neuer Tag begann.

„Ich muss diesen Aslan finden“, überlegte er. „Er kennt die Antworten auf meine Fragen!“

Seiner Familie erzählte er nichts von den nächtlichen Erlebnissen. Sie interessierten sich ja eh nicht für seine Streifzüge. Er frühstückte mit seiner Mutter, die heute später zur Arbeit ging. Sie sprachen über das Wetter und Violetas neuem Freund, bei dem sie bald einziehen würde.

Danach recherchierte er im Internet nach der Anderswelt und der Grenzwache. Aber, etwas Brauchbares fand er dort nicht.

„Anderswelt, Jenseits, Totenwelt, Reich der keltischen Feen und Elfen“, las er. „Von einer Wache ist nicht die Rede. Bis auf diesen dämlichen Hund.“ Leander sah auf. „Hund? Aslan sieht aus wie ein Hund! Nur drei Köpfe hat er nicht. Mist! Ich werde ihn persönlich fragen müssen!“

Genervt schaltete er den PC ab. „Warum geht er mir nicht aus den Kopf? Ist das schon Liebe?“Das konnte er sich nicht vorstellen. „Oder Interesse?“

Verliebt war Leander schon oft gewesen, doch Mädchen interessierten ihn nicht sonderlich. Immer waren es Jungen, Klassenkameraden oder Freunde, in die er sich versah. Aber, er musste seine Gefühle für sich behalten, da er sonst ausgegrenzt werden würde. Schon mehrfach war er für seine Schwärmereien verprügelt worden.

„Sehe ich aus, als ob ich schwul wäre“, war der einstimmige Tenor, wenn er sich einem Freund offenbarte. Seitdem war er vorsichtiger und behielt seine Gefühle für sich.

Ungeduldig wartete er bis zum Einsetzen der Dunkelheit, denn mit dem Mond fand die Verwandlung statt und die brachte ihn zu Aslan.

„Ich werde die Nacht im Wald verbringen“, erklärte er seinen Eltern. „Wartet nicht mit dem Essen auf mich.“

„Muss das sein“, fragte seine Mutter Ellen.

„Ich kann nichts dafür, es ist noch immer Vollmond“, antwortete Leander.

„Frau Hirtler hat dich gestern gesehen“, sagte sein Vater. „Sie fragte mich, ob wir einen Hund hätten. Sei bloß vorsichtig, Leander.“

„Das bin ich immer, Dad.“

„Dein Vater macht sich Sorgen um dich“, warf seine Mutter ein. „So wie ich auch. Bitte, verlass möglichst unauffällig den Garten!“

„Das sagst du bloß, weil du meine Wolfsgestalt hasst“, meinte Leander ärgerlich. „Ich mag sie selbst auch nicht sonderlich.“

„Quatsch. Du reagierst über. Aber, ich will kein Gerede in der Nachbarschaft. Stell dir bloß vor, wie sie reagieren würden, wenn sie wüssten, du bist ein Wolf? Nicht auszudenken, was dann passieren würde“, stellte sein Vater klar.

„Immer sind die Nachbarn wichtiger wie ich! Denkt ihr, es ist leicht als Wolf zu leben? Das ist euch sowieso egal. Ich gehe!“ Wütend schob Leander seinen Stuhl nach hinten und verließ das Haus seiner Eltern. Er ignorierte die Rufe seiner Mutter, die ihn bat, zu bleiben, und zog sich in seine Hütte zurück. Erst dort erlaubte er es sich, zu weinen.

„Es ist so ungerecht“, schniefte er. „Warum musste ausgerechnet mir das passieren? Und dann diese Gestalt!“

Traurig legte er sich auf sein Bett und wartete, bis die Dämmerung seinen Körper veränderte. Dann verließ er das Gartenhaus wieder, um im Wald nach Aslan zu suchen.

Heute war es im Steinkreis still und von dem grünen Nebel nichts zu sehen. Auch die Geisterwesen tanzten nicht.

Enttäuscht wollte sich Leander schon wieder zurückziehen, als ihn eine männliche Stimme anrief.

„Warte, grauer Geselle. Ich möchte mit dir reden.“

Aus der Schwärze tauchte ein hochgewachsener Mann auf, eingehüllt in einen Umhang mit Kapuze. Schemenhaft konnte Leander ihn im Licht des Vollmondes sehen, welcher nun nicht mehr von Wolken verdeckt wurde.

„Bist du der graue Wolf, den ich suchen muss“, fragte er Leander.

„Woher soll ich das wissen“, antwortete der, völlig perplex. Denn er verstand die Sprache des Mannes, und der redete nicht in der Menschensprache mit ihm.

„Ich bin Aslan, Kommandant der Grenzwache“, stellte sich der Mann vor.

„Ich heiße Leander Wolfsblume. Was machst du auf dieser Seite der Grenze?“Neugierig schnüffelte Leander in Richtung des Mannes.

„Ich habe auf dich gewartet, Leander.“

„Was willst du von mir?“

„Du warst gestern auch auf der Lichtung, nicht?“

Leander erschrak. Wieso konnte er das wissen? Schließlich war er vorsichtig gewesen.

„Ich bin wie du“, sagte Aslan. „Oder fast.“ Mit Schwung zog er die Kapuze vom Kopf. Zum Vorschein kam der Schädel eines Hundes, mit spitzer Schnauze und langen Ohren, die ihm auf den Schultern lagen. „Ich bin ein Kynokephale. Ein Hundekopf!“

„Ein was?“ Das Wort hatte Leander nie gehört. Ratlos sah er sein Gegenüber an.

„Kynokephale. Ein Mensch mit dem Kopf eines Hundes.“

„Oh.“ Mehr sagte Leander nicht, er war zu verblüfft.

„Ich weiß, das du die Worte des Zauberers gehört haben musst“, nahm Aslan den Faden wieder auf. „Dann weißt du auch, dass ich einen grauen Wolf suchen soll. So einer wie du.“

„Warum? Ich meine, wieso suchst du mich?“

„Es werden schwierige Zeiten kommen. Die Dämonen erheben sich aus ihren Gräbern, dringen in die Welt der Menschen. Du und ich, wir müssen das verhindern, Leander.“

„Wie“, fragte der. Noch immer konnte er die Worte des Halbhundes nicht fassen. Ein Abenteuer, welches ihn aus dem Trott seines Alltages herausreißen würde? „Und wird es gefährlich?“

„Jedes Abenteuer ist gefährlich“, antwortete Aslan ernst. „Aber, es ist unsere Aufgabe, unsere Mission. Mächte, die viel größer sind wie wir, haben uns dazu bestimmt, den Kampf gegen jene Wesen aufzunehmen. Nimmst du die Wahl an?“

„Ich … ich … das überrumpelt mich etwas, Aslan. Was muss ich machen?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Wir werden es sehen, wenn es soweit ist.“

Leander nickte bedächtig. „Ich verstehe.“ Nachdenklich starrte er in den Steinkreis. Was sollte er bloß tun? Dies würde das Abenteuer seines Lebens, was ihm vielleicht den Respekt seiner Eltern und seiner Schwester einbringen würde. Wenn nicht, gab es da immer noch diesen Hundekopf, der ihn zu mögen schien. Was hatte er schon zu verlieren? Nichts!

„Ok, ich begleite dich. Wirst du mir zeigen, was ich tun muss?“Leander setzte sich.

„Sicher. Du bist kein Kämpfer, oder?“ Aslan musterte ihn kritisch.

Leander schüttelte den Kopf. „Ich gehe Ärger lieber aus dem Weg“, sagte er. „Reiner Überlebenswillen!“

„Das wird nun nicht mehr möglich sein, mein Freund. Daher werde ich dir zeigen, wie man kämpft. Komm in der folgenden Nacht in den Wald, und ich werde dir den Schwertkampf beibringen.“

„Ist das nötig?“

„Ja. Wie gesagt, unsere Mission wird nicht leicht werden. Du musst dich verteidigen können!“

„Wann beginnt dieses Abenteuer?“

„Nicht heute oder morgen. Aber, bald!“

„Ich werde da sein, Aslan!“

Aslan nickte. „Ich erwarte dich um Mitternacht.“

Leander erhob sich und auch der Hundekopf machte Anstalten, den Steinkreis zu verlassen.

„Ach ja. Du wirst aber nicht als Wolf kommen“, erkundigte sich Aslan noch, bevor er endgültig in dem Portal verschwand.

„Nein. Der Vollmond ist vorbei!“

Dann verschluckte ihn die Anderswelt wieder und Leander blieb alleine auf der Lichtung zurück. In Gedanken versunken lief er zu seinem Gartenhaus.

Konnte das alles wahr sein, fragte er sich, nachdem er in seinem Bett lag. Würde er wirklich der Retter der Welt sein? Auf was ließ er sich da ein? Fragen, die er sich nicht beantworten konnte, die ihn aber quälten.

Irgendwann schlief er ein und träumte von Aslan, der ihm seine Liebe gestand.

„Wir sind nicht nur Reisegenossen“, sagte er. „Sondern auch Liebende, Leander. Denn ich liebe dich, denn du bist der Mann, nachdem ich mein ganzes Leben gesucht habe.“

„Ich liebe dich auch“, flüsterte der Werwolf. „Bei dir fühle ich mich zu Hause!“ Dann küsste er die feuchte Schnauze des Hundekopfes und es fühlte sich gut an.

Auch am Tage dachte er an Aslan und je näher der Abend rückte, desto aufgeregter wurde er. Was würde ihn in der Nacht erwarten?

„Du bist so nervös“, bemerkte seine Mutter, als sie gemeinsam zu Abend aßen. „Der Vollmond ist doch vorbei?!“

„Ja“, antwortete Leander kurz angebunden.

„Hast du endlich einen Job“, erkundigte sich sein Vater.

„Nein.“

„Es wird Zeit, das du auf eigenen Beinen stehst, Sohn“, setzte sein Vater hinzu. „Sieh dir deine Schwester an. Sie arbeitet, hat bald eine eigene Wohnung und einen festen Freund. Wann bekommst du dein Leben auf die Reihe?“

„Dad, das fragst du mich ständig seit jenem … Unfall. Es ist nicht leicht für mich, in zwei Körpern zu leben. Wie soll ich mir da Arbeit suchen?“

„Andere schaffen das ja auch.“

„Ich bin nicht andere.“

„Streitet nicht“, mischte sich nun seine Mutter ein. „Hast du eine Freundin, Leander?“

Der verdrehte die Augen. „Bitte, können wir von etwas anderem reden?“

„Schon gut, eine Frau werden wir wohl nie an deiner Seite sehen, oder?“, fragte Arthur Wolfsblume mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Nicht nur die Wolfgestalt konnte er nicht akzeptieren, auch die sexuelle Neigung seines Sohnes, die ihm nicht verborgen geblieben war, regte ihn auf. „Willst du eigentlich Kinder?“

„Vater, bitte! Warum darf ich nicht so leben, wie ich will?“

„Arthur, lass den Jungen in Ruhe. Ich will keinen Streit am Tisch“, wies Ellen Wolfsblume ihren Mann zurecht.

Der brummte nur ärgerlich und schimpfte vor sich hin. Die Worte konnte Leander nicht verstehen, was ihm nur Recht war.

„Ich bin eh fertig und sehe jetzt etwas fern“, meinte er daher und stand auf. „Gute Nacht!“

In seiner Hütte entspannte sich Leander etwas und bereitete sich auf seinen Waldspaziergang vor. In dieser Nacht würde er nicht als Wolf zu dem Steinkreis gehen, sondern als Mensch. Ob ihn Aslan dann immer noch mochte und seine Hilfe wollte?

Der junge Mann hielt sich nicht für gutaussehend, obwohl er groß und muskulös war, und ein ebenmäßiges Gesicht besaß.

Die vielen Sticheleien in der Schule und der Nachbarschaft, besonders seit dem Unfall, hatten sein Selbstbewusstsein zerfetzt. Mit Grauen dachte er an die Streiche, die ihm sein Klassenkamerad Anton Hochgruber gespielt hatte, sein ärgster Gegner in der Schule. Er klaute ihm nicht nur sein Geld und sein Handy, sondern drückte seinen Kopf auch in die Kloschüssel oder bespuckte ihn mit Schleim.

Auf dem Weg in den Wald versuchte Leander, nicht mehr daran zu denken, denn sein Abschluss lag Jahre zurück und mit ihnen auch jene Vorkommnisse. Jetzt war er ein Werwolf, ein starkes und mächtiges Wesen, welches sich von niemanden mehr mobben lassen sollte. Eigentlich!

Mit klopfendem Herzen lief er durch den Wald, um die erste Lektion bei Aslan zu lernen. Wie verteidige ich mich mit dem Schwert, stand auf dem Plan.

Aufgeregt und aufgedreht erreichte er nach einer Weile die Steine. Dort war es dunkel, denn der Mond blieb heute hinter Wolken verborgen.

„Aslan“, flüsterte Leander bange. „Bist du da?“

„Ich bin hier, Wolf“, kam die leise Antwort und ein Schatten schälte sich aus der Dunkelheit. „Bist du bereit?“

„Ja. Was lerne ich heute?“

„Ich zeige dir, wie man mit dem Schwert umgeht. Das ist es doch, was du willst?“, fragte Aslan und drückte ihm ein Kurzschwert in die Hand.

„Ich habe daran gedacht, Aslan.“ Leander nickte.

Der Kommandant der Grenzwache zeigte ihm, wie man die Waffe hinlänglich handhabte und sich Feinde vom Leib hielt. Dabei kamen sie sich auch näher, denn der Hundekopf besaß Humor, grenzenlose Geduld und Verständnis für Leanders Neigungen.

Mal eine unbeabsichtigte Berührung dort, dann wieder ein vielversprechender Blick hier. Bald schon wusste Leander nicht mehr, was er von Aslan denken sollte. Einerseits benahm er sich wie ein Mann, der andere Männer liebte. Andererseits strahlte er eine natürliche Autorität aus, die es dem Werwolf verbot, Aslan näher zu kommen.

Nächtelang übten sie den Schwertkampf und Leander war sich nicht sicher, wie er Aslans Verhalten ihm gegenüber einschätzen sollte. Konnte er sich offenbaren? Oder würde sein neuer Freund ihn auslachen und zurückweisen? Denn er hatte sich in den wenigen Tagen, in denen sie übten, heftig in Aslan verliebt.

Schließlich war der Krieger zufrieden mit Leanders Kampfstil. „Du machst dich gut“, sagte er anerkennend. „Ich denke, im Notfall wist du dich verteidigen können.“

„Sehen wir uns wieder“, fragte Leander vorsichtig. „Auch ohne Training?“

Aslan sah ihn nachdenklich an. „Wenn du es möchtest“, meinte er zögernd. „Ich würde es vermissen, dich nicht mehr zu sehen.“

„Wirklich?“ Leander war erstaunt und sein Herz klopfte heftig.

„Ja.“ Aslan nickte leicht. „Ich weiß, was du für mich empfindest, Leander. Denn die Wesen der Anderswelt sind feinfühliger wie ihr Menschen. Ich kenne deine Gedanken, mein Freund.“

„Und“, fragte Leander atemlos. „Hasst du mich jetzt?“

„Warum sollte ich das tun?“

„Nun ja … ich meine … schließlich bist du ein Krieger … und ich … ich mag dich.“

„Ich kenne deine Gefühle, Leander. Du bist ein toller Mann, den ich sehr mag. Nein, das ist nicht das richtige Wort dafür. Ich denke, ihr nennt es Liebe. Ja, ich liebe dich.“

Leander war sprachlos, seine kühnsten Träume schienen endlich wahr zu werden. „Ich liebe dich auch!“

„Komm her, Leander“, rief Aslan und zog ihn in seine Arme. „Lass mich dich küssen!“ Und er schleckte ihm über das Gesicht.

„Bist du sicher“, fragte Leander unsicher.

„Ich war mir noch nie im Leben so sicher. Schon mein Leben lang war ich anders, nicht wie meine Kameraden. Und dann kamst du! Ich fühle mich endlich angekommen, Leander.“ Er drückte ihn fester.

Der schluckte. „Wir sind uns sehr ähnlich, nicht? Ich meine, nicht nur optisch. Ich der Werwolf, du der … Hundekopf! Dann auch noch der gleiche Geschmack.“

„Warum redest du so viel, Leander?“

„Soll ich nicht?“

„Nein. Genieß es einfach.“ Aslan zog ihn erneut in seine Arme, streichelte und küsste Leander.

1. Kapitel

Leander und Aslan

Ein Jahr später:

Es war noch früh am Morgen, und der Wald lag in feuchtem Dunst, als dort bei dem Steinkreis ein grünliches Lodern, die Öffnung eines Portals anzeigte.

Ein junger Fuchs, auf der Suche nach Mäusen, hob witternd und lauschend den Kopf, als das Flackern im Innern des Kreises zunahm und sich ein breiter Durchgang bildete.

Erschrocken flüchtete der Fuchs, als zuerst ein Fuß, eingefüllt in einen braunen Lederstiefel, in dem Durchgang erschien, und danach der Rest dieser sonderbaren Gestalt.

Der Mann, wenn man ihn so nennen wollte, war groß und hochgewachsen. Sein Körper zeugte von sportlicher Betätigung, oder Kriegshandwerk, denn er hatte Muskeln an Armen und Oberkörper. Der Unterkörper aber war schlanker, gleichwohl gut gebaut und kräftig.

Gehüllt war er in ein Lederwams, braunen Lederhosen, Stiefeln und einem dunklen Kapuzenumhang, der nicht nur seinen Körper, sondern auch den breiten Kopf verbarg. Eine schmale Schnauze, wie bei einem Hund, schaute unter Kapuze hervor, braune Augen, die wachsam die Umgebung im Auge behielten. Außerdem lange Schlappohren, von denen nur die Spitzen zu sehen waren.

Das Wesen sah sich gründlich um, bevor es den Steinkreis verließ und Richtung Stadt lief.

Zu dieser frühen Morgenstunde waren nicht einmal die Hundebesitzer unterwegs, so das der Mann, wir wollen ihn mal so nennen, unbehelligt bis zu den Häusern am Rande des Waldes gelangen konnte.

Eine typische Vorortsiedlung erwartete ihn dort, Reihen- und Einfamilienhäuser, mit hohen Hecken um die Grundstücke, bunt bepflanzte Vorgärten und dem gepflasterten Parkplatz für das Familienauto.

Vereinzelt liefen ihn Katzen auf Mäusefang vor die Füße, fauchten ihn warnend an und sausten dann mit aufgeplustertem Schwanz in den nächsten Garten. Hunde knurrten hinter den Zäunen, die sie davon abhielten, ihn anzugreifen.

Den Mann schienen die wüsten Drohgebärden der Tiere nicht zu stören, er war sicher, dass sie ihn nicht angreifen würden. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah.

Zielsicher steuerte er ein Einfamilienhaus an, dass am Ende der Straße, in der Nähe des Waldes lag und sich von den anderen Häusern hier deutlich abhob. Denn es war viel älter wie die anderen Gebäude, mit Stuck verziert, pausbäckige Engel, und dunkelgrün gestrichen. Ein schmiedeeisernes Gitter trennte es von der Straße, hinter dem hohe Büsche wuchsen, die um diese Jahreszeit voller weißer Blüten waren.

In den Fenstern im ersten Stock entdeckte der Mann bunte Bilder, zumeist Tiere, und kleine Fahnen, auf denen Einhörner und andere Fabelwesen zu sehen waren.

Doch, nicht das Hauptgebäude war sein Ziel, sondern das Gartenhaus, welches ganz am Ende des Gartens lag. Dafür musste er an dem Zaun noch ein Stück entlang gehen, um nicht von den Bewohnern des Gebäudes gesehen zu werden. Dann öffnete er eine kleine Pforte, die ihn geschützt zu dem Haus brachte.

Ein Mann öffnete ihm auf sein Klopfen die Tür und zog ihn sofort stürmisch in die Arme.

„Ich bin so froh, das du es heute noch geschafft hast, herzukommen, Aslan“, meinte der Bewohner des Gartenhauses. „Ich war mir nicht sicher, ob ich auf dich warten sollte?“

„Wenn ich es möglich machen kann, dich zu besuchen, Leander, wird mich weder meine Familie noch mein Job als Soldat davon abhalten“, antwortete der andere.

„Hat man dich gesehen“, erkundigte sich Leander besorgt.

„Nein. Die Menschen schlafen noch, mir ist niemand begegnet.“

„Das ist gut. Manchmal denke ich, Vater spioniert mir nach. Für ihn reicht es nicht, dass er mich in diese Hütte verbannt hat. Am liebsten würde er mich komplett aus seinem Leben streichen. Ich muss eine riesige Schande für ihn sein. Nicht nur, dass ich mich von einem Werwolf beißen ließ, nein, ich muss mich ja ausgerechnet in Männer verlieben. Damit hat mein konservativer Vater nie gerechnet!“

„Schwul zu sein, ist keine Schande, Leander“, sagte Aslan. „Ebenso ist es keine Blamage, ein Werwolf zu sein.“

„Für dich nicht, mein Freund. Du bist ja zum Teil auch ein Wolf oder Hund. Meine biederen Eltern aber sehen das etwas anders. Ich glaube, sie hassen mich für das, was ich bin“, meinte Leander niedergeschlagen. „Viola kommt mit einem unehelichen Kind nach Hause und sie nehmen sie freudestrahlend in den Schoß der Familie auf. Mich aber wollen sie nicht mal sehen.“

„Sei nicht traurig, mein Liebster. Ich mag dich, so wie du bist“, erklärte Aslan und küsste ihn, in dem er ihm das Gesicht leckte.

„Danke, das du da bist. Im Augenblick läuft in meinem Leben alles aus dem Ruder. Viola hat sich mit dem kleinen Jason mein Zimmer einverleibt, ich hasse meine zweite Gestalt und einen richtigen Job finde ich auch nicht. Was soll ich bloß machen? Wenn es dieses Haus hier nicht gäbe, stünde ich komplett auf der Straße.“

„Dann kommst du zu mir, Leander.“

„In die Anderswelt“, fragte der skeptisch. „Ich weiß nicht? Wird man mich hier nicht vermissen?“

„Ich dachte, sie behandeln dich nicht gut? Bei uns ist es egal, wie man aussieht, wichtig ist, wer man ist. Du wärst sicher ein guter Kämpfer.“

„Ich habe keine Erfahrung im Kampf, Aslan. Danke, aber noch möchte ich es hier versuchen. Schließlich wurde ich hier geboren, meine Familie und Freunde sind hier. Was hätte ich dort? Nur dich!“Leander war unsicher, was und wer ihn in der Anderwelt erwarten würde.

„Du wirst dich einleben, mein Freund. Aber, es ist deine Entscheidung. Was machen wir heute?“

„Hm? Eine Runde Sex?“, fragte Leander schmunzelnd.

Aslan lachte, was sich fast wie das Bellen eines Hundes anhörte. „Warum nicht? Ich habe dich vermisst, mein Freund, mein Liebster. Dich und deine leidenschaftliche Liebeskunst!“

„Du bist fast ein Poet, Aslan. Genug der Rede, ich will dich, deinen stahlharten Köper und deine Zärtlichkeit.“ Mit flinken Fingern löste er Aslans Umhang und warf ihn auf das Sofa.

Der revanchierte sich und schälte Leander aus seinem Pyjamaoberteil, das er noch immer trug. Dann schleckte er mit seiner warmen Zunge über sein Gesicht, die Arme und den Oberkörper.

„Du schmeckst gut“, murmelte er.

Leander streichelte Aslans Gesicht, öffnete die Schnüre seines Wamses und zog es ihm über den Kopf. Zum Vorschein kam ein gut gebauter Oberkörper, mit harten Muskeln an den Oberarmen und feinen, braunen Haaren auf der Brust.

„Deinen Körper möchte ich haben“, seufzte er. „Nicht mal der Wolf stählt meinen Körper. Ich sehe aus wie ein Spargel!“

„Das kommt sicher noch“, meinte Aslan und zog Leander zum Bett. „Mir gefällst du so!“ Dann ließ er seine Finger über dessen blassen Oberkörper wandern, immer tiefer, bis sie jene Regionen erreichten, die schon sichtlich erregt waren. Eine prächtige Beule hatte sich in Leanders Pyjamahose gebildet, die Aslan nun zu streicheln begann, bis sein Freund vor Erregung aufstöhnte.

 

Während sich die beiden Männer in dem Gartenhaus vergnügten, streifte ein älterer, schmuddeliger Mann, mit Bart und verfilzten, langen Haaren durch die Vorortsiedlung.

Er war dem hundsköpfigen Aslan von dem Platz der Steine, bis in die Siedlung gefolgt. Doch, er verstand es, sich so gut wie unsichtbar zu machen, denn nicht mal die ersten Frühaufsteher, die nun zum Brötchenkaufen zum Bäcker fuhren, bemerkten seine Anwesenheit. Auch die Hunde, die sonst wachsam jeden Fremden anbellten, gaben keinen Laut von sich und blieben in ihren Hütten liegen.

Der Mann wanderte weiter, erreichte das Haus der Familie Wolfsblume, zu der auch Leander gehörte, und spähte durch die dichten Büsche. Im Haus wirkte alles ruhig, die Familie schlief wohl noch.

Vorsichtig zwängte sich der Mann durch die Gartenpforte, um besser sehen zu können. Dann versteckte er sich hinter den hohen Töpfen, in denen die Hausherrin Dahlien und Rosen gepflanzt hatte und beobachtete die Fenster im Erdgeschoss des Hauses. Er entdeckte da einen Mann, der dort wohl schon eine Weile gestanden haben mochte.

Er hatte weißen Haare, war unrasiert und trug nur ein weißes Unterhemd über der fleckigen Unterhose. In der Hand hielt er eine Zigarette, die allerdings nicht angezündet war. Mit grimmigem Blick starrte er zum Gartenhaus, als ob er überlegte, ob er nicht hinüber gehen sollte. Noch zögerte er, doch sein Beobachter war sicher, dass er schon bald zu einer Entscheidung kommen würde.