Buch
Jeder Mensch ist irgendwie auf der Suche. Nach gutem Essen, Komfort, nach Reichtum, sozialem Status, guten Freunden, Sex oder Vergnügen. Aber auch wenn wir am Ziel unserer Wünsche angekommen sind, stellt sich oft keine Freude ein; denn die tiefste Sehnsucht ist ein Geheimnis, das sich erst dem offenbart, der bereit ist, einen verborgenen Teil seines Selbst zu erforschen. Diese Sehnsucht hat nichts zu tun mit Dingen oder Gegebenheiten der äußeren Welt. Sie führt jeden Menschen in sein eigenes Inneres, zu seinem wahren Selbst. In 15 Lektionen erfahren wir alles über die geistig-spirituellen Lebensgesetze, über Projektion, Mikrokosmos/Makrokosmos, Seelenbestimmung und über die Freiheit von quälenden Gedanken. So vermittelt der große spirituelle Lehrer Deepak Chopra eine Sicht der Welt, die unser naturwissenschaftliches Weltbild ergänzt und den Einzelnen in einen großen Zusammenhang einbettet, in dem er wahrhaft Sinn finden kann. Er lässt uns teilhaben an seinen Einsichten und Erkenntnissen des Lebens, die auf einzigartige Weise eine Synthese aus östlicher Weisheit, westlicher Psychologie und pragmatischer Lebenskunst darstellen.
Autor
Wie kein anderer verbindet Deepak Chopra das Wissen des Westens mit der Weisheit des Ostens. Lange Zeit hat er als Arzt in einem Krankenhaus gearbeitet. Als erfolgreicher Internist und Endokrinologe stellte er in den 1980er Jahren fest, dass der westlichen Medizin gleichsam die Seele fehlt. Daher machte er sich auf die Suche nach einer ganzheitlichen Medizin, die ihn bald in den Grenzbereich von Wissenschaft und Glauben brachte, dem er sich auch heute noch mit Erfolg widmet. Seine mehr als 35 Bücher verkaufen sich glänzend: Sie wurden in 35 Sprachen übersetzt und insgesamt 20 Millionen Mal verkauft. Das Time Magazine zählt Chopra zu den 100 herausragenden Köpfen des 20. Jahrhunderts.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel
»The Book of Secrets« bei harmony Books, New York.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 im Wilhelm Goldmann Verlag, München.
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Neumarkter Str. 28, 81673 München.
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Vollständige Taschenbuchausgabe August 2008
© 2005 der deutschsprachigen Ausgabe
Wilhelm Goldmann Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random house Gmbh
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
This Translation published by arrangement
with harmony Books, a division of Random house, Inc.
© 2004 by Deepak Chopra
umschlaggestaltung: Design Team München
umschlagfoto: Francene hart
SB · herstellung: CZ
ISBN: 978-3-641-25592-3
V001
www.arkana-verlag.de
Meinem Vater KRISHAN LAL CHOPRA:
Dein würdevolles Leben und Sterben inspirierten mich
und erschlossen mir schließlich die
verborgenen Dimensionen meines Lebens.
Einleitung:
Wir schlagen das Buch der Geheimnisse auf
1. Geheimnis
Das Rätsel des Lebens ist wirklich
2. Geheimnis
Die Welt ist in uns
3. Geheimnis
Vier Wege führen zur Einheit
4. Geheimnis
Wir sind schon das, was wir suchen
5. Geheimnis
Unwirklichkeit ist die Wurzel des Leids
6. Geheimnis
Freiheit zähmt den Geist
7. Geheimnis
Jedes Leben ist spirituell
8. Geheimnis
Das Böse ist nicht unser Feind
9. Geheimnis
Wir leben in vielen Dimensionen
10. Geheimnis
Der Tod macht das Leben möglich
11. Geheimnis
Das Universum denkt durch uns
12. Geheimnis
Es gibt nur das Jetzt
13. Geheimnis
Wirklich frei sind wir erst, wenn wir keine Person mehr sind
14. Geheimnis
Der Sinn des Lebens ist alles
15. Geheimnis
Alles ist reine Essenz
Epilog: Neugeburt
Danksagung
Am meisten hungert der Mensch nicht nach Nahrung, Geld, Erfolg, sozialem Status, Sicherheit, Sex oder gar danach, vom anderen Geschlecht geliebt zu werden. Immer wieder gelingt es Menschen, all das zu erreichen, und dennoch sind sie nicht zufrieden – ja, oft sind sie sogar noch unzufriedener als zuvor. Am meisten hungert der Mensch nach einem Geheimnis, das ihm erst dann enthüllt wird, wenn er bereit ist, einen verborgenen Teil seiner selbst zu entdecken. In den uralten Weisheitstraditionen wird diese Suche mit dem Tauchen nach der wertvollsten aller Perlen verglichen. Das ist eine poetische Art und Weise zu sagen, dass wir weit ins offene Meer hinausschwimmen, uns tief in uns selbst versenken und geduldig suchen müssen, bis wir die kostbarste aller Perlen finden.
Diese Perle wird auch Essenz, Atem Gottes, Wasser des Lebens, heiliger Nektar genannt – all diese Begriffe benennen etwas, das wir in unserer eher nüchternen, wissenschaftlichen Zeit schlicht als Transformation bezeichnen würden. Eine Transformation ist eine grundlegende Veränderung der Form, etwa die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling. Bezogen auf das menschliche Leben bedeutet es, Angst, Wut, Zweifel, Unsicherheit, Hass und Leere in ihr Gegenteil zu verkehren. Ist das überhaupt möglich? Nun, eines ist gewiss: Der heimliche Hunger, der an den Seelen der Menschen nagt, hat nichts mit Äußerlichkeiten wie Geld, gesellschaftlicher Stellung und Sicherheit zu tun. Es ist unser Inneres, das sich nach dem Lebenssinn, dem Ende des Leids und Antworten auf die Rätsel von Liebe, Tod, Gott, der Seele, von Gut und Böse sehnt. Ein oberflächliches Leben wird weder diese Fragen beantworten noch die Sehnsucht stillen, die uns dazu treibt, sie zu stellen.
Nur, wenn wir die verborgenen Dimensionen in uns finden, können wir unseren tiefsten Hunger stillen.
Nach dem Aufstieg der Wissenschaft hätte diese Gier nach Wissen eigentlich nachlassen müssen, doch sie ist nur noch stärker geworden. Es gibt keine neuen »Fakten« mehr über die verborgenen Dimensionen des Lebens aufzudecken. Es ist nicht nötig, noch mehr Computer- oder Kernspintomographien von Patienten während einer Nahtoderfahrung oder von tief in die Meditation versunkenen Yogis zu machen. Die Phase des Experimentierens ist abgeschlossen, und wir können sicher sein: Das menschliche Gehirn wird folgen, wohin das Bewusstsein strebt. Unsere Neuronen sind in der Lage, die höchsten spirituellen Erfahrungen zu erfassen. Doch in mancherlei Hinsicht wissen Sie und ich weniger über das Rätsel des Lebens als unsere Vorfahren.
Wir leben im Zeitalter des rationalen Gehirns. Die Großhirnrinde hat sich in den vergangenen Jahrtausenden stark entwickelt und überschattet nun den älteren, instinktiveren Teil, das primitive Gehirn. Die Großhirnrinde wird oft als Neuhirn bezeichnet, doch die älteren Gehirnteile beherrschten den Menschen Jahrmillionen lang, so wie sie noch heute die meisten Lebewesen beherrschen. Das Althirn kann weder Ideen aus dem Hut zaubern noch kann es lesen. Aber es besitzt die Fähigkeit zu fühlen und vor allem zu sein. Das Althirn ließ unsere Vorfahren die Nähe einer rätselhaften Gegenwart überall in der Natur erahnen.
Diese Gegenwart, die sich in jedem noch so kleinen Teil der Schöpfung findet, durchdringt auch Ihr Leben. Sie selbst sind ein Buch der Geheimnisse, das darauf wartet, aufgeschlagen zu werden – obwohl Sie sich vermutlich als etwas gänzlich anderes sehen. An jedem beliebigen Tag sind Sie Arbeitnehmer, Vater oder Mutter, Mann oder Frau, durchstöbern als Konsument die Geschäfte eines Einkaufszentrums auf der Suche nach etwas Neuem oder warten als Mitglied eines Publikums ungeduldig auf die nächste Darbietung.
Wenn man die Wahrheit der einen Wirklichkeit lebt, enthüllen sich alle Geheimnisse ohne Mühe und ohne Qual.
Es läuft auf die Jahrtausende alte Entscheidung zwischen Trennung und Einheit hinaus. Wollen Sie zersplittert, voller Widersprüche, zwischen den ewigen Kräften des Lichts und der Dunkelheit hin- und hergerissen sein? Oder wollen Sie den Zustand der Trennung überwinden und zur Ganzheit finden? Sie sind ein denkendes, fühlendes und handelndes Wesen. Die Spiritualität verschmilzt diese drei Eigenschaften zu einer einzigen Wirklichkeit. Denken ist nicht wichtiger als Fühlen. Unsere Gefühle widersetzen sich nicht stur unserem rationalen Gehirn. Wir handeln, wenn sowohl unser Denken als auch unser Gefühl melden: »Das ist richtig.« Ob Sie in der einen Wirklichkeit leben, erkennen Sie daran, dass Sie im Fluss des Lebens schwimmen, ohne auf Hindernisse oder Widerstand zu stoßen. In diesem Fluss sind Inspiration, Liebe, Wahrheit, Schönheit und Weisheit natürliche Aspekte unseres Daseins. Die Seele ist die eine Wirklichkeit, und die Oberfläche des Lebens ist lediglich eine Verkleidung mit tausend Masken, die uns daran hindert, die Wahrheit zu erkennen. Vor tausend Jahren hätte niemand etwas gegen diese Behauptung einzuwenden gehabt. Damals war man sich einig, dass die Seele die wahre Quelle des Lebens ist. Heute müssen wir das Rätsel des Lebens mit neuen Augen betrachten, denn als stolze Kinder von Wissenschaft und Vernunft sind wir Waisen der Weisheit.
Deshalb setzt dieses Buch auf zwei Ebenen an. Zum einen will es Sie davon überzeugen, dass die unbekannten Dimensionen des Lebens tatsächlich ein Geheimnis bergen. Zum anderen will es die nötige Leidenschaft und Hingabe in Ihnen wecken, die Sie brauchen, um dieses Geheimnis zu finden. Sie können diese Aufgabe nicht so lange aufschieben, bis Sie sich bereit fühlen. Sie sind seit jenem Tag bereit, an dem Sie vergaßen, weiter nachzufragen, wer Sie sind und was Sie hier sollen. Leider blenden die meisten Menschen die vielen tausend Erfahrungen aus, die eine Transformation ermöglichen könnten. Würden wir nicht so viel Energie ins Leugnen, Unterdrücken und Zweifeln investieren, wäre jedes Leben eine ständige Offenbarung.
Letztendlich müssen Sie glauben, dass Ihr Leben es wert ist, mit grenzenloser Leidenschaft und völliger Hingabe erkundet zu werden. Es waren viele tausend kleine Entscheidungen nötig, um das Buch der Geheimnisse geschlossen zu halten. Doch um es aufzuschlagen, genügt ein einziger Augenblick.
Ich verstehe den folgenden Satz aus dem Neuen Testament wörtlich, in dem es heißt: »Bittet, so wird euch gegeben; klopfet an, so wird euch aufgetan.« Es ist tatsächlich so einfach.
Wenn Sie voller Überzeugung sagen können: »Ich muss es wissen, ich kann keine Sekunde länger warten«, werden Ihnen alle Geheimnisse des Lebens offenbart. Buddha, der unter dem Bodhi-Baum sitzt, und Jesus, der in der Wüste vom Teufel versucht wird, symbolisieren das Drama der Seele, das zu wiederholen Sie geboren wurden. Zweifeln Sie niemals daran: Sie sind das wichtigste Wesen auf dieser Welt, denn auf der Ebene der Seele sind Sie die Welt. Sie müssen sich das Recht auf Wissen nicht verdienen. Sie können mit dem nächsten Gedanken, dem nächsten Gefühl, dem nächsten Tag beginnen, die tiefste spirituelle Weisheit zu entdecken, die rein und frei fließt, wie ein Bergbach im Frühling. Das Selbst kann Geheimnisse nicht bis in alle Ewigkeit vor sich bewahren – wie gut uns auch beigebracht wurde, das Gegenteil zu glauben.
Das Leben, wie Sie es kennen, ist eine dünne Schicht von Ereignissen, die über einer tieferen Wirklichkeit liegt. In dieser tieferen Wirklichkeit sind Sie ein Teil von allem, was geschieht, was je geschah und je geschehen wird. In dieser tieferen Wirklichkeit wissen Sie mit absoluter Sicherheit, wer Sie sind und was Ihre Aufgabe ist. Sie sind weder verwirrt noch stehen Sie mit irgendeinem anderen Menschen auf Erden in Konflikt. Ihre Lebensaufgabe ist es, der Schöpfung zu helfen, sich zu entfalten und zu wachsen. Wenn Sie sich betrachten, sehen Sie nur Liebe.
Das Rätsel des Lebens ist freilich nichts von alledem. Es ist das Wissen, wie man diese Dinge an die Oberfläche holt. Wenn mich jemand fragte, wie man beweisen könne, dass das Leben tatsächlich ein Rätsel birgt, würde ich antworten: Der einfachste Beweis liegt in der gewaltigen Kluft zwischen tiefer Wirklichkeit und Alltagsleben. Seit unserer Geburt bekommen wir ununterbrochen Hinweise darauf, dass eine andere Welt in uns steckt. Sind Sie noch nie ins Staunen geraten? Wir geraten ins Staunen, wenn wir schöne Musik hören oder natürliche Schönheit erblicken, die uns einen Schauer über den Rücken jagt. Oder wenn wir etwas Vertrautes mit neuen Augen betrachten – die Morgensonne, einen Baum, der sich im Wind wiegt, das Gesicht eines schlafenden Menschen, den wir lieben – und in diesem Augenblick wissen, dass das Leben mehr ist, als es zu sein scheint.
Sie haben unzählige Hinweise bekommen und übersehen, weil die Botschaft nicht klar war. Ich habe erstaunlich viele Menschen mit unglaublichen spirituellen Anfängen kennen gelernt: Manche sahen als Kinder, wie die Seele ihrer Großmutter im Augenblick des Todes den Körper verließ, wie sie an einem Geburtstag von Lichtgestalten umgeben waren, sie haben ihren Körper verlassen oder sahen, als sie von der Schule nach Hause kamen, ein geliebtes Familienmitglied im Flur stehen, das gerade bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen war. (Ein Mann erzählte mir, er sei in den ersten zehn Jahren seines Lebens ein »Seifenblasen-Bub« gewesen, sei in seiner Seifenblase hoch über der Stadt geschwebt und habe darin unbekannte Länder bereist.) Millionen von Menschen – das ist nicht übertrieben, sondern das Ergebnis öffentlicher Meinungsumfragen – sahen sich schon einmal von einem schimmernden weißen Licht umgeben oder hörten eine Stimme und wussten, dass es die Stimme Gottes war, oder hatten in ihrer Kindheit unsichtbare Schutzengel, Fantasiegefährten, die sie beschützten, während sie schliefen.
Schließlich wurde mir klar, dass der überwiegende Teil der Menschen Erfahrungen dieser Art gemacht hat – wahrhaft geheime Reisen in eine Wirklichkeit, die nur durch einen dünnen Schleier der Skepsis von dieser Welt getrennt ist. Wenn wir diesen Schleier lüften, verändert sich unsere Wahrnehmung. Das ist eine persönliche, gänzlich subjektive, aber höchst reale Veränderung.
Wenn Sie ein Rätsel zu lösen hätten, das überall ist und sich doch nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügt, wo würden Sie anfangen? Ein großer Detektiv wie Sherlock Holmes würde seine Suche auf eine Grundhypothese aufbauen: Etwas Unbekanntes möchte erkannt werden. Ein Rätsel, das nicht gelöst werden will, weicht einfach immer weiter zurück, je näher man der Lösung kommt. Anders das Rätsel des Lebens: Seine Geheimnisse werden sofort offenbar, wenn man nur weiß, wo man suchen muss. Aber wo kann das sein?
Die Weisheit unseres Körpers ist ein guter Einstieg in die verborgenen Dimensionen des Lebens. Sie ist gänzlich unsichtbar und doch nicht von der Hand zu weisen – Mitte der Achtzigerjahre räumte die medizinische Forschung allmählich die Existenz einer derartigen Weisheit ein. Davor war man der Ansicht gewesen, Intelligenz beschränke sich auf das Gehirn.
Doch dann entdeckte man Anzeichen von Intelligenz zuerst im Immun-, dann im Verdauungssystem. Man fand heraus, dass Botenmoleküle dieser beiden Systeme durch alle Organe zirkulieren und Informationen vom und zum Gehirn überbringen, aber dass diese Systeme auch selbstständig arbeiten. Ein weißes Blutkörperchen, das zwischen eindringenden feindlichen Bakterien und harmlosen Pollen unterscheiden kann, fällt eine intelligente Entscheidung, obwohl es ohne Verbindung zum Gehirn im Blutstrom schwimmt.
Vor zehn Jahren wäre es absurd gewesen, von intelligenten Organen zu sprechen. Zwar war bekannt, dass die Darmschleimhaut über viele tausend Nervenenden verfügt, doch das waren lediglich abgelegene Außenposten des Nervensystems – eine Möglichkeit, die niedere Arbeit der Nährstoffgewinnung aus der Nahrung zu überwachen. Nun stellt sich heraus, dass unsere Eingeweide doch nicht so unbedeutend sind. Ihre weit verstreuten Nervenzellen bilden ein fein abgestimmtes System, das auf äußere Ereignisse reagiert – eine kritische Bemerkung des Vorgesetzten bei der Arbeit, eine drohende Gefahr, einen Todesfall in der Familie. Auf die Reaktionen des Magens kann man sich ebenso verlassen wie auf die Gedanken des Gehirns – und sie sind ebenso kompliziert. Unser Darm, unsere Leber und unsere Magenzellen denken. Nur denken sie nicht in einer aus Worten zusammengesetzten Sprache wie das Gehirn. Das, was die Menschen als »Bauchgefühl« bezeichnen, entpuppte sich als Hinweis auf jene komplexe Intelligenz, die in vielen Billionen Zellen am Werk ist.
Im Zuge einer umwälzenden medizinischen Revolution betraten Wissenschaftler eine verborgene Dimension, von der niemand etwas geahnt hatte. Schon seit Jahrmillionen sind uns die Zellen im Denken überlegen. Genau genommen könnte ihre Weisheit, die so viel älter ist als die Weisheit der Großhirnrinde, das beste Modell für das Einzige darstellen, was noch älter als sie ist: den Kosmos. Vielleicht ist uns auch das Universum im Denken überlegen. Wohin ich mich auch wende, überall wird die Absicht der kosmischen Weisheit spürbar. Im Grunde will sie dasselbe wie ich – wachsen, sich entfalten, erschaffen. Der größte Unterschied besteht darin, dass mein Körper besser mit dem Universum zusammenarbeitet, als ich es kann.
Zellen haben kein Problem damit, ganz und gar Teil des Rätsels des Lebens zu sein. Ihre Weisheit liegt in allumfassender Leidenschaft und völliger Hingabe. Sehen wir nun, ob sich die Elemente körperlicher Weisheit mit den verborgenen Dimensionen in Einklang bringen lassen, nach denen wir suchen:
1.Wir dienen einem höheren Zweck.
2.Wir stehen mit allem Leben in Kontakt.
3.Unser Bewusstsein ist offen für Veränderungen. Es ist sich jeden Augenblick aller Dinge in unserer Umgebung bewusst.
4.Wir akzeptieren, dass alle anderen uns gleichgestellt sind, und nehmen sie ohne Urteil oder Vorurteil an.
5.Wir nutzen jeden Augenblick mit neuer Kreativität, statt uns an Altes und Überholtes zu klammern.
6.Unser Sein wird sanft von den Rhythmen des Universums getragen. Wir fühlen uns sicher und geborgen.
7.Unter Effizienz verstehen wir, dass der Fluss des Lebens uns bringt, was wir brauchen. Für Gewalt, Kontrolle und Kampf haben wir nichts übrig.
8.Wir fühlen uns mit unserer Quelle verbunden.
9.Wir sind dem Geben verpflichtet, denn das Geben ist die Quelle allen Überflusses.
10.Wir sehen alle Veränderungen, auch Geburt und Tod, vor dem Hintergrund der Unsterblichkeit. Das, was sich nicht verändert, erscheint uns am wirklichsten.
Bei keinem dieser Punkte handelt es sich um ein spirituelles Ziel. Es sind alltägliche Fakten aus dem Leben unserer Zellen.
Höherer Zweck: Jede Zelle unseres Körpers erklärt sich bereit, dem Wohle des Ganzen zu dienen. Ihr persönliches Wohlergehen steht erst an zweiter Stelle. Wenn nötig, stirbt sie, um den Körper zu schützen, und oft tut sie das auch – die Lebensdauer einer beliebigen Zelle beträgt nur einen Bruchteil unseres ganzen Lebens. Stündlich gehen Tausende von Hautzellen zugrunde, sterben Abwehrzellen im Kampf gegen eindringende Mikroben. Egoismus hat keine Chance, nicht einmal dann, wenn das Überleben der Zelle auf dem Spiel steht.
Kontakt: Jede Zelle hält mit allen anderen Zellen Kontakt. Botenmoleküle rasen überall hin, um auch die fernsten Außenposten des Körpers von einem Wunsch oder einer Absicht in Kenntnis zu setzen – wie unwichtig sie auch sein mögen. Rückzug oder die Weigerung zu kommunizieren kommen nicht infrage.
Bewusstsein: Zellen passen sich jeden Augenblick von neuem an die Gegebenheiten an. Sie bleiben flexibel, um sofort reagieren zu können. Festgefahrene Gewohnheiten stehen nicht zur Debatte.
Akzeptanz: Zellen akzeptieren, dass sie alle gleich wichtig sind. Jede Körperfunktion ist von allen anderen Körperfunktionen abhängig. Alleingänge führen nicht zum Ziel.
Kreativität: Jede Zelle hat ganz spezielle Funktionen (z. B. können Leberzellen 50 verschiedene Aufgaben erfüllen), die allerdings immer wieder auf kreative Art und Weise kombiniert werden. Ein Mensch kann Nahrung verdauen, die er noch nie zuvor gegessen hat, Gedanken denken, die noch nie zuvor gedacht wurden, tanzen, wie man es noch nie zuvor gesehen hat. Das Festhalten an alten Verhaltensweisen bringt uns nicht weiter.
Sein: Zellen folgen dem allgegenwärtigen Kreislauf von Ruhe und Betriebsamkeit. Dieser Kreislauf kommt auf vielfältige Weise zum Ausdruck, etwa in schwankenden Hormonspiegeln, dem Blutdruck und den Rhythmen der Verdauung. Am deutlichsten aber wird er angesichts des Schlafs. Warum wir schlafen müssen, bleibt ein medizinisches Rätsel, doch wenn wir ohne die positive Wirkung des Schlafs auskommen müssen, hat das schwerwiegende Funktionsstörungen zur Folge. In der Stille völliger Inaktivität reift die Zukunft unseres Körpers heran. Zwanghafte Aktivität oder Aggressivität führen zu nichts.
Effizienz: Zellen verbrauchen so wenig Energie wie möglich. Für gewöhnlich speichern sie innerhalb der Zellmembran nur Brenn- und Sauerstoff für drei Sekunden. Zellen vertrauen darauf, dass für sie gesorgt ist. Ein übermäßiger Verbrauch von Brennstoff, Luft oder Wasser findet nicht satt.
Verbundenheit: Die Zellen wissen aufgrund ihres gemeinsamen genetischen Ursprungs, dass sie im Grunde alle gleich sind. Leberzellen unterscheiden sich zwar von Herzzellen, und Muskelzellen unterscheiden sich von Gehirnzellen, doch das hat keinerlei Auswirkungen auf ihre gemeinsame und unwandelbare Identität. Eine Muskelzelle lässt sich im Labor genetisch in eine Herzzelle verwandeln, wenn man sie auf den gemeinsamen Ursprung zurückführt. Gesunde Zellen bleiben mit ihrer Quelle verbunden, egal wie oft sie sich teilen. Ein Außenseiterdasein ist für sie uninteressant.
Geben: Jede Zelle ist in erster Linie damit beschäftigt zu geben. Das gewährleistet das reibungslose Arbeiten aller anderen Zellen. Diese verbindliche Verpflichtung der Zellen zum Geben sorgt automatisch dafür, dass sie auch etwas zurückbekommen – denn das ist die andere Seite dieses natürlichen Kreislaufs. Horten ist völlig nutzlos.
Unsterblichkeit: Zellen teilen sich, um ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fähigkeiten weiterzugeben. Sie enthalten ihren Nachkommen nichts vor. Das ist eine Art praktische Unsterblichkeit: Auf körperlicher Ebene unterwerfen sie sich dem Tod, auf nichtkörperlicher aber besiegen sie ihn. Ein Generationskonflikt tritt nicht auf.
Wenn ich mir ansehe, was meine Zellen alles leisten, frage ich mich, ob es sich dabei nicht doch um eine in jeder Hinsicht spirituelle Zielsetzung handelt. Ihre erste Eigenschaft, nämlich sich einem höheren Zweck zu verschreiben, entspricht den spirituellen Eigenschaften der Hingabe und der Selbstlosigkeit. Das Geben entspricht der Verpflichtung, Gott zu geben, was Gottes ist. Die Unsterblichkeit entspricht dem Glauben an ein Leben nach dem Tode. Mit welchen Etiketten das Denken diese Eigenschaften versieht, ist meinem Körper freilich gleich. Für ihn sind diese Eigenschaften schlichtweg Ausdruck dessen, wie das Leben eben funktioniert. Sie sind das Werk kosmischer Intelligenz, die sich seit Milliarden von Jahren in biologischer Form ausdrückt. Bei der Entfaltung seines vollen Potenzials ließ das Rätsel des Lebens Geduld und Vorsicht walten, und auch jetzt fühlt sich die stille Übereinkunft, die meinen Körper zusammenhält, noch wie ein Geheimnis an, denn dem äußeren Anschein nach gibt es so etwas gar nicht. Über 250 verschiedene Zelltypen verrichten ihr Tagewerk: Die 50 Aufgaben, die von Leberzellen übernommen werden, sind ganz und gar einzigartig und überschneiden sich weder mit den Aufgaben von Muskel- noch von Nieren-, Herz- oder Gehirnzellen – und doch hätte es verheerende Auswirkungen, wäre auch nur eine dieser Funktionen gestört. Das Rätsel des Lebens hat den perfekten Weg gefunden, sich auszudrücken – durch uns.
Gehen Sie die Liste der Eigenschaften noch einmal durch und achten Sie darauf, wie ineffektiv die negativen Eigenschaften sind, die ihnen jeweils entgegenstehen könnten: Egoismus, die Weigerung zu kommunizieren, Außenseiterdasein, unmäßiger Verbrauch, zwanghafte Aktivität, Aggression usw. Wenn unsere Zellen ein derartiges Verhalten zu vermeiden wissen, weshalb legen wir es dann an den Tag? Weshalb sollte Gier gut für uns sein, wenn sie auf Zellebene zur Zerstörung führt, denn schließlich ist Gier der Grundfehler der Krebszellen? Warum lassen wir zu, dass ein Zuviel an Nahrung zu Übergewicht epidemischen Ausmaßes führt, wenn unsere Zellen ihren Brennstoff aufs Molekül genau bemessen? Wenn unser Körper sich genauso verhielte, wie wir uns als Menschen verhalten, würde er innerhalb von 24 Stunden sterben. Wir verraten die Weisheit unseres Körpers, und was noch schlimmer ist, wir missachten das Modell eines perfekten spirituellen Lebens, das wir in uns tragen.
Dieses Buch entstand nicht aus dem Gefühl heraus, dass der Mensch spirituell schwach und unzulänglich ist. Es entstand infolge eines familiären Trauerfalls, der mir am Ende neue Hoffnung gab. Vor einigen Jahren starb unerwartet mein Vater. Er war zwar schon 81 Jahre alt, aber immer gesund und voller Energie, und an jenem Januartag hatte er die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten verfolgt. Mein Vater hatte sich nach einer langen beruflichen Laufbahn als Kardiologe zur Ruhe gesetzt, sich aber noch nicht gänzlich von der Medizin verabschiedet und am Abend im Kreise einiger seiner Studenten medizinische Fallbeispiele diskutiert.
Meine Mutter schlief ihrer schlechten Gesundheit wegen in einem anderen Zimmer und hörte nicht, wie Krishan zu Bett ging. Doch nach Mitternacht, als sie immer noch nicht schlafen konnte, erschien er im Schlafanzug an ihrer Tür. Er war nur ein schwacher Umriss in der Dunkelheit und erklärte ihr, dass er nun gehen werde. Sie wusste sofort, wovon er sprach. Mein Vater gab ihr einen Abschiedskuss und sagte ihr, dass er sie liebte. Dann tappte er lautlos in sein Zimmer zurück, wo nur die nächtlichen Geräusche der Grillen, der tropischen Vögel und des Verkehrs der Stadt Delhi zu hören waren. Er legte sich hin, rief Gott dreimal an und starb.
Unsere Familie geriet in helle Aufregung. Mein kleiner Bruder und ich waren in den Vereinigten Staaten und eilten so schnell wie möglich nach Indien. Nur Stunden später hatten wir den Körper meines Vaters für die Bestattung traditionell gekleidet und mit Ringelblumen bestreut und trugen ihn unter dem Wehklagen und den heiligen Gesängen der Frauen die Treppe hinab. Kurz darauf stand ich am Verbrennungsghat am Fluss über einem Haufen Asche und erfüllte die Pflicht des Erstgeborenen: Ich zertrümmerte die Überreste des Schädels mit einem Stock, um die Bande meines Vaters an das irdische Leben, das er geführt hatte, zu lösen.
Das Gefühl überwältigte mich, dass dieser Mann, der mir der liebste Mensch auf Erden gewesen war und mit dessen Verlust ich so bald nicht gerechnet hatte, nun vollkommen und restlos verschwunden war. Doch dass er in so klarem, ruhigem Bewusstsein von uns gegangen war, bewahrte uns vor der allertiefsten Trauer. Ich wusste, dass der Krishan Chopra, dessen Körper und Persönlichkeit ich gekannt hatte, verschwunden war, und doch beruhigten sich meine Gefühle erst, als ich so detailliert wie möglich in Worte gefasst hatte, was mit ihm geschehen war. Das Geheimnis hatte ihn verwandelt, und mir wurde klar, dass die gleiche Verwandlung in mir und in allen anderen Menschen vor sich geht. Alle Menschen werden nach dem Willen des Geheimnisses zusammengehalten und aufgelöst, nichts anderes geschieht.
Statt das Rätsel des Lebens als festen Teil von uns zu begreifen und zu erforschen, tun wir so, als gäbe es dieses Rätsel nicht. Unter dieser Nachlässigkeit haben alle Menschen zu leiden, und am Horizont zieht noch mehr Leid, vielleicht ungeahnten Ausmaßes, herauf. Mein Vater verließ eine Welt tiefer Hoffnungslosigkeit. Wenn heute Abend die Nachrichten auf Sendung gehen, wird es wie immer überall Probleme geben, und die angebotenen Lösungen werden der Weisheit einer einzelnen Zelle nicht einmal halbwegs nahe kommen. Viele Menschen verlieren den Mut und schrecken vor der Herausforderung zurück, die ein solch großes Unheil darstellt. Andere glauben, den Ort verlassen zu müssen, an dem sie sich befinden, um etwas zu finden, das sie noch nicht haben – eine neue Beziehung, einen neuen Arbeitsplatz, eine neue Religion oder einen neuen Lehrer –, und um sich wieder lebendig fühlen zu können.
Würden die Zellen Ihres Körpers eine solch lebensverneinende Logik akzeptieren? Wenn der Ort, an dem Sie sich befinden, nicht gut genug ist, sind Liebe, Heilung und Gott für immer außer Reichweite. Sind wir nach Generationen des Lebens im Chaos nun endlich bereit, uns dem Geheimnis anzuvertrauen und von ihm retten zu lassen? Bleibt uns etwas anderes übrig?
Zu allen Geheimnissen, die Ihnen dieses Buch offenbart, gibt es Übungen, die Ihnen helfen werden, das Geheimnis auf sich selbst anzuwenden. Wenn man von einem Geheimnis liest, wirkt das auf der Ebene des Denkens; die Ebenen des Fühlens und Handelns bleiben unberührt. Doch Ihre persönliche Wirklichkeit verändert sich erst, wenn alle drei Ebenen verschmelzen.
Das erste Geheimnis besteht darin, sich von der Weisheit des Körpers den Weg weisen lassen. Notieren Sie sich die zehn oben genannten Eigenschaften der körperlichen Weisheit, und finden Sie jeweils eine Möglichkeit, sie zum Ausdruck zu bringen. Schreiben Sie Ihre Vorschläge auf, und lassen Sie sich den ganzen Tag lang davon leiten. Sie können sich jeden Tag eine Eigenschaft vornehmen oder sich allen Eigenschaften gleichzeitig widmen und versuchen, so viele Vorschläge wie möglich umzusetzen. Erzwingen Sie nichts, und notieren Sie Ihre Vorschläge nicht aus dem Gefühl heraus, schwach oder unzulänglich zu sein. Der Sinn dieser Übung besteht darin, den Bereich, in dem sich Ihr Körper wohl fühlt, auf Ihr Verhalten und Ihre Gefühle auszudehnen. Verleihen Sie mit Worten den Zielen Ausdruck, die Ihnen am Herzen liegen und Ihnen das Gefühl geben, ganz und gar Sie selbst zu sein. Zum Beispiel:
Höherer Zweck: Ich bin hier, um zu dienen. Ich bin hier, um zu inspirieren. Ich bin hier, um zu lieben. Ich bin hier, um meine Wahrheit zu leben.
Kontakt: Ich werde jemandem meine Wertschätzung zeigen, der nichts von meinen Gefühlen ahnt. Ich werde über Spannungen hinwegsehen und einem Menschen, der mich ignoriert, mit Freundlichkeit begegnen. Ich werde mindestens ein Gefühl bekennen, für das ich mich schuldig fühle oder schäme.
Bewusstsein: Ich werde zehn Minuten lang beobachten, ohne zu sprechen. Ich werde mich still hinsetzen, um meinen Körper zu spüren. Wenn ich mich über jemanden ärgere, werde ich mich fragen, welche Gefühle unter der Wut verborgen sind – und die Aufmerksamkeit erst abwenden, wenn die Wut verflogen ist.
Akzeptanz: Ich werde fünf Minuten lang über die guten Eigenschaften eines Menschen nachdenken, der mir unsympathisch ist. Ich werde mich über eine Gruppe informieren, die meiner Ansicht nach extrem intolerant ist, und versuchen, die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen. Ich werde in den Spiegel sehen und mich beschreiben, als wäre ich die perfekte Mutter oder der perfekte Vater, die ich mir immer gewünscht habe (und ich werde mit dem Satz beginnen: »Wie wunderschön du in meinen Augen bist …«).
Kreativität: Ich werde mir fünf Dinge ausdenken, die ich tun könnte und mit denen meine Familie niemals rechnen würde – und dann mindestens eines davon in die Tat umsetzen. Ich werde das Exposé eines Romans schreiben, der auf meinem Leben beruht (jedes Detail ist wahr, doch niemand käme je auf die Idee, dass ich der Held bin). Ich werde über eine Erfindung nachdenken, die die Welt dringend braucht.
Sein: Ich werde eine halbe Stunde an einem ruhigen Ort verbringen und nichts tun – außer spüren, wie es ist, zu leben. Ich werde im Gras liegen und spüren, wie die Erde sich träge unter mir dreht. Ich werde drei tiefe Atemzüge machen und so sanft wie möglich ausatmen.
Effizienz: Ich werde die Kontrolle über mindestens zwei Dinge aufgeben und abwarten, was passiert. Ich werde eine Rose betrachten und mir überlegen, ob ich sie wohl dazu bringen könnte, sich schneller oder schöner zu öffnen, als sie es bereits tut – und dann werde ich mich fragen, ob sich mein Leben ebenso wunderbar entfaltet wie das der Rose. Ich werde mir einen ruhigen Platz am Meer suchen (oder einer Aufnahme von Meeresrauschen lauschen), mich hinlegen und in seinem Rhythmus atmen.
Verbundenheit: Wenn ich mich dabei ertappe, dass ich wegsehe, wenn mich jemand ansieht, werde ich mich daran erinnern, dem anderen in die Augen zu sehen. Ich werde einen Menschen, dessen Gegenwart ich als selbstverständlich hinnehme, mit einem liebevollen Blick bedenken. Ich werde Mitgefühl für einen Menschen zeigen, der es braucht – am besten für einen Fremden.
Geben: Ich werde einem Obdachlosen, der auf der Straße lebt, ein Mittagessen schenken (oder ihn zum Mittagessen einladen). Ich werde jemandem ein Kompliment für einen Charakterzug machen, von dem ich weiß, dass er oder sie ihn an sich schätzt. Ich werde meinen Kindern heute so viel ungeteilte Aufmerksamkeit und Zeit schenken, wie sie haben möchten.
Unsterblichkeit: Ich werde heute einen heiligen Text über die Seele und das Versprechen eines Lebens nach dem Tode lesen. Ich werde fünf Dinge niederschreiben, für die man sich meiner nach meinem Tod erinnern soll. Ich werde mich hinsetzen, mich still auf die kurze Pause zwischen dem Ein- und dem Ausatmen konzentrieren und im Jetzt die Ewigkeit spüren.
Die Geheimnisse in diesem Buch gehen auf eine unsichtbare Intelligenz zurück, die unter der sichtbaren Oberfläche des Lebens am Werk ist. Das Rätsel des Lebens ist nicht Ausdruck wahlloser Zufälle, sondern einer allgegenwärtigen Intelligenz. Ist eine solche Intelligenz glaubhaft, oder sollten Sie besser weiter an zufällige Ereignisse und Ursachen glauben?
Lesen Sie sich die folgenden, bislang unerklärten Phänomene durch. Kreuzen Sie anschließend an, ob Sie sich eine Erklärung für das rätselhafte Phänomen vorstellen können oder nicht.
Ja Nein Wüstenvögel, die am Grand Canyon leben, vergraben Tausende von Pinienkernen weit verstreut am Canyonrand. Im Winter holen sie sich die vergrabene Nahrung wieder, kehren zu genau den Kernen zurück, die sie selbst vergraben haben, und finden sie auch unter einer dicken Schneeschicht wieder.
Ja Nein Lachse, die in einem kleinen Bächlein geboren werden, der im Nordwesten Amerikas in den Columbia River und schließlich in den Pazifik mündet, schwimmen ins Meer hinaus. Nachdem sie ein paar Jahre lang die Weiten des Meeres durchstreift haben, kehren sie zum Laichen an den Ort zurück, an dem sie geboren wurden. Sie finden das Bächlein immer wieder.
Ja Nein Kleinen Kindern aus mehreren Ländern wurden verschiedene japanische Texte vorgelesen. Anschließend sollten sie sagen, ob sie lediglich einen Wortsalat oder ein schönes japanisches Gedicht gehört hatten. Die japanischen Kinder lagen allesamt richtig – ebenso wie deutlich mehr als die Hälfte der anderen Kinder, die noch nie zuvor ein Wort Japanisch gehört hatten.
Ja Nein Eineiige Zwillinge, die Hunderte oder Tausende Kilometer voneinander entfernt leben, spüren sofort, wenn der andere bei einem Unfall ums Leben kommt.
Ja Nein Millionen indonesischer Glühwürmchen sind in der Lage, auf einem mehrere Quadratkilometer großen Gebiet das Aufblitzen ihres Lichts aufeinander abzustimmen.
Ja Nein Wenn der Verbiss bei bestimmten afrikanischen Bäumen überhand nimmt, können sie anderen Bäumen in vielen Kilometern Entfernung das Signal geben, den Tanningehalt der Blätter zu erhöhen, was sie für die gefräßigen Tiere ungenießbar macht. Die fernen Bäume empfangen das Signal und passen ihre Chemie entsprechend an.
Ja Nein Zwillinge, die sofort nach der Geburt getrennt wurden und sich erst viele Jahre später zum ersten Mal sahen, stellten fest, dass sie im gleichen Jahr eine Frau gleichen Vornamens geheiratet und nun gleich viele Kinder haben.
Ja Nein Wenn Albatros-Mütter mit Futter im Schnabel zum Nest zurückkehren, finden sie ihren Nachwuchs unter den vielen Hunderttausend identischen Jungen an einem überfüllten Strand sofort wieder.
Ja Nein Einmal im Jahr begeben sich mehrere Millionen Pfeilschwanzkrebse an einem bestimmten Tag des Mondzyklus zur Paarung an Land. Sie alle kommen aus den Tiefen des Ozeans, in die nie ein Lichtstrahl dringt, und folgen dem gleichen Ruf.
Ja Nein Wenn Ihr Trommelfell von Luftmolekülen in Schwingung versetzt wird wie ein Becken, das von einem Stock angeschlagen wird, hören Sie, wie eine Stimme, die Sie erkennen, Wörter sagt, die Sie verstehen.
Ja Nein Einzeln sind Natrium und Chlor tödliche Gifte. In ihrer Kombination als Kochsalz bilden sie einen chemischen Grundbaustein des Lebens.
Ja Nein Damit Sie diesen Satz lesen können, müssen Millionen von Neuronen in Ihrer Großhirnrinde in Windeseile ein Muster bilden, das Ihnen gänzlich neu und noch nie zuvor begegnet ist.
Die Übung wird nicht benotet, Sie sollten sich aber daran erinnern, wenn Sie dieses Buch fertig gelesen haben. Kehren Sie dann zu ihr zurück, um festzustellen, ob sich Ihre Überzeugungen so weit verändert haben, dass Sie aufgrund der besprochenen spirituellen Geheimnisse eine Erklärung für diese Phänomene geben können.
Um das Rätsel des Lebens zu lösen, genügt ein einziges Gebot: Lebe wie eine Zelle. Doch wir befolgen es nicht, und der Grund dafür ist schnell gefunden: Wir tun die Dinge auf unsere eigene, eigensinnige Art und Weise. Unsere Zellen verwenden noch den gleichen Sauerstoff und die gleiche Glukose als Brennstoff wie die Amöben vor zwei Milliarden Jahren. Dennoch haben wir einen Hang zu fetten, süßen und mehr oder weniger unsinnigen Modegerichten. Die Zusammenarbeit unserer Zellen funktioniert noch immer nach dem Prinzip, das die Evolution bei den Baumfarnen in der Kreidezeit zugrunde legte, doch wir finden alle zehn Jahre einen neuen Feind irgendwo auf der Welt – vielleicht sogar jedes Jahr oder jeden Monat. Jeder von uns kann ein ähnliches Lied davon singen, wie stark wir von der präzisen, umfassenden und nahezu perfekten Weisheit abweichen, nach der sich unsere Körper richten.
Unsere eigensinnigen Ausrutscher deuten darauf hin, dass wir es hier mit einem übergreifenden Muster zu tun haben. Wenn wir zur Weisheit der Zelle zurückkehren wollen, müssen wir erkennen, dass wir die Folgen uralter Entscheidungen ausbaden, die vor langer Zeit von anderen getroffen wurden. Man brachte uns eine Reihe von Gewohnheiten und Überzeugungen bei, die das Rätsel des Lebens völlig außer Acht lassen. Diese Überzeugungen sind ineinander verschachtelt wie eine russische Puppe:
Es gibt eine materielle Welt.
Die materielle Welt ist voller Dinge, Ereignisse und Menschen.
Ich bin einer von ihnen und stehe mit allen anderen Menschen auf einer Stufe.
Um herauszufinden, wer ich bin, muss ich die materielle Welt erforschen.
Dieses Überzeugungssystem ist bindend. Es lässt keinen Spielraum für Gewissensprüfung oder gar die Seele selbst. Weshalb sollten wir das Geheimnis des Lebens in ein System einbringen, das bereits weiß, was wirklich ist? Doch so überzeugend die materielle Welt uns auch erscheint, zur großen Schande der modernen Wissenschaft konnte bislang niemand beweisen, dass es sie wirklich gibt. Der Normalbürger interessiert sich nicht besonders für die Wissenschaft, deshalb ist dieses eklatante Problem nicht allzu bekannt. Doch jeder Neurologe wird Ihnen versichern, dass das Gehirn keinerlei Beweise für die Existenz der Außenwelt liefert, und vieles deutet sogar darauf hin, dass es sie tatsächlich gar nicht gibt.
Im Grunde empfängt das Gehirn nur fortwährend Signale über den Zustand des Körpers, sein chemisches Gleichgewicht, seine Temperatur, seinen Sauerstoffverbrauch sowie einen knisternden Strom von Nervenimpulsen. All diese Daten nehmen ihren Anfang als chemische Explosionen mit angehängter elektrischer Ladung. Diese Impulse durchlaufen ein verschlungenes Netz feinster Nervenzellen, und sobald ein Signal das Gehirn erreicht – wie ein Läufer, der eine Botschaft vom Rande des Reiches nach Rom bringt –, fügt die Großhirnrinde diese Daten zu noch komplexeren Anordnungen elektrischer und chemischer Impulse zusammen.
Die Großhirnrinde informiert uns allerdings nicht etwa über diesen unaufhörlichen Datenverarbeitungsprozess, die einzige Beschäftigung unserer grauen Zellen. Stattdessen berichtet sie uns von der Welt – dadurch sind wir in der Lage, Bilder, Geräusche, Geschmäcker, Gerüche und Strukturen wahrzunehmen –, die gesamte Bandbreite der Schöpfung. Doch sie spielt uns dabei einen gewaltigen Streich, denn sie täuscht etwas vor, was es gar nicht gibt, nämlich eine direkte Verbindung zwischen dem Datenstrom und unserer subjektiven Wahrnehmung der Außenwelt.
Soweit wir wissen, könnte die ganze Welt dort draußen ein Traum sein. Wenn ich im Bett liege und träume, sehe ich die Welt der Traumereignisse ebenso deutlich vor mir wie die Außenwelt im Wachzustand (die meisten Menschen haben im Traum nur vereinzelt Zugang zu den anderen vier Sinnen, doch manchmal können Träumer ebenso klar fühlen, schmecken, hören und riechen wie im Wachzustand). Aber wenn ich am Morgen die Augen öffne, weiß ich, dass all die lebhaften Bilder in meinem Kopf entstanden sind. Ich würde niemals darauf hereinfallen, weil ich von Anfang an davon ausgehe, dass Träume nicht wirklich sind.
Verfügt mein Gehirn also über ein System für die Traumwelt und ein anderes für die Welt im Wachzustand? Nein. Unter dem Aspekt der Gehirnfunktionen betrachtet, schaltet sich der Traummechanismus nicht ab, wenn ich aufwache. Die Sehrinde im hinteren Teil des Schädels erlaubt es mir, einen Gegenstand – einen Baum, ein Gesicht, den Himmel – zu sehen, unabhängig davon, ob ich ihn nun als Erinnerung, in einem Traum, auf einem Foto oder direkt vor mir sehe. Der Bereich der Gehirnaktivität verschiebt sich ein klein wenig, je nachdem, worum es sich handelt. Deshalb kann ich zwischen einer Erinnerung, einem Traum, einem Foto und der Wirklichkeit unterscheiden. Doch im Grunde haben wir es stets mit dem gleichen Vorgang zu tun. Ich erschaffe einen Baum, ein Gesicht oder den Himmel aus einem zufälligen Gewirr feiner Nervenimpulse, die als chemische Explosionen und elektrische Ladungen in mein Gehirn und meinen ganzen Körper schießen. Wie sehr ich mich auch bemühe, ich werde niemals ein chemisches oder elektrisches Muster in Form eines Baumes, eines Gesichts oder in einer anderen Gestalt in meinem Kopf finden. Dort findet sich lediglich ein Feuerwerk elektrochemischer Energie.
Dieses peinliche Problem – dass sich die Existenz einer Welt außerhalb von uns selbst nicht beweisen lässt – unterhöhlt das gesamte Fundament des Materialismus. Somit sind wir beim zweiten spirituellen Geheimnis angelangt: Ich bin nicht in der Welt; die Welt ist in mir.
Steine sind nur deshalb hart, weil das Gehirn eine Flut von elektrischen Signalen als ein bestimmtes Gefühl registriert. Die Sonne scheint nur, weil das Gehirn eine andere Flut von elektrischen Signalen als optisches Bild erfasst. In meinem Gehirn gibt es kein Sonnenlicht. Egal, wie hell es draußen ist, in meinem Gehirn bleibt es so dunkel wie in einer Kalksteinhöhle.
Nachdem ich gesagt habe, dass die ganze Welt in mir entsteht, wird mir postwendend klar, dass Sie das Gleiche behaupten könnten. Sind Sie nun Teil meines Traumes oder bin ich Teil Ihres Traumes – oder sind wir alle in einer bizarren Mischung aus den Vorstellungen gefangen, die wir uns von den Ereignissen machen? Für mich ist das kein Problem, sondern der Kern der Spiritualität. Jeder Mensch ist ein Schöpfer. Der Mensch sucht nach spirituellen Antworten, weil er wissen will, wie all diese individuellen Sichtweisen ineinander greifen, damit meine und Ihre Welt miteinander in Einklang kommen können. Denn es lässt sich nicht leugnen, dass die Wirklichkeit voller Konflikte, aber auch voller Harmonie ist. Es ist sehr befreiend zu erkennen, dass man jeden einzelnen Aspekt seiner Erfahrung selbst erschafft – das Gute wie das Schlechte. So gesehen ist jeder Mensch der Mittelpunkt der Schöpfung.
Früher fanden die Menschen diese Vorstellung ganz normal. Vor vielen hundert Jahren stand die Lehre von der einen Wirklichkeit im Mittelpunkt des spirituellen Lebens. Die Religionen, Völker und Traditionen unterschieden sich stark, doch in einem Punkt waren sie sich einig: Dass die Welt eine nahtlose Schöpfung ist, erfüllt von einer einzigen Intelligenz, einem einzigen Schöpfungsplan. Der Monotheismus nannte die eine Wirklichkeit Gott, in Indien hieß sie Brahman, in China Tao. Wie sie auch heißen mochte, alle Menschen, die in dieser unendlichen Intelligenz lebten, sowie ihr gesamtes selbstständiges Handeln waren Teil des großen Schöpfungsplans. Um die eine Wirklichkeit zu finden, war keine spirituelle Suche nötig. Das Leben aller war bereits Teil von ihr. Der Schöpfer durchdrang jeden Teil seiner Schöpfung gleichermaßen, und derselbe göttliche Funke beseelte das Leben in all seinen Formen.
Heute würden wir diese Betrachtungsweise als »mystisch« bezeichnen, da sie sich mit dem Unsichtbaren beschäftigt. Hätten unsere Vorfahren Zugang zu Mikroskopen gehabt, hätten diese dann angesichts des Zellverhaltens nicht den konkreten Beweis für ihre Mystik erbracht? Der Glaube an eine allumfassende Wirklichkeit rückt jeden Menschen in den Mittelpunkt des Seins. Das mystische Symbol dafür war ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte, und das bedeutete, dass jeder Mensch (der Punkt) insgeheim unendlich war (der Kreis). Das Symbol ähnelt der kleinen Zelle, deren Mittelpunkt – die DNS – sie mit Jahrmillionen der Evolution verbindet.
Aber ist die Vorstellung von einer einzigen Wirklichkeit überhaupt mystisch? Im Winter baumelt für gewöhnlich mindestens ein Kokon von einem Ast vor meinem Fenster. Eine Raupe hat sich verpuppt und wird im Frühling als Schmetterling schlüpfen. Wir sind mit dieser Verwandlung vertraut, weil wir sie als Kinder miterleben durften (oder weil wir Die kleine Raupe Nimmersatt von Eric Carle gelesen haben). Doch was unseren Blicken entzogen in dem Kokon vor sich geht, bleibt ein großes Geheimnis. Die Organe und das Gewebe der Raupe lösen sich auf und verwandeln sich in eine amorphe Suppe, um sich dann zu einem Schmetterlingskörper zusammenzufügen, der keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der Raupe hat.
Die Wissenschaft kennt die Gründe für das entwicklungsgeschichtliche Entstehen der Metamorphose nicht. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Insekten rein zufällig darauf gestoßen sein sollen – die chemischen Vorgänge, die nötig sind, um aus einer Raupe einen Schmetterling zu machen, sind von unglaublicher Komplexität. Sie bestehen aus vielen tausend Einzelschritten, die bis ins kleinste Detail miteinander verbunden sind. (Es ist, als gäbe man ein Fahrrad zur Reparatur in die Werkstatt und bekäme einen Düsenjet dafür zurück.)
Dennoch haben wir eine vage Vorstellung davon, wie diese empfindliche Kette von Ereignissen verknüpft ist. Zwei Hormone, das Juvenilhormon und das Ecdyson, steuern den Prozess, der für das bloße Auge so aussieht, als zerfließe die Raupe zu einem Brei. Diese beiden Hormone sorgen dafür, dass die Zellen bei der Verwandlung von der Larve zum Schmetterling wissen, wo sie hingehören und wie sie sich zu verändern haben. Einige Zellen bekommen den Befehl abzusterben, andere verdauen sich selbst, und wieder andere verwandeln sich in Augen, Fühler und Flügel. Das lässt auf einen sehr delikaten (und wundersamen) Vorgang schließen, bei dem das Gleichgewicht zwischen Entstehen und Zerstören genau stimmen muss. Wie sich herausgestellt hat, ist dieser Vorgang von der Länge der Tage und diese wiederum vom Umlauf der Erde um die Sonne abhängig. Somit besteht seit Jahrmillionen eine enge Verbindung zwischen einem kosmischen Zyklus und der Geburt der Schmetterlinge.
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