Eckhard Lange
Als Zeus wieder einmal fremdging
Ein vergnüglicher Ausflug in die griechische Mythologie
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Inhaltsverzeichnis
Titel
1. Zeus und Hera
2. Alkmene und Amphitrion
3.Theseus auf Kreta
4. Ahnenforschung für Theseus
5. Europa und der Stier
6. Leda und der Schwan
7. Das Urteil des Paris
8. Danaë und der goldene Regen
9. Perseus und Andromeda
10. Kallisto
11. Maia
12. Demeter und Persephone
13. Rosenkrieg um Io
14. Artemis und Apollo
15. Apoll und Daphne
16. Hephaistos und Ares
17. Athene
18. Semele
19. Dionysos
20. Ganymed
Impressum neobooks
Die alten Griechen haben uns ja so manches Schöne hinterlassen, die Geometrie zum Beispiel oder die Philosophie und sogar die Demokratie, auch wenn die damals noch nicht so richtig zuende gedacht war mit dem Stimmrecht allein für die reichen alten Männer. Aber immerhin doch ein Anfang. In einer Fakultät aber war es ein absolutes Chaos, was wir da geerbt haben: nämlich in der Theologie. Sich in der griechischen Götterwelt zurechtzufinden, ist nicht nur eine vertrackte, sondern letztlich auch vergebliche Mühe. Da wimmelt es von Titanen und Zyklopen, von Monstern und Giganten, bis endlich etwas halbwegs Vernünftiges das Licht der Welt erblickte: die olympischen Götter. Die waren zwar unsterblich, mußten sich aber erst einmal all der Vorgänger entledigen, um auch allmächtig zu sein.
Das machten sie dann auch, die drei Brüder Zeus, Poseidon und Hades. Nun war Zeus mitnichten der Älteste, genau genommen sogar der Jüngste des Trios, doch als glorreicher Revolutionsführer nahm er ganz selbstverständlich für sich das Recht in Anspruch, den gesamten Kosmos nach seinen Vorstellungen neu zu ordnen - ein bekanntermaßen schlechtes Vorbild für alle späteren Revolutionäre. Folglich erklärte er schon einmal vorweg alles bewohnbare Gebiet zu seinem Herrschaftsbereich, also die gesamte Landmasse auf der Erde, die damals ja noch eine Scheibe war (Pythagoras war noch nicht geboren, um die ignoranten Götter eines Besseren zu belehren).
Da blieb also nicht allzuviel übrig zum Verteilen. Poseidon bekam das Wasser, tauchte unter und rumorte dort herum, bis es ein ordentliches Meer wurde mit Wellen und Sturmfluten und Tsunamis. Blieb für den sowieso stets mißmutigen Hades nur noch die Unterwelt, und da ließ er auch niemand ungefragt hinein - obschon das ja sowieso keiner freiwillig wollte. Soweit die Anfänge, denn wir wollen ja nach den Göttern schauen, und davon gab es bald einen ganzen Haufen, die da brav an der langen Tafel saßen und ihren Nektar schlürften, mit Zeus als vorsitzendem Präsidenten. Und neben ihm saß Hera, seine Gattin. Aber zugleich auch seine Schwester.
Heben Sie jetzt die Augenbrauen? Das sollten sie lieber nicht tun. Man muß Verständnis haben für den armen Zeus. Schließlich war er ein Mann und wollte auch eine Frau haben. Aber da war die Auswahl nicht besonders groß. Genauer - es gab nur die eine. Denn von Menschen war damals noch keine Rede, und auch die Götterwelt war anfangs doch recht schwach besiedelt. Also - wer blieb ihm da noch?
Nun war Hera allerdings schon in jungen Jahren eine ziemliche Spaßbremse und obendrein so sittenstreng wie eine alternde Matrone. Und dann noch mit dem eigenen Bruder? Schon der Gedanke wäre ihr nie gekommen. Aber Zeus hatte schon damals entdeckt, daß ein anständiger Gott auch göttliche Fähigkeiten hat. Unter anderem, sich in jede mögliche Gestalt zu verwandeln. Das mußte er gleich einmal ausprobieren, und was lag näher, als damit auch seine keusche Schwester zu überrumpeln. Doch da mußte er schon gekonnt vorgehen, denn Hera mochte prüde sein, dumm aber war sie keinesfalls.
Also mußte erst einmal die Szene stimmen, und da war er ja zuständig als Herr über Blitz und Donner, Regen und Unwetter jeglicher Art. So gab er einen richtig schönen Theaterdonner zum Besten, es krachte und wetterleuchtete, und der Regen rauschte nur so vom - ja, wovon eigentlich, wenn man selbst im Himmel ist? Also lassen wir das einfach mal so stehen: Es regnete eben. Es schüttete sogar. Nun kam der zweite Akt: Zeus verwandelte sich in ein Vögelchen, genauer: in einen Kuckuck.
Und der war rasch völlig durchnäßt, fror wie ein Schneider und zitterte wie Espenlaub. Dergestalt genügend erbärmlich anzuschauen, flatterte er der Schwester in den Schoß. Vorhang auf zum dritten, entscheidenden Akt - und diesmal dürfen Sie das Wort Akt auch in seiner anderen Bedeutung nehmen. Hera fand das arme Vögelchen allerliebst - was man von Zeus als Gott leider nicht immer sagen konnte. Und weil es so bebte und bangte, öffnete sie das zuchtvoll geschlossene Gewand, um das arme Tier an ihrem Busen zu wärmen. Und von da war es nicht mehr weit bis... na, Sie wissen schon. Hera hat das erst gar nicht so mitbekommen, aber irgendwie war es dann doch ein sehr angenehmes Gefühl da unten. Und bald fühlte sich noch etwas anders ungewohnt an, als der Samen des Zeus seine Früchte trug und einfach mal losstrampelte.
Da war sie also in einem Dilemma: Entweder sie entband ein uneheliches Kind, was aller Moral entgegenstand, oder sie akzeptierte den Vater ihres Kindes, auch wenn es der Bruder war. So kam denn Zeus zu einer Ehefrau und zugleich zu einem ersten Sohn. Das war Ares, und der entwickelte sich zu einem wahren Raufbold. Um den Sohn halbwegs in einen anständigen Beruf zu bringen, entschloß sich Zeus, ihm die Verantwortung für das Kriegshandwerk zu übertragen. In der weisen Voraussicht, daß die noch zu erschaffenden Menschen sich sowieso ständig in die Haare kriegen würden. Anzumerken ist, wie später noch zu berichten ist, daß Ares eigentlich Nummer zwei war. Doch die Erstgeburt wurde lange verschwiegen.
Unsterblichkeit kann ja manchmal auch ziemlich langweilig sein, vor allem, wenn so gar nichts Neues passiert unter der Sonne. Da muß man sich dann doch einiges einfallen lassen, um wieder Spaß am unendlichen Leben zu haben. Am besten, man zettelt irgendwo Streit an, bis die Fetzen fliegen - oben im Olymp oder gerne auch mal unten auf der Erde: Wenn fern in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen, das hat doch was, wenn man von oben zuschauen kann.
Doch der Hauptspaß besteht ja darin, daß Götter ins menschliche Geschick eingreifen dürfen, ohne dafür belangt zu werden. Da kann man dann gerne einmal dem Liebling seines Nachbarn an der olympischen Tafel eine kleine Niederlage verordnen, bevor der beim Nektarschlürfen etwas merkt und gleich die andere Seite wieder einmal siegen läßt. Daß sich die Kriege da unten ein wenig in die Länge ziehen bei alle dem Hin und Her - denken Sie nur an Troja! - das tut ja nichts - die Götter wollen schließlich nur spielen.
Wer in Griechenland auch nur etwas auf sich hält, der kann auch einen göttlichen Erzeuger aufweisen. Am besten natürlich den Big Boß da oben, also Zeus. Doch notfalls tut's auch ein anderer, Hauptsache, es ist einer von den Unsterblichen. Und da die Götter augenscheinlich gerne einmal fremd gehen, kommen da so einige Früchtchen dort unten zusammen. Vor allem vom Chef persönlich, doch der hatte schon manchmal die Übersicht über seine halbgöttliche Nachkommenschaft verloren, jedenfalls, wenn die empörte Gattin ihm einen solchen Fehltritt übelnahm. Die hatte nämlich die unangenehme Eigenschaft, solche Ausrutscher immer gleich persönlich zu nehmen und eifersüchtig zu werden. Und das konnte für die armen Mütter, die doch meist ganz und gar ungewollt schwanger wurden, ebenso gefährlich werden wie für ihre Leibesfrucht. Man kann das ja verstehen, aber keinesfalls billigen - aus unserer Sicht als Menschlein jedenfalls. Und wie so oft trifft es dann die kleinen Leute, wo man doch eigentlich die Großen abstrafen will.
Verstehen kann man aber auch den Göttergatten, dem angesichts der Unsterblichkeit beider Ehepartner der stete Sex nur mit der einen Frau irgendwann einmal öde vorkommt, wenn man alle Stellungen tausendfach ausprobiert hat und auch der göttlichen Fantasie nichts Neues mehr einfällt. Da ist doch so ein unschuldiges Menschenkind etwas ganz anderes, da kommt es selbst dem hehren Olympier jedes Mal so vor, als wäre es das erste Mal - was ja für die entjungferte Jungfrau auch zutrifft. Und das kann die biedere Hera nun einmal nicht bieten, selbst nicht auf Wolke sieben dort oben am Olymp. Dabei war ihr doch schon in die Wiege gelegt worden, daß sie nach jeder Nacht im Bett des Göttergatten prompt wieder zur Jungfrau wurde. Doch davon hatte Zeus ja nichts, und die Sache mit dem Kuckuck ließ sich auch nicht ständig wiederholen.
Für die Folgen all seiner Ausflüge in die Niederungen der Menschheit läßt sich ein Gott allerdings nicht haftbar machen, vor welchem Gericht sollten die Geschwängerten auch klagen, wenn die oberste Instanz nun einmal Zeus persönlich ist. Da ist es dann wenigstens ein Trost, wenn der Nachwuchs stolz behaupten kann, von einem Gott gezeugt worden zu sein. Und es hat den großen Vorteil, so etwas muß man nicht beweisen, weil es schließlich unbeweisbar bleibt. Doch Halt - einen Beweis gibt es trotzdem: Göttersöhne sind per definitionem immer auch Helden. Das kann allerdings ein anstrengender Beweis werden, wie es etwa Herakles erfahren mußte. Aber Zeus konnte dann doch stolz sein auf diesen Sohn.
Geboren hat ihn Alkmene, doch die war zu mindestens auf dem Papier bereits verheiratet mit einem gewissen Amphitryon. Nun müssen wir durchaus zugeben, daß Zeus sich diesmal einen besonders fiesen Trick ausgedacht hatte, um mit Alkmene eine Liebesnacht zu vollbringen. Doch dazu muß ich ein wenig ausholen: Amphitryon war mit Alkmene verheiratet und sollte eigentlich den Thron seines Schwiegervaters in Mykene erben. Doch da war etwas dazwischengekommen, ich erspare ihnen die Einzelheiten. So hatte er die Aufgabe eines Feldherrn von Theben übernommen, und dessen König schickte ihn auch gleich in den Krieg. Alkmene also blieb derweil allein in Theben zurück.
Nun war sie eine echte Schönheit, wie jeder bestätigen konnte, und als solche fiel prompt auch ein Blick vom Olymp her auf die einsame Alkmene. Zugleich war sie aber auch eine treue Gattin, wie man ebenfalls von ihr rühmte. Wie also sollte Zeus an diese tugendhafte Schönheit herankommen? Mit Tieren ging das nicht so einfach, stellte er fest, damit kam er nicht in die sorgsam bewachte Kemenate. Und so kam er auf die häßliche Idee, einfach die Gestalt des abwesenden Amphitryon anzunehmen, da hätte er doch bei der noch frisch verheirateten und verliebten Alkmene ein leichtes Spiel. Gesagt, getan. Ein Blick in den Spiegel - die Tarnung war perfekt.
So trat er denn auch in Alkmenes Gemach, die war zwar etwas erstaunt über die unerwartete Rückkehr des Gatten, aber andererseits überglücklich, ihn wieder in die Arme schließen zu können. Und Zeus, also für Alkmene Amphitryon, verbrachte eine höchst angenehme Nacht in ihren Armen, ohne die geringsten Gewissensbisse. Doch der Ärger blieb nicht aus, denn am nächsten Morgen stand der echte Amphitryon vor der Tür, und auch eine rasche Flucht des Gottes nützte gar nichts. Der Gatte wunderte sich, so wenig überschwänglich begrüßt zu werden, und Alkmene verstand nicht, wieso er immer von seiner plötzlichen Rückkehr sprach, war er doch schon tags zuvor gekommen. So wurde aus ständigem Mißverstehen zuletzt Mißtrauen und endlich ein handfester Ehekrach. Für den armen Amphitryon war klar, seine Frau mußte ihn betrogen haben, und Alkmene fühlte sich beleidigt und drohte mit Scheidung.