ALEXANDRE DUMAS
ZWANZIG JAHRE NACHHER
HISTORISCHER ROMAN
IN VIER BÄNDEN
BAND IV
Ungekürzte, sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe
auf Grundlage der Übertragung aus dem Französischen von August Zoller
ZWANZIG JAHRE NACHHER wurde zuerst veröffentlicht von Braudy, Paris 1845.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2020
Sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe der ungekürzten Übertragung
aus dem Französischen von August Zoller.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Buch ist Teil der ApeBook Classics (Nr. 75): Klassische Meisterwerke der Literatur als Paperback und eBook.
Weitere Informationen am Ende des Buches und unter:
www.apebook.de
ISBN 978-3-96130-305-2
Buchgestaltung: SKRIPTART
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Alle Rechte vorbehalten.
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DIE DREI MUSKETIERE
Band I
Band II
Band III
Band IV
ZWANZIG JAHRE NACHHER
Band I
Band II
Band III
Band IV
DER GRAF VON BRAGELONNE
Band I
Band II
Band III
Band IV
Band V
Band VI
Band VII
Band VIII
Band IX
Band X
KARTE
von
FRANKREICH IM 17. JAHRHUNDERT
Inhaltsverzeichnis
ZWANZIG JAHRE NACHHER. Band IV
Frontispiz
Impressum
Karte
Vierter Band
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XX.
XXI.
XXII.
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
Anmerkung.
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L i n k s
Zu guter Letzt
London.
Als das Geräusch der Pferde sich in der Ferne verloren hatte, stieg d’Artagnan wieder zu dem Rande des Flüßchens hinauf und fing an die Ebene zu durchlaufen, wobei er so gut als möglich die Richtung von London in das Auge zu fassen suchte. Die drei Freunde folgten ihm schweigend, bis sie, nachdem sie einen großen Halbkreis beschrieben, das Städtchen weit hinter sich gelassen hatten.
»Diesmal,« sagte d’Artagnan, als er sich ferne genug von dem Ausgangspunkte meinte, um vom Galopp in den Trab überzugehen, »diesmal glaube ich, daß entschieden Alles verloren ist und daß wir nichts Besseres tun könnten, als uns nach Frankreich wenden. Was sagt Ihr zu dem Vorschlage, Athos, findet Ihr ihn nicht vernünftig.«
»Ja, teurer Freund,« erwiderte Athos, »aber Ihr habt einst ein edleres, vernünftigeres Wort ausgesprochen, Ihr sagtet: ›Wir werden hier sterben.‹ Ich erinnere Euch an dieses Wort.«
»Oh!« rief Porthos, »der Tod ist nichts, und er soll uns auch nicht beunruhigen, weil wir nicht wissen, was er ist, aber der Gedanke einer Niederlage peinigt mich. Nach der Wendung der Dinge sehe ich ein, daß wir mit London, mit den Provinzen, mit ganz England zu kämpfen haben und am Ende kann es nicht fehlen, daß wir geschlagen werden.«
»Wir müssen diesem großen Trauerspiele bis zum Schlüsse beiwohnen,« sprach Athos, »und werden, was auch kommen mag, vor seiner völligen Entwickelung England nicht verlassen. Denkt Ihr wie ich, Aramis?«
»In jeder Beziehung, Graf; dann gestehe ich Euch auch, es wäre mir nicht unangenehm, Mordaunt wiederzufinden; es scheint mir, wir haben eine Rechnung mit ihm in Ordnung zu bringen, und es ist nicht unsere Gewohnheit, ein Land zu verlassen, ohne solche Schulden zu bezahlen.«
»Oh! das ist etwas Anderes,« sprach d’Artagnan, »dieser Grund leuchtet mir ganz ein. Ich bekenne, daß ich, um den fraglichen Mordaunt wieder zu finden, wenn es sein soll, ein ganzes Jahr in London bleiben werde. Nur müssen wir uns bei einem sichern Manne und so einquartieren, daß kein Verdacht dadurch erregt wird, denn Herr Cromwell muß uns zu dieser Stunde suchen lassen, und so viel ich zu beurteilen vermag, spaßt Herr Cromwell nicht. Athos, kennt Ihr in der ganzen Stadt eine Herberge, wo man weiße Leintücher, vernünftig gekochtes Rostbeef’ und Wein findet, der nicht von Hopfen oder Wachholder bereitet ist?«
»Ich glaube hierfür sorgen zu können,« erwiderte Athos. »Lord Winter hat uns zu einem Manne geführt, von dem er sagte, er wäre ein ehemaliger Spanier und nur durch die Guineen seiner Landsleute naturalisierter Engländer. Was meint Ihr, Aramis?«
»Der Gedanke, unser Qnartier bei Sennor Perez zu nehmen, scheint mir äußerst vernünftig; ich trete demselben also für meine Person bei. Wir berufen uns auf den armen Winter, für den er eine große Verehrung zu hegen schien; wir sagen, wir kommen als Liebhaber, um zu sehen, was vorgehe; wir geben bei ihm jeder eine Guinee im Tage aus und mit Hilfe dieser Vorsichtsmaßregeln können wir, glaube ich, ziemlich ruhig bleiben.«
»Ihr vergeßt eine Vorsicht, Aramis, und zwar eine wichtige.«
»Welche?«
»Wir müssen die Kleider wechseln.«
»Bah!« sprach Porthos, »warum die Kleider wechseln? wir sind ganz bequem in diesen.«
»Um nicht erkannt zu werden,« versetzte d’Artagnan. »Unsere Kleider haben einen Schnitt und beinahe eine gleichmäßige Farbe, wodurch sich der Franchman beim ersten Blicke verrät. Es ist mir aber nicht so viel an dem Schnitte meines Wamses und an der Farbe meiner Beinkleider gelegen, daß ich ihnen zu Liebe mich der Gefahr aussetzen sollte, in Tyburn gehängt zu werden oder eine Reise nach Indien zu machen. Ich will mir ein kastanienbraunes Kleid kaufen, denn, ich habe gesehen, daß alle die Dummköpfe von Puritanern diese Farbe wahnsinnig lieben.«
»Aber werdet Ihr Eueren Mann wiederfinden?« sagte Aramis.
»Oh! gewiß, er wohnte Green-Hall-Street, Bedford’s Tavern; überdies gehe ich mit geschlossenen Augen in die Cité.«
»Ich wollte, wir wären schon dort,« versetzte d’Artagnan, »und meiner Meinung nach wäre es das Beste, wenn wir London vor Tag erreichten, und sollten wir auch unsere Pferde zu Tode reiten.«
»Vorwärts!« rief Athos, »denn wenn mich meine Berechnung nicht täuscht, sind wir höchstens acht bis zehn Stunden davon entfernt.«
Die Freunde gaben ihren Pferden die Sporen und kamen wirklich gegen fünf Uhr Morgens nach London. Bei dem Tore hielt man sie an und Athos antwortete in vortrefflichem Englisch, sie wären von dem Obersten Harrison abgeschickt, um seinen Kollegen, Herrn Pridge, von der nahe bevorstehenden Ankunft des Königs zu benachrichtigen. Diese Antwort hatte einige Fragen über die Gefangennehmung des Königs zur Folge; Athos gab jedoch die Umstände so genau und so bestimmt an, daß, wenn die Torwächter einen Verdacht gehabt hätten, derselbe völlig verschwunden sein müßte. Der Durchgang wurde also den vier Freunden mit allen Arten puritanischer Glückwünsche geöffnet.
Athos hatte die Wahrheit gesagt: er ritt gerade auf Bedford’s Tavern zu und gab sich dem Wirt zu erkennen, der so sehr erfreut war, ihn in so zahlreicher und so schöner Gesellschaft wiederzusehen, daß er sogleich seine besten Zimmer in Bereitschaft setzen ließ.
Obgleich es noch nicht Tag war, so hatten die vier Freunde doch die ganze Stadt in größter Bewegung gefunden. Das Gerüchts daß sich der König, von dem Obersten Harrison geführt, der Hauptstadt nähere, hatte sich schon am Abend verbreitet und viele waren noch nicht zu Bette gegangen, aus Furcht, der Stuart, wie sie ihn nannten, würde bei Nacht ankommen, und sie könnten seinen Einzug verfehlen.
Der Plan, die Kleider zu wechseln, war, wie man sich erinnert, abgesehen von dem kleinen Widerspruche von Porthos, allgemein angenommen worden. Man beschäftigte sich also damit, denselben in Ausführung zu bringen. Der Wirt ließ sich Kleider von allen Sorten bringen, als wollte er seine Garderobe neu ausstatten. Athos nahm ein schwarzes Kleid, das ihm das Aussehen eines ehrbaren Bürgers verlieh; Aramis, der sich nicht vom Schwerte trennen wollte, wählte ein dunkelgrünes Kleid von militärischem Schnitte; Porthos ließ sich durch ein rotes Wams und grüne Hosen verführen; d’Artagnan, dessen Farbe zum Voraus bestimmt war, hatte sich nur noch um die Nuance zu bekümmern und stellte unter dem kastanienbraunen Rocke, den er sich aussuchte, ziemlich genau einen Zuckerhändler vor, der sich vom Geschäfte
Grimaud und Mousqueton trugen keine Livree mehr und waren auf diese Art völlig verkleidet. Grimaud bot den ruhigen, steifen Typus des umsichtigen Engländers, Mousqueton den des dickbäuchigen, aufgedunsenen, trägen Engländers.
»Nun zur Hauptsache,« sagte d’Artagnan; »schneiden wir die Haare, um nicht von dem Pöbel beschimpft zu werden. Da wir keine Edelleute mehr durch das Schwert sind, so wollen wir Puritaner durch den Schnitt unserer Haare sein. Das ist, wie Ihr wißt, der wichtige Punkt, der den Convenanter von dem Ritter unterscheidet.«
D’Artagnan fand Aramis in dieser Sache sehr unnachgiebig; er wollte mit aller Gewalt seine schönen Haupthaare behalten, auf die er die größte Sorgfalt verwandte, und Athos, für den alle diese Fragen gleichgültig waren, mußte das Beispiel geben. Porthos überließ ohne Widerstreben seinen Kopf dem getreuen Mousqueton, der mit voller Scheere in das dicke, rauhe Haar fuhr. D’Artagnan schnitt sich selbst einen Phantasiekopf, wonach er ziemlich viel Ähnlichkeit mit einer Medaille aus der Zeit von Franz I. und Karl IX. hatte.
»Wir sehen abscheulich aus,« sagte Athos.
»Mir kommt es vor, als ob wir nach dem Puritaner röchen, daß es einem übel werden könnte,« versetzte Aramis.
»Mich friert in den Kopf,« rief Porthos.
»Und ich bekomme Lust zu predigen,« sagte d’Artagnan.
»Nun, da wir uns selbst nicht mehr erkennen.« sprach Athos, »und folglich nicht bange haben, wir könnten von Andern erkannt werden, wollen wir den König einziehen sehen; ist er die ganze Nacht marschiert, so muß er unweit von London sein.«
Die vier Freunde hatten sich wirklich nicht zwei Stunden unter die Menge gemischt, als ein gewaltiges Geschrei und eine große Bewegung die Ankunft des Königs verkündigten. Man hatte ihm einen Wagen entgegengeschickt, und der riesige Porthos, welcher alle Köpfe um einen Kopf überragte, kündigte von ferne an, er sehe die königliche Carrosse kommen; d’Artagnan erhob sich auf den Fußspitzen, während Athos und Aramis horchten, um die öffentliche Stimmung zu erforschen. Man erblickte Harrison an einem Kutschenschlage und Mordaunt an dem andern.
Das Volk, dessen Eindrücke Athos und Aramis studierten, ergoß sich in tausenderlei Verwünschungen gegen den König.
Athos kehrte in Verzweiflung zurück.
»Mein Lieber,« sagte d’Artagnan zu ihm, »Euere Beharrlichkeit ist vergeblich, ich schwöre Euch, die Lage der Dinge ist sehr schlimm. Ich meiner Seits halte nur Eueretwegen und aus einem gewissen Standesinteresse als Musketier bei der Sache aus, denn ich finde, es wäre lustig, allen diesen Brüllern ihre Beute zu entreißen und sie zu verhöhnen. Ich werde mir die Sache überlegen.«
Schon am andern Morgen hörte Athos an dem Fenster stehend, das nach den volkreichsten Quartieren der City ging, die Bill des Parlaments ausrufen, welche den Exkönig Karl I. angeblich des Verrats und des Mißbrauchs der Gewalt schuldig, vor die Schranken zog.
D’Artagnan war in seiner Nähe, Aramis betrachtete eine Karte, Porthos wurde von den letzten Leckerbissen eines saftigen Frühstücks in Anspruch genommen.
»Das Parlament!« rief Athos, »das Parlament kann unmöglich eine solche Bill erlassen haben.«
»Hört,« sprach d’Artagnan, »ich verstehe wenig Englisch, aber da das Englische nur schlecht ausgesprochenes Französisch ist, so verstehe ich doch Parlisments bill, das heißt Bill des Parlaments, Gott soll mich verdammen, wie sie hier zu Lande sagen.«
In diesem Augenblick trat der Wirt ein; Athos bedeutete ihm durch ein Zeichen, er möge näher kommen.
»Hat das Parlament diese Bill erlassen?« fragte er in englischer Sprache.
»Ja, Mylord, das reine Parlament.«
»Wie, das reine Parlament? Es gibt also zwei Parlamente?«
»Mein Freund,« unterbrach ihn d’Artagnan, »da ich im Englischen nicht bewandert bin, wir aber Alle Spanisch verstehen, so macht uns das Vergnügen, uns in dieser Sprache zu unterhalten, welche Ihr, da sie die Eurige ist, gerne sprechen müßt, wenn Ihr Gelegenheit dazu findet.«
»Ah! das ist vortrefflich,« sagte Aramis.
Was Porthos betrifft, so blieb seine ganze Aufmerksamkeit, wie gesagt, auf ein Cotelettebein gerichtet, das er seiner fleischigen Hülle zu berauben beschäftigt war.
»Ihr fragtet also?« sagte der Wirt spanisch.
»Ich fragte,« erwiderte Athos in derselben Sprache, »ob es zwei Parlamente, ein reines und ein unreines gebe?«
»Oh! was das seltsam ist,« sagte Porthos, langsam den Kopf erhebend und seine Freunde mit erstaunter Miene anschauend; »ich verstehe also das Englische jetzt, ich begreife, was Ihr sprecht.«
»Weil wir Spanisch sprechen, lieber Freund,« erwiderte Athos mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit.
»Ah! Teufel,« rief Porthos, »das ist mir leid, es wäre eine Sprache mehr für mich gewesen.«
»Wenn ich sage, das reine Parlament, Sennor,« versetzte der Wirt, »so verstehe ich darunter das von dem Obersten Pridge gereinigte.«
»Ah! in der Tat, diese Leute sind sehr erfinderisch,« sprach d’Artagnan; »wenn ich nach Frankreich zurückkomme, muß ich dieses Mittel Herrn von Mazarin und dem Herrn Coadjutor mitteilen. Der Eine wird im Namen des Hofes, der Andere im Namen des Volkes reinigen, und so wird es gar kein Parlament mehr geben.«
»Wer ist der Oberste Pridge?« fragte Aramis, »wie hat er es gemacht, um das Parlament zu reinigen?«
»Der Oberste Pridge,« antwortete der Spanier, »ist ein ehemaliger Kärrner, ein Mann von viel Geist, der seinen Karren führend Eines wahrnahm, nämlich: daß es, wenn sich ein Stein auf seinem Wege fand, viel kürzer war, den Stein wegzunehmen, als es zu versuchen, das Rad darüber gehen zu lassen. Von zwei hundert ein und fünfzig Mitgliedern, aus denen das Parlament bestand, waren ihm nun hundert und ein und achtzig hinderlich und hätten können seinen politischen Karren umwerfen. Er nahm sie, wie früher die Steine, und warf sie aus der Kammer.«
»Hübsch,« sagte d’Artagnan, der vor Allem ein Mensch von Witz war und den Witz auch überall hochschätzte, wo er ihn fand.
»Und alle diese Ausgetriebenen waren Stuartisten?« fragte Athos.
»Allerdings, Sennor; Ihr begreift, daß sie den König gerettet hätten.«
»Bei Gott,« sprach Porthos mit großartigem Tone, »sie bildeten die Majorität.«
»Und Ihr denkt, er werde sich herablassen, vor einem solchen Parlamente zu erscheinen?« sagte Aramis.
»Er wird wohl müssen,« erwiderte der Spanier; »versuchte er Widerstand, so würde ihn das Volk zwingen.«
»Ich danke, Meister Perez,« sprach Athos, »ich bin nun hinreichend unterrichtet.«
»Glaubt Ihr endlich, daß es eine verlorene Sache ist,« sagte d’Artagnan, »und daß wir mit den Harrison. den Joyce, den Pridge und Cromwell nie uns messen können?«
Der König wird dem Parlament überantwortet werden.« sagte Athos; »das Stillschweigen seiner Parteigänger verkündet ein Komplott.«
D’Artagnan zuckte die Achseln.
»Aber wenn sie es wagen, ihren König zu verurteilen, so werden sie ihn höchstens zur Verbannung oder zum Gefängnis verurteilen.«
D’Artagnan pfiff seine Ungläubigkeits-Melodie.
»Wir werden es wohl sehen,« sprach Athos, »denn ich denke, wir gehen in die Sitzungen.«
»Ihr habt nicht lange zu warten,« versetzte der Wirt. »sie beginnen morgen.«
»Ah!« rief Athos, »der Prozeß wurde also instruiert, ehe der König gefangen war?«
»Allerdings, man fing an dem Tage an, an welchem man ihn erkauft hatte.«
»Ihr wißt,« sagte Aramis, »daß unser Freund Mordaunt, wenn auch nicht den Vertrag abgeschlossen, doch wenigstens die ersten Unterhandlungen in dieser Angelegenheit eröffnet hat.«
»Ihr wißt,« sprach d’Artagnan, »daß ich diesen Herrn Mordaunt töte, wo er mir in die Hände fällt.«
»Pfui!« rief Athos, »einen so elenden Menschen.«
»Gerade weil er ein Elender ist, töte ich ihn,« entgegnete d’Artagnan. »Ah, lieber Freund, ich füge mich genugsam Euerem Willen, daß Ihr etwas nachsichtig gegen den meinigen sein müßt. Übrigens erkläre ich diesmal, mag es Euch gefallen oder nicht, daß er nur von mir getötet werden wird.«
»Und von mir,« sagte Porthos.
»Und von mir,« versetzte Aramis.
»Rührende Einhelligkeit,« rief d’Artagnan, »wie es sich für gute Bürger unserer Art geziemt. Laßt uns einen Gang durch die Stadt machen; Mordaunt wird uns selbst auf drei Schritte bei diesem Nebel nicht erkennen. Laßt uns ein wenig Nebel trinken.«
»Ja, sprach Porthos, »das ist eine Abwechselung von dem Biere.«
Und die vier Freunde gingen wirklich aus, um, wie man gewöhnlich sagt, Luft zu schöpfen.
Der Prozeß.
Am andern Tage führte eine zahlreiche Wache Karl I. vor den hohen Gerichtshof, der sein Urteil fällen sollte.
Das Volk belagerte die Straßen und füllte die Häuser in der Nähe des Palastes z die vier Freunde wurden auch bei den ersten Schritten, die sie machten, durch das beinahe unüberwindliche Hindernis lebendiger Mauern aufgehalten; einige kräftige, zänkische Menschen stießen sogar Aramis so heftig zurück, daß Porthos seine furchtbare Hand aufhob und auf das mehlige Gesicht eines Bäckers fallen ließ, welches, zerquetscht wie eine reife Weintraube, sogleich die Farbe veränderte und sich mit Blut bedeckte. Diese Sache machte großen Lärmen; drei Männer wollten sich auf Porthos stürzen; aber Athos beseitigte den einen, d’Artagnan den andern und Porthos warf den dritten über seinen Kopf. Einige englische Liebhaber des Faustkampfes würdigten die rasche und leichte Weise, wie dieses Manöver ausgeführt wurde, und klatschten Beifall. Es fehlte nicht viel, daß Porthos und seine Freunde, statt niedergeschlagen zu werden, wie sie zu befürchten ansingen, im Triumphe umhergetragen wurden, aber es gelang unsern vier Freunden, welche vor Allem bange hatten, was sie in das Licht setzen konnte, sich dieser Huldigung zu entziehen. Sie gewannen jedoch Eines bei dieser herculischen Kundgebung: die Menge öffnete sich vor ihnen, und sie erreichten damit, was ihnen einen Augenblick vorher unmöglich geschienen hatte, sie konnten bis zum Palaste vordringen. Ganz London drängte sich an den Toren der Tribünen; als die vier Freunde endlich Eintritt erlangten, fanden sie auch die ersten Bänke bereits besetzt. Das war nur halb schlimm für Menschen, welche nicht erkannt sein wollten; zufrieden, so weit gekommen zu sein, setzten sie sich daher auf ihre Plätze, mit Ausnahme von Porthos, welcher sein rotes Wams und seine grünen Beinkleider zeigen wollte und sehr bedauerte, daß er nicht in der ersten Reihe erscheinen konnte.
Die Bänke waren amphitheatralisch geordnet und die vier Freunde beherrschten von ihrem Platze aus die ganze Versammlung. Der Zufall hatte es gefügt, daß sie auf der Mittlern Galerie eingetreten waren und sich gerade dem für Karl I. bestimmten Lehnstuhle gegenüber befanden.
Gegen elf Uhr Morgens erschien der König auf der Schwelle des Saales. Er trat, umgeben von Wachen, aber mit bedecktem Haupte und mit ruhiger Miene ein und ließ in allen Richtungen einen Blick voll Sicherheit umherlaufen, als sollte er den Vorsitz bei einer Versammlung ergebener, demütiger Untertanen führen und nicht die Anklagen eines meuterischen Gerichtshofes beantworten.
Stolz, daß sie einen König zu demütigen hatten, schickten sich die Richter sichtbar an, von dem Rechte, das sie sich angemaßt, Gebrauch zu machen. Dem zu Folge sagte ein Gerichtsdiener zu dem König, es wäre gebräuchlich, daß der Angeklagte vor seinen Richtern das Haupt entblößte.
Ohne ein Wort zu erwidern, drückte Karl seinen Hut tiefer in seinen Kopf, den er auf eine andere Seite wandte; als sich der Gerichtsdiener entfernt hatte, setzte er sich nieder und schlug mit dem Rohre, das er in der Hand hielt, an den Stiefel.
Parry, der ihn begleitete, stand hinter ihm.
Statt diese ganze Zeremonie zu betrachten, betrachtete d’Artagnan seinen Freund Athos, auf dessen Antlitz sich alle Gemütsbewegungen ausprägten, welche der König durch Selbstbeherrschung von dem seinigen zu verbannen vermochte. Diese Aufregung von Athos, dem kalten, ruhigen Menschen, erschreckte ihn.
»Ich hoffe,« sagte er zu ihm, sich an sein Ohr neigend, »Ihr werdet ein Beispiel an Seiner Majestät nehmen und Euch nicht alberner Weise in diesem Käfig umbringen lassen.«
»Seid unbesorgt,« erwiderte Athos.
»Ah! ah!« fuhr d’Artagnan fort, es scheint, man befürchtet irgend Etwas, denn seht, die Posten verdoppeln sich. Wir hatten nur Partisanen, jetzt sind Musketen da; es gibt nun Waffen für alle Welt hier; die Partisanen sind für die Zuhörer im Parquet bestimmt, die Musketen betreffen uns.«
»Dreißig, vierzig, fünfzig, siebzig Mann,« sagte Porthos, die Ankommenden zählend.
»Ei!« versetzte Aramis, »Ihr vergeßt den Offizier, Porthos; es lohnt sich jedoch, wie es mir scheint, wohl der Mühe, ihn mitzuzählen.«
»Ho! ho!« sprach d’Artagnan und wurde bleich vor Zorn, denn er erkannte Mordaunt, der mit entblößtem Degen die Musketiere hinter den König, das heißt den Tribünen gegenüber, führte.
»Sollte er uns erkannt haben,« fuhr d’Artagnan fort; in diesem Falle würde ich ganz artig meinen Rückzug nehmen. Ich habe durchaus nicht Lust, mir irgend eine Todesart vorschreiben zu lassen, und wünsche sehr, nach meinem Gefallen zu sterben. Es ist aber keineswegs meine Wahl, in einer Schachtel totgeschossen zu werden.«
»Nein,« sagte Aramis, »er hat uns nicht gesehen; er sieht nur auf den König. Gottes Tod! mit welchen Augen schaut ihn der Freche an! Sollte er Seine Majestät so sehr hassen, als er uns haßt?«
»Bei Gott!« sagte Athos, »wir haben ihm nur seine Mutter genommen, aber der König hat ihn seiner Güter und seines Namens beraubt.«
»Das ist richtig,« versetzte Aramis, »doch stille, der Präsident spricht zu dem König.«
Der Präsident Bradshaw sprach wirklich zu dem, erhabenen Angeklagten.
»Stuart, sagte er, »hört das Verlesen der Namen Euerer Richter und gebt dem Tribunal die Bemerkungen, die Ihr darüber zu machen habt.«
Der König, als wären diese Worte nicht an ihn gerichtet, wandte den Kopf nach einer andern Seite.
Der Präsident wartete, und da keine Erwiderung erfolgte, trat einen Augenblick Stillschweigen ein.
Von hundert und einundsechzig bezeichneten Mitgliedern konnten nur dreiundsiebzig antworten, denn vor der Mitschuld an einem solchen Akte sich scheuend, hielten sich die Andern ferne.
»Ich schreite zu dem Aufrufe,« sagte Bradshaw, ohne daß es schien, als bemerkte er die Abwesenheit von drei Fünfteln der Versammlung.
Und er fing eines nach dem andern die anwesenden und die abwesenden Mitglieder zu nennen. Die Anwesenden antworteten mit starker oder schwacher Stimme, je nachdem sie den Mut ihrer Meinung besaßen oder nicht besaßen. Ein kurzes Stillschweigen folgte stets auf den zwei Mal wiederholten Namen der Abwesenden.
Es kam die Reihe an den Namen des Obersten Fairfax und es trat jenes kurze, aber feierliche Stillschweigen ein, das die Abwesenheit der Mitglieder bezeichnete, welche nicht persönlich an dem Gerichte hatten Teil nehmen wollen.
»Der Oberste Fairfax!« wiederholte Bradshaw.
»Fairfax?« antwortete eine spöttische Stimme, in der man an ihrem silbernen Klange eine Frauenstimme erkannte, »er hat zu viel Geist, um hier zu sein.«
Ein ungeheueres Gelächter empfing diese Worte, die mit jener Kühnheit ausgesprochen wurden, welche die Frauen in ihrer Schwäche schöpfen, in einer Schwäche, die sie vor jeder Rache sichert.
»Das ist die Stimme einer Frau,« sagte Aramis. »Ah! bei meiner Treue, ich würde viel geben, wenn sie jung und hübsch wäre.«
Und er stieg auf die Stufen und suchte auf die Tribüne zu sehen, von der die Stimme gekommen war.
»Bei meiner Seele!« sprach Aramis, »sie ist reizend; schaut sie doch an, d’Artagnan, Jedermann sieht nach ihr, und sie ist trotz des Blickes von Bradshaw nicht erbleicht.«
»Es ist Lady Fairfax selbst,« versetzte d’Artagnan; »Ihr erinnert Euch, Porthos? wir haben sie mit ihrem Gatten bei General Cromwell gesehen.«
Nach einem Augenblick war die durch diese sonderbare Episode gestörte Ruhe wieder hergestellt und der Aufruf dauerte fort.
»Diese Bursche werden die Sitzung aufheben, wenn sie wahrnehmen, daß nicht die hinreichende Anzahl vorhanden ist,« sprach der Graf de la Fère.
»Ihr kennt sie nicht, Athos; seht das Lächeln von Mordaunt, seht, wie er den König anschaut. Ist dieser Blick der eines Menschen, welcher befürchtet, sein Opfer könnte ihm entkommen? Nein, es ist das Lächeln des befriedigten Hasses, der Rache, welche ihren Durst zu stillen sicher ist. Ah! verfluchter Basilisk, es wird ein glücklicher Tag für mich sein, der, an dem ich etwas Anderes, als den Blick mit Dir kreuze.«
»Der König ist in der Tat schön,« sagte Porthos, »und seht, wie sorgfältig hat er sich, obgleich ein Gefangener, gekleidet. Die Feder auf seinem Hute ist wenigstens fünfzig Pistolen Wert; schaut sie doch an, Aramis.«
Als der Aufruf beendigt war, gab der Präsident Befehl, zur Verlesung der Anklageakte überzugehen.
Athos erbleichte: er sah sich abermals in seiner Erwartung getäuscht. Obgleich die Zahl der Richter unzulänglich war, sollte der Prozeß dennoch instruiert werden; der König war also zum Voraus verurteilt.
»Ich habe es Euch gesagt, Athos,« sprach d’Artagnan, die Achseln zuckend; »aber Ihr zweifelt immer. Nun faßt Euren Mut in beide Hände und hört, ohne Euer Blut zu sehr in Aufwallung geraten zu lassen, die kleinen Abscheulichkeiten, welche jener Herr im schwarzen Gewände von seinem König mit Fug und Recht sagen wird.«
Es hatten in der Tat nie eine rohere Anklage, gemeinere Beleidigungen, eine blutigere Verfolgung die Majestät gebrandmarkt. Bis dahin hatte man sich begnügt, die Könige zu ermorden, aber die Beleidigung wurde wenigstens nur ihrem Leichname zugefügt.
Karl I. hörte die Rede des Anklägers mit besonderer Aufmerksamkeit, ließ die Beleidigungen vorübergehen, behielt die Beschwerden und lächelte verächtlich, wenn der Haß zu sehr überströmte, wenn sich der Ankläger zum Voraus zum Henker machte. Es war im Ganzen ein furchtbares Werk, worin der König alle seine Unklugheiten in heimtückische Streiche verwandelt, alle seine Irrtümer in Verbrechen umgestaltet sah.
D’Artagnan, welcher diesen Strom von Beleidigungen mit der ganzen Verachtung, die sie verdienten, vorübergehen ließ, verweilte jedoch mit seinem scharfen Geiste bei mehreren Beschuldigungen des Anklägers.
»Es ist wahr,« sagte er, »wenn man wegen der Unklugheit und des Leichtsinns bestraft, so verdient dieser König eine Bestrafung; aber es scheint mir, die, welche er in diesem Augenblicke auszustehen hat, ist grausam genug.«
»In jedem Falle,« erwiderte Aramis, »sollte die Strafe nicht den König, sondern seine Minister treffen; denn das erste Gesetz der englischen Constitution ist: Der König kann nicht fehlen.«
»Ich meines Teils,« dachte Porthos, Mordaunt anschauend und sich mit diesem beschäftigend, »würde, wenn dies nicht die Majestät der Dinge verletzen hieße, von der Tribüne hinabspringen, mit drei Sätzen über Herrn Mordaunt herfallen und ihn erdrosseln. Ich nähme ihn bei den Füßen und schlüge alle diese schlechten Musketiere nieder, welche die Musketiere von Frankreich parodieren. Während dieser Zeit fände d’Artagnan, der voll Geist und Witz ist, vielleicht ein, Mittel, den König zu retten. Ich muß mit ihm davon sprechen.«
Feuer im Gesicht, die Fäuste geballt, die Lippen blutig durch seine eigenen Bisse, schäumte Athos auf seiner Bank. Wütend. über diese ewige parlamentarische Beleidigung, über diese lange königliche Geduld, hatten sich dieser unbeugsame Arm, dieses unerschütterliche Herz in eine zitternde Hand, in einen bebenden Körper verwandelt.
In diesem Augenblick endigte der Ankläger sein Amt mit den Worten:
»Gegenwärtige Anklage wird von uns im Namen des englischen Volkes vorgebracht.«
Auf diese Worte folgte ein Gemurmel auf den Tribünen und eine andere Stimme, keine Frauenstimme, sondern eine wütende Männerstimme donnerte hinter d’Artagnan.
»Du lügst!« rief die Stimme, »neun Zehnteile des englischen. Volkes verabscheuen, was Du sagst!«
Diese Stimme war die von Athos, welcher außer sich, hoch ausgerichtet, den Arm ausgestreckt, dem öffentlichen Ankläger so entgegentrat.
König, Richter, Zuschauer, alle Welt wandte bei dieser Anrede die Augen nach der Tribüne, auf der sich die vier Freunde befanden.
Mordaunt machte es wie die Übrigen und erkannte den Edelmann, um den sich die drei andern Franzosen bleich und drohend erhoben hatten. Seine Augen flammten vor Freude. Er hatte diejenigen wiedergefunden, deren Aufsuchung und Tod er sein Leben weihte. Eine wütende Bewegung sammelte rasch um ihn her zwanzig von seinen Musketieren, und mit dem Finger auf die Tribüne deutend, wo seine Feinde waren, rief er:
»Feuer! Feuer auf diese Tribüne!«
Aber schnell wie der Gedanke faßte d’Artagnan Athos um den Leib, packte Porthos Aramis, und sie sprangen von den Stufen hinab, stürzten in die Korridore, eilten über die Treppen und verloren sich in der Menge, während im Innern des Saales die angeschlagenen Musketen dreitausend Zuschauer bedrohten, deren Angstgeschrei, deren von Schrecken erfüllter Ruf um Hilfe den bereits zu einem Blutbade gegebenen Antrieb wieder in Fesseln hielten.
Karl hatte die vier Franzosen ebenfalls erkannt. Er legte eine Hand auf sein Herz, um die Schläge zurückzudrängen, die andere auf seine Augen, um seine treuen Freunde nicht erwürgen zu sehen.
Bleich und zitternd vor Wut stürzte Mordaunt, den bloßen Degen in der Faust, mit zehn Hellebardieren aus dem Saale, durchwühlte fragend und keuchend die Menge, und kehrte sodann zurück, ohne etwas gefunden zu haben.
Es herrschte eine unbeschreibliche Bewegung. Mehr als eine halbe Stunde verging, ohne daß irgend Jemand sich hörbar machen konnte. Die Richter glaubten, jede Tribüne wäre im Begriff, zu donnern. Die Tribünen sahen die Musketen auf sich gerichtet und blieben, zwischen Furcht und Neugierde geteilt, lärmend und stürmisch.
Endlich stellte sich die Ruhe wieder her.
»Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen?« fragte Bradshaw den König.
Das Haupt beständig bedeckt, erhob sich der König, nicht aus Demut, sondern im Bewußtsein seiner Herrscherwürde, und sprach mit dem Tone eines Richters, nicht mit dem eines Angeklagten:
»Ehe Ihr mich fragt, antwortet mir. Ich war frei in Newcastle; ich schloß einen Vertrag mit den zwei Kammern. Statt Eurer Seits diesen Vertrag zu erfüllen, den ich meiner Seits erfüllte, habt Ihr mich den Schottländern abgekauft, ich weiß, um keinen hohen Preis, und das macht der Sparsamkeit Eurer Verwaltung Ehre. Hofft Ihr aber, ich habe aufgehört, Euer König zu sein, weil Ihr den Preis eines Sklaven für mich bezahltet? Euch antworten, hieße die Königswürde vergessen; ich werde Euch also nicht eher antworten, als bis Ihr das Recht, mich zu befragen, nachgewiesen habt. Euch antworten hieße Euch als meine Richter anerkennen, und ich erkenne in Euch nur meine Engländer.«
Und mitten unter einer Todesstille setzte sich Karl ruhig, stolz und stets bedeckten Hauptes wieder in seinen Lehnstuhl.
»Warum sind meine Franzosen nicht da?« murmelte Karl, die Augen nach der Tribüne wendend, wo sie einen Augenblick erschienen waren. »Sie würden sehen, daß ihr Freund lebend der Verteidigung, tot des Beweinens würdig ist.«
Aber er mochte immerhin die Tiefe der Menge durchforschen und sich gleichsam von Gott diese tröstende, süße Gegenwart erbitten: er sah nichts als starre, furchtsame Gesichter und suhlte sich dem Kampfe mit dem Haß und der Grausamkeit preisgegeben
»Nun wohl,« sprach der Präsident, als er Karl zu einem unüberwindlichen Schweigen entschlossen sah, »es sey, wir werden Euch trotz Eures Stillschweigens richten. Ihr seid des Verrats, des Mißbrauchs der Gewalt und des Mordes angeklagt. Die Zeugen werden diese Anklage beglaubigen. Geht, und eine nächste Sitzung mag in Erfüllung bringen, was Ihr in dieser zu tun Euch weigert.«
Karl stand auf und sagte, sich gegen Parry umwendend, den er bleich und die Schlafe in Schweiß gebadet hinter sich stehen sah:
»Ei, mein guter Parry, was setzt Dich denn so sehr in Bewegung?«
»Oh! Sire,« antwortete Parry, Tränen in den Augen und mit flehendem Tone, »schaut nicht links, wenn Ihr den Saal verlaßt.«
»Warum dies?«
»Schaut nicht links, ich bitte Euch, mein König.«
»Aber was gibt es denn? sprich doch,« sagte Karl und suchte durch die Linie von Wachen zu schauen, welche hinter ihm aufgestellt war.
»Sie haben … aber nicht wahr, Ihr schaut nicht hin? sie haben auf einen Tisch das Beil legen lassen, mit welchem man die Verbrecher hinrichtet. Der Anblick ist gräßlich, schaut nicht hin, Sire, ich flehe Euch an.«
»Die Dummköpfe!« sagte Karl, »halten sie mich für einen Feigen, wie sie sind. Es war gut von Dir, daß Du mich darauf aufmerksam machtest; ich danke Dir, Parry.«
Und da der Augenblick sich zurückzuziehen gekommen war, so entfernte sich der König, seinen Wachen folgend.
Links von der Tür glänzte in düsterem Schimmer auf einem roten Teppich das Weiße Beil mit dem langen von der Hand des Nachrichters geglätteten Stiele.
Als Karl sich dem Tische gegenüber befand, blieb er stehen, wandte sich um und sagte lächelnd;
»Ah! ah! das Beil! ein geistreicher Popanz und ganz würdig der Menschen, welche nicht wissen, was ein Edelmann ist; du machst mir nicht bange, Henkersbeil,« fügte er bei, und schlug darauf mit dem dünnen, biegsamen Rohre, das er in der Hand hielt, »und ich schlage dich, in christlicher Geduld wartend, bis du es mir zurückgibst.«
Mit königlicher Verachtung die Achseln zuckend, setzte er sodann seinen Weg fort und ließ in gewaltigem Erstaunen diejenigen hinter sich, welche sich in Masse um den Tisch gedrängt hatten, um das Gesicht des Königs zu sehen, wenn er dieses Beil erblicken würde, welches seinen Kopf von seinem Leibe trennen sollte.
»In der Tat, Parry,« fuhr der König weiter schreitend fort, »alle diese Leute halten mich, Gott verzeihe mir, für einen Baumwollenhändler und nicht für einen König, der daran gewöhnt ist. Eisen glänzen zu sehen: glauben sie denn, ich sei nicht so viel Wert, als ein Schlächter?«
Als er diese Worte sprach, gelangte er zu der Tür; es hatte sich eine Volksmasse herbeigedrängt, welche, da sie keinen Platz auf den Tribünen fand, wenigstens das Ende des Schauspiels genießen wollte, dessen interessantester Teil ihr entgangen war. Diese zahllose Menge, in deren Reihen man drohende Gesichter erblickte, entriß dem König einen leichten Seufzer.
»Wie viele Menschen,« dachte er, »und nicht ein ergebener Freund!«
Als er aber diese Worte der Entmutigung und des Zweifels in seinem Innern sprach, antwortete eine Stimme in seiner Nähe:
»Heil der gefallenen Majestät!«
Der König wandte sich, Tränen in den Augen und im Herzen, rasch um.
Es war ein alter Soldat von seinen Leibwachen, welcher den König nicht wollte vorübergehenlassen, ohne ihm diese letzte Huldigung darzubringen.
Aber in demselben Augenblick wurde der Unglückliche mit Schwertknopfschlägen bearbeitet.
Unter den Schlägern erkannte der König den Kapitän Groslow.
»Ach? das ist eine schwere Strafe für einen sehr kleinen Fehler,« sprach Karl.
Das Herz zusammengeschnürt, ging er weiter, doch er hatte noch nicht hundert Schritte gemacht, als ein Wütender, sich durch zwei Soldaten des Gliedes vorbeugend, dem König in das Gesicht spuckte, wie einst ein schändlicher, verfluchter Jude Jesus von Nazareth in das Gesicht gespieen hatte.
Gewaltiges Gelächter und finsteres Gemurmel erschollen gleichzeitig; die Menge zog sich zurück, drängte sich wieder herbei, wogte wie ein stürmisches Meer, und es kam dem König vor, als sähe er mitten in der lebendigen Welle die funkelnden Augen von Athos glänzen.
Karl wischte sich das Gesicht ab und sagte mit einem traurigen Lächeln:
»Der Unglückliche! für eine halbe Krone würde er dasselbe seinem Vater tun.«
Der König hatte sich nicht getäuscht: er hatte wirklich Athos und seine Freunde gesehen, welche unter die Gruppen gemischt den königlichen Märtyrer mit einem letzten Blicke geleiteten.
Als der Soldat Karl begrüßte, zerschmolz das Herz von Athos vor Freude, und der Unglückliche konnte, wieder zu sich kommend, in seiner Tasche zehn Guineen sinken, die der französische Edelmann hatte hineinschlüpfen lassen; als jedoch der feige Beleidiger dem gefangenen König in das Gesicht spie, fuhr Athos mit der Hand an den Dolch.
Aber d’Artagnan hielt diese Hand zurück und sprach mit rauhem Tone:
»Warte!«
D’Artagnan hatte nie zuvor Athos oder den Grafen de la Fère geduzt.
Athos hielt inne.
D’Artagnan stützte sich auf Athos, bedeutete Porthos und Aramis, sie sollten sich nicht entfernen, und stellte sich hinter den Mann mit den bloßen Armen, welcher noch über seinen schändlichen Spaß lachte und von einigen anderen Wütenden beglückwünscht wurde.
Der Mensch ging nach der City. Immer noch auf Athos gestützt, folgte ihm d’Artagnan mit seinen Freunden.
Der Mensch mit den bloßen Armen, der ein Fleischerknecht zu sein schien, stieg mit zwei Kameraden durch ein abschüssiges, vereinzeltes Gäßchen hinab, welches nach dem Flusse zu lief. D’Artagnan hatte den Arm.von Athos losgelassen und marschierte hinter dem Beleidiger.
In der Nähe des Wassers angelangt, sahen diese drei Menschen, daß man ihnen folgte, blieben stehen und wechselten, die Franzosen frech anschauend, einige Späße.
»Ich verstehe nicht Englisch, Athos,« sagte d’Artagnan, »aber Ihr versteht es und werdet mir als Dolmetscher dienen.«
Nach diesen Worten gingen sie, den Schritt verdoppelnd, an den drei Menschen vorbei. Doch sich plötzlich umwendend, schritt d’Artagnan auf den Fleischerknecht zu, welcher stehen blieb, berührte seine Brust mit der Spitze seines Zeigefingers und sagte zu seinem Freunde:
»Wiederholt ihm Folgendes, Athos: Du bist feig gewesen, Du Hast einen wehrlosen Mann beschimpft, Du Hast das Gesicht Deines Königs befleckt, Du mußt sterben! …«
Bleich wie ein Gespenst und von d’Artagnan am Fauftgelenke gehalten, übersetzte Athos diese seltsamen Worte dem Menschen, der, als er die finsteren Vorbereitungen und das furchtbare Auge von d’Artagnan gewahrte, sich zur Wehr setzen wollte. Aramis fuhr bei dieser Bewegung mit der Hand an sein Schwert.
»Nein, kein Eisen, kein Eisen!« sagte d’Artagnan, »das Eisen ist für Edelleute.« Und den Fleischerknecht bei der Gurgel packend, rief er: »Porthos, schmettert diesen Elenden mit einem Faustschlage nieder.«
Porthos hob seinen furchtbaren Arm, ließ ihn wie den Stiel einer Schleuder durch die Lust pfeifen, und die gewichtige Masse fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Schädel des Feigen, den sie zerschmetterte.
Der Mensch stürzte nieder wie der Ochs unter dem Hammer.
Seine Gefährten wollten schreien, wollten fliehen, aber die Sprache fehlte ihrem Munde und ihre zitternden Beine brachen unter ihnen.
»Sagt ihnen noch Folgendes, Athos,« sprach d’Artagnan, » so werden alle diejenigen sterben, welche vergessen, daß ein gefesselter Mensch ein heiliges Haupt, daß ein gefangener König doppelt der Stellvertreter Gottes ist.«
Athos wiederholte die Worte von d’Artagnan.
Stumm, mit gesträubten Haaren, schauten die zwei Menschen den Leichnam ihres Gefährten an, welcher in Wellen schwarzen Blutes schwamm; dann zugleich die Stimme und ihre Kräfte wieder erlangend, rangen sie die Hände, schrieen und entflohen.
»Es ist Recht geschehen,« sprach Athos, sich die Stirne abtrocknend.
»Und nun,« sagte d’Artagnan zu Athos, »nun zweifelt nicht mehr an mir und haltet Euch ruhig; ich übernehme Alles, was den König betrifft.«
Whitehall.
Das Parlament verurteilte Karl Stuart zum Tode, wie sich dies leicht vorhersehen ließ. Politische Gerichte sind beinahe immer leere Förmlichkeiten; denn dieselben Leidenschaften, welche die Anklage veranlassen, veranlassen auch die Verurteilung. Dies ist die furchtbare Logik der Revolutionen.
Obgleich unsere Freunde diese Verurteilung erwarteten, so erfüllte sie dieselbe doch mit Schmerz. D’Artagnan, dessen Geist nie mehr Hilfsquellen besaß, als in den äußersten Augenblicken, schwor abermals, er würde Alles versuchen, um die Entwicklung dieser blutigen Tragödie zu verhindern; doch durch welche Mittel? dies erschaute er in seinem Geiste nur unklar. Alles mußte von der Natur der Umstände abhängen. Mittlerweile, bis man einen vollständigen Plan feststellen konnte, mußte man, um Zeit zu gewinnen, notwendig um jeden Preis es verhindern, daß die Hinrichtung am zweiten Tage, wie dies die Richter beschlossen hatten, stattfand. Das einzige Mittel war, den Henker von London zu entfernen; verschwand der Henker, so konnte der Spruch nicht vollzogen werden. Ohne Zweifel würde man den der London zunächst liegenden Stadt holen lassen; aber dabei gewann man mindestens einen Tag, und ein Tag ist unter solchen Umständen vielleicht die Rettung. D’Artagnan übernahm dieses äußerst schwierige Geschäft.
Nicht minder wesentlich war es, Karl Stuart davon in Kenntnis zu setzen, daß man ihn zu retten versuchen wollte, damit er so viel als möglich seine Verteidiger unterstützen oder wenigstens nichts beginnen würde, was ihren Bemühungen entgegenarbeiten könnte. Aramis übernahm diesen gefährlichen Auftrag. Karl Stuart hatte gebeten, dem Bischof Juron die Erlaubnis zu geben, ihn in seinem Gefängnisse in Whitehall zu besuchen. Mordaunt war an demselben Abend bei dem Bischof erschienen, um ihm das von dem König ausgedrückte religiöse Verlangen, so wie die Erlaubnis von Cromwell zu eröffnen. Aramis beschloß, es bei dem Bischof durch Schrecken oder Überredung dahin zu bringen, daß er ihn an seiner Stelle und mit seinen priesterlichen Insignien angetan in den Palast von Whitehall dringen ließe. Athos übernahm es, für den Fall des Mißlingens oder für den des Gelingens die Mittel, England zu verlassen, in Bereitschaft zu halten.
Der Palast von Whitehall wurde durch drei Regimenter, und besonders durch die beständige Unruhe von Cromwell bewacht, welcher kam und ging und jeden Augenblick seine Generale und Agenten schickte.
Allein in seinem durch den Schein von zwei Kerzen beleuchteten Zimmer schaute der zum Tode verurteilte Monarch traurig den Luxus seiner vergangenen Größe an, wie man in seiner letzten Stunde das Bild des Lebens glänzender und süßer sieht, als je.
Parry hatte seinen Herrn nicht verlassen und seit seiner Verurteilung nicht zu weinen aufgehört.
Mit dem Ellenbogen auf einen Tisch gestützt, schaute Karl Stuart ein Medaillon an, auf welchem neben einander die Porträts seiner Gemahlin und seiner Tochter waren. Er erwartete zuerst Juron und nach Juron das Märtyrtum.
Zuweilen blieb sein Geist bei den braven französischen Edelleuten stille stehen, welche ihm bereits hundert Meilen entfernt, fabelhaft, chimärisch und jenen Bildern ähnlich erschienen, die man im Traume erblickt, während sie beim Erwachen wieder verschwinden.
Karl fragte sich wirklich wiederholt, ob Alles das, was ihm begegnet, nicht ein Traum oder Folge eines Fieberwahnes wäre.
Bei diesem Gedanken stand er auf, machte einige Schritte, als wollte er sich von feiner Schlafsucht befreien, und ging an das Fenster. Bald aber sah er unterhalb des Kreuzstockes die Musketen der Soldaten glänzen. Dann war er genötigt, sich zu gestehen, daß er gut bewacht werde, und daß sein blutiger Traum der Wirklichkeit angehöre.
Karl kehrte stillschweigend zu seinem Lehnstuhle zurück, stützte sich abermals mit dem Ellenbogen auf den Tisch, ließ seinen Kopf auf die Hand fallen und versank in Gedanken.
»Ach,« sagte er zu sich selbst, »wenn ich nur zum Beichtvater eines der Lichter der Kirche hätte, deren Seele alle Geheimnisse des Lebens erforscht, alle Geringfügigkeiten der Größe durchdrungen hat. Vielleicht würde seine Stimme die Stimme ersticken, welche in meinem Gemüte jammert. Aber ich werde einen Priester von gewöhnlichem Geiste sehen, dessen Laufbahn und Wohlfahrt ich durch mein Unglück gebrochen habe. Er wird mir von Gott und von dem Tode sprechen, wie er mit andern Sterbenden gesprochen hat, ohne zu begreifen, daß der königliche Sterbende dem Usurpator einen Thron hinterläßt, während seine Kinder kein Brot haben.«
Dann das Porträt seinen Lippen nähernd, murmelte er abwechselnd und einen nach dem andern die Namen seiner Kinder.
Es war eine nebelige, kalte Nacht. Die Glocke schlug langsam in dem Turme der benachbarten Kirche Die bleiche Helle zweier Kerzen ließ in dem großen, hohen Gemache von seltsamen Reflexen beleuchtete Phantome erscheinen. Diese Phantome waren die Ahnen von König Karl, welche sich aus ihren goldenen Rahmen lösten. Die Reflexe rührten von dem letzten bleichen, spiegelnden Schimmer eines Kohlenfeuers her, das im Erlöschen begriffen war.
Eine unermeßliche Traurigkeit bemächtigte sich des Königs. Er begrub seine Stirne in seinen zwei Händen, dachte an die Welt, welche so schön ist, wenn man sie verläßt, oder vielmehr wenn sie uns verläßt, an die Liebkosungen der Kinder, welche so süß und zart sind, besonders wenn man von diesen Kindern getrennt ist, um sie nie mehr zu sehen, dann an seine Gattin, ein edles, anmutiges Geschöpf, das ihn bis zu seinem letzten Augenblick unterstützt hatte. Er zog aus seiner Brust das Demantkreuz und den Stern des Hosenbandordens, diese Juwelen, die ihm durch die edelmütigen Franzosen zugeschickt worden waren, und küßte sie. Als er dabei bedachte, daß er diese Gegenstände nie wiedersehen würde, wenn er kalt und verstümmelt im Grabe läge, fühlte er jenen eisigen Schauer über seine Glieder laufen, den uns der Tod wie seinen ersten Mantel zuwirft.
In diesem Gemache, das so viele königliche Erinnerungen in ihm rege machte, wo so viel Höflinge sich bewegt, so viele tausend Schmeicheleien ausgesprochen worden waren, allein mit einem verzweifelnden Diener, dessen schwaches Gemüt seine Seele nicht unterstützen konnte, ließ der König seinen Mut bis zu der Linie dieser Schwächen, dieser Finsternis, dieser Winterkälte herabsinken. Und sollte man es glauben, Karl, der so groß, so erhaben, das Lächeln der Resignation auf den Lippen starb, trocknete in der Finsternis eine Träne, welche auf den Tisch gefallen war und über dem goldgestickten Teppich zitterte.
Plötzlich hörte man Tritte in den Gängen, die Tür öffnete sich, Fackeln füllten das Gemach mit ihrem rauchigen Lichte, und ein Geistlicher in bischöflichem Gewände trat ein, gefolgt von zwei Wachen, denen Karl mit der Hand ein gebieterisches Zeichen machte. Die zwei. Wachen entfernten sich, das Gemach versank abermals in Dunkelheit.
»Juron!« rief Karl. »Juron! ich danke, mein letzter Freund, Ihr kommt zu gelegener Zeit.«
Der Bischof warf einen unruhigen Seitenblick auf den Menschen, welcher in einem Winkel des Kamins schluchzte.
»Auf! Parry,« sagte der König, »weine nicht. Gott kommt zu uns.«
»Wenn es Parry ist,« versetzte der Bischof, »so habe ich nichts zu befürchten. Erlaubt mir also, Sire, Eure Majestät zu begrüßen und ihr zu sagen, wer ich bin und aus welchem Grunde ich komme.«
Bei diesem Anblick, bei dieser Stimme war Karl ohne Zweifel im Begriffe zu rufen; aber Aramis legte den Finger auf die Lippen und verbeugte sich tief vor dem König von England.
»Der Chevalier!« murmelte Karl.
»Ja, Sire,« unterbrach ihn Aramis, die Stimme erhebend, »ja, der Bischof Juron, ein getreuer Ritter Christi, der sich den Wünschen Eurer Majestät fügt.«
Karl faltete die Hände, er hatte d’Herblay erkannt; er war wie vernichtet vor diesen Menschen, welche als Freunde, ohne einen andern Beweggrund, als den einer durch ihr eigenes Gewissen auferlegten Pflicht, so gegen den Willen eines Volkes und das Geschick eines Königs handelten.
»Ihr seid es,« sprach er, »Ihr! wie seid Ihr bis Hierher gelangt? Mein Gott, Ihr wäret verloren, wenn sie Euch erkennen würden.«
»Denkt nicht an mich, Sire« sagte Aramis, dem König abermals durch eine Gebärde Stillschweigen empfehlend, »denkt nur an Euch, Euere Freunde nahen. Was wir tun werden, weiß ich noch nicht; aber vier entschlossene Männer sind viel zu tun im Stande. Schließt indessen das Auge nicht, erstaunt über nichts, seid aus Alles gefaßt.«
Karl schüttelte den Kopf und erwiderte:
»Freund, wißt Ihr, daß Ihr keine Zeit zu verlieren habt, daß Ihr Euch beeilen müßt, wenn Ihr handeln wollt? Wißt Ihr, daß ich morgen um zehn Uhr sterben soll?«