Beziehungskrise meistern!
Dank
Hinter diesem Buch steht Lebens- und Berufserfahrung. Ich danke in erster Linie allen Menschen, die sich auf einen offenen und ehrlichen Austausch mit mir eingelassen haben. Allen voran meiner Lebenspartnerin. Ich bin sehr dankbar, dass sie zusammen mit mir immer wieder von Neuem in den «Weg zur reifen Liebe» investiert.
Die vielen Beispiele im Buch verdanke ich Menschen, die in einer Krisenzeit meine Unterstützung gesucht haben. Ich danke all diesen Menschen, dass sie mir einen Blick in ihre gekränkten Herzen erlaubt haben.
Die professionellen Anregungen der Beobachterlektorin Christine Klingler Lüthi haben das Buch zu einem hilfreichen und verständlichen Ratgeber gemacht.
Danke für die grossartige Unterstützung!
Bilder sagen manchmal mehr als Worte. Ich danke Bruno Bolliger für die schöne Umsetzung meiner Skizzen und für die leserfreundliche Gestaltung des Buches.
Fachlektorat
Ich danke Peter Angst, Brigitta Bommer und Prisca Walliser für ihr kritisches Gegenlesen.
Beobachter-Edition
© 2020 Ringier Axel Springer Schweiz AG, Zürich
Alle Rechte vorbehalten
www.beobachter.ch
Herausgeber: Der Schweizerische Beobachter, Zürich
Lektorat: Christine Klingler Lüthi, Wädenswil
Umschlaggestaltung: fraufederer.ch
Umschlagfotos: iStock.com/PixelsEffect; iStock.com/Massimo Merlini; Westend61/Getty Images; Image Source/Getty Images
Fotos: iStock.com
Reihenkonzept: buchundgrafik.ch
Layout und Satz: Bruno Bolliger, Gudo
Herstellung: Bruno Bächtold
e-Book: mbassador GmbH, Basel
ISBN 978-3-03875-287-5
eISBN 978-3-03875-321-6
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Inhalt
Vorwort
Paarkrise und Trennungsgedanken besser verstehen
Gutes Streitgespräch oder Konflikt – wo ist der Unterschied?
Erlauben Sie sich, glücklich zu sein
Beispiel aus der Beratungspraxis: Trennung durch innerliches Verabschieden
Die Konfliktspirale: Neun Stufen
Erkennen, dass man in einem Konflikt feststeckt
Konflikte zu ignorieren funktioniert nicht!
Besonderheiten des Paarkonflikts
Spezielle Stolpersteine in der Paarbeziehung
Sackgasse Schuldfrage
Beispiel aus der Beratungspraxis: Gekränktes Verhalten bei starken Konflikten
Sie haben drei Möglichkeiten, wenn Sie in einen Konflikt geraten sind
Überwinden Sie die Ohnmacht und suchen Sie andere Kommunikationsformen
Ein kurzer Blick in Ihren persönlichen Alltag
Gönnen Sie sich ein Time-out
Abstand schaffen mit einem Time-out
Abmachungen während der Beziehungspause
Hilfsangebote, wenn Sie nicht allein klarkommen
So finden Sie heraus, ob Sie es alleine schaffen oder Unterstützung brauchen
Und wenn meine Partnerin nicht in eine Paarberatung kommen möchte?
Vor- und Nachteile verschiedener Angebote
Die Beratungsperson finden, die wirklich zu Ihnen passt
Einfluss von Umfeld und Paardynamik auf die Beziehung
Weshalb Sie den Einfluss des Umfelds nicht unterschätzen sollten
Vier Beispiele für Stolpersteine aus dem Umfeld
Vorbelastungen der Männer und Frauen in unserer Gesellschaft
Stress belastet die Partnerschaft
Reichtum und Selbstverwirklichung
Eltern bzw. Schwiegereltern wohnen zu nahe
Beispiel aus der Beratungspraxis: Grosseltern im «Stöckli» in der Landwirtschaft
Die Konfliktdynamik innerhalb der Paarbeziehung
Weshalb Sie Ihr Zusammenleben immer wieder besprechen sollten
Zu wenig Gespräche über unterschiedliche Bedürfnisse
Nähe und Distanz
Beispiel aus der Beratungspraxis: Abstand regulieren mittels Konflikt
«Sex und Orgasmus» – gleichbedeutend mit «Ich werde geliebt»?
Beispiel aus der Beratungspraxis: «Sexualität» und «Ich liebe dich»
Einer von beiden verliebt sich und beginnt eine Aussenbeziehung
Das erste Kind kommt auf die Welt
Ihr konkretes Beziehungsmuster
Beispiel aus der Beratungspraxis: Auflösen der Symbiose in einer Beziehung zweier «Helfer»
Patchworkfamilien
Midlife-Crisis und Burn-out
Wenn sich das «Projekt Kinder» dem Ende nähert
Ihr persönlicher Einfluss auf die Beziehung
Vom Mut, sich zu hinterfragen und zu verändern
«Solange ich den Partner beschuldige, muss ich bei mir selber nicht hinschauen»
Wie Sie sich möglicherweise in die eigene Tasche lügen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Neue Energie dank Umzug
Der Einfluss verschiedener Lebensmuster auf die Beziehung
Der Blick in den eigenen Rucksack
Die Auseinandersetzung mit Ihrer Lebensgeschichte kann Ihnen niemand abnehmen
Das Positive betonen
Ein gutes Selbstwertgefühl vermindert die Gefahr von Paarkonflikten
Projektionen und ihr Einfluss auf die Paarbeziehung
Was versteht man unter Projektionen?
So entstehen Projektionen
Und was heisst das alles für Ihre Partnerschaft?
Noch mehr zu Kopf und Herz
Hey, Männer, überlasst das Fühlen nicht den Frauen!
Krisen sind Chancen – wirklich!
Mit Sorgfalt die eigenen Gefühle beobachten
Beispiel aus der Beratungspraxis: Zusammenspiel von Kopf und Herz
Beispiel aus der Beratungspraxis: Einem starken Gefühl auf den Grund gehen
Kopf und Herz als Team
Lernen Sie den Unterschied zwischen Herz- und «Kopfgefühlen» erkennen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Wissen heisst noch nicht fühlen
Die vier «echten Gefühle»
Trainieren Sie das Erkennen Ihrer echten Gefühle
Zurück zum Anfang der Konfliktspirale
Am Anfang stehen unterschiedliche Wahrnehmungen
Wie unsere Verhaltensmuster entstanden sind
Beispiel aus der Beratungspraxis: Prägende Erziehungsmuster
Zwei unterschiedliche Wahrnehmungen begegnen sich
Diskussionen auf Augenhöhe führen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Einen Konsens finden
Und wenn der Austausch trotz Sorgfalt nicht gelingt?
Von der Wahrnehmung zu den Bedürfnissen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Konträre Bedürfnisse
Warum es so wichtig ist, sich über Bedürfnisse auszutauschen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Ehrlicher Austausch über Bedürfnisse
Beispiel aus der Beratungspraxis: Ausstieg aus dem Helfer-Opfer-Täter-Dreieck
Beispiel aus der Beratungspraxis: Erziehung zum Vermittler
Beispiel aus der Beratungspraxis: Das Helfermuster erkennen
Bedürfnisse anzumelden ist kein einfacher Schritt
Beispiel aus der Beratungspraxis: Harmonieliebe und verzerrte Kommunikation
Sich fair austauschen – auch wenn die Bedürfnisse unterschiedlich sind
Die Partnerin soll erraten, was ich mir wünsche – zum Beispiel beim Sex
Beispiel aus der Beratungspraxis: Unausgesprochene Bedürfnisse
Gefühle und Bedürfnisse ändern sich – das ist okay
Einer möchte sich verändern, der andere nicht
Vielleicht hilft ein klärendes Gespräch
Verzeihen und geduldiges Verlassen der Konfliktspirale
Neuanfang oder achtsame Weiterentwicklung?
Die Erkenntnisse der Konfliktanalysen umsetzen
Alte Verletzungen als Spielverderber
Was genau heisst «verzeihen»?
Formulierungen, die das Verzeihen einfacher machen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Verzeihen
Beispiel aus der Beratungspraxis: Alte Verletzungen stehen im Weg
Wenn grundlegende Unterschiede in der Lebenshaltung kränken
Rituale können helfen, Verletzungen hinter sich zu lassen
Geschenke, wenn das Verzeihen für eine Seite nicht möglich ist
Von der Verliebtheit zur reifen Liebe
Verliebtseinist ein wunderbares Geschenk – mit Verfalldatum
Beispiel aus der Beratungspraxis: Die kürzeste Verliebtheitsgeschichte
Verliebtheit ist eine Projektion
Der Zustand des Verliebtseins hat immer ein Ende
Beispiel aus der Beratungspraxis: Lebensenergie durch Verliebtheit
Sich von Neuem in den langjährigen Partner zu verlieben istnicht möglich
Die reife Liebe ist eine prima Alternative
Es passiert nicht von selbst
Das gegenseitige Vertrauen wieder aufbauen
Es ist mehr möglich, als Sie denken
Beispiel aus der Beratungspraxis: Das Leben bietet viele Möglichkeiten
So packen Sie es konkret an
Beispiel aus der Beratungspraxis: Mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen zurechtkommen
Das Fitnessstudio in der Beziehung
Das Endziel in der reifen Liebe
Beispiel aus der Beratungspraxis: Ein klassisches Ergänzungspaar
Instrumente auf dem Weg zur reifen Liebe
Verhindern, dass die Vergangenheit Sie einholt
Die hohe Schule der Paarkommunikation
Beispiel aus der Beratungspraxis: Heikle Streitgespräche
Beispiel aus der Beratungspraxis: Die Gefühle des andern verstehen
Meinungsverschiedenheiten: Das Zwiegespräch als verständnisförderndes Modell
Beispiel aus der Beratungspraxis: Gelingendes Zwiegespräch
Das regelmässige Paar-Upate
Trennung – trotz allem
Jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein
Für diejenige Person, die die Beziehung beenden möchte
Für diejenige Person, die gegen ihren Willen verlassen wird
Wenn beide das Gefühl haben, verlassen worden zu sein
Beispiel aus der Beratungspraxis: Verlassen werden
Trennung kann auch eine Form von Liebe sein
Neu anfangen nach einer schwierigen Trennung
Zurechtkommen in der Trauer
Gönnen Sie sich ein Coaching
Mediation für eine stimmige Elternschaft nach der Trennung
Schlusswort
Anhang
Adressen und Links
Liste der Übungen
Buchtipps
Quellen und Literatur
In Beziehungskrisen taucht irgendwann die Frage auf: Gehen oder bleiben? Genau zu diesem Zeitpunkt hilft Ihnen der vorliegende Ratgeber, denn es lohnt sich, diese Frage sorgfältig zu prüfen. Sie erfahren beispielsweise, wie Konflikte eskalieren und welchen Einfluss Ihr Umfeld und Ihre Paardynamik auf die Beziehung haben. Sehr oft sind Paarkrisen auch wertvolle Hinweise auf verschüttete Entwicklungswünsche, zu deren Umsetzung bisher der Mut fehlte. Manchmal sind solche Krisen aber auch ein klarer Hinweis, dass es an der Zeit ist, die Beziehung zu beenden.
Dieser Ratgeber hilft Ihnen, in Momenten der grossen Ohnmacht und Kränkung eine Pause einzulegen. Und wenn Sie sich auf diese Pause einlassen, dann gelingt es Ihnen mit Sicherheit besser, den richtigen Entscheid zu treffen.
70 % der Bücher werden von Frauen gelesen. Ich möchte trotzdem nicht ausschliesslich für Frauen schreiben. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Männer diesen Ratgeber lesen, dass sie auf die Suche nach ihren Gefühlen gehen. Männer fühlen sehr wohl, es wurde ihnen nur über Generationen hinweg zu verstehen gegeben, dass Frauen «besser» fühlen können – das ist nicht wahr! Männer haben eigene Gefühle, und es lohnt sich, dafür einzustehen. Wenn sie es nicht tun, fehlt den Frauen das Gegenüber für einen Austausch auf Augenhöhe. Und wenn sie es tun, ist es selbstverständlich hilfreich, dass die Frauen offen hinhören.
90 % der Paare, die sich trennen, suchen keine Paarberatung auf. Der vorliegende Ratgeber ist so geschrieben, dass Sie Ihre Paarkrise möglicherweise gut selber bewältigen können. Scheuen Sie sich aber nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn dies trotz bester Absichten nicht der Fall ist.
In diesem Buch wird zwischen der weiblichen und männlichen Form – Partner, Partnerin usw. – zufällig abgewechselt. Das mag kleine Irritationen bewirken, erleichtert aber idealerweise auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang. Es wurde im Übrigen nicht genau abgezählt. Betrachten Sie es als Anregung, Ihr grosszügiges Denken zu trainieren, wenn Sie den Eindruck haben, die Verteilung sei nicht ganz gleichmässig gelungen.
Cornel Rimle
im August 2020
Paarkrise und Trennungsgedanken besser verstehen
Trennungsgedanken entstehen am häufigsten in fort-geschrittenen Konfliktsituationen. Konflikte führen zu gegenseitigen Kränkungen und oft zu tiefen Ohnmachtsgefühlen. Möglicherweise entsteht bei beiden Partnern eine Abwehr-reaktion, in der sie sich gegenseitig die Kränkungen heimzahlen. Ein Time-out kann helfen, aus dem Konflikt auszusteigen.
Das Wort «Streit» ist bei vielen Menschen negativ belegt. «Hört auf zu streiten», sagen die Eltern oder die Lehrpersonen. Doch Streit in Form einer sorgfältigen Auseinandersetzung über unterschiedliche Bedürfnisse, ohne Abwertungen und im beiderseitigen Bemühen, einander zu verstehen – davon sollte es viel mehr geben. Konflikte dagegen sind destruktiv. Um einen Ausweg zu finden, muss man allerdings erst mal erkennen, dass man in einem Konflikt feststeckt.
Lang andauernde und heftige Konflikte tun niemandem gut. Sie kränken, verschlechtern das Selbstwertgefühl und schaden der Paarbeziehung. Aber es sind gar nicht immer nur starke Konflikte, die Trennungsgedanken aufkommen zu lassen. Gleich unten werden einige Situationen im ganz normalen Alltag beschrieben, in denen Trennungsgedanken auftauchen können. Vielleicht trifft bei Ihnen ja einer dieser Sätze ins Schwarze. Dann können Sie auch zuerst zum angegebenen Kapitel blättern. Vielleicht haben Sie anschliessend Lust, die ergänzenden Kapitel ebenfalls zu lesen.
Beispiele von Situationen, die Trennungsgedanken hervorrufen können
Sie verstehen die Frauen bzw. die Männer grundsätzlich nicht.
Der Mann wäre okay, aber er ist ein Mamasöhnchen.
Ich mag einfach nicht mehr, Reden macht alles nur noch schlimmer.
Wir hatten es doch so schön, aber jetzt will sie alles verändern.
Der Beruf ist ihm wichtiger als die Kinder.
Sie hat nur noch die Kinder im Kopf.
Sie schläft nicht mehr mit mir, also hat sie mich auch nicht gern.
Er hat überhaupt keine Lust auf Freizeitgestaltung, ist immer müde.
→ Lesen Sie weiter in Kapitel 2, «Einfluss von Umfeld und Paar-dynamik auf die Beziehung» (Seite 51).
Sie ist an allem schuld, mit einer andern Frau wäre es viel besser.
Wenn er seine Kindheit aufarbeiten würde, wäre er ein toller Mann.
Er hört mir einfach nie zu, Reden bringt nichts.
→ Lesen Sie weiter in Kapitel 3, «Ihr persönlicher Einfluss auf die Beziehung» (Seite 79).
Sie versteht mich sowieso nicht, was soll ich da mit ihr reden.
→ Lesen Sie weiter in Kapitel 4, «Zurück zum Anfang der Konflikt-spirale» (Seite 119).
Ich möchte mich wieder einmal so richtig verlieben.
Ich kann mir nicht vorstellen, mit diesem Menschen alt zu werden.
→ Lesen Sie weiter in Kapitel 5, «Verzeihen und geduldiges Verlassen der Konfliktspirale» (Seite 153).
Es ist immer das Gleiche, er verändert sich nicht.
Über diese Kränkung komme ich einfach nicht hinweg.
Sie verzeiht mir erst, wenn ich es genau so mache, wie sie es will.
Ein Neuanfang mit dem alten Partner ist sowieso nicht möglich.
→ Lesen Sie weiter in Kapitel 6, «Von der Verliebtheit zur reifen Liebe» (Seite 171).
In den Kapiteln 2 und 3 werden Sie sehen, dass viele Trennungsgedanken mit dem Umfeld oder Ihrer eigenen Entwicklung zusammenhängen. Ihre Partnerin scheint dann vielleicht vordergründig «schuld» zu sein, dabei ist sie nur diejenige, die ein Tabu ausspricht oder einen längst fälligen Entwicklungsschritt Ihrerseits anregt.
Erlauben Sie sich, glücklich zu sein
Eine langjährige Paarbeziehung ist es wert, nicht vorschnell beendet zu werden. Sie hat Ihnen viele schöne und kraftvolle Momente geschenkt. Sie verdient also eine achtsame Betrachtung.
Wir leben in einer Zeit, in der niemand gezwungen ist, in einer Beziehung zu bleiben. Scheidungen sind denn auch an der Tagesordnung. Und wenn einer nicht mehr will, würde möglicherweise in der Beziehung viel Leid geschehen. Das Ziel einer sorgfältigen Prüfung der Trennungsfrage darf aber nicht sein, dass Sie auf jeden Fall ein Paar bleiben müssen. Es lautet vielmehr: «Beide sollen eigenständig die Möglichkeit haben, in ihrem Leben glücklich zu sein.» Wenn dies in Ihrer Paarbeziehung wieder möglich ist, dann sollten Sie es probieren; wenn dies in Ihrer Beziehung auf keinen Fall mehr möglich ist, dann ist eine Trennung die bessere Variante.
Aus Der Beratungspraxis
TRENNUNG DURCH INNERLICHES VERABSCHIEDEN Yvonne (29) kommt zuerst alleine in die Beratung. Sie lebt seit zehn Jahren mit Philipp (31) zusammen, und sie haben vor drei Jahren geheiratet. Beide sind gerne voll berufstätig und haben noch keine Kinder. Yvonne ist sehr verunsichert wegen ihrer Trennungsgedanken, sie kann sie nicht verstehen. Sie können sich alles leisten, sind wie Bruder und Schwester und streiten sich praktisch nie. Trotzdem nervt sie sich zunehmend über Philipp und kann sich nicht vorstellen, mit ihm glücklich zu werden.
Nach der ersten Einzelsitzung möchte sie der Beziehung trotzdem nochmals eine Chance geben. Philipp kommt bei der nächsten Paarsitzung eine Stunde früher und hat ebenfalls Gelegenheit, seine Sichtweise zu schildern. Er kann Yvonnes Trennungsgedanken nicht nachvollziehen. Für ihn ist die Beziehung stimmig, und über Veränderungswünsche könne man ja reden.
In der anschliessenden Paarsitzung testen wir gemeinsam einige Hypothesen:
–Er wäre kein guter Vater für ihre Wunschkinder.
–Einer oder beide wollen keine Kinder und getrauen sich nicht, es dem andern zu sagen.
–Er verhindert ihre Persönlichkeitsentwicklung.
–Es gelingt ihnen nicht mehr, ihre «Bruder-und-Schwester-Beziehung» erotisch zu beleben.
–Sie hat nicht den Mut, sich selber zu verändern, und versteckt sich hinter Schuldzuweisungen an ihn.
Der Umgang zwischen den beiden war in der Beratung sehr wohl-wollend. Für die nächsten Wochen treffen sie ein paar konkrete Vereinbarungen, woran sie beide messen wollen, wie ernst der andere Veränderungsbemühungen nimmt. Obwohl diese Abmachungen von beiden eingehalten werden, zeigt sich in den nächsten Sitzungen, dass sich Yvonne nicht wirklich darauf einlassen kann, der Bezie-hung nochmals eine Chance zu geben. Sie hat sie innerlich bereits mit einem Fuss verlassen, ohne es richtig aussprechen zu können. Sie zeigt keine Begeisterung für neue Abmachungen, möchte aber die Beziehung trotzdem nicht beenden. Nach der vierten Sitzung tut es Philipp: «Ich möchte nicht im Warteraum sitzen und hoffen, dass du mich doch noch willst. Lieber ziehe ich einen Schlussstrich und öffne mich für eine neue Beziehung.»
Es kann sein, dass Philipp und Yvonne ein gutes Paar hätten werden können. Vielleicht hätten sie beide persönlich wachsen können, wenn sie sich ihren Wünschen und Bedürfnissen gestellt hätten. Es kann aber auch sein, dass sie innerlich erkannt haben, dass sie so, wie sie sich entwickeln wollen, zusammen nicht glücklich werden würden. Und sie hatten sich zu gern, um dies einander offen zu sagen. Wir wissen es nicht. Wir können nur vermuten, dass sie nicht daran glaubten, in dieser Beziehung glücklich zu werden.
Yvonne und Philipp hatten keinen offenen Konflikt, sie verspürten eher ein zunehmendes, diffuses Unbehagen. Das ist bei vielen Paaren, die in die Paarberatung kommen, anders – sie sind völlig zerstritten. Darum geht es im nächsten Kapitel.
Die Konfliktspirale: Neun Stufen
Wenn Konflikte überhandnehmen, sind starke Ohnmachtsgefühle der häufigste Auslöser für Trennungsgedanken. Die Trennung ist dann in der Vorstellung die einzige verbleibende Option, um sich aus dieser unerträglichen Ohnmacht zu befreien.
Bei der ersten Sitzung in einer Paarberatung höre ich oft viele gegenseitige Vorwürfe. Du bist schuld – nein, du bist schuld. Du arbeitest zu viel, du lobst mich nie, du bist fremdgegangen, dein Samenerguss kommt zu früh, deine Art nervt mich, du kritisierst mich den ganzen Tag, du ziehst dich immer so unvorteilhaft an … Die Vorwürfe gehen wie beim Pingpong hin und her: Weil du das gemacht hast, habe ich das Recht, mich so zu verhalten. Weil du dich so verhalten hast, ist es völlig in Ordnung, dass ich so reagiert habe …
Als neutrale Drittperson kann ich meistens beide Seiten gut verstehen. Beide finden den Ausweg aus den Konflikten nicht mehr und verstricken sich immer mehr darin. Um die Dynamik zu analysieren, die zu dieser Situation führt, lohnt sich ein Blick auf die Konfliktspirale. Sie besteht aus drei Phasen mit je drei Stufen (siehe Abbildung). Stufe 1 beginnt vermeintlich harmlos mit der abnehmenden Bereitschaft, zuzuhören. Je höher die Stufe, desto zerstörerischer wird der Konflikt. Alle neun Stufen beschreiben ein zunehmend destruktives Konfliktverhalten.
Aber Achtung: Verwechseln Sie ein konstruktives Streitgespräch nicht mit einem Konflikt. Leider halten viele Menschen Streit für etwas Negatives. Dabei ist eine sorgfältige Auseinandersetzung über unterschiedliche Bedürfnisse lebensnotwendig und für jede Beziehung hilfreich und nährend. Und es wäre durchaus von Vorteil, wenn schon die Kinder viele Gelegenheiten hätten, dies von Erwachsenen zu lernen. Denn das Trainieren einer guten Streitkultur hilft, grosszügiger zu werden. Es hilft, andere Ansichten und Meinungen als gleichwertig anzuerkennen. Und deshalb sollte es viel mehr geben von diesen Auseinandersetzungen, bei denen beide Seiten ihre Bedürfnisse ehrlich äussern dürfen, ohne eine Abwertung befürchten zu müssen, und bei denen sich beide Seiten bemühen, den andern zu verstehen. Da dürfen auch mal die Fetzen fliegen, da darf man vehement für die eigenen Ansichten einstehen. Das ist noch kein Konflikt!
Aus Der Beratungspraxis
Gutes Paargespräch – Gesprächsabbruch
VARIANTE 1: ANFANG EINES GUTEN PAARGESPRÄCHS Adrian (39) hat ein ungutes Gefühl, weil Helen (39) sich oft mit ihrer Freundin Anne zu persönlichen Gesprächen trifft. Er vermutet, dass sie über ihn reden, und das kränkt ihn. Er spricht Helen darauf an, ohne ein schlechtes Wort über Anne zu verlieren. Er redet von seinen Gefühlen, sagt, dass er neidisch sei auf ihre Gespräche und auf ihren persönlichen Austausch, dass er für Helen gerne die Nummer eins wäre und dass er annehme, dass sie schlecht über ihn reden würden. Vermutlich wird sich Helen hier auf ein konstruktives Streitgespräch einlassen. Sie wird vielleicht sagen, dass sie gerne mit Anne über ihre Gefühle rede und dass sie das auch gerne mit ihm tun würde.
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VARIANTE 2: GESPRÄCHSABBRUCH Helen kommt gut gelaunt von einem Treffen mit ihrer Freundin Anne zurück. Adrian sagt kaum Guten Tag und muffelt etwas herum. Helen wirft ihm vor, immer schlechte Laune zu verbreiten. Adrian reagiert gereizt. Er nennt Anne eine dumme Kuh und will wissen, warum Helen immer so viel Zeit mit ihr verbringt. Helen schreit, das gehe ihn überhaupt nichts an, sie entscheide selber, mit wem sie wie viel Zeit verbringe. Adrian schimpft sie eine unfähige Hausfrau, sie plaudere lieber mit dieser Anne, als ihren Pflichten nachzukommen. Helen brüllt ihn an, dass sie neben ihm ja versauern würde, weil man mit ihm kein vernünftiges Gespräch führen könne. Adrian wirft die Zeitung auf den Boden und verlässt wütend den Raum.
Es ist nicht schwierig, den Unterschied zwischen diesen beiden fiktiven Geschichten zu erkennen. Sich ehrlich über die eigenen Gefühle auszutauschen ist immer erlaubt und immer sinnvoll (Variante 1). Sobald ein Paar sich hingegen anschuldigt oder sich gegenseitig abwertet, entsteht ein destruktiver Austausch, bei dem sich beide nur verletzen. Variante 1 ist der Start für ein konstruktives Streitgespräch; Variante 2 ist ein destruktives Konfliktgespräch.
TIPP Sie sollten viele gute Streitgespräche über unterschiedliche Gefühle und Bedürfnisse führen. Und es ist hilfreich, wenn Sie erkennen, wann ein Konflikt beginnt.
Erkennen, dass man in einem Konflikt feststeckt
Der Konflikt beginnt erst, wenn sich eine Handlung oder Aussage in eine Stufe der Konfliktspirale (siehe Seite 20) einordnen lässt. In der Tabelle gegenüber finden Sie für jede Stufe Beispiele aus dem Alltag.
Bei den ersten drei Stufen in der Konfliktspirale sind es harmlosere Vorfälle, bei den höheren Stufen schwerwiegendere. Zuunterst in der Konfliktspirale sind die Menschen so fixiert auf das Zerstören des Gegenübers, dass sie in Kauf nehmen, dabei zu sterben. In diesen Stufen sind die Betroffenen komplett verzweifelt und hilflos. Sie sind vor lauter Wut ausser sich und haben keine Kontrolle mehr über ihre Handlungen.
Vermutlich erkennen Sie in Ihrer Geschichte selber kleinere Konflikte, bei denen Sie oder Ihr Gegenüber sich gemäss den Beschreibungen der ersten paar Stufen verhalten hat. Dies ist nicht weiter schlimm. Es ist menschlich und kein Problem, in die ersten Konfliktstufen zu rutschen. Wichtig ist jedoch, dies zu erkennen und dann zu versuchen, aus dem ungünstigen Verhalten wieder auszusteigen.
HINWEIS Es gibt viele verschiedene Verhaltensweisen in Konflikten. Für die einen Menschen beginnt der Konflikt bereits bei einem lauten Wort. Für andere gehört eine blutige Nase dazu. Fragen Sie sich selber, wo für Sie Konflikte beginnen (siehe gleich anschliessend) und mit welchen Massstäben Sie deren Heftigkeit messen. Und dann reden Sie zusammen über Ihr Konfliktverhalten.
ÜBUNG: ERKENNEN, WO DER KONFLIKT BEGINNT
Bei mir fängt ein Konflikt an, wenn …
… mein Partner mich nachäfft,
… meine Partnerin nicht antwortet,
… mein Partner mir nicht in die Augen schaut,
… meine Partnerin eine schlechte Stimmung verströmt,
… mein Partner die Nacht auswärts verbringt,
… meine Partnerin mein Smartphone durchsucht
… usw.
Tragen Sie so viele Beispiele wie möglich zusammen!
Konflikte zu ignorieren funktioniert nicht!
Viele Menschen haben Respekt oder gar Angst vor Konflikten und vermeiden es, über schwierige Themen zu reden. Doch Konflikte verschwinden nicht einfach. Sie gestehen sich daher besser ein, dass Ihr Verhalten Ihnen beiden schadet und dass Sie Differenzen haben, derer Sie sich annehmen sollten. Denn ein Konflikt, den man nicht gut bearbeitet, wird schlimmer.
HINWEIS Es ist menschlich und absolut verständlich, wenn man als Paar in einen Konflikt gerät! Dann gilt es jedoch, diesen ernst zu nehmen und sich auf gute Weise damit auseinanderzusetzen.
In Konflikten reagiert man meist emotional und ungefiltert. Man ist «neben den Schuhen» und wird gemein, weil man gekränkt ist. Irgendwann kommt man in eine Haltung, in der man einander die Kränkungen heimzahlen will. Und was noch viel schlimmer ist: Bei beiden stellt sich ein Gefühl der Benachteiligung ein, gefolgt von Gedanken wie: «Jetzt bin ich zuerst an der Reihe», «Jetzt muss der andere zuerst mir zuhören», «Jetzt habe ich keine Lust, die andere Sichtweise zu verstehen …» Kennen Sie solche Gedanken? Das ist eine Sackgasse. In diesem Buch werden Schritt für Schritt Möglichkeiten aufgezeigt, wie Sie diese Sackgasse wieder verlassen können.
In diesem Kapitel geht es um spezielle Aspekte des Paarkonflikts. Sie werden anschliessend besser verstehen, warum das Ohnmachtsgefühl die Trennungsfrage in den Vordergrund rückt. Und Sie bekommen erste wichtige Hinweise auf mögliche Lösungswege.
Die wenigsten Menschen mögen Konfliktsituationen – und doch sind diese kaum ganz vermeidbar. In Konflikten reagieren wir Menschen meistens nicht so, wie wir es gerne hätten. Wir kommen in eine Abwehrhaltung, sagen Dinge, die wir nicht wollen, und kränken unser Gegenüber, weil wir selber auch gekränkt sind. In Paarkonflikten gibt es im Vergleich mit anderen Konflikten zwei Besonderheiten.
Spezielle Stolpersteine in der Paarbeziehung
Bei den beiden wichtigsten Stolpersteinen in einem Konflikt in einer langjährigen Partnerschaft handelt es sich einerseits um das Gefühl, benachteiligt zu sein, und anderseits um die Häufigkeit der Kränkungen.
Erster Stolperstein: Das Gefühl, benachteiligt zu sein
Es gibt viele Studien, die belegen, dass in unserer Gesellschaft beide Partner in einer Beziehung ein Gefühl von Gleichgewicht anstreben. Die Messkriterien sind aber meistens nicht bei beiden Partnern die gleichen. Jeder Mensch hat seine eigenen Massstäbe, und diese hängen von den persönlichen Gefühlen und Bedürfnissen ab. Solche unterschiedlichen Kriterien können zum Beispiel sein:
die Anzahl und die Länge von nährenden Paargesprächen
die Zeit und die Beziehungsintensität mit den gemeinsamen Kindern
die Aufteilung der Haushaltarbeiten
die Häufigkeit von Sex und das Zählen, wer wie häufig die Initiative ergreift
der Geldbetrag, den man zur Familienkasse beisteuert
die Möglichkeiten und die Zeit, die man für Hobbys und andere Eigenzeit zur Verfügung hat
die aktive Kontaktpflege mit gemeinsamen Freunden
usw.
Beide Partner beurteilen also für sich, ob sie innerlich ein Gefühl des Gleichgewichts haben: «Empfinde ich unsere Beziehung als ausgeglichen oder nicht?»
Das Gefühl, benachteiligt zu sein, ist oft der Auslöser von Konflikten. Und gemäss den subjektiven Massstäben haben vielleicht beide den Eindruck, dass sie mehr geben, als sie bekommen. Beide leben also in einem Gefühl von Benachteiligung. Für Paare, die mit diesem Hintergrund in einen Konflikt geraten, sieht dann das Bild so aus:
Beide empfinden ihre Partnerschaft also gemäss den eigenen Messkriterien nicht als fair und ausgeglichen. Das ist absolut menschlich und nachvollziehbar. Doch wenn Sie diese unterschiedlichen Kriterien nicht sorgfältig besprechen, führen sie in einen Konflikt.
TIPP Reden Sie über Ihre Messkriterien. Hören Sie einander genau zu und akzeptieren Sie, dass Ihr Partner andere Massstäbe hat als Sie. Versuchen Sie zu akzeptieren, dass dadurch beide ein Gefühl des Benachteiligtseins haben können.
Zweiter Stolperstein: Mehr Konflikte = mehr Kränkungen
Bei einem mühsamen Nachbarn sucht man sich eine neue Wohnung, bei einem unangenehmen Chef wechselt man die Stelle. Man hat in diesen Situationen in der Regel eher die Möglichkeit, einem längeren Konflikt frühzeitig aus dem Weg zu gehen, als in einer langjährigen Partnerschaft. Dort möchten Sie nicht so schnell aufgeben – und das ist auch gut so. Aber wenn Sie das konflikthafte Verhalten nicht durchschauen, dann werden die Konflikte heftiger und die Kränkungen stärker, und Sie fügen sich gegenseitig über die Jahre hinweg viele Verletzungen zu. Je tiefer Sie also in einer solchen Konfliktspirale hinunterrutschen, desto schwieriger ist das Verzeihen und damit das Beenden des Konflikts.
HINWEIS Je länger die Konfliktzeit andauert, desto mehr Kränkungen haben Sie einander zugefügt. Und entsprechend müssen Sie mehr Zeit und Energie investieren, um aus dem Konflikt wieder herauszukommen.
Sackgasse Schuldfrage
Auch die Frage, wer an der ganzen Situation schuld ist, führt in eine Sackgasse. Eine Paarbeziehung darf nicht hierarchisch sein. Niemand ist der Chef. Niemand darf behaupten, dass seine Messkriterien für eine faire Partnerschaft die richtigen und die besseren sind. Die Schuldfrage macht beide meist sturer und unflexibler.
Abgleiten in die Konfliktspirale
Viele Paare lassen den Konflikt zu lange negativ laufen. Sie verlieren sich in einem Machtkampf, der sie in der Konfliktspirale weiter nach unten treibt. Sie fügen einander immer weiter Verletzungen zu, drehen sich im Kreis und werden härter im gegenseitigen Umgang. An dieser Stelle wäre es wichtig, dass beide etwas weicher werden und einsehen, dass in Konflikten nicht nur eine Seite verletzt wird, sondern dass Menschen sich mit ihren unterschiedlichen Verhaltensweisen immer gegenseitig verletzen. Es geht letztlich zuerst darum, den Gedanken zuzulassen, dass tatsächlich beide gekränkt sind und dass beide es verdienen, mit ihrer Kränkung verstanden zu werden.
HINWEIS Bei Konflikten zählt nicht eine «objektive Wahrheit», sondern die subjektive Wahrnehmung. In der Konfliktspirale gibtes keine Schuldigen, sondern nur Opfer der Konfliktdynamik.
In der folgenden Abbildung ist die Dynamik von Paarkonflikten symbolisch dargestellt.
Die waagrechte Linie unten ist die Zeitachse. Die senkrechte Linie (links) steht für das persönliche Wohlbefinden: je höher, desto besser. Die waagrechte Linie in der Mitte zeigt das durchschnittliche Wohlbefinden an. Die Diagonale von oben links nach unten rechts bildet den Verlauf jeder Paarbeziehung ab, wenn sie nicht gepflegt wird. Im orangen Dreieck links geht es uns gut; wir sind verliebt. Diese Phase geht jedoch bei allen irgendwann zu Ende, und das Wohlbefinden in der Beziehung rutscht ins blaue Dreieck. Dies ist der normale Verlauf jeder Paarbeziehung! Erschrecken Sie also nicht! Menschen, die wollen, dass ihre Beziehung lange überdauert, sollten an diesem Kipppunkt anfangen, in irgendwelcher Form neu in die Partnerschaft zu investieren. Denn das Glück wird nicht mehr durch die Verliebtheit geschenkt, spätestens ab hier müssen Sie etwas tun dafür. Manche Paare geraten hier unverhofft in eine Konfliktspirale. Die rosarote Brille der Verliebtheit ist verblichen; beide realisieren, dass der Partner da und dort andere Ansichten hat. Weil die wenigsten Menschen von Grund auf ein Kommunikationsmuster haben, das sich gerne mit dieser Unterschiedlichkeit auseinandersetzt, entstehen hier sehr oft ungünstige Umgangsformen. Man redet nicht über heikle Themen, man wertet einander gegenseitig ab, man wird lauter, man meidet das Gespräch und so weiter. Das können etwa gegenseitige Kränkungen sein wie:
Wenn du nie zu Hause bist und dir alles andere wichtiger ist, verliere ich die Lust am Sex.
Wenn du mich immer kritisierst, habe ich keine Lust, nach Hause zu kommen und mich mit dir zu unterhalten.
...
In der Paarberatung stelle ich mich bei solchen Schilderungen nicht als Schiedsrichter zur Verfügung, sondern versuche zu erklären, dass wir als Menschen nicht perfekt sind. Wir machen Fehler! Wenn wir einander unerbittlich auf diese Fehltritte behaften, dann verhärten wir uns innerlich und rutschen tiefer in die Konflikte hinein. Konflikte machen uns Menschen hart und unflexibel. Kurz: Wir handeln manchmal unvernünftig – so, wie wir es in entspannten Momenten nicht tun würden.
Zum Wohle des Kindes?
Wenn Sie nochmals die Umschreibungen bei der Konfliktspirale (Seite 20) anschauen, dann sehen Sie, dass die untersten Konfliktstufen sehr kämpferisch sind. Wenn Paare zu lange warten und sich gegenseitig zu stark verletzt haben, kann es sein, dass die Trennung unausweichlich ist. Die Theorie sagt, dass dies tendenziell in der Phase 3, also bei den höchsten drei Stufen (7 bis 9) der Fall ist. Wenn beide Partner es ehrlich wollen und zu Veränderungen bereit sind, kann das Zusammenbleiben auch bei Stufe 7 oder 8 gelingen. Aber wie gesagt: Konflikte können andere Menschen aus uns machen. Deshalb ist es bei starkem Konfliktverhalten sehr wichtig, dass Sie eine Aussensicht einholen. Denn Sie können möglicherweise Ihr eigenes Verhalten nicht mehr selbstkritisch reflektieren.
Darunter leiden insbesondere auch die Kinder. Beide Eltern sind im Konflikt gefangen und spüren, dass die Situation auf eine Trennung hinausläuft. Vielleicht will aber einer (oder beide) die Trennung eigentlich nicht. Dann wird das Kind bisweilen zur letzten Verbindung zwischen den Partnern. Weil die Eltern aber wegen der vielen Verletzungen nur noch streiten können, schadet das dem Kind. Beide sind der festen Überzeugung, dass sie zum Wohl des Kindes zusammenbleiben. Konflikte trüben unser Bewusstsein!
HINWEIS Wenn Sie nur noch streiten, dann sollten Sie eine Beratung aufsuchen und/oder der Beziehung eine Pause, ein Time-out, gönnen.