Cover

Buch

Hotelmanagerin Laura fährt mit Freunden nach Sizilien. Sie will dort ihren Geburtstag feiern und hofft, dass auch ihr Freund Martin im Urlaub endlich mehr Zeit für sie haben wird. Doch es kommt ganz anders: Nach einem heftigen Streit verlässt Laura wutentbrannt das Hotel – und begegnet Don Massimo Torricelli. Der attraktive, junge Don ist das Oberhaupt einer der mächtigsten Mafiafamilien Siziliens und gewohnt zu bekommen, was er will. Und Massimo will Laura. Er entführt sie in seine luxuriöse Villa und macht ihr ein Angebot: 365 Tage soll sie bei ihm bleiben, wenn sie sich bis dahin nicht in ihn verliebt hat, wird er sie gehen lassen. Massimo ist siegessicher, doch er hat nicht mit der selbstbewussten Laura gerechnet …

Autorin

Blanka Lipińska ist eine der beliebtesten Autorinnen und einflussreichsten Frauen in Polen. Schriftstellerin ist sie aus Leidenschaft, nicht aus Notwendigkeit, sie liebt Tätowierungen, legt Wert auf Ehrlichkeit und schätzt selbstloses Denken und Handeln. Genervt vom Mangel an Offenheit in Bezug auf Sex hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die vielen verschiedenen Seiten der Liebe ins Gespräch zu bringen. Sie sagt, über Sex zu sprechen, ist genauso einfach, wie ein Abendessen vorzubereiten.
Ihre Bestseller-Trilogie verkaufte sich in Polen über 1,5 Millionen Mal. 2020 wurde sie vom Magazin »Wprost« in die Liste der einflussreichsten Frauen Polens aufgenommen, und »Forbes Women« zählte sie zu den persönlichen weiblichen Top-Marken. Ihr Bestseller »365 Tage« ist die Romanvorlage für einen der weltweit erfolgreichsten Filme auf Netflix im Jahr 2020. Der Film stand zehn Tage lang auf Platz 1, die zweitbeste Platzierung in der Geschichte der Netflix-Charts.

Von Blanka Lipińska erschienen
Die Geschichte von Laura & Massimo:
Band 1: 365 Tage
Band 2: 365 Tage – Dieser Tag
Band 3: 365 Tage mehr

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag
und www.facebook.com/blanvalet.

BLANKA LIPIŃSKA

365 Tage

Roman

Deutsch von Marlena Breuer
und Saskia Herklotz

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel
»365 dni« bei Edipresse Polska, Warschau.


Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2018 Blanka Lipińska

Published by Arrangement with BLANKA LIPIŃSKA

Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2020 by Blanvalet
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de
nach einer Originalvorlage von © Edipresse Polska

Umschlagdesign: © Edipresse Polska unter Verwendung
eines Bildes von kiuikson/Shutterstock.com

WR · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27719-2
V003

www.blanvalet.de

KAPITEL 1

»Weißt du, was das bedeutet, Massimo?«

Ich schaute aus dem Fenster in den wolkenlosen Himmel und dann auf mein Gegenüber. »Ich werde die Firma übernehmen, ob das der Familie Maneta nun gefällt oder nicht.«

Als ich aufstand, erhoben sich Mario und Domenico ebenfalls und stellten sich hinter mich. Dieses Meeting dauerte definitiv schon zu lange. Ich drückte allen Männern im Raum die Hand und ging zur Tür.

»So ist es am besten für alle«, sagte ich. »Du wirst mir noch dafür danken.«

Im Wagen zog ich mein Sakko aus, knöpfte mein schwarzes Hemd ein Stück auf und genoss die Stille und die Kühle der Klimaanlage.

»Zum Flughafen«, brummte ich und schaute auf meinem Telefon die in der Zwischenzeit eingegangenen Nachrichten durch.

Die meisten betrafen Geschäftliches, aber es war auch eine Nachricht von Anna dabei: »Ich bin ganz feucht, du musst mich bestrafen.« Mein Schwanz erwachte in meiner Hose, mit einem Seufzer rückte ich ihn zurecht. Meine Freundin hatte meine Stimmung genau richtig eingeschätzt, als hätte sie geahnt, dass dieses Treffen mit den Manetas keins von der angenehmen Sorte gewesen war. Und sie wusste genau, wie ich mich am besten entspannen konnte. »Um acht bei mir«, schrieb ich zurück, machte es mir bequem und schaute zu, wie die Welt hinter dem Wagenfenster vorbeizog. Dann schloss ich die Augen.

Und wieder sehe ich sie vor meinen geschlossenen Lidern. Von einer Sekunde zur anderen ist mein Schwanz hart wie Stahl. Ich werde noch verrückt, wenn ich sie nicht bald finde. Seit dem Unfall und dem, wie die Ärzte es nannten, Wunder meiner Auferstehung, waren fünf Jahre vergangen. Fünf lange Jahre, in denen mir wieder und wieder diese Frau erschienen war, die ich im wirklichen Leben nie getroffen hatte. Als ich nach dem Unfall im Koma lag, hatte ich sie zum ersten Mal in meinen Visionen gesehen, und seitdem immer wieder. Der Duft ihrer Haare, ihre weiche Haut – ich fühlte geradezu körperlich, wie ich sie berührte. Jedes Mal, wenn ich mit Anna oder einer anderen Frau schlief, schlief ich mit ihr. Ich nannte sie meine Herrin. Sie war mein Fluch, mein Wahn und womöglich auch meine Erlösung.

Der Wagen hielt direkt auf dem Rollfeld, ich griff nach meinem Jackett und stieg aus. An der Maschine warteten bereits Domenico, Mario und die anderen Männer, die ich für das Treffen ausgewählt hatte. Vielleicht hatte ich ein wenig übertrieben, aber zuweilen musste man in meinem Business die Muskeln spielen lassen.

Ich begrüßte den Piloten und ließ mich in den weichen Sessel sinken. Die Stewardess stellte ein Glas Whiskey mit einem Eiswürfel vor mir ab, genau wie ich ihn mochte. Als ich mich bedankte, wurde sie rot und lächelte kokett. Kurz ent-schlossen erhob ich mich, nahm sie bei der Hand und zog sie energisch hinter mir her, in den privaten Teil der Maschine.

»Starten!«, rief ich noch Richtung Cockpit, bevor ich die Tür hinter mir und der Frau zuwarf.

Sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war, drängte ich mich gegen die Stewardess und presste sie an die Wand. In ihren Augen standen Gier und Angst. Ich drückte meinen Mund auf ihren und biss sie in die Unterlippe, sie stöhnte auf. Kraftlos hingen ihre Arme zu beiden Seiten ihres Körpers herab, und ihr Blick verlor sich in meinem. Als ich in ihre Haare griff, damit sie den Kopf noch weiter zurückbog, schloss sie die Augen und stöhnte erneut.

»Auf die Knie«, befahl ich und drückte sie Richtung Boden.

Sie gehorchte umgehend. Mit einem Brummen lobte ich sie für ihre Folgsamkeit und fuhr mit dem Daumen über ihre Lippen, die sie gehorsam öffnete. Nie zuvor hatten wir miteinander zu tun gehabt, trotzdem wusste sie instinktiv, was ich wollte. Ich drückte ihren Kopf an die Wand und öffnete meine Hose. Sie atmete schwer, ihr Blick war mit meinem verschränkt.

»Schließ die Augen«, mit dem Daumen fuhr ich über ihre Lider.

Ich befreite meinen harten Schwanz aus der Hose und strich über die Wange der Frau, die ihren Mund sofort weit öffnete. Du weißt nicht, was dich erwartet, dachte ich, hielt ihren Kopf fest, so dass sie sich nicht bewegen konnte, und schob ihr meinen Schwanz in ganzer Länge in den Mund. Wie ich das mochte, wenn sie erschrocken die Augen aufrissen. Langsam zog ich mich zurück und strich ihr zärtlich über die Wange, während sie sich den Speichel von den Lippen leckte.

»Ich ficke dich in den Mund.« Sie erbebte. »Einverstanden?«

Die Frau schaute mich mit riesigen Augen an, dann nickte sie.

»Danke«, flüsterte ich und fuhr mit beiden Händen über ihre Wangen. Ich drückte sie an die Wand und schob mich erneut über ihre Zunge, bis hinunter zur Kehle. Ihre Lippen schlossen sich um mich. Oh ja! Heftiger stieß ich mein Becken vor. Ich spürte, dass sie kaum noch Luft bekam, dass sie den Impuls hatte, sich zu wehren, und verstärkte meinen Griff. Sie versuchte, mich wegzustoßen, dann bohrten ihre Fingernägel sich in meine Beine. Es gefiel mir, wenn die Frauen kämpften, wenn sie meiner Stärke nichts entgegenzusetzen hatten. Als ich die Augen schloss, sah ich meine Herrin, sie kniete vor mir und durchbohrte mich geradezu mit ihren schwarzen Augen. Sie mochte es, wenn ich sie so nahm. Ich griff noch kräftiger in ihre Haare, ihre Augen glühten vor Verlangen. Länger konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, noch zwei kräftige Stöße, dann schoss mein Saft aus mir und nahm der Frau den Atem. Ich öffnete die Augen, sah ihr verschmiertes Make-up und zog mich ein wenig zurück, um ihr Platz zu machen.

»Schlucken«, befahl ich.

Auch diesen Befehl führte sie gehorsam aus. Als ich meinen Schwanz aus ihrem Mund zog, rutschte sie an der Wand entlang auf den Boden.

»Leck ihn ab.« Sie erstarrte. »Bis er sauber ist.«

Mit beiden Händen an die Wand gestützt, blickte ich streng auf sie hinab. Sie richtete sich ein wenig auf, nahm meinen Schwanz in ihre Hand und begann, meinen Saft abzulecken. Ein Lächeln umspielte meine Lippen – sie war so bemüht, es war wirklich rührend. Schließlich befand ich, es sei nun genug, trat zwei Schritte zurück und knöpfte meine Hose zu.

»Danke.« Ich reichte ihr die Hand, sie erhob sich und stand auf zitternden Beinen neben mir. »Das Bad ist dort drüben.« Mit der Hand wies ich ihr die Richtung. Sie nickte und ging zur Tür, es war ja nicht so, dass sie die Maschine nicht gekannt hätte.

Ich kehrte in den Salon zurück und setzte mich wieder in meinen Sessel. Der Whiskey war inzwischen schon ein wenig zu warm. Mario ließ die Zeitung sinken und musterte mich.

»Zu Zeiten deines Vaters hätten die Manetas uns erschossen.«

Ich verdrehte die Augen und stellte verärgert das Glas auf den Tisch. »Zu Zeiten meines Vaters hätten wir illegal mit Drogen und Alkohol gehandelt und nicht einen der größten Konzerne Europas geleitet. Aber es ist kein Zufall, dass ich das Familienoberhaupt der Torricelli bin – das war eine bewusste Entscheidung meines Vaters. Von klein auf hat er mich darauf vorbereitet, eines Tages die Geschäfte zu übernehmen und die Familie in eine neue Ära zu führen.« Nahezu lautlos glitt die Stewardess an uns vorbei. »Ich weiß, Mario, du mochtest die Schießereien damals.« Mein Consigliere lächelte nur.

»Domenico«, wandte ich mich nun an meinen Bruder. »Setz deine Leute auf Alfredo, diesen Dreckskerl, an.« Mein Blick wanderte zurück zu Mario. »Du willst eine Schießerei, Consigliere? Du kriegst eine Schießerei. Aber mach dich auf was gefasst.«

Ich trank noch einen Schluck.

Als wir endlich auf dem Flughafen von Catania landeten, ging die Sonne über Sizilien langsam unter, aber die Hitze war immer noch drückend. Wir verließen die Maschine und liefen Richtung Terminal. Der Ätna war in seiner ganzen Schönheit zu sehen. Da werden sich die lieben Touristen aber freuen, dachte ich, als wir die klimatisierte Ankunftshalle betraten.

»Die Leute aus Aruba wollen ein Treffen. Wir haben über die Sache schon gesprochen.« Domenico ging neben mir. »Außerdem müssen wir uns um die Clubs in Palermo kümmern.«

Aufmerksam hörte ich ihm zu und machte im Kopf eine Liste der Dinge, die noch am selben Abend erledigt werden mussten. Da wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, und dann sah ich sie wieder. Nervös blinzelte ich mehrere Male – bisher war mir meine Herrin nur dann erschienen, wenn ich das wollte. Ich öffnete weit die Augen, da verschwand sie. Hatte mein Zustand sich etwa verschlechtert, waren die Halluzinationen heftiger geworden? Ich musste wohl doch nochmal zu diesem Seelenklempner, mich untersuchen lassen. Aber vorher musste ich mich dringend um den Container Kokain kümmern, der mir abhandengekommen war. Wobei »abhandengekommen« nun wirklich nicht der passendste Ausdruck war. Wir waren schon fast an unserem Wagen angelangt, da erblickte ich sie erneut. Verdammte Scheiße, das war doch nicht möglich. Ich stieg ein und zog Domenico auf den Sitz neben mir.

»Das ist sie«, flüsterte ich mit erstickter Stimme und zeigte auf eine junge Frau, die sich auf dem Gehweg entfernte. »Das ist die Frau.«

Ich konnte nicht glauben, was ich sah. War ich dabei, den Verstand zu verlieren? Die Wagen setzten sich in Bewegung.

»Langsamer«, sagte Domenico, als wir an der Frau vorbeifuhren. »Heilige Mutter Gottes!«, entfuhr es ihm.

Mein Herz setzte für eine Sekunde aus. Die Frau schaute mir direkt in die Augen, auch wenn sie mich durch die getönte Scheibe natürlich nicht erkennen konnte. Ihre Augen, ihre Nase, ihre Lippen, ihr Körper – alles an ihr war genau so, wie ich es in meinen Visionen gesehen hatte.

Ich legte die Hand auf den Türgriff, aber mein Bruder hielt mich zurück. Ein bulliger Typ mit Glatze trat aus dem Gebäude, und sie wandte sich ab und ging zu ihm.

»Nicht jetzt, Massimo.«

Einen Moment saß ich da wie gelähmt. Sie lebte, sie existierte, sie war hier. Ich konnte sie haben, sie berühren, sie mit mir nehmen und von jetzt an für immer mit ihr zusammen sein.

»Ich will zu ihr«, sagte ich verzweifelt.

»Sie ist nicht allein, und wir wissen nicht, was das für Leute sind.«

Der Wagen beschleunigte, aber ich konnte den Blick noch immer nicht von der sich unaufhaltsam entfernenden Gestalt abwenden.

»Ich setze sofort ein paar Leute auf sie an. Noch bevor wir zu Hause sind, weißt du, wer sie ist. Massimo!« Da ich nicht reagierte, hob Domenico die Stimme. »Du hast jetzt schon so viele Jahre auf sie gewartet, da machen ein paar Stunden mehr keinen Unterschied.«

Hasserfüllt blickte ich ihn an, wollte ihn am liebsten umbringen. Natürlich war vernünftig, was er sagte, und ich musste ihm recht geben, aber ich wollte trotzdem nicht auf ihn hören.

»Du hast eine Stunde«, blaffte ich, den Blick starr geradeaus gerichtet. »Du hast verdammte sechzig Minuten, um mir zu sagen, wer sie ist.«

Der Wagen hielt vor dem Castello. Als wir ausstiegen, kamen Domenicos Leute zu ihm und gaben ihm einen Umschlag, den er an mich weiterreichte. Ohne ein weiteres Wort ging ich in die Bibliothek. Ich musste allein sein, ich konnte immer noch nicht glauben, dass dies alles wirklich passierte.

Ich nahm am Schreibtisch Platz, öffnete mit zitternden Händen den Umschlag und breitete seinen Inhalt vor mir auf der Tischplatte aus.

»Oh mein Gott!« Ich barg das Gesicht in den Händen. Nun waren es keine in meinem Auftrag von Künstlern auf Leinwand gemalten Bilder mehr, sondern Fotos, die das Gesicht meiner Herrin zeigten. Sie hatte einen Namen, eine Vergangenheit und eine Zukunft, in der ich die Hauptrolle spielen würde. Es klopfte. »Nicht jetzt!«, rief ich, ohne den Blick von den Fotos und Papieren zu heben. »Laura Biel«, flüsterte ich und berührte ihr Gesicht auf dem Hochglanzpapier.

Nach einer halben Stunde kannte ich den Inhalt des Umschlags auswendig, setzte mich in einen Sessel und starrte die Wand an.

»Darf ich?« Domenico streckte den Kopf durch die Tür. Da ich nicht reagierte, trat er ein und setzte sich mir gegenüber.

»Was nun?«

»Wir holen sie her«, erwiderte ich tonlos.

»Und wie willst du das bewerkstelligen?« Domenico schaute mich an wie einen Schwachsinnigen. »Du fährst ins Hotel und erzählst ihr, dass du einen Unfall hattest und fast gestorben wärst, und als du im Krankenhaus im Koma lagst und um dein Leben kämpftest, hattest du Visionen, in denen …« Er schaute auf die Papiere, die vor mir lagen.

… in denen du mir erschienen bist, Laura Biel, und jetzt wirst du mein sein, vervollständigte ich in Gedanken seinen Satz.

»Ich werde sie entführen«, entschied ich. »Schick Leute zur Wohnung von diesem …«, ich suchte den Namen ihres Freundes in den Papieren, »von diesem Martin in Warschau. Sie sollen herausfinden, wer er ist.«

»Vielleicht ist es besser, wenn Karlo sich darum kümmert? Er ist vor Ort«, schlug Domenico vor.

»Gut, Karlos Leute sollen das übernehmen. Sie sollen ihn unter die Lupe nehmen. Ich will, dass sie so schnell wie möglich hier auftaucht.«

»Aber ich bin doch schon hier.« Aus dem Flur war eine Frauenstimme zu hören. Domenico drehte sich ebenfalls um.

Lächelnd kam Anna auf uns zu. Ihre langen Beine auf den unglaublich hohen Absätzen reichten bis in den Himmel.

Verdammt, fluchte ich innerlich. Anna hatte ich komplett vergessen.

»Dann lasse ich euch mal allein.« Mit einem betretenen Grinsen erhob sich Domenico und ging zur Tür. »Den Rest erledigen wir morgen. Ich kümmere mich um alles, wie besprochen.«

Anna stand vor mir und schob mit einem Bein sanft meine Knie auseinander. Wie immer roch sie fantastisch. Sie zog ihr kurzes Cocktailkleid aus schwarzer Seide hoch, setzte sich mit gespreizten Beinen auf meinen Schoß und schob mir ohne Vorwarnung ihre Zunge in den Mund.

»Schlag mich«, bat sie, biss in meine Unterlippe und rieb sich an meinem Schritt. »Fest.«

Sie leckte und knabberte an meinem Ohr, während ich immer noch die Fotos auf dem Schreibtisch anschaute. Ich nahm meine Krawatte ab und stand auf, stellte Anna auf die Füße, drehte sie um und verband ihr die Augen. Mit der Zunge fuhr sie über ihre Unterlippe, beugte sich mit weit gespreizten Beinen über den Eichenholztisch und streckte mir ihren Hintern entgegen. Ein Höschen trug sie nicht. Ich trat hinter sie und versetzte ihr einen harten Schlag. Sie schrie laut auf und öffnete weit den Mund. Der Anblick der auf dem Tisch verteilten Fotos und das Wissen, dass meine Herrin hier auf der Insel war, sorgten dafür, dass mein Schwanz stahlhart wurde.

»Oh ja«, murmelte ich und streichelte Annas feuchte Spalte, dann schob ich ihr die Arme über den Kopf. Die Fotografien auf dem Schreibtisch drapierte ich so, dass mich die Fremde anschaute. Die Frau auf diesen Bildern in Besitz nehmen – nichts wollte ich in diesem Moment mehr.

Ich konnte jeden Augenblick kommen. Schnell öffnete ich meinen Reißverschluss und schob meinen Daumen in Anna. Sie war eng, feucht und unglaublich heiß. Stöhnend wand sie sich unter mir und krallte sich an der Tischplatte fest, als ich mit zwei Fingern ihre Klitoris umkreiste. Den Blick weiter auf die Fotos gerichtet, schlug ich noch einmal zu und noch einmal. Jeder Schlag verschaffte mir Erleichterung. Anna schrie, ihr Hintern war gerötet und heiß. Ich beugte mich vor und leckte ihn, dann schob ich ihre Pobacken auseinander und fuhr mit der Zunge über ihr süßes kleines Loch, aber vor Augen hatte ich meine Herrin.

»Ja«, stöhnte Anna leise.

Ich muss Laura haben, sie muss ganz und gar mein sein, dachte ich, als ich in Anna eindrang. Sie bog ihren Rücken durch und ließ sich dann auf die schweißnasse Tischplatte fallen. Ich fickte sie hart, die Augen unverwandt auf Lauras Fotos gerichtet. Nicht mehr lange, nur noch ein paar Tage, dann wird sie mich mit diesen schwarzen Augen anschauen, während sie vor mir kniet.

»Du kleine Schlampe!« Ich biss die Zähne zusammen, als ich fühlte, wie Annas Körper sich anspannte.

Immer fester und heftiger stieß ich in sie, es war mir vollkommen egal, dass die Wellen des Orgasmus Anna längst überrollten. Der Blick aus Lauras Augen sorgte dafür, dass ich nicht genug kriegen konnte, und zugleich konnte ich mich keine Sekunde länger zurückhalten. Ich musste mehr und stärker fühlen. Ich zog mich zurück, spuckte mir in die Hand und massierte Annas Rosette, dann rammte ich meinen Schwanz mit einer entschlossenen Bewegung in ihren engen Hintern. Fest zog sie sich um mich zusammen, und ihrer Kehle entrang sich ein wilder Schrei voller Schmerz und Lust. Mein Schwanz explodierte, und vor meinen Augen sah ich meine Herrin.

Acht Stunden vorher

Das Weckerklingeln bohrte sich mir buchstäblich ins Gehirn.

»Aufstehen, Schatz, es ist schon neun. In einer Stunde müssen wir am Flughafen sein, um Punkt zwölf beginnt unser Sizilienurlaub. Pack deine Sachen!« Mit einem breiten Grinsen stand Martin in der Schlafzimmertür.

Nur widerwillig öffnete ich die Augen, es war schließlich noch mitten in der Nacht. Was für eine Barbarei, um diese Uhrzeit zu fliegen!, dachte ich. Nachdem ich vor wenigen Wochen meinen Job geschmissen hatte, war mein Tagesrhythmus komplett durcheinandergeraten. Ich ging zu spät schlafen, stand zu spät auf, ich war ja frei, zu tun und zu lassen, was ich wollte. Jahrelang hatte ich in der Hotelbranche geackert, und als ich mich endlich auf die ersehnte Position des Sales Director hochgearbeitet hatte, war mir plötzlich langweilig gewesen, und ich hatte gekündigt. Hätte mir jemand gesagt, dass ich im Alter von neunundzwanzig Jahren einen Burn-out haben würde, ich hätte ihm nicht geglaubt, aber genau das war der Fall.

Bei der Arbeit im Hotel hatte ich mich verwirklichen können, und sie hatte meinem Ego geschmeichelt. Wann immer ich einen wichtigen Vertrag auszuhandeln hatte, prickelten Schauer der Erregung in meinem Körper, und wenn ich mit älteren, in der Kunst der Manipulation geübteren Geschäftspartnern verhandelte, war ich wie besoffen vor Glück, ganz besonders, wenn ich gewann. Jeder erfolgreiche Vertragsabschluss gab mir das Gefühl von Macht. Als junge Frau aus einer polnischen Kleinstadt, die nie studiert hatte, musste ich einfach allen beweisen, was ich draufhatte.

»Laura, willst du Kakao oder Tee?«

»Martin! Es ist mitten in der Nacht!« Ich drehte mich auf die andere Seite und zog mir das Kissen wieder über den Kopf.

Die helle Augustsonne fiel ins Schlafzimmer. Martin verabscheute Dunkelheit. Seiner Meinung nach waren Depressionen leichter zu kriegen als ein Kaffee bei Starbucks und wurden von Dunkelheit begünstigt. In Martins Schlafzimmer gab es keine Rollos oder Gardinen, und zu allem Überfluss gingen die Fenster nach Osten, so dass mich die Sonne jeden Morgen um meinen wohlverdienten Schlaf brachte.

»Ich habe dir kalten Kakao und heißen Schwarztee mit Milch gemacht.« Mit einem Glas in der einen und einer dampfenden Tasse in der anderen stand Martin selbstzufrieden vor dem Bett. »Draußen sind etwa hundert Grad, also willst du wahrscheinlich lieber was Kaltes«, fügte er hinzu, reichte mir das Glas und zog mir die Bettdecke weg.

Genervt und wütend stand ich auf, ich wusste ja, es gab kein Entkommen. Morgens strotzte Martin nur so vor Energie. Er war ein kräftiger Mann mit kahlem Schädel – solche Typen hatte man in meiner Heimatstadt früher Packer genannt. Aber außer dem Körperbau hatte er mit diesen Typen nichts gemein. Er war der freundlichste Mensch, den ich je getroffen hatte, er war selbständig, und nach jedem geschäftlichen Erfolg überwies er eine beachtliche Summe an ein Kinderhospiz. »Gott hat mir gegeben, also teile ich«, sagte er dann.

Seine blauen Augen strahlten gütig und warm, seiner Hakennase sah man an, dass sie einmal gebrochen gewesen war – Martin war nicht nur klug und höflich, er konnte auch anders. Das mochte ich übrigens auch, aber am meisten mochte ich seine vollen Lippen und sein bezauberndes Lächeln, mit dem er mich innerhalb von Sekunden runterholen konnte, wenn er mich mal wieder auf die Palme gebracht hatte. Seine mächtigen Oberarme waren von Tattoos übersät, wie auch sein restlicher Körper, mit Ausnahme der Beine. Er war ein stattlicher Mann und wog über hundert Kilo, und ich fühlte mich an seiner Seite immer sicher und beschützt. Zwar sah ich neben ihm winzig aus – ich mit meinen eins fünfundsechzig und meinen fünfundfünfzig Kilogramm. Aber meine Mutter hatte mich seit meiner Kindheit angehalten, Sport zu treiben, und da ich schnell zu entflammen bin, mich aber auch schnell langweile, hatte ich schon alles Mögliche trainiert. Vermutlich hatte ich kaum eine Sportart ausgelassen: von Gehen bis Karate. Daher hatte ich, im Unterschied zu Martin, einen durchtrainierten Körper mit einem flachen, harten Bauch und muskulösen Beinen, und mein Po war von Tausenden Squats rund und fest.

»Ich stehe ja schon auf«, sagte ich, stürzte den kalten Kakao in einem Zug hinunter, stellte das Glas ab und ging ins Bad.

Ein Blick in den Spiegel bestätigte mir, wie urlaubsreif ich war. Die letzten Monate hatten ihre Spuren hinterlassen – meine dunklen Augen blickten apathisch und resigniert. Normalerweise hielt ich mich für eine Klassefrau, aber nicht hier und heute. Noch immer begriff ich meine plötzliche Abneigung gegen meine Arbeit und die impulsive Entscheidung, alles hinzuwerfen, nicht wirklich. Aber am meisten machte mir zu schaffen, dass ich keinen Plan hatte, wie es weitergehen sollte. Schon immer hatte sich mein beruflicher Erfolg direkt auf mein Selbstwertgefühl ausgewirkt. Ohne Diensthandy und Visitenkarte im Portemonnaie hatte ich das Gefühl, überhaupt nicht zu existieren.

Ich putzte mir die Zähne, steckte mein Haar hoch und tuschte mir die Wimpern nach – zu mehr war ich nicht in der Lage. Allerdings reichte das völlig, denn aus Faulheit ließ ich mir regelmäßig Brauen und Wimpern färben. So konnte ich die morgendlichen Visiten im Bad auf ein Minimum beschränken, und dadurch blieb mir ein Maximum an Zeit zum Schlafen.

Bereits am Vorabend hatte ich meine Kleider für die Reise bereitgelegt. Unabhängig von meiner Stimmung und anderen Umständen, auf die ich keinen Einfluss hatte, musste ich immer so gut wie nur möglich angezogen sein. Im richtigen Outfit fühlte ich mich sofort besser – und das sah man mir ganz sicher auch an.

Eine Frau soll in jeder Lebenslage hervorragend aussehen, das hatte meine Mutter mir von klein auf eingebläut, und wenn mein Gesicht im Moment zufällig mal nicht so attraktiv war wie gewöhnlich, dann musste ich eben davon ablenken. Für die Reise hatte ich kurze Shorts in hellem Jeansblau, ein weites weißes Hemd und ein leichtes graumeliertes Baumwolljackett gewählt. Zwar waren um neun Uhr morgens schon dreißig Grad im Schatten, aber im Flugzeug fror ich immer fürchterlich, und selbst wenn ich vorher vor Hitze fast umkäme, wollte ich mich zumindest in der Luft wohlfühlen – soweit sich ein Mensch mit panischer Flugangst dort überhaupt wohlfühlen kann. Ich schlüpfte in meine grau-weißen Sneaker von Isabel Marant und war fertig.

Nun betrat ich das Wohnzimmer mit der offenen Küche. Martins Inneneinrichtung im Industrial Style war modern und minimalistisch. Die Wände waren mit Schwarzglas verkleidet, die Bar von LED-Lampen beleuchtet, und statt eines Tischs gab es nur eine Holzplatte mit zwei lederbezogenen Barhockern zu beiden Seiten. Das riesige graue Ecksofa in der Mitte des Raums wies darauf hin, dass der Wohnungsinhaber nicht zu den Kleinwüchsigen gehörte. Ein großes Aquarium trennte das Schlafzimmer vom Wohnzimmer. Eine weibliche Handschrift hätte man in dieser Einrichtung vergeblich gesucht. Sie passte wunderbar zu einem ewigen Single, wie der Hausherr zumindest im Geiste einer war.

Wie immer saß Martin vorm Bildschirm. Was er auch tat, ob er arbeitete, Besuch hatte oder einen Film im Fernsehen schaute, sein bester Freund, das Notebook, war immer dabei. Das trieb mich zur Raserei, aber ich kannte es nicht anders, deshalb maßte ich mir nicht das Recht an, daran etwas zu ändern. Außerdem war ich selbst vor mehr als einem Jahr mithilfe ebendieses Notebooks in Martins Leben getreten – ihm nun zu verbieten, es zu benutzen, wäre also reine Heuchelei gewesen.

Wir hatten uns im Februar kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt war ich erstaunlicherweise schon seit einem halben Jahr in keiner festen Beziehung. Das Singleleben langweilte mich, oder vielleicht machte mir die Einsamkeit zu schaffen, jedenfalls legte ich mir einen Account auf einem Dating-Portal an, der ein netter Zeitvertreib war und mir Bestätigung und gute Laune einbrachte. Während einer schlaflosen Nacht, in der ich die Profile Hunderter Männer durchforstete, traf ich auf Martin, der die nächste Frau fürs Leben suchte. Der Funke sprang über: Die zarte Schöne bezwang das tätowierte Biest. Wir führten keine Standard-Beziehung, wir waren beide starke, extrovertierte Persönlichkeiten mit scharfem Intellekt und beachtlichem Fachwissen in unseren jeweiligen Berufsfeldern. Wir waren fasziniert voneinander und konnten uns gegenseitig imponieren. Das Einzige, das in dieser Beziehung fehlte, waren animalische Lust, unwiderstehliche Anziehungskraft und unstillbares Verlangen. Die hatte es nicht einmal ganz am Anfang gegeben, als wir uns gerade erst kennenlernten. Martin hatte in seinem Leben eben schon genug gevögelt – so hatte er es einmal euphemistisch formuliert. Meine sexuelle Energie dagegen war ein Vulkan, der immer kurz vor dem Ausbruch stand, was in nahezu tägliche Masturbation mündete. Aber es ging mir gut mit Martin, ich fühlte mich sicher und umsorgt, und das war mir wichtiger als Sex. Dachte ich zumindest.

»Schatz, ich bin fertig. Ich muss noch irgendwie meinen Koffer zukriegen, dann können wir los.«

Lächelnd klappte Martin das Notebook zu und packte es in seine Tasche.

»Überlass das ruhig mir, Süße«, sagte er und schloss meinen Koffer, in den ich problemlos selbst hineingepasst hätte. »Es ist doch immer dasselbe mit dir: Da schleppst du dreißig Paar Schuhe und deinen halben Kleiderschrank durch die Weltgeschichte und zahlst Übergepäck, und am Ende trägst du höchstens zehn Prozent von dem, was du eingepackt hast.«

Ich zog eine Grimasse und faltete die Hände vor der Brust. »Aber ich habe die Wahl!«, erinnerte ich ihn und setzte meine Sonnenbrille auf.

Sobald wir die Abflughalle betraten, fühlte ich Panik in mir aufsteigen. Aufgrund meiner Klaustrophobie hasste ich Fliegen wie die Pest. Außerdem hatte ich die Schwarzseherei meiner Mutter geerbt und witterte überall den Tod. Eine Blechbüchse mit Motoren hatte ich noch nie vertrauenerweckend finden können.

Am Check-in-Schalter warteten bereits Martins Freunde, die mit uns nach Sizilien flogen. Karolina und Michał waren seit Jahren ein Paar und dachten über Heirat nach, aber über das Nachdenken kamen sie nie hinaus. Michał, Typ eloquenter Aufreißer, war ein sonnengebräunter, ziemlich gut aussehender Mann mit blauen Augen und kurzem hellblondem Haar, der seine Obsession für Brüste erst gar nicht zu verbergen suchte. Karolina war hochgewachsen, langbeinig, hatte braunes Haar und zarte, fast kindliche Gesichtszüge – auf den ersten Blick war sie nichts Besonderes, aber je mehr Zeit man mit ihr verbrachte, desto interessanter wurde sie. Michałs triebgesteuerte Ausfälle ignorierte sie erfolgreich. Mir war vollkommen schleierhaft, wie sie das schaffte. Ich hätte es keine Sekunde mit einem Mann ausgehalten, dessen Kopf sich beim Anblick einer Frau drehte wie das Periskop eines U-Boots auf Feindsuche. Ich nahm zwei Beruhigungstabletten, um an Bord nicht in Panik zu geraten und mich in den Augen sämtlicher Passagiere unmöglich zu machen.

In Rom hatten wir einen einstündigen Zwischenstopp, dann ging es Gott sei Dank direkt nach Sizilien. Ich war mit sechzehn das letzte Mal in Italien gewesen und hatte von den Italienern nicht die allerbeste Meinung: Sie waren laut, aufdringlich und sprachen kein Englisch. Für mich dagegen war Englisch inzwischen fast meine zweite Muttersprache. Nach so vielen Jahren in internationalen Hotelketten träumte ich manchmal sogar auf Englisch.

Als wir endlich in Catania landeten, ging die Sonne schon unter. Der Typ vom Autoverleih brauchte definitiv zu lange, und wir standen eine geschlagene Stunde in der Warteschlange. Um mir die Zeit zu vertreiben, beschloss ich, mich ein wenig in der Umgebung umzuschauen. Freilich gab es wenig zu sehen. Als ich das klimatisierte Terminal verließ, stürzte lähmende Hitze auf mich ein. In der Ferne war der rauchende Ätna zu sehen. Dieser Anblick überraschte mich, obwohl ich wusste, dass der Vulkan noch aktiv war. Mit in den Nacken gelegtem Kopf ging ich weiter, stolperte über die Bordsteinkante und wäre fast mit einem hochgewachsenen Italiener zusammengestoßen, der plötzlich vor mir aus dem Boden wuchs. Ich kam vielleicht fünf Zentimeter hinter seinem Rücken zum Stehen, aber der Mann schien mich überhaupt nicht bemerkt zu haben. Offenbar gehörte er zu einem Securityteam, aus dem Terminal eilten mehrere Geschäftsmänner in dunklen Anzügen. Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück in Richtung Autoverleih – hoffentlich waren wir inzwischen an der Reihe! Als ich das Gebäude erreichte, fuhren mehrere schwarze SUVs an mir vorbei, der mittlere schien zu bremsen, als er mich passierte, aber durch die dunklen Scheiben konnte ich nichts erkennen.

»Laura!« Martin winkte mir zu, einen Autoschlüssel in der Hand. »Wo rennst du denn rum, wir wollen los!«

In der Lobby des Hilton Giardini Naxos empfing uns eine riesige Blumenvase in Gestalt eines menschlichen Kopfes. Die langstieligen weißen und rosa Lilien erfüllten die imposante, goldgeschmückte Eingangshalle mit ihrem schweren Duft.

»Nicht schlecht, Schatz!« Grinsend drehte ich mich zu Martin um. »Ein wenig Louis XVI. kann doch nie schaden. Mal sehen, ob die Badewanne im Zimmer Löwenfüße hat.«

Das Hotel war nicht ganz so luxuriös, wie man es eigentlich von einem Hilton-Resort erwarten würde. Mein geübtes Auge erfasste die zahlreichen Mängel sofort.

»Hauptsache, das Bett ist bequem, das Wetter ist gut, und es gibt Wodka«, stellte Michał fest. »Der Rest ist nicht so wichtig.«

»Stimmt, das wird ja wieder eine eurer pathologisch feuchtfröhlichen Reisen. Allerdings bin ich im Unterschied zu euch keine Alkoholikerin«, warf ich ein und zog einen Flunsch. »Ich habe Hunger, ich habe zuletzt in Warschau was gegessen. Können wir uns etwas beeilen und in die Stadt gehen? Wein und Pizza wären jetzt wunderbar.«

»Sagt die Antialkoholikerin, die aber nach Wein und Sekt süchtig ist«, sagte Martin mit einem Grinsen und legte den Arm um meine Schultern.

Schon im Fahrstuhl war ich in Gedanken den Inhalt meines Koffers durchgegangen. Meine Wahl fiel auf ein langes schwarzes Kleid mit einem Metallkreuz am Rücken, dazu schwarze Flipflops, eine schwarze Ledertasche mit Fransen, eine goldene Uhr und riesige goldene Kreolen. Eilig zog ich mir einen schwarzen Lidstrich, tuschte meine Wimpern nach und puderte mir das Gesicht. An der Zimmertür griff ich nach dem Lipgloss mit Goldglitter und schminkte mir ohne Spiegel die Lippen.

Auf dem Flur schauten mich Karolina und Michał entgeistert an. Sie trugen immer noch die Sachen, die sie im Flugzeug getragen hatten.

»Laura, wie zur Hölle hast du es geschafft, in fünfzehn Minuten deinen Koffer auszupacken, dich umzuziehen und zu schminken und auszusehen, als hättest du dich den ganzen Tag für dieses Abendessen zurechtgemacht?«, flüsterte Karolina auf dem Weg zum Fahrstuhl.

»Ach …« Ich zuckte die Schultern. »Ihr habt eben Talent zum Wodkatrinken, und ich kann in Gedanken den ganzen Tag meinen Kleiderschrank durchforsten, um am Ende in fünfzehn Minuten ausgehfertig zu sein.«

Zu viert durchquerten wir die Lobby Richtung Ausgang.

Nachts war Giardini Naxos malerisch und wunderschön. Die engen Gassen waren von Musik erfüllt, junge Leute waren ebenso unterwegs wie Familien mit Kindern. Sizilien erwachte erst abends zum Leben, tagsüber war die Hitze einfach unerträglich. Wir erreichten das um diese Zeit besonders belebte Hafenviertel, wo sich Dutzende Restaurants, Bars und Cafés aneinanderreihten.

»Ich sterbe gleich vor Hunger. Ich falle hier um und stehe nicht mehr auf«, jammerte Karolina.

»Und ich sterbe an ungenügender Alkoholsättigung im Blut. Schaut mal dort drüben, das ist doch ideal für uns.« Michał wies auf ein Strandrestaurant mit um Glastische gruppierten weißen Sesseln und Sofas. Überall brannten Kerzen, und das Dach bildeten riesige, helle Segeltuchbahnen, die sich im Wind hoben und senkten und den Eindruck erweckten, als schwebte das Lokal in der Luft.

Das Tortuga war ein luftiger, nahezu magischer Ort und trotz der eher gehobenen Preise gut besucht. Martin winkte einem Kellner, und dank ein paar Euros Trinkgeld saßen wir kurz darauf auf den bequemen Sofas und blätterten die Speisekarte durch. In meinem schwarzen Kleid hob ich mich deutlich von all dem Weiß ab und hatte den Eindruck, als wären alle Augen auf mich gerichtet.

»Ich fühle mich beobachtet, aber wer hätte auch wissen können, dass wir in einer Milchkanne zu Abend essen«, flüsterte ich Martin mit einem entschuldigenden Lächeln zu.

Martin schaute sich um und beugte sich dann zu mir: »Schätzchen, du leidest unter Verfolgungswahn, das hast du von deiner Mutter geerbt. Aber du siehst eben einfach umwerfend aus, also lass sie doch gaffen.«

Ich schaute mich ein weiteres Mal um. Obwohl mich niemand zu beachten schien, wurde ich das Gefühl nicht los, als stünde ich unter Beobachtung. Aber dann forderte wieder die Speisekarte meine Aufmerksamkeit. Ich fand mein Lieblingsgericht, gegrillten Tintenfisch, sowie Prosecco Rosé und konnte bestellen. Der Kellner war zwar Sizilianer, aber zugleich Italiener. Es würde also dauern, bis er sich bequemte, an unseren Tisch zu kommen und unsere Bestellung aufzunehmen.

»Ich muss mal für kleine Mädchen«, vermeldete ich, bat Martin, für mich zu bestellen, und erhob mich.

Neben der schönen hölzernen Bar entdeckte ich eine kleine Tür, doch dahinter befand sich nur eine Abstellkammer. Als ich mich umdrehte, um den Raum wieder zu verlassen, stieß ich schwungvoll mit jemandem zusammen. Verwirrt rieb ich mir die Stirn und hob die Augen. Vor mir stand ein hochgewachsener, gut aussehender Italiener und durchbohrte mich mit einem eisigen Blick. Hatte ich den nicht schon irgendwo gesehen? Wie erstarrt blieb ich stehen.

»Hast du dich verlaufen, Kleines?«, fragte er in schönstem britischem Englisch mit kaum merklichem italienischem Akzent. Sein Lächeln entblößte eine Reihe weißer, ebenmäßiger Zähne. »Wenn du mir sagst, was du brauchst, kann ich dir helfen.«

Er legte seine Hand zwischen meine Schulterblätter, auf meine nackte Haut, und führte mich zurück in den Speisesaal. Bei seiner Berührung durchlief ein Zittern meinen Körper und machte mir das Gehen schwer. Vor lauter Benommenheit bekam ich kein einziges englisches Wort heraus. Ich lächelte nur und ging wieder zu unserem Tisch zurück. Vor Aufregung hatte ich ganz vergessen, dass ich eigentlich zur Toilette hatte gehen wollen.

Am Tisch war das Gelage bereits in vollem Gange – Martin, Michał und Karolina bestellten gerade die nächste Runde. Ich ließ mich aufs Sofa fallen, griff nach meinem Prosecco und trank ihn in einem Zug aus. Noch mit dem Glas am Mund gab ich dem Kellner ein Zeichen, mir ein zweites zu bringen.

Belustigt schaute Martin mich an. »Säuferin! Und da sagst du, ich habe ein Alkoholproblem.«

»Ich habe heute eben ausnahmsweise mal Lust zu trinken«, erwiderte ich. Meine Knie zitterten immer noch wie damals, als ich das erste Mal nach der Führerscheinprüfung Motorrad gefahren war.

»Im Waschraum ist offenbar irgendwelche Magie am Werk, wenn du derart verwandelt zurückkommst.«

Bei diesen Worten schaute ich mich nervös nach meiner geheimnisvollen Zufallsbekanntschaft um. Eigentlich müsste er in all dem Weiß leicht zu finden sein, denn er war für diese Umgebung genauso unpassend gekleidet wie ich: schwarze weite Leinenhose, schwarzes Hemd, in dessen Ausschnitt ein Rosenkranz zu sehen war, und schwarze Ledermokassins. Obwohl ich ihn nur ganz kurz gesehen hatte, konnte ich mich in allen Einzelheiten an ihn erinnern.

»Laura!« Michałs Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Hör auf, die Leute anzustarren, und trink!«

In der Zwischenzeit hatte der Kellner bereits die nächste Runde Prosecco an unseren Tisch gebracht. Am liebsten hätte ich auch dieses Glas in einem Zug geleert, damit das Zittern endlich aufhörte, aber dann wurde unser Essen serviert, und wir stürzten uns wie die Wölfe darauf. Der Oktopus mit gegrillten süßen Cocktailtomaten war köstlich. Martin verspeiste einen riesigen Kalmar in einem Bett von Knoblauch und Koriander.

»Heilige Scheiße!« Plötzlich fuhr Martin vom Sofa hoch. »Wisst ihr, wie spät es ist? Schon nach zwölf! Also, Laura: Happy Birthday to You, Happy Birthday to You …« Michał und Karolina erhoben sich ebenfalls und sangen laut und fröhlich mit. Die übrigen Gäste des Tortuga beobachteten unser Treiben belustigt und fielen dann auf Italienisch in den Gesang ein. »Tanti auguri a te, tanti auguri a te …« Das Restaurant war von Applaus und lauten Bravorufen erfüllt, und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Happy Birthday war eines der Lieder, die ich hasste. Vermutlich mag es niemand, weil niemand weiß, wie er sich verhalten soll – mitsingen, klatschen, alle anlächeln? Egal, was man macht, man sieht dabei immer wie ein kompletter Idiot aus. Angestrengt lächelnd erhob ich mich also von der Couch, winkte allen zu, verbeugte mich nach rechts und links und dankte für die Glückwünsche.

»Das musste jetzt wohl unbedingt sein, was?«, knurrte ich durch die zusammengebissenen Zähne. »Es ist nicht nett, mich daran zu erinnern, dass ich alt bin. Und außerdem – mussten all die Leute hier mitmachen?«

»Tja, Schatz, die Wahrheit tut weh. Zum Trost habe ich dein Lieblingsgetränk bestellt.« Noch bevor Martin seinen Satz beendet hatte, trat der Kellner mit einem Sektkühler, einer Flasche Moët & Chandon Rosé und vier Gläsern an unseren Tisch.

SUV

Die Nacht war heiß, ich war betrunken, mein Geburtstag ging zu Ende, und nichts war so, wie es hätte sein sollen. Als ich um die nächste Straßenecke bog, endete der Bordstein, und ich merkte, dass ich die Orientierung verloren hatte. Ich schaute mich um, aber alles, was ich sah, waren die aufgeblendeten Scheinwerfer auf mich zufahrender Autos.