Koreanische Literatur in deutscher Übersetzung, hrsg. v. Andreas Schirmer

Band 1

Park Min-gyu

Entenbootweltbürger

und andere Erzählungen aus Südkorea

Aus dem Koreanischen von Andreas Schirmer

Mit einem Nachwort des Übersetzers

Praesens Verlag

© 2020 Praesens Verlag | http://www.praesens.at

Kaseutera ⓒ PARK Min-gyu

All rights reserved.

Original Korean edition published by Munhakdongne Publishing Corp., Paju.

German translation rights arranged with Munhakdongne Publishing Corp., Paju.

Coverbild: ⓒ CHA Mihee

Deutsche Übersetzung: ⓒ Andreas Schirmer

Übersetzung und Drucklegung wurden gefördert durch das Literature Translation Institute of Korea (LIT Korea).

ISBN: 978-3-7069-3012-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

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Entenbootweltbürger

Erzählungen


Castella

1

Dieser Kühlschrank hatte wahrscheinlich eine Präexistenz als Hooligan hinter sich.

Ist halt mal meine These. Also, Mai 1985, Brüssel, Belgien: Im Finale des Europacups der Meister trifft der FC Liverpool auf Juventus Turin, und im Stadion stürmen die rasenden britischen Fans in Richtung Fanblock der Italiener. Eine trennende Mauer stürzt ein, 39 Menschen werden erschlagen oder erdrückt, darunter er, mein späterer Kühlschrank.

Als er wieder zu sich kommt, ist er schon im Jenseits. Schöne Bescherung. Klar, dass er sich vor Reue kaum mehr einkriegt: „Ich muss lernen, wie man einen kühlen Kopf behält. Ich brauche mehr Coolness.“ Wie er so zerknirscht mit sich hadert, macht ihm das höhere Wesen einen Vorschlag zur Güte: „Wenn dem so ist, wie wär’s dann mit einer nächsten Chance als … Kühlschrank?“ Unser Mann klatscht vor Freude in die Hände: „Genial! Das wär mal ein Leben mit einem Sinn!“ Und so kam’s, dass dieser vormalige Liverpool-Fan tatsächlich als Kühlschrank wiedergeboren wurde. Der ging dann durch viele Hände und irgendwann schließlich in meinen Besitz über. Man soll mich ruhig für einen Spinner halten, aber so und nicht anders hat es sich abgespielt, davon bringt mich jetzt keiner mehr ab.

Auch heute noch holt mich manchmal die Erinnerung an meine erste Nacht mit ihm ein.

Es war eine grauenvolle Nacht. Anfangs fand ich bloß, dass der aber arg laut sei, aber irgendwann bekam ich es richtig mit der Angst zu tun. „Wenn das so weitergeht, wird der nicht explodieren?“, fragte ich mich. An Schlaf war gar nicht mehr zu denken. „U-Uuung U-Uuuung ...“ Wie dieser bloße Kühlschrank einen Mörderlärm zum Besten gab, der einer ganzen Fabrik zur Ehre gereicht hätte, also das hatte sich gewaschen. Mit aller Vorsicht drückte ich mal mein Ohr dran. Etwas Magmaartiges brodelte da im Inneren dieser Maschine. Schließlich zog ich den Stecker. Sechs Bierdosen, eine große Kimchi-Box und was ich am Abend von einer Packung Nusseis übriggelassen hatte, mehr hatte ich nicht eingekühlt. Die Sommernacht war schwül und stickig.

Wie kann man sich einfallen lassen, so einen Schrott zu verkaufen? Ich war aufgebracht und rechtschaffen empört, so wie vielleicht ein armer Italiener, wenn er im Jenseits ankommt, nachdem er im Stadion unschuldig von einer Mauer erdrückt wurde, deren Einsturz auf das Konto englischer Hooligans geht. Mir war danach, sofort zu dem Laden zu rennen, wo das Aas von einem Trödler mir dieses Teil angedreht hatte, und die Auslage einzuschlagen. Aber eine Sache war noch dringender: Ich musste das Eis aufessen, ehe es schmolz. Weil ich schon bis zu diesem Zeitpunkt kein Auge zugetan hatte und weil ich dann den Eisgenuss mit einem schlimmen Durchfall büßte, der übrigens nach Walnüssen roch, war bereits Mittag vorbei, als ich endlich vor der Ramschbude aufmarschierte. Auf den heruntergelassenen und fest versperrten Rollläden hing ein Zettel mit der Aufschrift: „Wegen Innenrenovierung vorübergehend geschlossen!“

Als ich zurück in meine Wohnung kam, stank schon alles nach sauer werdendem Kimchi. Dann in Teufels Namen! Angesichts des stechenden Geruchs gab ich klein bei und kabelte mit Todesverachtung eben wieder ein. „U-Uuung, U-Uuuung.“ Der Lärm, ohrenbetäubend wie der Ansturm einer Meute entfesselter Hooligans, wollte anscheinend unbedingt Mauern zum Einsturz bringen. „Warum passiert das justament mir?“ Aber als ich das dachte, spulte sich auch schon im Zeitraffer vor meinem inneren Auge der Film einer unglücklich kurzen Präexistenz ab. Ja, weiß man’s? Am Ende war ich früher wirklich so ein armer italienischer Juventus-Anhänger, der urplötzlich aus dem Leben gerissen wurde, als er bloß seine Mannschaft hatte anfeuern wollen.

2

Wer oder was auch immer ich früher, in meinem unmittelbaren Vorleben, gewesen bin – egal, es kam dann so, dass ich unterm Strich über zwei Jahre mit diesem Kühlschrank zusammenlebte. Irrsinn, wird vielleicht mancher sagen, aber so war es nun mal. Zunächst einmal aus dem Grund, weil dieses Aas von einem Schrotthändler tatsächlich der Pleitegeier geholt hatte. Zum anderen deshalb, weil es sich im Verlauf der Zeit zusehends doch irgendwie mit diesem Kühlschrank aushalten ließ. Der wiederum hatte ja sowieso eine unverwüstliche Rossnatur. „War da wirklich gar nicht so viel dabei? Ist dir das echt nicht über den Kopf gewachsen?“

Nein, echt, es ist mir jedenfalls nicht über den Kopf gewachsen.

Man könnte vielmehr sogar sagen, dass ich als Alleinhausender mich dank dieses enormen Lärms nicht einsam fühlte. Bin ja auch nur ein Mensch. Und damit letzten Endes ein lernfähiges Gewohnheitstier. Dass ich und der Kühlschrank wechselseitig ins Leben des jeweils anderen traten, war in den Sommerferien meines ersten Studienjahrs. Kann mich noch lebhaft daran erinnern, dass das ein Sommer war, in dem eine so arge Feuchtigkeit und Hitze herrschte, wie seit Menschengedenken noch nicht. Zuhause war ich mit nichts zufrieden gewesen, und so mietete ich, recht unüberlegt, in der Nähe der Uni eine Einzimmerwohnung. Dort hausten dann Kühlschrank, Fernseher, Stereoanlage und meine Wenigkeit einträchtig auf engstem Raum zusammen. Doch eigentlich war mir immer, als gäbe es nur den Kühlschrank und mich. Was wiederum daran lag, dass das Geräusch, das der Kühlschrank produzierte, gar so … dings war.

Meine Einzimmerwohnung war bloß dreihundert Meter vom Haupttor der Uni entfernt, aber auf einem ganz steil ansteigenden Hügel, und wohl deshalb kam – kein Scheiß! – nie jemand auf Besuch zu mir. Es waren jedenfalls gerade Ferien, und, wie gesagt, ein Sommer mit Spitzenwerten punkto Feuchtigkeit und Hitze wie schon seit Menschengedenken nicht. Der Besitzer der Bierstube auf dem Hügel, meiner Stammkneipe, beschwerte sich oft: „Warum kehrt kein Schwanz hier ein? Okay, der Weg ist steil, aber doch wunderschön asphaltiert.“ Da hatte ich also einen Gleichgesinnten. „Tja, eben, warum bloß?“ Ich knetete meine stramm trainierten Waden und stopfte mir zwischendurch Erdnüsse in den Mund. Keiner kam zu uns auf den Hügel in diesem Sommer, ob wir nun einen superextrem feuchten und heißen Tag hatten oder nur einen durchschnittlich extrem feuchten und heißen.

Supereinsam war ich immer bis zum Extrem.

Das war also der Kontext, in dem wir, der Kühlschrank und ich, Freunde wurden. Würde ich halt mal so sagen. Oder mit anderen Worten: Weil da ja dieser ungeheure Lärm war, war ich doch nicht so supereinsam. In jener Einzimmerwohnung auf dem Hügel, in die keiner auf Besuch kam, waren wir immerhin zu zweit. Ich kam drauf: Der Kühlschrank war eigentlich ein Guter, der war nicht schlechter als die besten Freunde, die ich je hatte. Und mit genügend Zeit entdeckt man sowieso an jedem was Gutes.

Es war schon kurios: Wir waren der erste Fall einer Freundschaft zwischen Mensch und Kühlschrank, seit General Electric im Jahr 1926 den ersten modernen Kühlschrank hergestellt hat. Seitens der Menschen war also ich der absolute Pionier! Wie haben wir es fertiggebracht, den Kühlschränken so sträflich lange die kalte Schulter zu zeigen? Hat denn sonst kein Mensch je den wahren Wert seines Kühlschranks erkannt? Wir haben uns angewöhnt zu glauben, dass es in den Weiten des Universums nur allein uns Menschen gibt. Dabei kann man mit nur ein bisschen mehr Sensibilität leicht spüren, dass da unmittelbar neben einem selber immer auch schon ein Kühlschrank ist.

Kühlschränke haben eine Persönlichkeit.

Also, jetzt leih diesem Lärm mal dein Ohr. Und fühl das mal ein wenig nach: Da ist dieser flüssige Kreislauf zwischen Kompressor, Kondensator, Verdampfer und Wärmetauscher, dieser wunderbare Zyklus! Dass ich dem Zauber des Kühlschranks erlag, das begann in dem Moment, als mir die Ohren aufgingen für die Musik dieses Kreislaufs. Das war natürlich nicht von Anfang an so. Schließlich war ich früher eben auch so ein Dutzendmensch und Allerweltsschnösel, der da schnöde denkt: „Welt der Kühlhaltung? Rutsch mir doch den Buckel runter.“ Will sagen: Es fing, da mache ich mir nichts vor, alles nur damit an, dass ich den treuherzig-bescheidenen Wunsch hatte, den maßlosen Lärm ein klitzekleines bisschen einzudämmen. Wenn ich zurückblicke, war es zwar eine dumme Naivität von mir, aber ich rief eben bei der Herstellerfirma an und bat um den „raschen und zuverlässigen Kundendienst“. Muss mich ja wohl nicht dafür rechtfertigen, hätte sicher jeder an meiner Stelle genauso gemacht.

Der Kundendienst, den ich mir „rasch und zuverlässig“ vorgestellt hatte, spannte mich freilich auf eine langwierige Folter. Der Techniker überprüfte den Entfroster-Erhitzer, wechselte allerlei Komponenten aus, putzte sogar die Kapillarröhrchen durch. In meiner Einzimmerwohnung sah es bald aus wie auf einem Schlachtfeld. Obendrein war es die heißeste Zeit des Sommers, und der Mann vom Kundendienst kam immer an Nachmittagen, wenn die Luft kochte und dampfte. Insgesamt war es vier Mal, dass er in meinem Zimmer seine Serviceleistung erbrachte, und jedes Mal äußerte er sich beim Abgang anders. Beim ersten Mal hieß es: „Jetzt wird es sicher passen.“ Beim zweiten Mal: „Komisches Teil, das.“ Beim dritten Mal: „Schaffen Sie sich doch lieber einen neuen an!“ Beim vierten Mal hauchte er fast unhörbar wie ein Sterbender: „Ich häng den Scheißjob an den Nagel.“

Der Lärm verringerte sich kein bisschen.

Unterdessen begann das Herbstsemester. Bei mir war nichts mit ausgeruht und startklar. Irgendwann stürzte ich mich dann aber auf ein Privatstudium: Grundbegriffe der Kühlhaltung, Aufbau und Struktur von Kühlschränken, Kühlschrank-Reparatur und gar Geschichte der Kühlhaltung. Versuchte, mir alles anzueignen, mit bangem Eifer. Wie so ein Knirps, der vorwitzig ein Radio auseinander genommen hat und dann verzweifelt versucht, die einzelnen Elemente wieder richtig zusammenzusetzen.

Merkwürdig: die Welt der Kühlhaltung hatte mich ganz unverhofft in ihren Bann geschlagen. Es war spannend wie nur je ein Thema. Immer häufiger ließ ich die Uni Uni sein, und ich konnte mich bald auch nicht mehr erinnern, wann ich nun das letzte Mal mit einer Ladung Schmutzwäsche bei meinen Eltern vorbeigeschaut hatte. Wie soll ich das ausdrücken? Mir war, als sei ich auf der verblendenden Straße eines schnöden Alltags ‒ dessen Motto da lautete „Welt der Kühlhaltung? Vergiss es!“ ‒ abrupt in einen offenen Schacht gefallen, der in ein Wunderland führte.

Es tat sich da etwas ganz Neues auf, eben die dunkle und geheimnisvoll abgeschottete kühle Welt der Kühlhaltung. Ich war ein kleines Wölkchen Freongas und wanderte als solches tagsüber durch die Kapillarröhren dieser unterirdischen Welt, abends wurde ich ein kleiner Klecks glitzernden Frosts und klebte in leichtem Schlummer irgendwo an einer der unterirdischen Mauern. Als ich zufällig bei einem Ausgang wieder in die Oberwelt hinausstolperte, war der Herbst fast schon um (was mir aber auch erst klar wurde, als ich wieder oben war). Das Licht blendete mir die Augen. Und

die Welt draußen hatte sich komplett verändert.

3

Will sagen, ich war wohl eine gute Woche komplett fixiert. Nach einer Reihe pedantischer Untersuchungen machte ich mich ans Reparieren, schraubte an allem herum, wo es nur ging, und trotzdem wurde der Lärm nicht weniger. Genau wie der Mann vom Kundendienst hatte ich nicht die leiseste Ahnung, warum der Kühlschrank so laut war. „Es muss einfach ein neuer her“, „Ich schmeiße jetzt mein Werkzeug hin“ ‒ ja, ich war oft nah dran, so was zu sagen. Aber die Welt der Kühlhaltung hatte bereits angefangen, sich mir zu offenbaren, und darum sah ich das Problem aus einem ganz anderen Blickwinkel als der Kundendienst. In dem Sinn nämlich, …

… dass dieser Kühlschrank ein Recht darauf hatte, sich Gehör zu verschaffen.

Ein Recht, jawohl! Denn dieser Kühlschrank war in seinem früheren Leben ein Hooligan gewesen und hatte wohl einen angeborenen, überdurchschnittlich großen Drang zur Selbstdarstellung. Hatte ein besonders lautes Organ und ein hitziges Temperament. Der Typ, der seinerzeit im Finalspiel Liverpool gegen Juventus als erster „Auf sie mit Gebrüll!“ gebrüllt und die wilde Horde angeführt hatte ‒ das war mein Kühlschrank. Von dieser Theorie bringt mich nichts mehr ab. Cooler Typ.

„Auf sie mit Gebrüll!“ Da gehört schon was dazu.

Die Geschichte der Kühlhaltung war ein einziger großer Kampf gegen die Macht der Fäulnis.

Die Menschheit weiß schon seit langem, dass Lebensmittel länger halten, wenn man sie kühl lagert. Die Chinesen bedienten sich schon tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung einer primitiven Kühlhaltetechnik, bei der man die Wirkung von Eisblöcken in unterirdischen Kammern ausnutzte. Genau besehen lag der erste Kühlschrank der Menschheit also im Erdinneren, womit letztlich unser Planet selber als Kühlschrank herhielt.

Die Chinesen entdeckten im 14. Jahrhundert, dass ein mit Salzwasser gefülltes Gefäß dauerhaft kälter ist als die Umgebung. Im 17. Jahrhundert machten die Italiener die gleiche Entdeckung. Das Salzwasser entzieht nämlich beim Verdunsten dem Gefäß immer ein wenig Wärme.

Das war zwar nur Anfängerniveau, aber mit dieser Erkenntnis war nichtsdestoweniger zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte das Geheimnis unserer heutigen Kältetechnik gelüftet, bei der es ja nach wie vor um das Prinzip der Verdampfungskühlung geht.

Im Jahr 1834 baute Jacob Perkins in England eine Kompressionskältemaschine, die Eis künstlich herstellen konnte, und es gelang ihm, auf seine Erfindung ein Patent anzumelden. Perkins nutzte den physikalischen Effekt, bei dem komprimierter flüssiger Ether zunächst abgekühlt und dadurch gasförmig wird, um dann wieder verdichtet zu werden und sich infolgedessen zu verflüssigen. Seine Kompressionskältemaschine leistete einen entscheidenden Beitrag zum Aufkommen des späteren Kühlschranks.

Im Jahr 1926 stellte General Electric in Amerika die ersten Haushaltskühlschränke mit Kompressionskältemaschinen her. Damit begann die Geschichte des modernen Kühlschranks, die bestimmt war von ständigen Verbesserungen. Im Jahr 1939 wurde der in Kühlfach und Gefrierfach geteilte moderne Haushaltskühlschrank geboren. Mit diesem epochemachenden neuen Typ von Kühlgerät und natürlich mit den vielen neuartigen Tiefkühlprodukten, für die Clarence Buzzeye die entsprechenden Herstellungsabläufe entwickelte, begann das fantastische Zeitalter der Kühlhaltung.

Die Verbreitung des Kühlschranks hat das menschliche Leben stark verändert. Eine der wesentlichsten Auswirkungen war die, dass die Häufigkeit bestimmter Erkrankungen ‒ Lebensmittelvergiftung, Krebs und so weiter ‒ erheblich abnahm. Dass man nun jederzeit frisches Gemüse essen konnte, dass man unverdorbenen Fisch zur Verfügung hatte, der nicht etwa in Salz eingelegt war, also dass man überhaupt nicht mehr auf Lebensmittel angewiesen war, die zwecks Haltbarkeit weiß Gott wie behandelt waren ‒ das alles trug ganz enorm dazu bei, dass der heutige Mensch sich eines viel gesünderen Lebens erfreut. Erst dank des Kühlschranks siegte die Menschheit im Kampf gegen den Lebensmittelverderb. Ein fantastischer Sieg! Der Ansicht, das 20. Jahrhundert sei in der Hauptsache von den zwei Weltkriegen sowie vom kalten Krieg und seiner Überwindung bestimmt gewesen, kann ich darum nicht beipflichten. Der größte Erfolg, den die Menschen im 20. Jahrhundert errungen haben, war doch der Sieg im Krieg gegen die Kälte, also diese ganze fantastische Kältetechnik. Jawohl. Das 20. Jahrhundert war die Epoche der fantastischen Kälte- und Kühltechnik.

Obiges schrieb der bekannte Kühlhaltungshistoriker Theodor Engel in seinem Buch Das fantastische Zeitalter der Kältetechnik. Schau einer an. Ganz offenkundig durfte ich in einer fantastischen Ära leben.

Wer hätte das gedacht?

Vor diesem Hintergrund gelangte ich nach und nach zur tiefen Überzeugung, dass diesem Burschen, dem einstigen Hooligan, ein „gutes“ Recht auf freie Meinungsäußerung zuzugestehen war. Das war mein vollkommener Ernst. Wenn das nämlich alles stimmte, brauchte er sich wirklich nicht kleinmachen und hatte eindeutig mehr zu melden als ich selber.

Keine Frage, auch jetzt hat er bestimmt noch viel auf dem Herzen“, murmelte ich vor mich hin, indem ich ihn so betrachtete. In der Tiefe meines Herzens gab ich ihm ja völlig recht:

Von der Warte der Kältetechnik betrachtet, war diese Welt doch unsäglich verrottet.

4

„Na eben: Hängt in unserer Welt nicht alles davon ab, wie der einzelne Mensch mit diesem Ding namens Kühlschrank umgeht?“ Der Wirt der Bierstube auf dem Hügel tat sich mit dieser Äußerung hervor. Das war ungefähr zu der Zeit, als bei mir selber hinsichtlich meiner Kühlschrank-Nutzung eine riesengroße Wende eintrat. Mir selber erschien diese Wende nur allzu natürlich. Will sagen: es war gekommen, was hatte kommen müssen, so kam mir das vor. Denn als ich eines Tages wieder einmal den Kühlschrank aufmachte und sich das altbekannte Bild vor mir ausbreitete – sprich: zwei Bierdosen, eine Box voll Kimchi, eine 1,5-Liter-Milchpackung mit weit offen klaffendem Ausgussschnabel, ein Karton Eier –, dachte ich mir mit meinerseits weit offen klaffendem Mund:

Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren.

Das war doch ein Anblick, der der gesamten Menschheit zur Schande gereichte. Gebrauchte man in diesem fantastischen Zeitalter der Kühlhaltung seinen Kühlschrank doch tatsächlich immer noch für solche Bagatellen? Waren wir tatsächlich dermaßen vernunftlos? Ich besann mich, dann nahm ich die zwei Bierdosen, den Kimchibehälter, die Milchpackung und die Eier heraus und putzte das Innere des Kühlschranks blitzblank. Es sollte ein viel hehrerer Zweck sein, zu dem ich meinen Kühlschrank fürderhin nutzte, so mein feierlicher Vorsatz. Das würde mein kleiner Beitrag zur Ehrenrettung der Menschheit sein. In solcherlei erbaulichen Gedanken schwelgend, leerte ich die schon gestockte Milch in den Abfluss.

So grandios mein prinzipieller Vorsatz aber auch sein mochte – die zündende konkrete Idee, die dem grandiosen Entschluss hätte das Wasser reichen können, wollte sich dann ums Verrecken einfach nicht einstellen. Mein Kummer wurde von Tag zu Tag schlimmer, aber meine Jahrgangskollegen wollten von meinem Problem nichts wissen: „Was soll das denn, ist das etwa eine ernstzunehmende potenzielle Multiple-Choice-Frage?“ Auch die älteren Semester ließen nichts an sich heran und reagierten grob: „Mensch, deine Sorgen möchten wir haben. Du bist ja noch viel abgehobener als gedacht.“ Und den Kommilitoninnen war die Sache einfach nicht cool genug. „Hör bitte auf. Reden wir von was Coolerem!“, meinten sie genervt. Mit weit offen klaffendem Mund dachte ich:

Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren.

Allerdings ging ich dann bei meiner Herumfragerei doch nicht ganz leer aus. So gab mir der Wirt der Bierstube auf dem Hügel den Rat: „Also, wenn ich noch in deinem Alter wäre, würde ich mir nicht viel scheißen und einfach mal alles Mögliche reingeben, egal was.“ Und meine Vermieterin meinte: „Vielleicht sollte man alles, was einem kostbar und teuer ist, im Kühlschrank verwahren. Im gekühlten Zustand bleibt es einem sicher lange gut erhalten.“ Von einem jungen Bibliothekar an der Uni kam die Überlegung: „Müsste nicht, der Menschheit zuliebe, zunächst und zuallererst das eingesperrt werden, was in der Welt von Übel ist? Will sagen, etwas wie die USA?“ Und vom Besitzer des Schallplattenladens, in dem ich Stammkunde war, bekam ich einen Zettel in die Hand gedrückt: „Vielleicht hilft dir das ja weiter.“ Auf dem Zettel stand, in sesamkornmäßig winziger Handschrift, Folgendes:

Wie man einen Elefanten in den Kühlschrank hineinbekommt:

1. Tür öffnen

2. Elefant rein

3. Tür schließen

Ich bedankte mich sehr: „Das wird mir sehr helfen.“

Am Ende beschloss ich also, in Hinkunft nicht mehr viel Federlesens zu machen, und alles einerseits mir Kostbare und Teure, andererseits alles, was für die Welt von Übel war, umstandslos in meinen Kühlschrank zu stecken. Ob USA oder Elefant – das war sicher Jacke wie Hose. Selbst bei solchen Dimensionen ging es schließlich auch bloß um die Kategorie „einfach alles Mögliche, egal was“.

Meine erste Wahl fiel auf Gullivers Reisen von Jonathan Swift. Ein echtes Meisterwerk, und auch der Kühlschrank ließ kein Missfallen erkennen. Wie Armstrong bei seinem ersten Schritt auf den Mond, so behutsam legte ich das Buch mitten in den leeren Kühlschrank. „Keine Bange, wird schon nicht schiefgehen“, beruhigte ich Gulliver, der verunsichert diese ihm fremde Umgebung musterte, und schloss sacht die Tür. Geschafft! Nun war Gulliver, der Menschheit zuliebe, auf lange Sicht wohlverwahrt.

Der Anfang war damit gemacht. In der Folge las ich, mal gründlich, mal bloß oberflächlich, die Klassiker der Menschheit, fällte mein Urteil, traf meine Wahl, und legte säuberlich ein Meisterwerk nach dem anderen in den Kühlschrank. In den meisten Fällen waren es Bücher, aber zwei, drei Filme zwängte ich auch zwischen die Literatur.

Eines Tages, als ich erfrischt aus einem ausgiebigen Mittagsschlaf erwachte und um mich blickte, schob sich unweigerlich der Kühlschrank in den Blick, der seinen „fantastischen“ Lärm erzeugte. Die Meisterwerke der Menschheit waren da drinnen gestapelt ‒ und wie er so kraftvoll sein Ding drehte, hatte ich einfach das sichere Gefühl, dass hier endlich einmal etwas so ablief, wie es sich eigentlich gehörte. Wahrhaftig

eine Kältetechnik wie aus den kühnsten Fantasien.

5

Irgendwann, an einem Sonntag, schaute mein Herr Papa vorbei. „Na, lange nicht gesehen“, bemerkte er zum Gruß. „Das stimmt“, pflichtete ich ihm bei. „Warum lässt du dich dieser Tage so überhaupt nicht mehr zu Hause blicken?“ ‒ „Ich habe leider immer viel zu tun.“ ‒ „Verstehe. Und ich hab heute viel zu erzählen.“ Unverhofft aufgetaucht, saß er nun schon breit da und redete mir ein Loch in den Bauch. Es ging auf keine Kuhhaut. „Kurzum, du steckst tief in Schulden?“ ‒ „Ja, leider sieht es so aus.“

Mit einem Wort, es ging um eine Summe, die alle Vorstellung sprengte, und wenn er diese Schulden nicht tilgen konnte, blieb es an mir hängen und ich musste alles zurückzahlen. Zu allem Überfluss waren es Schulden in US-Dollar. „Ich hatte auch für meine Geschäftsfreunde gebürgt. Mitglied im Country-Club wird man schließlich nicht umsonst. Außerdem, auch wenn du das vielleicht nicht verstehst, hatte ich als Oberhaupt und Ernährer einer Familie ja jahrzehntelang weiß Gott wie viele Auslagen und Kosten. Wie auch immer, es ist an der Zeit, dass ihr jetzt etwas Verantwortung übernehmt. Wer von euch irgendetwas Verkäufliches hat, sollte sich davon trennen und es verhökern. Und alles was nur irgendwie aus Gold ist, sollten wir auch zusammentragen und verscherbeln. Was meinst du?“

Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Denn so ein Vater war doch ein denkbar vertracktes Wesen. Jeder wird sagen: kostbar. Aber gleichzeitig war der hier doch ein eindeutiges Übel. Musste so was wirklich die Welt verpesten?

„Fürs Erste behelfen wir uns mal damit.“ Gesagt getan, folgte ich dem empfohlenen Verfahren. Und was dieses anlangte, war die klare Abfolge die: 1. Tür auf, 2. Vater rein, 3. Tür zu. Am Ende war er einwandfrei verstaut.

Ich hatte damit gerechnet, dass es nicht ohne größeren Lärm abgehen würde, aber wider Erwarten blieb es in dieser Nacht ganz still. War er mir etwa erfroren? Ich riss die Kühlschranktür auf, aber wie sich herausstellte, war er bloß in ein Buch vertieft. „Wie steht es, passt die Temperatur?“ fragte ich. „Hier drin gibt es viele gute Bücher“, wich er meiner Frage aus. In sachlichem Tonfall las ich eine Liste vor: Empfohlene Temperaturen zur Kühlhaltung von Lebensmitteln, erstellt von der Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachungsbehörde Südkoreas. „Milch, pasteurisiert: 0-10 °C, Rind-, Schweine- sowie Hühnerfleisch: -2-0 °C, Fisch und Meeresfrüchte: 3-6 °C, weiterverarbeitete Fleisch- und Fischprodukte: unter 10 °C, Tofu und Sülzen: 0-10 °C, Obst: 3-6 °C, Gemüse (Chinakohl und Kopfsalat): 7-10 °C ... Also welche Temperatur wäre dir recht?“ ‒ „Na ja ... ist da für Menschen gar nichts vorgesehen?“ „Nein.“ Nach einigem Nachdenken kratzte sich Vater hinterm Ohr und meinte: „Tja, also auf jeden Fall doch irgendwas in Richtung Fleisch, oder?“ ‒ „Wenn Fleisch, dann ...“ Ich drehte die Temperatur auf minus zwei Grad

und schloss die Tür wieder.

Am Tag darauf schneite meine Frau Mama bei mir herein. Hoppla, oder kam meine Uni noch davor? Aber egal, es kam ja alles dran, die Reihenfolge ist da weniger wichtig. Und im Rückblick würde ich sagen, es ist egal, ob Mutter oder Uni, kein wesentlicher Unterschied. Denn auf jeden Fall wurde mir mein Semesterzeugnis vor die Nase gehalten und dann gleich dermaßen auf mir rumgehackt, dass ich rasende Kopfschmerzen bekam. In meiner Not holte ich mir eine Dose Bier aus einer Schublade und trank einen Schluck. „Nanu, das darf doch nicht wahr sein! Was tust du das Bier dort rein? So ist es ja bloß lauwarm! Gib das Bier doch in den Kühlschrank! Wie kann man sich nur so ungeschickt anstellen?“ Ich nahm noch einen Schluck von dem lauwarmen Bier, dann öffnete ich schlagartig die Kühlschranktür. Was ich aber reintat, war dann nicht meine Bierdose, sondern meine Mutter.

Ich machte die Kühlschranktür wieder zu.

In der Nacht, die auf den Tag folgte, an dem ich meinem Vater im Kühlschrank meine Mutter beigesellte, gab es ein großartiges Sternschnuppen-Spektakel. Weil so was selten vorkommt, wurde auch in den Nachrichten mit großem Tamtam darüber berichtet. Am Fenster im ersten Stock der Bierstube auf dem Hügel ergötzte ich mich zusammen mit dem Wirt am Anblick der schwarmweise verglühenden Meteore und labte mich dabei an einem Humpen Bier.

„Mit deinen Eltern alles okay?“

„Ja.“

„Im Endeffekt ist es wohl besser für sie.“

„Selbstredend“, pflichtete ich ihm bei und steckte mir eine Scheibe Trockenfleisch in den Mund. „Da sieht man es wieder mal. Die Kühltechnik, die ist eben ein großer Segen für die Menschheit. Kann keiner bestreiten“, sprach der Wirt. „Ich würde es jedenfalls so unterschreiben“, dachte ich bei mir.

6

Wie schon gesagt, es kam alles dran. Was ich da nach meiner Uni noch alles klein faltete und im Kühlschrank verstaute: das Bezirksamt, einen Zeitungsverlag, eine Flipperbude, sieben Großkonzerne, fünf Polizeiinspektoren, eine Gruppe Schulkinder von der Nakdo-Insel, einen Limousinenbus der Gyeonggi-Expressbuslinie, die U-Bahn-Linie 2, fünf verschiedene Dreiecks-Gimbap, elf Fernsehproduzenten, einundfünfzig Risikokapitalgesellschaften, zwei Filmregisseure, drei Romanschriftsteller, einhundertzweiundneunzig Fabrikanten, fünf Angestellte, einunddreißig Importeure, zwei Schönheitschirurgen, drei Entertainer, zwei Besoffene, ein Taubenvieh, drei private Kreditgeber, zwei Profiringer, einen Kükensortierer, eine Million achthunderttausend Erwerbslose, dreihundertsechzigtausend Obdachlose, siebenundsechzig Abgeordnete und einen Staatspräsidenten.

Für einen außenstehenden Beobachter mochte es vielleicht so aussehen, als würde ich all diese Sachen nur willkürlich nach Lust und Laune in den Kühlschrank reinstopfen; aber in Wahrheit handelte ich es nach einem glasklaren Prinzip: entweder etwas Kostbares oder etwas, das für die Welt von Übel war.

Als ich die obige Liste so niederschrieb, dachte ich: In Summe hat es etwas von einem riesigen Meteorschwarm.

Freilich kam auch später noch eine Unmenge an Zeugs in den Schrank. Am wichtigsten war dabei, dass ich die USA reinbugsierte. Meine Erinnerung an den genauen Grund dafür ist inzwischen futsch, aber jedenfalls war es irgendwann um Weihnachten herum. Ich las die Zeitung, und plötzlich, mit den Gedanken eigentlich ganz woanders, riss ich die Kühlschranktür auf, schob die Vereinigten Staaten von Amerika rein und schloss die Tür wieder. Man glaubt es kaum, aber als die USA im Kühlschrank drin waren, war dessen Innenleben mit einem Mal eine „Internationale Weltgemeinschaft“. Ein paar Tage später:

„He, die McDonald’s-Filiale ist auf einmal weg.“

Diese Meldung schob der Chef des Plattenladens, als er nach einiger Zeit wieder mal in der Bierstube auf dem Hügel vorbeischaute, um zu quatschen. Er blies in seine gefrorenen Hände und rieb sie gegeneinander. „Ich meine den Mäcki, der bis jetzt dort an der Straßenkreuzung gestanden hat. Ist spurlos verschwunden.“ ‒ „Mag schon so sein“, brummte der Wirt unbeeindruckt, „und unser Freund hier geht zur Zeit in keine Vorlesung mehr.“ ‒ „Wirklich?“, staunte der Plattenladenbesitzer. „Und was denkst du dir da dabei?“

„Die Uni ist eben auch weg“,

klärte ich ihn auf. „So was. Jetzt wo du es sagst ‒ in letzter Zeit sind ganz schön viele Sachen verschwunden“, meinte der Plattenladenbesitzer. Zu dritt tranken wir ein Bier nach dem anderen. Es war kalt, und zufällig war Silvester, und obendrein noch der letzte Tag des ganzen Jahrhunderts. „Starke Sache! Du hast die Uni also einfach in den Kühlschrank geschoben, genau so, wie man’s mit einem Elefanten macht, richtig?“ Der Schallplattenladenbesitzer war vor Freude ganz aus dem Häuschen: „Hab ich’s doch vorhergesagt, dass mein Rat was helfen würde. Das ist ja ein Ding! Das ich das noch erleben darf.“

„Jaja, im vergangenen Jahrhundert ist schon ganz schön viel passiert“, sinnierte der Wirt. Dass dieser Neujahrstag just auch der allerletzte Tag des Jahrhunderts war, ließ uns nach der Reihe sentimental werden. „Die ersten Hooligans sollen Hitler und Mussolini gewesen sein“, meinte einer, wahrscheinlich der Plattenhändler. Irgendwer, vielleicht ich, quittierte das nur mit einem: „Ah ja?“ ‒ „Hat zumindest mal wer gesagt.“ Der Wirt war es dann wohl, der mich auf einmal fragte: „Was lässt du dir für China einfallen?“ ‒ „Warum denn China?“ ‒ „Weißt du das denn nicht?“ ‒ „Was denn?“

„Dass die Erde in der Mitte auseinanderbricht, wenn die Chinesen alle zur genau gleichen Zeit mal einen Hüpfer machen.“

„Wie bitte? Was wird dann aus Mutter Erde? Was bilden die sich ein?“, war mein spontaner Gedanke, und in dem gleichen Moment war China auch schon in meinem Kühlschrank. Wie soll ich sagen ‒ für den Kühlschrank war das jetzt wirklich lebensgefährlich. Von den rund eine Milliarde, zweihundertsechsundsechzig Millionen und einhundertausend Chinesen schafften es genau zwei nicht mehr rein. Das blieb uns deshalb nicht verborgen, weil die beiden fuchsteufelswild in der Bierstube aufkreuzten. Der Wirt bot seinen ganzen Gastronomencharme auf, rief unterwürfigst „Ni hao, ni hao!“ und drängte ihnen ein Bier auf. Das ließ ihre Wut ein wenig verrauchen. Weil aber natürlich eine bleibendere Lösung gefunden werden musste, tat ich uns allen den Gefallen und komplimentierte die beiden kurzerhand in die Kneipenkühltruhe. „Jetzt geht das also auch bei mir. Allerhand!“ murmelte der Wirt und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.

In dieser Nacht gingen wir erst auseinander, als wir alle sternhagelvoll waren.

Es war schon gegen Mitternacht, als ich wieder zurück in meiner Bude war. Im Dunkeln stand der Kühlschrank und wartete auf mich. Brumm. Sein Lärm hörte sich heute besonders angestrengt an. „Gleich von einem ganzen Jahrhundert Abschied nehmen zu müssen, das ist sicher selbst für einen Kühlschrank keine Kleinigkeit.“ Unter solcherlei Gedanken entledigte ich mich meines Mantels. Ich zog mich um, wusch mir das Gesicht, putzte mir die Zähne und rang mit mir: Soll ich, soll ich lieber nicht? Als ich bereits zum zweiten Mal fest beschlossen hatte, es lieber bleiben zu lassen, riss ich sie dann aber doch auf, die Kühlschranktür. Es war damit zu rechnen gewesen, aber trotzdem haute mich der Anblick um: bis auf die zwei Ausreißer das ganze riesige Volk der Chinesen. „Alles außer Kontrolle“, entfuhr es mir. Das Maul weit offen, stand ich da wie ein Depp. Ein furchtbarer Saustall. Ich wusste nicht mehr wie und was, wusste weder aus noch ein. Denn das da

war eine komplette Welt.

Ich breitete meine Schlafmatte auf den Boden und legte mich hin. Durch den Spalt zwischen den zwei Fensterflügeln drang ein kalter Luftzug ins Zimmer. Die letzte Nacht dieses Jahrhunderts hielt also unsere Welt kühl. „Zumindest in dieser einen Nacht hat das ständige Verderben kurz mal Pause“, so mein Gedanke.

Der Schlaf wollte und wollte nicht kommen. Auch im kommenden Jahrhundert passiert sicher wieder alles Mögliche. Unzählige Menschen sterben, unzählige werden geboren. Meine Gedanken hatten keinen Boden und kein Ende und bissen sich doch in den Schwanz.

Wohin gingen all die Seelen der Gestorbenen?

Wahrscheinlich fliegen sie in den Weltraum.

In einer Kühlanlage namens Stratosphäre werden sie nämlich frischgehalten.

Irgendwann, wenn ihre Zeit reif ist, kehrt jede Seele wieder zur Erde zurück.

Aus diesem Grunde sollte ich jedenfalls, dachte ich mir nun,

im kommenden Jahrhundert allen, die es auf diese Welt verschlagen hat, mit besonderer Wärme begegnen.

Weil ihnen sicher lange kalt gewesen sein wird,

viel zu kalt gewesen sein wird.

Endlich, zu guter Letzt, kam ein langer, wunderbarer Schlaf. Er überfiel mich wie ein Meteorschauer und legte sich über die nördliche Hemisphäre meines Gehirns. Mein Großhirn war jetzt die Wüste Gobi, durch die eine Herde Kamele zog. Die blickten Meteoren nach, wie sie schwarmweise, lange Kometenschweife hinter sich herziehend, erdwärts stürzten; dann ließen die Tiere müde ihre Köpfe hängen.

Im Dunkeln dort lärmte der Kühlschrank, noch lauter als sonst. Und das war also meine letzte Nacht im alten Jahrhundert.

7

Ich schlief dann bis zum Morgen durch. Wie immer spürte ich als erstes meinen leeren Magen, als zweites meine volle Blase. Ich stand auf, und nach wie vor war alles wie eh und je – aber irgendwie hatte ich trotzdem das Gefühl, als sei da irgendetwas ein wenig anders als sonst. War das wegen des Wechsels ins neue Jahrhundert? Kurz zog ich das in Erwägung, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Das war ja doch ausgeschlossen. Was war es aber dann? Ich leerte erst mal meine Blase und wusch mir den Schlaf aus den Augen. Als ich vom Bad wieder ins Zimmer trat, wurde mir schlagartig klar, was anders war.

Der Kühlschrank war still.

Was war denn da los? Ich drückte ein Ohr an den Schrank und lauschte, aber aus den Tiefen seines Innern drang nichts als ein stinknormales leises Kühlkreislaufbrummen. Was ging da vor? Mir rutschte das Herz in die Hose. Was war mit unserer Welt geschehen? Was war mit China, mit Amerika, und vor allem mit meinen Eltern? Ich riss die Kühlschranktür auf.

Zu meiner maßlosen Verblüffung war es drinnen fast vollkommen leer.

Nur im mittleren Fach

war ein sauberer weißer Teller, perfekt mittig platziert.

Und auf diesem Teller

prangte ein Block Castella, ein Eierkuchen.

Als nähme ich nun eine ganze Welt in die Hand,

so sorgsam fasste ich das Kuchenstück, hob es vom Teller und holte es aus dem Kühlschrank.

Es war ein überraschend warmer,

sauber zugeschnittener und sehr weicher Quader.

Tast- und Sehsinn vermittelten mir untrüglich, worum es sich hier handelte.

Ganz behutsam biss ich ein kleines Bröckchen ab.

Ein süßes, zartes Aroma zog mir durch Mundhöhle und Nase, breitete sich aus, bis weit in die Eustachische Röhre hinein.

Das hier

war ein Geschmack, um dessentwillen man alles vergeben und verzeihen konnte.

Wunderlich, aber

während ich diesen warmen, weichen Eierkuchen kaute,

flossen mir Tränen übers Gesicht.

***

Waschecht ein Waschbär

Respekt

„Respekt, Respekt.“ B blödelte nun schon die dritte Minute albern herum. Bei seinem zweiten ironietriefenden „Respekt“ knallte ich den Hörer aufs Telefon. Aber nicht, dass ich von B die Nase voll hatte oder dass er mit seiner Spöttelei den Bogen überspannt hätte. Es war nur so, dass über drei mit Bürokram und Geräten überladene Tischreihen hinweg die Stimme unseres Abteilungsleiters zu mir gedrungen war. Der Typ, der sogleich „Jawohl!“ brüllte und hinrannte, das war also ich, meines Zeichens Praktikant bei der Firma Wallstreet Communication. Praktikant im vierten Monat. Für meinen Teil fand ich eigentlich,

dass mir durchaus Respekt gebührte, allen Ernstes. Immerhin machte ich nun schon den vierten Monat brav diese Deppenarbeit. Praktikanten waren wir insgesamt acht. Will sagen: ich hatte sieben Konkurrenten. Mit einem Lohn konnte ich mich leider nicht brüsten, wir bekamen gerade mal so viel, dass es für die Fahrscheine reichte. Dafür durften wir aber im Büro oft sowieso die Nacht durcharbeiten; und genau einen Glücklichen von uns acht wollte die Firma nach Ablauf dieser sechsmonatigen Lehrzeit fest anstellen. Und der Rest? Tja ...! Der Prokurist meinte diesbezüglich: „Sehen Sie es auf jeden Fall als gute Erfahrung an.“ Aber wehe ihm, dachte ich, wenn ich wirklich leer ausgehe.

Für die anderen sieben ging es allerdings genauso um die Wurst. Das machte mich fertig. Nie eine Verschnaufpause. Zwei Tussis waren dabei, die, so raunte man sich zu, beim Englisch-Einstufungstest eine sagenhafte Punktzahl eingefahren hatten. Verbiesterte Streberinnen, das. Glaubten wohl, sie können alle anderen abhängen. Vier weitere waren eigentlich harmloses Mittelmaß und einer war überhaupt ein ziemlicher Knallkopf, aber alle gaben sie total Gas. Hatte keinen Sinn, herumzuschimpfen und nach Schuldigen zu suchen. Die Welt befand sich nun mal, schon längst, auf der schiefen Bahn, da war man als Einzelner machtlos dagegen. Sogar ich, auf der Uni noch gefeierter Sänger der Amateur-Rockgruppe Sam’s Sons, musste angesichts dieser Schieflage passen. War drum nur von früh bis spät keuchend damit beschäftigt, Sachen zu recherchieren, Kopien zu machen, Akten zu sortieren, Telefonate zu führen, Daten zu erheben, Kaffee zu servieren. „Gestern habe ich anstelle des Abteilungsleiters eine Milizübung absolviert. Ich meine, muss sich ein Rocksänger für so was hergeben?“ ‒ „Respekt, Respekt.“ B, unser Schlagzeuger, lachte echte Tränen.

„Sie haben mich gerufen?“

„Ja, ich dachte mir nämlich, Sie sind sicher gut in so was.“ Der Abteilungsleiter Son lächelte bei diesen Worten. So ein Dings-Programm wolle er furchtbar gern zum Laufen bringen, aber er schaffe es nicht selber. Ob ich es nicht doch irgendwie hinbekommen könne. Ich war erleichtert. Herr Son wirkte sonst immer übermäßig steif und darum irgendwie unnahbar. Obendrein war an diesem Tag die Stimmung sowieso völlig im Keller. Unsere Abteilung hatte nämlich gerade bei einer wichtigen Projektgeschichte, bei der wir gegen ein anderes Team hatten rittern müssen, den Kürzeren gezogen.

„Das ist

ein recht altes Spiel, wie mir scheint.“ ‒ „Ein recht altes Spiel, stimmt.“ ‒ „Zuerst müsste man einen Emulator installieren.“ ‒ „Einen Emulator?“ ‒ „Das zu erklären, würde jetzt etwas länger dauern.“ Im Handumdrehen hatte ich im Internet das Programm M.A.M.E. gefunden. Nachdem ich es installiert hatte, rief ich wieder das Spiel auf und klickte auf „Ausführen“. Ein Kinderspiel. Und alles funktionierte.

„Was ist denn

das?“ ‒ „Das ist der Waschbär, sieht man doch.“ ‒ „Der Waschbär, sagen Sie?“ ‒ „Genau, der Waschbär.“ Tatsächlich, nach einer Katzenmusik, die irgendwie so klang, als würde ein Gespenst ungekochten Reis zerbeißen, tauchte in einer Ecke des Bildschirms ein zu dieser Katzenmusik auch irgendwie dazupassender Waschbär auf. Der Abteilungsleiter verzog kurz seinen Mund zu einem Lächeln, das irgendwie nach „Na, bitte, da bist du ja!“ aussah und stürzte sich umstandslos ins Vergnügen. Das Spiel lief ungefähr so: Man steuerte den Waschbären durch die Gegend, der musste Obstzeugs sammeln und fressen und zwischendurch immer mal wieder vor so einer Art Ungeziefer Reißaus nehmen, das es auf ihn abgesehen hatte. Auf der Flucht verfolgte ihn dann neben dem Ungeziefer gern auch das Pech: Meist stürzte er ab und wurde von einer Reißzwecke aufgespießt, die gemeinerweise stets mit der Spitze nach oben dalag. Ein totaler Schwachsinn.

„Und, was sagst du dazu?“ ‒ „Also ... ich weiß nicht recht ...“ ‒ „Dir fehlen die Worte, nicht wahr?“ ‒ „Ja, stimmt.“ ‒ „Als ich in der Mittelschule war, haben wir das alle gespielt. Damals gab es Spielhallen, da standen zehn Geräte nur für den Waschbären nebeneinander in einer Reihe. Man stand draußen Schlange, alles war verrückt nach diesem Spiel, da gab’s überhaupt keine Ausnahme.

Es war eine gute Zeit.“

Durchaus möglich, dachte ich bei mir. Wenn Waschbären und Mittelschüler so gut miteinander befreundet waren, dann konnte das keine schlechte Zeit gewesen sein. Als der Abteilungsleiter meinte: „Wie wär’s, willst du es auch mal probieren?“, lehnte ich allerdings dankend ab. Wie es früher mal war, konnte ich nicht beurteilen, was aber die Gegenwart anlangte, so hatte ich noch nie von enger Freundschaft zwischen Praktikanten und Waschbären gehört. In dem Punkt war ich mir ganz sicher.

„Enttäuschend.“

Das war wie eine Ohrfeige. Ich war ganz perplex: „Wie bitte?“ ‒ „Es ist enttäuschend, habe ich gesagt.“ ‒ „Was ist denn enttäuschend?“ ‒ „Ich hatte fest damit gerechnet, dass du den Waschbären magst.“ Sons Gesicht war bei dieser Unterhaltung nur dem Bildschirm zugewandt und seine Hände ganz vom Spiel in Anspruch genommen, darum war es, als hörte man die Stimme von jemand anderem. „Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen nicht weiter behilflich sein kann“, sagte ich kleinlaut und trat den Rückzug an. Beim Weg vorbei an den drei Schreibtischreihen war mir, als hätte ich drei Gebirgsketten zu überwinden. Konnte ich wissen, dass der Abteilungsleiter so auf diesen Waschbären steht? So eine Firma war eine echte Schlangengrube!

Ich hatte dann einen hektischen Nachmittag, an dem ich nicht wusste, wo mir der Kopf stand, bis irgendwann der Prokurist höchstselbst nach mir rief. Ich brüllte mein kräftiges „Jawohl!“ und sprintete los. Eifersüchtige Blicke schossen mir nach wie Pfeile und trafen mich in den Rücken. Der Beschuss kam von den zweien, die beim Englischtest so gut abgeschnitten hatten. Ihre Pfeilspitzen waren mit Gift getränkt. Mein Gott, diese Ahnungslosen, die wussten genauso wenig wie ich, was der Prokurist von mir wollte.

„Schau her, was hast du da angerichtet?“

Seine Frage klang nach „Mach mir nichts vor, ich weiß schon alles“, aber ich hatte tatsächlich keinen blassen Schimmer. „Was meinen Sie denn?“ ‒ „Dort drüben, der Abteilungsleiter Son.“ Ich schaute hinüber, und da war er, heilige Scheiße, nach wie vor begeistert mit dem Waschbären zugange. „Man hat mir zugetragen, dass du derjenige warst, der den Waschbären auf Sons Computer losgelassen hat?“ ‒ „Das ist nicht ganz die Wahrheit, es ...“ Mir drängten sich allerlei Wörter auf, Emulator beispielsweise, oder M.A.M.E., aber was, fragte ich mich, sollte der Prokurist, dieser fünfzigjährige Altknacker, mit so einer Erklärung anfangen? Er machte sowieso eine Miene, die zu verstehen gab, dass Ausreden bei ihm keine Chance hatten. „Das geht jetzt schon Stunden so. In der Zwischenzeit hat er zwei Tüten Gemüsecracker und drei Packungen Kartoffelchips gefressen. Die Symptome sind eindeutig.“ ‒ „Symptome? Wovon sprechen Sie?“

„Von der Waschbärentollwut.“

„Wie bitte?“ ‒ „Er ist schon angesteckt. In Amerika werden zur Ausrottung dieser Krankheit jährlich bis zu einer Milliarde Dollar investiert. Zeitweise hat man früher über ganz Ohio, flächendeckend, von Flugzeugen aus ein Mittel gegen diese Tollwut versprüht. Jedenfalls darf ich gar nicht dran denken, dass ein Waschbär in meinen Bereich eingedrungen ist. Selbst wenn du von all diesen Dingen nichts gewusst haben solltest, hättest du mich doch zuerst fragen können, ehe du so einen Waschbären freisetzt. Siehst du das nicht selber ein?“

Mir derart den schwarzen Peter zuschieben, das war denn doch ein starkes Stück. Was konnte denn ich dafür? Und was bitte sollte das mit der Waschbärenseuche? Was war denn das für ein Schwachsinn? „Pass auf: Früher galt der Waschbär als ein Plünderer, der auf der Suche nach Essbarem in die Scheunen der Bauern einbrach. Mittlerweile schmarotzt er in Unternehmen und Firmen. Will sagen, er ist noch gefährlicher als jeder Spion. Was hast du überhaupt an der Uni gelernt? Der Waschbär ist der Feind jedes Betriebs, ein Feind der Menschheit. Merkst du dir das?“

„Ja.“

„In Zukunft also Vorsicht, wär doch schade um so einen Süßen!“ Dabei fasste er mir kurz ans Kinn und ruckelte daran. Mir war eher, als würde er dabei sagen „Du bist draußen!“, und dementsprechend angepisst war ich. In was für einer Firma war ich da, um Himmels Willen, gelandet? Unwillkürlich entfuhr mir ein Seufzer, aber das war auch schon alles, was ich hervorbrachte. Etwas raschelte und knisterte. Der Abteilungsleiter Son wühlte sich gerade durch seine dritte Tüte Gemüsecracker.

Ein Jammer,

ein Jammer! „Ursprünglich war er ja ein tüchtiger Mitarbeiter“, meinte der Prokurist, während wir den Computer des Abteilungsleiters Son neu formatierten. Es war wie bei diesem Flächendeckend-vom-Flugzeug-aus-den-ganzen-Bundesstaat-mit-einem-Impfstoff-Überziehen ‒ genauso konsequent formatierten wir den Computer nun schon zum dritten Mal neu. Ein Durchschnittsmensch war er jedenfalls nicht, unser Prokurist.

Am Vortag hatte der Abteilungsleiter Son die Firma verlassen. Das mit dem Waschbären hatte bloß zwei Wochen davor seinen Anfang genommen. Nach außen hin hieß es, Son habe die Verantwortung für den Misserfolg der Wettbewerbspräsentation seines Teams übernommen, aber der wahre, freilich nur dem Prokuristen und mir bekannte Grund war die Waschbärentollwut. War das nicht der jämmerlichste Grund, den man sich vorstellen kann?

Also wenn man so will, war das alles schon sehr merkwürdig. Der Abteilungsleiter Son hatte den ganzen lieben Tag lang selbstvergessen dem Waschbärenspiel gefrönt und innerhalb kurzer Zeit extrem Fett angesetzt. Klar, es war auch nur allzu natürlich, dass er zunahm, wenn er ohne Unterlass irgendwas futterte. Aber diese Maske rund um seine Augen, war die ebenfalls nur allzu natürlich? Also ich hätte mir keine Antwort auf diese Frage zugetraut. Um seine Augen herum wimmelte es auf jeden Fall auf einmal von so etwas wie lauter schwärzlichen Sommersprossen; von Weitem betrachtet, sah das aus wie ein schwarzes Band, links und rechts spiegelgleich. „Was ist denn das, der sieht ja schon komplett aus wie

ein Waschbär.“

So munkelten die Leute. Gewiss, seine Sommersprossen mochten einfach vom übermäßigen Computerspielen entstanden sein. Aber egal, die Leute begannen jedenfalls alsbald den Abteilungsleiter Son zu meiden. Von Tag zu Tag wurden die Sommersprossen rund um seine Augen immer dunkler, und dementsprechend sah er einem Waschbären immer ähnlicher. „Gibt es da kein Mittel dagegen?“, fragte ich den Prokuristen, aber der meinte schlicht: „Nein, leider nicht.“ Und aus diesem schlichten Grund blieb der Abteilungsleiter Son nun überall außen vor.